LVwG-600800/2/FP
Linz, 22.04.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von R.M., geb. x, x, vertreten durch Dr. G.H., RA in B., gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau, vom 3. März 2015, GZ: VerkR96-3268-2014, wegen einer Übertretung der StVO,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Die belangte Behörde warf der Beschwerdeführerin (Bf) mit dem angefochtenen Straferkenntnis zusammengefasst vor, sie sei mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl sie und die Person in deren Vermögen ein Sachschaden eingetreten sei, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen hätten.
Die belangte Behörde verhängte eine Geldstrafe iHv 200 Euro (96 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) und sprach aus, dass die Bf 20 Euro an Verfahrenskosten zu zahlen habe. Nach Darstellung des Verfahrenshergangs begründete die belangte Behörde wie folgt:
Gemäß § 4 Abs. 1 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, nach lit a, wenn sie ein Fahrzeug lenken sofort anzuhalten.
Weiters haben diese Personen gem. § 4 Abs. 5 StVO, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die bei Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Sachschaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Die Verpflichtung nach einem Verkehrsunfall sofort anzuhalten, gilt grundsätzlich auch bei lebhaftem Verkehrsaufkommen. Die Einwendung, der Lenker habe den Verkehr durch sofortiges Anhalten nicht blockieren wollen und einen freien Parkplatz gesucht, vermag diesen nicht zu entschuldigen... VwGH vom 25.11.1988, 85/18/0091, ZVR 1989/180.
Nach dem der Zweitbeteiligte sein Fahrzeug in der Unfallsendlage beließ und es auch bis zur Kontaktaufnahme mit dem Unfallsbeteiligten Ihre Verpflichtung gewesen wäre, kann man nicht davon sprechen, dass der Zeitbeteiligte sein Fahrzeug verkehrsbehindert abgestellt hat, sondern ist er lediglich seiner Verpflichtung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO nachgekommen.
Das Verfahren nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO wurde nur deshalb nicht gegen Sie eingeleitet, weil Sie in Sichtweite vom Zweitbeteiligten Ihr Fahrzeug anhielten.
Ohne unnötigen Aufschub kann nur verstanden werden, dass die Meldung über einen Verkehrsunfall, bei dem Sachschaden entstanden ist, nach Durchführung der am Unfallort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrssicherheit erscheinenden Maßnahmen bzw. nach vergeblichem Versuchs des Identitätsnachweises zu erfolgen hat. (VwGH, 12.11.1970, 11/1/69, ZVR 1971/34).
Aus der Zeugenaussage von Herrn G. geht hervor, dass er Ihnen, nach dem ein Identitätsnachweis nicht möglich war, mitgeteilt hat, dass er die Polizei verständigen wird und Sie als er telefonierte, die Unfallsteile zu Fuß verließen.
Für die Behörde besteht für kein Grund, Aussagen von Zeugen anzuzweifeln, zumal jene auf Grund der verfahrensrechtlichen Stellung als Zeugen der Wahrheitspflicht unterliegen und bei deren Verletzung mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen müssten, während sich ein Beschuldigter zu seinen Gunsten rechtfertigen kann, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.
Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass es der Erfahrung des Lebens entspricht, dass kein Verkehrsteilnehmer gegen einen andern Straßenbenützer Anzeige erstattet, wenn diese nicht den Tatsachen entspricht, zumal kaum jemand die mit einer solchen Anzeigeerstattung verbundenen "Unannehmlichkeiten", wie z.B. die zu erwartende Zeugenvernehmung durch die Verwaltungsbehörde, grundlos auf sich nimmt.
Auf Grund dieser Aussage steht für die Behörde fest, dass Sie bereits vor dem Verlassen der Unfallstelle Kenntnis hätten haben müssen, dass der Zweitbeteiligte den Vorfall bei der Polizei anzeigt.
Gesetz dem Fall, dass ihnen dies entgangen ist, hätten Sie spätestens nach dem Sie zu Hause waren, wo Ihnen ein Telefon zur Verfügung stand, die Polizei verständigen müssen. Eine Verständigung bei der Rückkehr zum Unfallort ist jedenfalls als verspätet zu qualifizieren.
Grundsätzlich ist zu den Feststellungen des Meldungslegers anzuführen, dass den zur Wahrung der Vorgänge des öffentlichen Straßenverkehrs, insbesondere zur Überwachung der Einhaltung der verkehrspolizeilichen Vorschriften bestellten und geschulten Organen der Straßenaufsicht nach ständiger Judikatur auf Grund der Ausbildung und Erfahrung schon die Befähigung zuzuerkennen ist, die Sachlage zutreffend zu beurteilen.
Weiters besteht für die Behörde kein Grund, Aussagen von Polizeibeamten anzuzweifeln, zumal jene auf Grund Ihres Diensteides und der verfahrensrechtlichen Stellung als Zeugen der Wahrheitspflicht unterliegen und bei deren Verletzung mit straf- und dienstrechtlichen Sanktionen rechnen müssten, während sich ein Beschuldigter zu seinen Gunsten rechtfertigen kann, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.
Die Behörde sieht daher keinen Grund die Zeugenaussagen anzuzweifeln.
Auf Grund der eindeutigen Gesetzeslage konnte daher auf die Zeugeneinvernahme ihres Gattens verzichtet werden, da die Verwaltungsübertretung bereits vor dem Eintreffen Ihres Gattens an der Unfallstelle gesetzt wurde.
Auf Grund der Akten- und Rechtslage haben Sie die Ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu Verantworten.
Gem. § 19 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind gem. Abs. 2 überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Strafrahmen reicht gem. § 99 Abs. 3 lit b StVO bis 726,00 Euro.
Bei der Strafbemessung wurde auf Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (it. Schätzung ca. 800 Euro mtl. Nettoeinkommen, kein Vermögen, Sorgepflichten) Bedacht genommen.
Zudem wurde die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit strafmildernd berücksichtigt.
Die verhängte Strafhöhe ist laut Meinung der Behörde aus spezialpräventiven Gründen notwendig um Sie künftig von gleichgelagerten Übertretungen abzuhalten.
Es sei somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
I.2. Im rechtzeitig eingebrachten Beschwerdeschriftsatz vom 19. März 2015 brachte die Bf, anwaltlich vertreten, zusammengefasst vor:
Das angefochtene Straferkenntnis sei zu Unrecht ergangen und das Verfahren mangelhaft geblieben.
Es sei zwischen den Unfallbeteiligten zu einer Auseinandersetzung gekommen. Die Bf habe die Polizei verständigen wollen, habe jedoch ihr Handy nicht bei sich gehabt. Sie sei deshalb 100 – 150 m zu ihrem Wohnhaus gegangen um die Polizei zu verständigen und ihren Gatten zu holen. Sie habe ihr Handy geholt und sei gemeinsam mit ihrem Gatten wieder zur Unfallstelle gegangen. Bei Verlassen des Hauses habe sie, um 10.51 Uhr die Polizei verständigt. Da die Bf festgestellt habe, dass die Polizei gerade eingetroffen war, habe sie das Telefonat abgebrochen. Die Verständigung sei ohne unnötigen Aufschub erfolgt.
Dies könne vom Gatten der Bf bezeugt werden, dessen Einvernahme trotz Relevanz nicht erfolgt sei.
Die Verständigung der Polizei binnen 10 Minuten sei rechtzeitig.
II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Einsicht in das Internet (W.). Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte unterbleiben, da lediglich eine Rechtsfrage zu klären war, eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine der Parteien eine Verhandlung beantragt hat.
II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:
Am 18.4.2014 um 10.40 Uhr ereignete sich im Gemeindegebiet von Braunau am Inn, vor der Liegenschaft D. ein Verkehrsunfall an dem die Bf mit einem PKW Citroen x, x sowie Hr. W.G. mit seinem PKW Audi x, x beteiligt waren. Beide PKW wurden in Form eines Lackabriebs im Bereich des jeweiligen linken Seitenspiegels beschädigt (Akt).
Die Unfallbeteiligten gerieten in ein Streitgespräch und wiesen einander Namen und Anschrift nicht nach (übereinstimmende Aussagen).
Die Bf wollte die Polizei herbeirufen, hatte aber kein Telefon bei sich. Sie verließ die Unfallstelle zu Fuß um von zuhause ihr Mobiltelefon zu holen (Bf-Vorbringen). Die Bf wohnt an der Adresse x. Das Wohnhaus der Bf liegt 3 Gehminuten von der Unfallstelle entfernt. Die Bf nahm ihr Handy an sich und wählte am Rückweg zur Unfallstelle um 10.51 Uhr die Notrufnummer 133 (vorgelegte Fotos). Sie unterbrach den Wählvorgang als sie sah, dass die vom Unfallgegner bereits gerufene Polizei an der Unfallstelle eintraf (Bf-Vorbringen). Bei Eintreffen der Polizei waren beide Unfallbeteiligten am Unfallort.
II.3. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt.
Zu jenen Fakten, die für das vorliegende Verfahren von Relevanz sind, stimmen die Aussagen der beteiligten Unfalllenker weitgehend überein. Es handelt sich dabei primär um die Frage des Entfernens von der Unfallstelle. Der Umstand, dass die Bf mit ihrem Handy einen Anruf bei der Polizei getätigt hat, ergibt sich aus den von ihr mit der Stellungnahme vom 23.4.2014 vorgelegten Fotos. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Echtheit der vorgelegten Fotos zu zweifeln.
Insbesondere deckt sich die angegebene Zeit (10.51 Uhr) mit den übrigen Angaben im Akt. Geht man davon aus, dass die Auseinandersetzung zwischen den Unfallbeteiligten durchaus ein paar Minuten in Anspruch genommen haben muss und legt man die Wegzeit von 3 Minuten zum Wohnhaus und retour zurück (insgesamt 6 Minuten), sind die angegebenen Zeiten gut miteinander in Einklang zu bringen. Die Wegzeit konnte im Internet ermittelt werden.
III. Das Landesverwaltungsgericht OÖ. hat erwogen:
III.1. Rechtliche Grundlagen
§ 4 Abs 5 StVO lautet:
[...]
(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
[...]
III.2. Für das gegenständliche Verfahren ist einzig von Relevanz, ob das Anrufen bei der Polizei, welches nachweislich um 10.51 Uhr erfolgt ist, bzw die annähernd gleichzeitige Kontaktaufnahme mit der eingetroffenen Polizei am Unfallort als rechtzeitig iSd Formulierung „ohne unnötigen Aufschub“ zu qualifizieren ist.
Sämtliche aus dem Behördenakt hervorgehende Beweisergebnisse zur Frage des Verhaltens der Beteiligten zueinander oder den Polizeibeamten gegenüber ist von keiner Relevanz für das Verfahren. Nicht relevant sind insbesondere die Zeugenaussagen der Polizisten, zumal das Verhalten, welches die belangte Behörde als Verstoß gegen § 4 Abs 5 StVO (Anruf erst am Rückweg, nicht schon zuhause) wertet, bereits vor Eintreffen der Polizei stattgefunden hat. Ebenso wenig ist für das Verfahren von Relevanz, ob der andere Unbeteiligte selbst die Polizei gerufen hat, oder nicht. Einen rechtlich relevanten Widerspruch zwischen den Aussagen der Zeugen und dem Vorbringen der Bf vermag das Gericht nicht zu erkennen.
Nach der Judikatur des VwGH ist die Dauer der im Gesetz mit der Formulierung „ohne unnötigen Aufschub“ beschriebenen Zeitspanne einer exakten Bestimmbarkeit nicht zugänglich. Die Frage, ob die Erstattung der Meldung nötiger- oder unnötigerweise aufgeschoben wurde, sei nach der Lage des Einzelfalles zu beurteilen (VwGH 26.6.1974, 1925/73, ZVR 1975/129).
Der VwGH sprach weiters aus, dass die Auslegung der Gesetzesstelle „ohne unnötigen Aufschub“ nach strengen Gesichtspunkten zu erfolgen hat und eine erst 4 1/2 Stunden nach dem Unfall erstattete Meldung ohne Notsituation nicht mehr als „ohne unnötigen Aufschub“ angesehen werden kann (VwGH 25.9.1974, 751/74, ZVR 1975/129).
Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, kann unter „ohne unnötigen Aufschub“ nur verstanden werden, dass die Meldung über einen VU nach Durchführung der am Unfallort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrssicherheit erforderlich erscheinenden Maßnahmen bzw. nach vergeblichem Versuch des Identitätsnachweises zu erfolgen hat (VwGH 12.11.1970; 1771/69, ZVR 1971/134).
Aus der dargestellten Judikatur ergibt sich, dass zum einen ein strenger Maßstab an die Wendung „ohne unnötigen Aufschub“ anzulegen ist, zum anderen die Umstände des Einzelfalles zu betrachten sind. Insbesondere ist im vorliegenden Fall wesentlich, das rechtmäßige Alternativverhalten der Bf zu betrachten. Selbst aus der Einvernahme des Unfallgegners ergibt sich, dass die Bf „die Polizei dabei haben“ wollte (ZV Seite 2 unten). Es besteht kein vernünftiger Grund anzunehmen, dass die Bf nicht die Polizei rufen wollte.
Der VwGH geht davon aus, dass die Polizei gerufen werden muss, sobald die notwendigen Maßnahmen an der Unfallstelle gesetzt worden sind. Wie sie zu rufen ist, stellt das Gesetz nicht dar. Auf der Hand liegt in diesem Zusammenhang, dass dem Betroffenen jedenfalls jene Zeit verbleiben muss, die er benötigt um die Polizei zu rufen. Dies kann bei persönlicher Vorsprache jene Zeit sein, die auf dem Weg zur Polizei verstreicht, oder kann es jene Zeit sein, die dazu nötig ist, um zu einem Telefon zu kommen. Vorliegend wohnte die Bf in Gehweite zum Unfallsort. Sie hatte kein Telefon bei sich, war also gar nicht in der Lage, die Polizei sofort zu verständigen. Freilich hätte sie sich das Telefon vom Unfallsgegner ausborgen können, was angesichts der angespannten Situation jedoch kaum zumutbar war. Der Bf blieb also nichts anderes übrig, als ihr in 3 Minuten Gehweite entfernt befindliches Telefon zu holen. Die Frage, ob die Bf, wie die belangte Behörde vermeint, sogleich bei Eintreffen zuhause oder auf dem Weg zurück zum Unfallsort den Anruf tätigen muss, ist angesichts des Abspielens im unteren einstelligen Minutenbereich von keiner Relevanz für die Rechtzeitigkeit, weil sie kaum Einfluss darauf hat, wann der Unfallgegner die Daten des anderen Beteiligten von der Polizei erhält.
Dass die Bf, als ihr das Eintreffen der Polizei auffiel, wieder aufgelegt hat, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, zumal der Sachverhaltsaufnahme durch die Polizei dann nichts mehr im Wege stand und ein neuerlicher Anruf sinnlos gewesen wäre.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass angesichts einer feststellbaren Zeitdauer von etwa 11 Minuten zwischen Unfallsereignis und Anrufversuch, auf den offensichtlich unmittelbar die Unfallsaufnahme durch die Polizei folgte unter dem Gesichtspunkt, dass dem Entfernen der Bf eine wohl mehrminütige Diskussion mit dem Unfallsgegner vorangegangen war, die Bf kein Telefon bei sich hatte und der Fußweg zu ihrem Haus gerade 3 Minuten in Anspruch nimmt, davon auszugehen ist, dass die Verständigung der Polizei rechtzeitig, also ohne unnötigen Aufschub, erfolgte.
Es sind iSd Judikatur zwar strenge, aber nicht überschießende Maßstäbe an das Verhalten eines Unfallsbeteiligten anzulegen.
Die Handlungspflicht des Betroffenen darf auch vor dem Hintergrund des Zwecks der Norm (Möglichkeit die Daten des Unfallgegners in Erfahrung zu bringen; vgl. VwGH 11.5.2004, 2004/02/0064) nicht überspannt werden.
Der VwGH spricht etwa aus, es lasse sich aus § 4 Abs 5 StVO 1960 nicht ableiten, dass die Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle unter Verwendung der nächstgelegenen, zur allgemeinen Benützung vorgesehenen Fernmeldeeinrichtung erfolgen MUSS, also bereits dann eine Verwaltungsübertretung nach der zitierten Bestimmung begangen wird, wenn die fernmündliche Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zugunsten einer persönlichen Verständigung unterblieben ist (VwGH 10.4.1981; 3119/80).
Aus dieser Judikatur lässt sich ableiten, dass die Bf nicht gehalten war, die erste Gelegenheit zur Verständigung der Polizei zu nutzen (nach Ansicht der belangten Behörde das Einlangen zuhause). Vielmehr kommt es darauf an, dass der Bestimmung in Ansehung ihres Normzwecks dem Grunde nach entsprochen wurde.
Vorliegend kam die Bf innerhalb kürzester Zeit zur Unfallstelle zurück nachdem sie – notwendigerweise – ihr Telefon geholt hat, um ihrer Verpflichtung nachzukommen.
Der Umstand des Entfernens von der Unfallstelle an sich ist nicht Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs 5 StVO sondern wäre allenfalls im Rahmen des § 4 Abs 1 lit c StVO (Mitwirkungspflicht) zu diskutieren gewesen.
III.3. Das zugrundeliegende Straferkenntnis war daher schon mangels Erfüllung des objektiven Tatbestandes aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Pohl