LVwG-600617/3/MS
Linz, 03.04.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Monika Süß über die Beschwerde von Herrn Mag. G. W., vertreten durch G. K. L. Rechtsanwälte OG, M.-straße 31a, L., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg, vom 28. Oktober 2014, GZ: VerkR96-2156-2013, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und das Strafverfahren eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 28. Oktober 2014, VerkR96-2156-2013, wurde gegen Herrn Mag. G. W. (im Folgenden: Beschwerdeführer) wegen der Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 18 Stunden ausgesprochen sowie ein Kostenbeitrag von 10 Euro vorgeschrieben, weil dieser in der Gemeinde Langenstein, Gemeindestraße Freiland, D. Richtung Blindendorf am 15. Februar 2013, um 16.30 Uhr mit dem Fahrzeug Pkw, L., mit dem Kennzeichen PE-....., mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden (Wildunfall) in ursächlichem Zusammenhang gestanden ist und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt hat.
Begründend führt die Behörde aus, die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung sei aufgrund der Anzeige der Polizeiinspektion St. Georgen/Gusen als erwiesen anzusehen. Gegen die Strafverfügung vom 23. Juli 2013 habe der Beschwerdeführer Einspruch erhoben. Erst auf Aufforderung der Behörde am 24. Oktober 2013 mittels Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Beschwerdeführer am 4. November 2013 eine Stellungnahme abgegeben. Dabei habe der Beschwerdeführer angegeben, er vermute lediglich, dass die Delle von einer Wildberührung stamme. Tatsache bleibe jedoch, dass der Beschwerdeführer die Anzeige gelegt habe, um die Delle bei der Versicherung als Wildunfall zu melden und diesen Schaden von der Versicherung beglichen zu bekommen. Tatsache bleibe, dass der Beschwerdeführer den Unfall am 15. Juli 2013 gemeldet habe und als Unfallzeitpunkt 15. Februar 2013, 16.30 Uhr, bekannt gegeben habe. Dies rechtfertige auf jeden Fall eine Bestrafung nach § 4 Abs. 5 StVO.
Nach Maßgabe des § 19 VStG sei die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, zugrunde zu legen. Daher sei nach Ansicht der Behörde der für Spruchpunkt 1 festgelegte Strafbetrag ausreichend um den Beschwerdeführer in Zukunft von derartigen Übertretungen abzuhalten.
Überdies seien die in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Milderungsgrund sei die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers.
Auf das Ausmaß des Verschuldens sei besonders Bedacht zu nehmen.
Schließlich seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen.
Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Beschwerdeführer am 31. Oktober 2014 zugestellt wurde, hat dieser mit Eingabe vom 4. November 2014, rechtzeitig Beschwerde erhoben.
Diese wird wie folgt begründet:
Fehlende ausreichende Individualisierung nach § 44a VStG:
Nach ständiger Judikatur des VwGH stellt § 44 a lit a VStG 1950 das Erfordernis der Angabe der als erwiesene angenommenen Tat auf. Nach § 44 a lit a VStG 1950 ist rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu beschreiben, dass erstens die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, zweitens die Identität der Tat, zum Beispiel nach Ort und Zeit, unverwechselbar feststeht (etwa; VwGH 96/09/0265 vom 15.04.1998). Gegenständlich enthält schon die Anzeige keine dem Gesetz entsprechende Tatortfeststellung, als die „Gemeindestraße Freiland, D." eine lange Straße bzw. ein langer Straßenzug ist und daher die Feststellung des Tatortes mit „Gemeindestraße Freiland, D." keinesfalls ausreichen kann. Die Behörde hätte daher aufgrund der genannten Anzeige ein Verwaltungsstrafverfahren entweder gar nicht oder nur mit ausreichender Anlastung einleiten dürfen. Bei der gegenständlichen Sachlage hätte das Verfahren jedenfalls nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist wegen fehlender ausreichender Tatortkonkretisierung, wozu es im Regelfall der Angabe des Straßenkilometers bedurft hätte, eingestellt werden müssen. Die Fortführung des Verfahrens danach war gesetzwidrig und auch unvertretbar, weil es der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur entspricht, dass der Tatvorwurf auch hinsichtlich des Tatortes ausreichend konkretisiert sein muss. Dies erfordert eben nicht nur die Angabe der Straße, in der die Übertretung gesetzt worden sein soll, sondern auch der nächstgelegenen Hausnummer oder eines anderen in unmittelbarer Nähe gelegenen eindeutigen Tatortmerkmales.
Fehlende Erwägungen zur Beweiswürdigung - Scheinbegründung:
Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem Mangel, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern geeignet ist. Dazu gehört - ebenso wie im Zivilprozess - das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung bei der Erledigung der Beweisrüge {Zechner in Fasching! Konecny2 IV/I § 503 ZPO Rz 144 mwN; RIS-Justiz RS0043371 [T13, T20]). Zudem hat das Gericht nach § 39 Abs 1 und Abs 3 AußStrG in seine Entscheidung nachvollziehbare Erwägungen zur Beweiswürdigung aufzunehmen {Rechberger in Rechberger, AußStrG § 32 Rz 1). Diese Begründungspflicht darf zwar nicht überspannt werden. Im vorliegenden Fall führte das Erstgericht aber lediglich aus, „dass die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung aufgrund der Polizeianzeige als erwiesen anzusehen wäre". Das ist nicht mehr als eine Scheinbegründung, die nicht ausreichen kann. Die von der Erstbehörde getroffene Feststellung kann die angefochtene Entscheidung daher nicht tragen. Beim derzeitigen Stand des Verfahrens kann sie auch nicht auf andere Gründe gestützt werden. Die Erstbehörde stellt lediglich lapidar fest, dass die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung aufgrund der Polizeianzeige als erwiesen anzusehen wäre. Das ist nicht mehr als eine Scheinbegründung, die nicht ausreichen kann, weil konkrete Gründe für die Entscheidung fehlen und die Feststellung, die Verwaltungsübertretung „sei aufgrund der Polizeianzeige erwiesen" nur eine inhaltsleere Floskel ist, die über gebraucht werden oder so kursorisch behandelte, dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb die Erstbehörde getroffene entscheidungswesentliche Feststellungen für richtig hielt.
mangelhafte Beweiswürdigung:
Die in den Entscheidungsgründen wiedergegebene Beweiswürdigung der Erstbehörde ist lückenhaft, unklar, widersprüchlich oder mit den Denkgesetzen nicht vereinbar, weil sie sich in ihren Schlussfolgerungen so weit von einer gesicherten Tatsachengrundlage entfernt, dass die Ergebnisse sich letztlich als bloße Vermutungen darstellen. Die Beweiswürdigung der Erstbehörde ist unrichtig, unvollständig bzw. nicht schlüssig. So setzt sich die Erstbehörde in Wahrheit nicht, jedenfalls aber nicht ausreichend, mit meinem Vorbringen in der Rechtfertigung, wonach nicht mit Sicherheit fest steht, dass der festgesellte Schaden vom gegenständlichen Ereignis stammt, auseinander.
Ich habe vorgebracht: „Wie ich bereits bei der Polizeiinspektion angegeben habe, vermutete ich lediglich, dass die von mir festgestellte Delle von der von mir angegebenen Wildberührung stammte. Ob dies tatsächlich der Fall war, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe am Vorfalltag keine Beschädigung wahrgenommen. Erst rund einen Monat später ist mir erstmals die kleine Delle aufgefallen. Diese habe ich dem gegenständlichen Vorfall zugeordnet, kann dies jedoch nur vermuten. Die Delle kann auch eine andere Ursache gehabt haben und von einem anderen Vorfall stammen. Damit bleibt aber für eine Verurteilung kein Raum, weil nicht mit der im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen hundertprozentigen Sicherheit fest steht, dass der Schaden von der Wildberührung stammt".
Verfehlt und sachlich nicht nachvollziehbar ist die Begründung des Erstgerichtes es wäre erwiesen, dass der Schaden vom gegenständlichen Ereignis stammt, weil ich „die Schadenmeldung erstattet habe, um Schadenersatz von der Versicherung ansprechen zu können". Aber auch das ist eine reine Scheinbegründung, weil der Umstand, dass ich die Schadenmeldung zur Geltendmachung eines Versicherungsentschädigung erstattet habe, in Wahrheit nichts darüber aussagt, ob die im Nachhinein festgestellte Delle von der gegenständlichen Wildberührung stammt.
Die Erstbehörde hätte sich vielmehr mit dem Schadenbild und dem Inhalt meiner Rechtfertigung auseinandersetzen müssen, vor allem, dass mir die Delle im Fahrzeug erst rund einen Monat nach dem 15.2.2013 erstmals aufgefallen ist, was wenn es so war, nicht zwingend bedeutet, dass der Schaden von der gegenständlichen Wildberührung stammt, weil ja damit eine andere Ursache nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Dazu fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung der Erstbehörde, sodass der Erstbescheid an einem wesentlichen Begründungsmangel leidet. Hätte sich die Erstbehörde mit meine diesbezüglichen Vorbringen auseinandergesetzt, hätte es ohne weiteres zum Ergebnis gelangen können, dass die Tatbildvoraussetzung, nämlich der unfallbedingte Eintritt eines Fahrzeugschadens, nicht mit der im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen hundertprozentigen Sicherheit erwiesen ist.
Vollständige Sachaufklärung nicht erfolgt:
Gemäß § 13 Abs 1 AußStrG hat das Gericht von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen und dieses so zu gestalten, dass eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands und eine möglichst kurze Verfahrensdauer gewährleistet sind. Gemäß § 14 AußStrG hat das Gericht die Parteien, die nicht durch einen Rechtsanwalt oder Notar vertreten sind, über die bei dem Gegenstand des Verfahrens in Betracht kommenden besonderen Vorbringen und Beweisanbote zu belehren, die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienen können, und sie zur Vornahme der sich anbietenden derartigen Verfahrenshandlungen anzuleiten. Gemäß § 16 AußStrG hat das Gericht von Amts wegen dafür zu sorgen, dass alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen aufgeklärt werden, und sämtliche Hinweise auf solche Tatsachen entsprechend zu berücksichtigen; umgekehrt haben die Parteien vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichtes maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen bzw. anzubieten und alle darauf gerichteten Fragen des Gerichtes zu beantworten. Sorgt das Gericht nicht von Amts wegen für eine vollständige Sachaufklärung, stellt dies einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (Rechbergerln Rechberger, AußStrG § 14 Rz 1; vgl RIS-Justiz RS0037095; RS0048529).
Ermessensfehler bei der Strafbemessunq:
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, in wie weit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.
Die Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Slg. 10077/A). Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch macht. Dabei ist es Sache der Behörde, die für die Strafzumessung maßgebenden Erwägungen darzustellen, um so dem Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit zur Überprüfung zu eröffnen, ob vom Ermessen gesetzesgemäß Gebrauch gemacht worden ist.
Die Erstbehörde hat in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen nicht insoweit aufgezeigt, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich gewesen wäre. Es liegt daher eine Ermessensüberschreitung vor.
Unangemessene Verfahrensdauer nicht als strafmildernd berücksichtigt: Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Licht der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, spielt die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer als subjektives Element eine wichtige Rolle (vgl. etwa Miehsler/Vogler, Internationaler Kommentar zur EMRK, 1986, Rz 310 zu Art. 6 EMRK; EGMR 28.6.1978, König, EuGRZ 1978, 407 (417); 6.5.1981, Buchholz EuGRZ 1981, 490 (493); 13.7.1983, Zimmermann und Steiner, EuGRZ 1983, 483 (483)). Nicht die Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf die Versäumnisse staatlicher Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit einer Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK anzunehmen wäre. Aus der Gesamtschau der diesbezüglichen Rechtsprechung ergibt sich aber, dass Verfahren, die länger als fünf Jahre dauern, nur in seltenen Fällen als angemessen angesehen wurden (vgl. Thienel, ÖJZ 1993, 473; ferner das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2001, B 4/01 =VfSlg. 16.385).
In der Rechtsprechung des EGMR wird für den Beginn der Frist jener Zeitpunkt angenommen, "in which a person is charged", dh. sobald ein Beschuldigter durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise darüber in Kenntnis gesetzt ist, dass gegen ihn wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden und seine Lage dadurch in erheblicher Weise beeinträchtigt wird (vgl, dazu Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention: EMRK - Kommentar, 19962, Rz 138 zu Art. 6 EMRK).
Im vorliegenden Fall erlangte ich mit Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter der Erstbehörde erstmals offiziell Kenntnis von dem gegen mich erhobenen Tatvorwurf. Die Aufforderung zur Rechtfertigung wurde mir am 24.10.2013 zugestellt; als Anfangszeitpunkt des Verfahrens ist daher dieser Tag anzunehmen. Die zu beurteilende Verfahrensdauer beträgt daher mehr als ein Jahr, dies noch dazu angesichts dessen, dass das Beweisverfahren im Februar 2014 abgeschlossen war und lediglich noch die Entscheidung zu fällen war. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verfahrensverzögerung meiner Sphäre zuzurechnen ist. Da weder Art und Umfang des Sachverhalts noch die zu beurteilenden Rechtsfragen die Behandlung dieser Rechtssache ungewöhnlich komplex oder schwierig erscheinen lassen und sich im vorliegenden Verfahren auch keine weiteren besonderen Umstände ergeben haben, welche die Dauer des Verfahrens rechtfertigen könnten, ist die oben angeführte Dauer des Verfahrens - vor allem aber die Dauer bis zur Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses - nicht mehr als angemessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu qualifizieren. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist im Falle einer Überschreitung der nach Art. 6. Abs. 1 EMRK angemessenen Verfahrensdauer dieser Umstand in Anwendung des § 19 Abs. 2 VStG in Verbindung mit § 34 Abs. 2 StGB als strafmildernd zu bewerten; andernfalls wäre das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 Abs. 1 EMRK widersprechenden Weise angewendet worden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 5. Dezember 2001, VfSlg. 16.385, vom 9. Juni. 2006, B 3585/05 = VfSlg. 17.854, und vom 27. Februar 2007, B 1729/06; ferner auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2007, ZI. 2006/03/0155, mwH). Die Erstbehörde hat somit das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 Abs. 1 EMRK widersprechenden Weise angewendet, weil sie die überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet hat (vgl. dazu auch das Urteil des EGMR vom 6. Mai 2008, Karg gg. Österreich, ÖJZ 2008/16 (MRK) 10).
Das Gesetz wird bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 MRK widersprechenden Weise angewendet, wenn eine überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet wurde. Die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer ist dabei an Hand der besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Partei und der staatlichen Behörden im betreffenden Verfahren und der Bedeutung der Sache für die Partei zu beurteilen. Die maßgebliche Frist beginnt, sobald die Partei durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise in Kenntnis gesetzt wird, dass gegen sie wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden (vgl. E 3. November 2008, 2003/10/0002; E 24. Juni 2009, 2008/09/0094; Urteil EGMR vom 6. Mai 2008, Karg gg. Österreich, ÖJZ 2008/16 (MRK) 10).
Die für die Beurteilung der Angemessenheit der Dauer des Strafverfahrens iSd Art. 6 EMRK maßgebliche Frist beginnt mit dem Zugang des Ladungsbescheides vom an mich als Beschuldigten. Es sind auch Umstände, die als mein Verschulden für die lange Verfahrensdauer des Strafverfahrens gewertet werden könnten, nicht ersichtlich. Da weder Art und Umfang des Sachverhalts noch die zu beurteilenden Rechtsfragen die Behandlung der Rechtssache ungewöhnlich komplex oder schwierig erscheinen ließen und sich im vorliegenden Verfahren auch keine weiteren besonderen Umstände ergeben haben, welche die Dauer des Verfahrens rechtfertigen könnten, ist die Dauer bis zur Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses nicht mehr als angemessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu qualifizieren.
Die Erstbehörde hat somit im Beschwerdefall das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 Abs. 1 EMRK widersprechenden Weise angewendet, weil sie die überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet hat (vgl. dazu aus jüngster Zeit auch das Urteil des EGMR vom 6.Mai.2008, Karg gg. Österreich, ÖJZ 2008/16 (MRK) 10).
Ermessen bei der Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrig ausgeübt: Nach § 16 Abs. 2 VStG darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf § 12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen. Für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe gelten nicht die gesetzlich vorgesehenen Mindestgrenzen, sei es die des ersten Satzes des § 12 Abs 1 VStG, sei es in abweichenden Verwaltungsvorschriften normierte (Hinweis E 27.9.1988, 87/08/0026).
Das VStG sieht für das Verhältnis zwischen Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen zwar keinen festen Umrechnungsschlüssel vor (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze H2, 269f, wiedergegebene Rechtsprechung). Die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe hat allerdings nach den Regeln der Strafbemessung zu erfolgen. Die Erstbehörde hat sich im angefochtenen Bescheid nicht eingehend mit der Strafbemessung einschließlich der Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe auseinander gesetzt und dabei die Regeln der Strafbemessung nicht beachtet. Angesichts der Geringfügigkeit der Übertretung, die sich auch in der niedrigen Höhe der verhängten Strafe niedergeschlagen hat, hätte auch die Ersatzfreiheitsstrafe im untersten Bereich ausgemittelt werden müssen. Diese hätte statt mit 18 Stunden vielmehr mit 9 Stunden festgesetzt werden müssen. Die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe ist als rechtswidrig zu erkennen.
Abschließend wird beantragt der Beschwerde stattzugeben und das angefochtene Erkenntnisersatzlos zu beheben; in eventu das angefochtene Erkenntnis aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Erledigung und Entscheidung an die Behörde zurückzuverweisen; in eventu die verhängte Strafe angemessen herabzusetzen und eine mündlichen Verhandlung gemäß § 44 VwGVG anzuberaumen.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 hat die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung wurde kein Gebrauch gemacht.
Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch einen Senat vorgesehen ist. Im Kraftfahrzeuggesetz ist die Entscheidung durch einen Senat nicht vorgesehen.
Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.
II. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt, aus dem sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt eindeutig ableiten lies. Die Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen, da aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer fuhr am 15. Februar 2013 um 16.30 Uhr mit seinem Kraftfahrzeug, Pkw, mit dem Kennzeichen PE-....., in der Gemeinde Langenstein, auf der Gemeindestraße Freiland im D. Richtung Blindendorf. Dort kam es zu einer Berührung mit entweder einem Hasen oder einem Reh.
Auf dem Fahrzeug wurde ca. einen Monat nach dem Vorfall ein leichter Sachschaden, in Form einer leichten Delle im Bereich des unteren Drittels der Fahrertür, vorgefunden.
Der Beschwerdeführer zeigte diesen Vorfall ca. 5 Monate später bei der Polizeiinspektion St. Georgen an der Gusen an.
III. Gemäß § 4 Abs. 5 StVO haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.
IV. Entsprechend der Bestimmung des § 4 Abs. 5 StVO hat bei einem Unfall mit Sachschaden eine Verständigung der nächsten Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub durch die in Abs. 1 genannten Personen, das sind jene, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, zu erfolgen. Die Verpflichtung besteht nur dann nicht, wenn diese Personen oder jene Person, an deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Diese Meldepflicht besteht auch bei Unfällen mit Wild oder Haustieren.
Als Verkehrsunfall ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat.
Das Vorliegen zumindest eines Sachschadens ist Tatbestandsvoraussetzung für die Verletzung der Pflichten des § 4 (VwGH 20.9.1976, 535/76).
Das Tatbild der aus Abs. 5 abzuleitenden Verwaltungsübertretung besteht in der Unterlassung der Meldung eines Verkehrsunfalles mit ausschließlichem Sachschaden und darin, dass die Meldung nicht ohne unnötigen Aufschub erstattet wird (VwGH 8.1.1986, 1351/67, 11.5.2004, 2004/02/0003).
Jedoch ist es nicht Tatbestandsvoraussetzung, dass der Schaden auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr eintritt.
Für einen Sachschaden nur am eigenen Fahrzeug besteht keine Meldepflicht.
Für einen Schuldspruch wegen Übertretung des Abs. 5 genügt die bloße Möglichkeit einer Verursachung eines Schadens an dem beteiligten Fahrzeug nicht, sondern von der belangten Behörde wäre der Beweis für einen derartigen Sachschaden zu liefern (s. VwGH 16.2.1983, 82/02/0236).
Aufgrund der Aktenlage ist davon auszugehen, dass es zwischen dem Fahrzeug des Beschwerdeführers und einem Wild, entweder Reh oder Hase, zu einer Berührung gekommen ist. Weiters steht fest, dass am Fahrzeug des Beschwerdeführers eine leichte Beschädigung in Form einer leichten Delle im Bereich des unteren Drittels der Fahrertür vorhanden ist. Ob durch den beschriebenen Vorfall auch ein weiterer Sachschaden, unabhängig vom Schaden am Fahrzeug des Beschwerdeführers, entstanden ist, kann aus der Aktenlage nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden. Aufgrund der seit dem Verkehrsunfall vergangenen Zeit (mehr als 2 Jahre) ist davon auszugehen, dass Ermittlungen diesbezüglich ins Leere führen werden, wodurch ein Nachweis, dass durch den Verkehrsunfall ein Schaden (hier: am Wild) verursacht wurde, wie dies in ständiger Rechtsprechung gefordert wird, nicht mehr erbracht werden kann.
V. Da die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht erwiesen werden kann, ist das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Ziffer 1 VStG einzustellen, der bekämpfte Bescheid zu beheben und der Beschwerde stattzugeben.
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Monika Süß