LVwG-600528/5/KH

Linz, 28.04.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Katja Hörzing über die Beschwerde des Herrn M H, geb. X, A, R, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 4. August 2014, GZ: VStV/914300134681/2014, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.          Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 i.V.m. § 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als verspätet zurückgewiesen.

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.            1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 4. August 2014,  VStV/914300134681/2014, wurde über Herrn M F (im Folgenden: Bf), geb. X, A, R, gemäß § 20 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960 iVm § 99 Abs. 3 lit. a leg.cit. eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 60 Euro verhängt, da er am 11. März 2014 um 14.06 Uhr in Steyr, Eisenstraße Nr. x, Richtung Bahnhofparkdeck als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen X die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 15 km/h überschritten habe, wobei die Überschreitung mit einem Messgerät festgestellt worden und die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zugunsten des Bf abgezogen worden sei.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 9. August 2014 durch Hinterlegung, erhob der Bf mit E-Mail vom 23. September 2014, 16:03 Uhr, Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht. Die belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem behördlichen Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt (Einlangen 7. Oktober 2014).

 

 

II.          Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da ein Beschluss zu fassen war und die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, sowie einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

 

 

III.        Folgender Sachverhalt steht aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes fest:

 

1. Am 18. April 2014 erging seitens der Landespolizeidirektion Oberösterreich eine Anonymverfügung an Frau E A M F, A – R, E. Vorgeworfen wurde ihr das oben unter I. 1. genannte Delikt, wobei eine Geldstrafe von 50 Euro verhängt wurde.

 

2. Am 5. Juni 2014 erfolgte eine Lenkererhebung durch die belangte Behörde, welche Frau E A M F dahingehend beantwortete, dass Herr M F (Bf), geb. X, A, E zum fraglichen Zeitpunkt das genannte Kraftfahrzeug gelenkt habe.

 

3. Mit Strafverfügung vom 16. Juni 2014 wurde über den Bf aufgrund des oben unter I.1. zitierten Deliktes eine Geldstrafe von 60 Euro verhängt.

 

4. Gegen diese Strafverfügung, zugestellt durch Hinterlegung am 23. Juni 2014, erhob der Bf mit E-Mail vom 6. Juli 2014 (21:39 Uhr) Einspruch, welchen er damit begründete, dass im vorliegenden Fall die Bezirkshauptfrau von Steyr-Land zuständige Behörde wäre, der Einsatz eines Radargerätes in diesem Straßenbereich unzulässig gewesen wäre sowie dass Zweifel an der Einhaltung der Betriebsanleitung des Radargerätes bestünden.

 

5. Nach Einholung einer Stellungnahme des für die Messung zuständigen Beamten (im vorliegenden Fall krankheitsbedingt durch seinen Vertreter) erließ die belangte Behörde das mit vorliegender Beschwerde angefochtene Straferkenntnis vom 4. August 2014, VStV/914300134681/2014. Laut Rückschein wurde das Straferkenntnis am 9. August 2014 durch Hinterlegung am Postamt X zugestellt.

 

6.  Mit E-Mail vom 23. September 2014, 16:03, erhob der Bf die im gegenständlichen Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde. Darin verwies er insbesondere auf die seiner Ansicht nach bestehende Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie auf die unzulässige Aufstellung des Radargerätes in diesem Straßenbereich. Beantragt wurden die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Erteilung einer Ermahnung sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

7. Das Landesverwaltungsgericht hat im Rahmen seines Ermittlungsverfahrens den Bf im Rahmen eines Verspätungsvorhalts um Stellungnahme zu der verspätet eingebrachten Beschwerde ersucht. Mit E-Mail vom 5. März 2015 führte der Bf aus, dass er in Scheidung lebe und noch in E gemeldet, dort aber nicht aufhältig sei und seine Post immer etwas später erhalte. Er habe das Straferkenntnis vom 4. August 2014 vom Postamt am 25. August 2014 abgeholt und seinen Einspruch daher fristgerecht eingebracht. Er habe sich zu dieser Zeit in Österreich aufgehalten und könne daher keine Beweismittel wie Flugtickets etc. vorlegen. Dass er den Brief am 25. August 2014 abgeholt habe, könne lediglich seine Tochter bestätigen, da sie ihm seine Post immer nachbringe. Der Abschnitt, auf dem er auf der Post unterzeichnet habe, liege dort auf.

 

 

IV.         Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:

 

1. Rechtliche Grundlagen:

 

§ 7 Abs. 4 Z. 1, welcher die Regelung betreffend die Beschwerdefrist beinhaltet, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

„(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. .. Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung, …

 

 

§ 2 Z. 4 (Begriffsbestimmungen) Zustellgesetz (ZustG) lautet wie folgt:

4. „Abgabestelle“: die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;“

 

§ 8 Abs. 1 (Änderung der Abgabestelle) ZustG normiert, dass eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen hat.

 

§ 17 (Hinterlegung) ZustG lautet wie folgt:

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

 

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

 

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

 

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“

 

2. Das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. August 2014 wurde am      9. August 2014 am Postamt X hinterlegt, es wurde am Tag zuvor ein erfolgloser Zustellversuch vorgenommen, der Bf wurde mit Hinterlegungsanzeige von der Hinterlegung des behördlichen Schriftstücks am Postamt X verständigt. Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ist somit am 9. August 2014 eine wirksame Zustellung erfolgt.

 

3. § 8 ZustG fordert von einer Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Diese Bestimmung soll die Erreichbarkeit einer am Verfahren beteiligten Person sicherstellen und die ungesäumte Fortführung des Verfahrens ermöglichen (VwGH 21.10.1993, 91/15/0098, 0099).

Dies muss umso mehr auch für Parteien gelten, die bereits vor Beginn eines Verfahrens ihre Abgabestelle geändert haben – diesfalls ist eine Änderung der Abgabestelle der Behörde zumindest nach Erhalt des ersten behördlichen Schriftstücks mitzuteilen. Im vorliegenden Fall hätte der Bf spätestens zum Zeitpunkt, als ihm die Strafverfügung vom 16. Juni 2014 an die Adresse A, R, welche im gesamten weiteren Behördenverfahren sowie auch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht als Zustelladresse verwendet wurde, zugestellt wurde, der belangten Behörde unter Angabe seiner neuen Adresse bekanntgeben müssen, dass diese Adresse nicht seine aktuelle Abgabestelle sei. Dies hat der Bf jedoch während des gesamten Verfahrens vor der belangten Behörde sowie auch im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht unterlassen. Da die Strafverfügung vom 16. Juni 2014, welche am 23. Juni 2014 hinterlegt wurde, bereits einen Tag später abgeholt wurde, ergab sich aus Sicht der belangten Behörde auch keinerlei Hinweis darauf, dass der Bf nicht mehr an dieser Abgabestelle aufhältig sei, auch hat er in seinem Einspruch vom 6. Juli 2014 diesbezüglich keinerlei Mitteilung gemacht. 

Durch die Unterlassung der Mitteilung über die geänderte Abgabestelle muss sich der Bf auch die verspätete Einbringung der Beschwerde, welche aufgrund der wirksamen Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses durch Hinterlegung am 9. August 2014 eindeutig ist, vorhalten lassen.

 

Der Zeitpunkt der Abholung des hinterlegten Dokuments ist aufgrund der wirksam erfolgten Zustellung durch Hinterlegung am 9. August 2014 somit irrelevant.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich wiederholt ausgesprochen, dass in Anbetracht der Bedeutung von Rechtsmittelfristen jede Partei in Bezug auf deren Einhaltung eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft (zB VwGH 7.7.2001, 98/18/0068) – im Lichte dieser Judikatur hätte dem Bf als Partei in einem behördlichen Verfahren bewusst sein müssen, dass Rechtsmittelfristen einzuhalten sind und dass eine Einhaltung derartiger Fristen durch eine möglichst zeitnahe Zustellung von behördlichen Schriftstücken an ihn zu gewährleisten ist. Im Wissen, dass er aufgrund seiner aktuellen Wohnsituation – wie in seiner Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt ausgeführt – seine Post immer etwas später erhalte, hätte der Bf – auch zu seinem eigenen Vorteil – der belangten Behörde seine aktuelle Abgabestelle bekanntgeben müssen, um die Versäumung der ihm aufgrund der im Straferkenntnis enthaltenen Rechtsmittelbelehrung bekannten Rechtsmittelfrist zu vermeiden. 

 

Somit ist die im gegenständlichen Verfahren erhobene Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

 

4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte trotz Antrags des Bf abgesehen werden, da gemäß § 44 Abs. 4 VwGVG ein Beschluss zu fassen war, die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Aufgrund der unmissverständlichen Gesetzesbestimmung des § 8 Abs. 1 ZustG bzw. der Judikatur des VwGH zu der jede Verfahrenspartei treffenden erhöhten Sorgfaltspflicht bei der Wahrnehmung von Fristen hätte der Bf der Behörde seine geänderte Abgabestelle spätestens bei Erhalt der Strafverfügung vom 16. Juni 2014 bekanntgeben müssen. Die verspätete Einbringung des Rechtsmittels war klar ersichtlich, die Zustellung durch Hinterlegung ist am 9. August 2014 wirksam erfolgt, somit wurde mit Einbringung des Rechtsmittels per E-Mail am 23. September 2014 bei der belangten Behörde die vierwöchige Rechtsmittelfrist eindeutig überschritten, was bereits aus dem Behördenakt in Verbindung mit der Stellungnahme des Bf zum Verspätungsvorhalt durch das Landesverwaltungsgericht klar zu erkennen war. Eine mündliche Erörterung hätte zu keiner weiteren Klärung der Sachlage geführt.

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Katja Hörzing