LVwG-600645/9/Sch/CG – 600650/9

Linz, 05.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Gustav Schön über die Beschwerden der Frau J H, geb. 1985, R, L, gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11. November 2014, GZ: VerkR96-5156-2014, VerkR96-5157-2014, VerkR96-5159-2014, VerkR96-5173-2014, VerkR96-5175-2014 und VerkR96-5177-2014, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung samt Verkündung der Entscheidung am    24. Februar 2015

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird den Beschwerden Folge gegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden behoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

zu I.

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (in Folge: belangte Behörde) hat Frau J H (der nunmehrigen Beschwerdeführerin) in den angefochtenen Straferkenntnissen vom 11. November 2014, GZ: VerkR96-5156-2014, VerkR96-5157-2014, VerkR96-5159-2014, VerkR96-5173-2014, VerkR96-5175-2014 und VerkR96-5177-2014, die Begehung von Verwaltungsübertretungen gemäß § 52 lit.c Z 24 StVO 1960 in insgesamt sechs Fällen zur Last gelegt und Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, wobei die Tatvorwürfe im Einzelnen lauten:

 

a) „Sie haben das deutlich sichtbar aufgestellte Vorrangzeichen „HALT“ dadurch nicht beachtet, indem Sie das Fahrzeug nicht an einer Stelle angehalten haben, von der aus gute Übersicht besteht, sondern sind ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren.

Tatort: Gemeinde Lengau, Gemeindestraße Freiland, R.straße, Kreuzung R.straße-E.-Gemeindestraße, Richtung E. Gemeindestraße.

Tatzeit: 15.05.2014, 15:30 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit. c Z 24 StVO

Fahrzeug: Kennzeichen X, PKW Suzuki SX4 1,6 GLX 5DR 4WD, grau/silberfarbig.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

50 Euro 20 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 60 Euro.“

 

 

b) „Sie haben das deutlich sichtbar aufgestellte Vorrangzeichen „HALT“ dadurch nicht beachtet, indem Sie das Fahrzeug nicht an einer Stelle angehalten haben, von der aus gute Übersicht besteht, sondern sind ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren.

Tatort: Gemeinde Lengau, Gemeindestraße Freiland, R.straße, Kreuzung R.straße-E.-Gemeindestraße, Richtung E. Gemeindestraße.

Tatzeit: 23.05.2014, 08:35 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit. c Z 24 StVO

Fahrzeug: Kennzeichen X, PKW Suzuki SX4 1,6 GLX 5DR 4WD, grau/silberfarbig.

 

 

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

50 Euro 20 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 60 Euro.“

 

 

c) „Sie haben das deutlich sichtbar aufgestellte Vorrangzeichen „HALT“ dadurch nicht beachtet, indem Sie das Fahrzeug nicht an einer Stelle angehalten haben, von der aus gute Übersicht besteht, sondern sind ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren.

Tatort: Gemeinde Lengau, Gemeindestraße Freiland, R.straße, Kreuzung R.straße-E.-Gemeindestraße, Verkehrszeichen „Halt“ auf der R.straße Richtung E. Gemeindestraße.

Tatzeit: 03.06.2014, 10:30 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit. c Z 24 StVO

Fahrzeug: Kennzeichen X, PKW Suzuki SX4 1,6 GLX 5DR 4WD, grau/silberfarbig.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

50 Euro 20 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 60 Euro.“

 

 

d) „Sie haben das deutlich sichtbar aufgestellte Vorrangzeichen „HALT“ dadurch nicht beachtet, indem Sie das Fahrzeug nicht an einer Stelle angehalten haben, von der aus gute Übersicht besteht, sondern sind ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren.

Tatort: Gemeinde Lengau, Gemeindestraße Freiland, R.straße, Kreuzung R.straße-E.-Gemeindestraße, Richtung E. Gemeindestraße.

Tatzeit: 26.06.2014, 08:23 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit. c Z 24 StVO

Fahrzeug: Kennzeichen X, PKW Suzuki SX4 1,6 GLX 5DR 4WD, grau/silberfarbig.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

50 Euro 20 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 60 Euro.“

 

e) „Sie haben das deutlich sichtbar aufgestellte Vorrangzeichen „HALT“ dadurch nicht beachtet, indem Sie das Fahrzeug nicht an einer Stelle angehalten haben, von der aus gute Übersicht besteht, sondern sind ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren.

Tatort: Gemeinde Lengau, Gemeindestraße Freiland, R.straße, Kreuzung R.straße-E.-Gemeindestraße, Richtung E. Gemeindestraße.

Tatzeit: 11.06.2014, 16:01 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit. c Z 24 StVO

Fahrzeug: Kennzeichen X, PKW Suzuki SX4 1,6 GLX 5DR 4WD, grau/silberfarbig.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

50 Euro 20 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 60 Euro.“

 

 

f) „Sie haben das deutlich sichtbar aufgestellte Vorrangzeichen „HALT“ dadurch nicht beachtet, indem Sie das Fahrzeug nicht an einer Stelle angehalten haben, von der aus gute Übersicht besteht, sondern sind ohne anzuhalten in die Kreuzung eingefahren.

Tatort: Gemeinde Lengau, Gemeindestraße Freiland, R.straße, Kreuzung R.straße-E.-Gemeindestraße, Richtung E.Gemeindestraße.

Tatzeit: 18.06.2014, 08:01 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 52 lit. c Z 24 StVO

Fahrzeug: Kennzeichen X, PKW Suzuki SX4 1,6 GLX 5DR 4WD, grau/silberfarbig.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

50 Euro 20 Stunden § 99 Abs. 3 lit. a StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 60 Euro.“

 

2. Gegen diese Straferkenntnisse hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerden erhoben. Diese sind von der belangten Behörde samt den Verfahrensakten dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt worden.

Dieses hatte gemäß § 2 VwGVG durch den zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

Am 24. Februar 2015 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung abgeführt, an welcher die Beschwerdeführerin und eine Vertreterin der belangten Behörde teilgenommen haben.

In dieser Verhandlung wurden auch weitere Beschwerdeverfahren abgehandelt, weswegen noch andere Beschwerdeführer anwesend waren.

Bezüglich dieser Verfahren ergehen noch gesonderte Entscheidungen seitens des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich durch die zuständige Richterin.

 

 

3. Sämtliche gegenständliche Straferkenntnisse fußen auf Anzeigen des Herrn J O, welcher ein Haus in derselben Straße wie die Beschwerdeführerin bewohnt. Diese bei der örtlich zuständigen Polizeidienststelle eingelangten Anzeigen wurden der belangten Behörde zur Bearbeitung weitergeleitet.

Dem Aktenvorgang kann entnommen werden, dass der Anzeigeleger in seinem Haus zwei Beobachtungsplätze eingerichtet hat. Einer davon ist auf einem im Akt einliegenden Lichtbild dokumentiert. Auf einem Tisch hält er demnach Schreibunterlagen und ein Fernglas bereit. Beobachtet wird die im Spruch der Straferkenntnisse angeführte Kreuzung, und das, wie den verschiedenen Uhrzeiten der angezeigten Übertretungen entnommen werden kann, offenkundig den ganzen Tag über.

 

Im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens hat die belangte Behörde mit Einverständnis des Anzeigelegers diese Beobachtungspunkte in Augenschein genommen. Dabei wurde von dem beigezogenen verkehrstechnischen Amtssachverständigen zweifelsfrei festgestellt, dass der Anzeigeleger bis zur Kreuzung grundsätzlich einwandfreie Sicht hat.

 

Zeugenschaftlich befragt hat der Anzeigeleger am 11. Juli 2014 bei der belangten Behörde Folgendes angegeben:

„Ich bin auf meinem Balkon, der verglast ist. Bevor das angezeigte Fahrzeug weg fährt (Nachbarsfahrzeug), sehe ich das Kennzeichen, sodass ein Ablesefehler auszuschließen ist. Vom Platz auf meinem Balkon habe ich Sicht auf die gegenständliche Kreuzung. Vorsichtshalber habe ich auch mein Fernglas der Firma Swarovski, Marke Habicht 8.30, Nr. X neben mir liegen. Nach dem Wegfahren beobachte ich das angezeigte Fahrzeug bis zur Kreuzung. Wenn das beobachtete Fahrzeug nicht an der Haltelinie der Kreuzung stehenbleibt, schreibe ich mir den Tag, die genaue Uhrzeit und das Kennzeichen auf einen Zettel. Danach mache ich Anzeige bei der Polizei. Diese Zetteln werden bei mir zu Hause aufbewahrt, die Kopie übermittle ich der Polizei.

Ich lege der Behörde ein Foto vor, welches mit meinem Fotoapparat Marke Panasonic DMV-TZ1 gemacht wurde.“

 

 

4. Der Anzeigeleger ist vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur oben angeführten Verhandlung als Zeuge geladen worden. Hierauf hat er durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit Schreiben vom 26. Jänner 2015 Folgendes mitteilen lassen:

„Mein Mandant O hat für 24.2.2015, 9:00 Uhr, in den im Betreff genannten Causen eine Zeugenladung erhalten. Wie Herr O bereits telefonisch Herrn Dr. Schön gegenüber mitgeteilt hat, ist eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich, weil zum einen auf Grund der schlechten Zugverbindungen nicht gewährleistet ist, dass Herr O pünktlich um 9:00 Uhr in Linz eintrifft und zum anderen Herr O auf Grund seines Alters und seiner Behinderung (70 % laut Bescheid des Bundessozialamtes) nicht in der Lage ist, die Fahrt ohne Beiziehung einer Begleitperson alleine zu meistern.

Aus dem letztgenannten Grund ist es meinem Mandanten auch nicht möglich, mit seinem PKW anzureisen. Herr O sieht sich nicht in der Lage, mit seinem PKW die Strecke Lengau-Linz zu meistern.

In der Sache selbst hat mich Herr O. gebeten, Ihnen mitzuteilen, dass er ohnedies keine weiterführenden Angaben machen kann, als er bereits vor der Bezirkshauptmannschaft Braunau zu Protokoll gegeben hat.“

 

Der Anzeigeleger ist zur Verhandlung auch tatsächlich nicht erschienen, sodass eine Befragung seiner Person nicht erfolgen konnte.

 

 

5. Dem gegenüber ist die Beschwerdeführerin, wie schon oben erwähnt, zur Verhandlung erschienen und hat dort Folgendes angegeben:

„Die Sichtverhältnisse an der Kreuzung sind, wie schon von meinem Gatten geschildert, sehr unübersichtlich. Ich bleibe daher auch stets an der Kreuzung stehen. Direkt vor der Stopp-Tafel hat es keinen Sinn anzuhalten, man muss ein Stück vorfahren, um Einsicht in die Kreuzung zu erlangen. Dort ist nämlich eine Hecke der Familie S. Auf den im Akt befindlichen Lichtbildern ist zu sehen, dass an der Stopp-Tafel vorbeigefahren werden muss, dann halte ich aber stets an, um in den Querverkehr einzusehen. Die Lichtbilder dokumentieren die schlechten Sichtverhältnisse an der gegenständlichen Kreuzung.

Ich kann daher nur wiederholen, dass ich stets vor der Kreuzung anhalte, wenn ich mein Fahrzeug dorthin lenke.

Die Fahrten am Morgen gegen 8:30 Uhr sind solche, wo ich die Kinder in die Spielegruppe gefahren habe.

Ich bin nicht so oft in diese Richtung unterwegs, hauptsächlich fahre ich in die andere Richtung, also Richtung Straßwalchen. In diesem Fall brauche ich die relevante Kreuzung nicht zu passieren.

Daher kann ich mich im Großen und Ganzen an jede einzelne Fahrt auch erinnern und nochmals betonen, dass ich stets mein Fahrzeug anhalte.

Die Anzeigen des Herrn O kann ich nur als aus der Luft gegriffen und unrichtig bezeichnen. Es stimmt keinesfalls, dass ich vor der Kreuzung nicht angehalten hätte.

Seitens Herrn O wird die Ansicht vertreten, wie ich aus einer Anzeige entnommen habe, dass man an der Kreuzung vor der Stopp-Tafel mindestens vier Sekunden anhalten müsste, um eine Übersicht über die Verkehrsverhältnisse zu erlangen. Diese Ansicht ist nach meiner Meinung keinesfalls richtig, so lange braucht man keinesfalls. Es genügt anzuhalten, entsprechende Blicke nach links, rechts und wieder nach links zu werfen, dann kann man gleich wieder weiterfahren. Es ist mir unerklärlich, wie er dazu kommt, eine solche lange Anhaltezeit für angemessen zu halten.

Zum Querverkehr an der Kreuzung ist zu sagen, dass hier oft Fahrzeuge mit hoher Geschwindigkeit vorbeifahren. Auch diese Tatsache spricht für meine Aussage, dass man unbedingt anhalten muss, bevor man in diese Kreuzung einfahren kann, wenn man von der Römerstraße kommt.

Bei der Querstraße handelt es sich um eine Freilandstraße, sodass die gesetzliche 100 km/h-Beschränkung gilt.“

 

Nicht nur die Beschwerdeführerin im hier gegenständlichen Verfahren, sondern auch die anderen anwesenden Beschwerdeführer haben in der Verhandlung solche und ähnliche Vorfälle geschildert.

Hiebei wurde dem erkennenden Richter der Eindruck vermittelt, dass dieser Personenkreis, alle in derselben Straße wie der Anzeigeleger wohnend, keinerlei Gründe liefern will, die ihm Anlass für irgendeine Reaktion, insbesondere für Anzeigen, gibt.

Dieser Personenkreis ist sich auch der Tatsache bewusst, dass er faktisch unter Dauerbeobachtung durch den Anzeigeleger steht. Es ist daher naheliegend, wenn die Beschwerdeführerin nicht nur wegen der Gefährlichkeit der gegenständlichen Straßenkreuzung aufgrund deren Unübersichtlichkeit jeweils ihr Fahrzeug vor der Kreuzung anhält, sondern auch deshalb, um Anzeigen zu vermeiden.

 

Die Beschwerdeführerin hat bei der Verhandlung einen besonnenen Eindruck hinterlassen und auch schlüssige Angaben gemacht, sodass sie als substanzielles Gegenvorbringen zu den Vorwürfen des Anzeigelegers zu qualifizieren sind.

 

Dem gegenüber ist letzterer, wie schon oben dargelegt, zur Beschwerde-verhandlung nicht erschienen. Das Gericht konnte sich also weder von seiner Person ein Bild verschaffen, noch eine Einvernahme im Hinblick auf die von ihm angezeigten Vorfälle durchführen. Aufgrund dessen konnte der Eindruck nicht gemindert werden, wonach der Anzeigeleger durch sein ungewöhnliches Verhalten, nämlich seine Nachbarn nahezu ständig zu beobachten, im Ergebnis es darauf anlegt, bei ihnen irgendwelche vermeintliche oder tatsächliche Fehlverhalten zu orten. Diese werden dann von ihm umgehend zur Anzeige gebracht. Ist schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung die permanente Fehlersuche bei anderen Personen höchst ungewöhnlich und unverständlich, kommt hier noch dazu, dass es dem Anzeigeleger darum geht, dass seine Beobachtungen von der Behörde auch sanktioniert werden. Er ist also offenkundig bestrebt, für seine Antipathie gegenüber seinen Nachbarn die Verwaltungsstrafbehörde zu instrumentalisieren, damit diese, was ihm als Privatperson ja nicht möglich ist, diese Personen „abstraft“. Den Nachbarn sollen dadurch wohl Nachteile erwachsen für ein von ihm vermutetes Unrecht, das ihm nach seiner Vorstellung durch diese Personen zugefügt worden ist.

 

Seitens des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich kann daher dem Anzeigeleger nicht jenes Mindestmaß an Objektivität zugesonnen werden, das erforderlich ist, um eine Anzeige in ein verurteilendes Erkenntnis münden zu lassen.  

 

 

6. Dazu kommt noch, dass der Anzeigeleger schon bei seiner oben angeführten zeugenschaftlichen Befragung vor der Erstbehörde lediglich seine allgemeine Vorgangsweise bei der Feststellung von vermeintlichen oder tatsächlichen Übertretungen dargelegt hat. Auf den jeweiligen einzelnen Fall ist er hiebei nicht eingegangen, offenkundig, weil ihm in Anbetracht der großen Vielzahl seiner Anzeigen nicht jeder einzelne Vorgang mehr erinnerlich sein kann.

 

Auch in seinem Schreiben an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vom 26. Jänner 2015 weist er darauf hin, dass er keine weiterführenden Angaben machen könne, als er bereits vor der Bezirkshauptmannschaft Braunau – eben im Sinne einer allgemeinen Schilderung – zu Protokoll gegeben habe.

 

§ 48 VwGVG sieht allerdings vor, dass, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen ist, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist.

Damit wäre es geboten gewesen, in dem Falle, dass der Anzeigeleger zur Verhandlung erschienen wäre, mit ihm jede einzelne angezeigte Übertretung im Detail zu erörtern. Nur dann, wenn er nachvollziehbare, objektive und damit für ein verurteilendes Erkenntnis in Frage kommende Angaben zu jedem einzelnen beobachteten Vorfall hätte machen können, wäre seine Aussage für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens von Entscheidungsrelevanz gewesen.

Da aber der Anzeigeleger zur Verhandlung nicht erschienen ist und demnach keine detaillierten Schilderungen der jeweiligen Vorfälle abgegeben hat und solche von ihm nach eigenen Angaben auch nicht zu erwarten waren, war ein Nachweis der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Übertretungen, die diese, wie oben wiedergegeben, schlüssig begründet bestreitet, nicht erbracht.

 

Deshalb war mit der Stattgebung der Beschwerden und der Einstellung der entsprechenden Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z1 VStG vorzugehen.

 

 

zu II.

Die Entscheidung über die Kosten ist in den dort zitierten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

 

zu III.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei /  die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

S c h ö n