LVwG-000074/4/FP

Linz, 17.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. P über die Beschwerde des G L, geb. X, K, L, vertreten durch Dr. M M, Rechtsanwalt, L, L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung, vom 5. November 2014, GZ. SanRB96-29-2014-Bd/Ps, wegen einer Übertretung des LMSVG

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen. Zudem hat der Beschwerdeführer keine Lebensmitteluntersuchungskosten gemäß § 71 Abs. 3 LMSVG zu bezahlen.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis vom 5. November 2014 warf die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Nachstehendes vor:

 

„Sie haben es als der für die vorliegende Verwaltungsübertretung Genannte und bestellte verantwortlich Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG der Firma „H Fleischwaren GmbH“, mit dem Sitz in K, B L zu vertreten, dass

am 14.11.2013 um 12:09 die Rohwurst – und zwar die als „P" bezeichnete schnittfeste Rohwurst – durch das Bereithalten für den Verkauf im Expeditkühlraum der angeführten Betriebsstätte in B L K, in Verkehr gebracht wurde.

 

Bei der vorliegenden Probe mit der Bezeichnung „P“ handelt es sich gemäß Österreichischem Lebensmittelbuch, Kapitel B14, Fleisch und Fleischerzeugnisse, Abschnitt B (Fleischerzeugnisse), Punkt B.4.5.1.2. um eine schnittfeste Rohwurst ohne Belag. Sie ist gemäß Abschnitt G (Grenzwerte) Punkt G. 1.2.6.1.2. als Sorte 1a) „Salami, mit weiterer Bezeichnung ohne Hervorhebung" einzustufen.

1) Unter dieser Einstufung weist sie folgenden Mangel auf:

 

überhöhter Bindegewebsgehalt/Kollagenwert

 

Grenzwert = 13 (Toleranz bis 14,3)  Messwert = 17,4 ±1,2

 

2) Es fehlt das Kennzeichnungselement gemäß § 4 Abs 1 Z 7a lit. a sublit. i; die Angabe der bei der Herstellung verwendeten Menge an Schweinefleisch.

 

Die Kennzeichnung der vorliegenden Probe entspricht somit nicht den Vorschriften der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 idgF.

 

Die gemäß § 35 LMSVG durchgeführte Kontrolle erfolgte durch ein Aufsichtsorgan gemäß § 24 LMSVG.

 

Die zum angeführten Zeitpunkt entnommene Probe (Auftragsnummer: X, Probenzeichen X), die von der Ö GmbH, I (A) untersucht wurde, hat nicht den Vorschriften des LMSVG sowie der LMKV entsprochen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1)   § 90 Abs. 1 Z 2 i.V.m. § 5 Abs. 5 Z 3 und § 5 Abs. 1 Z 2 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetztes-LMSVG-BGBl. Nr. 13/2006 i.d.g.F.

2)   § 90 Abs. 3 Z 2 i.V.m. § 6 Abs 1 sowie § 4 Abs 1 Z 7a sublit. i des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG - BGBl. Nr. 13/2006 i.d.g.F.

 

Über den Bf wurden zwei Geldstrafen iHv (1) 300,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 9 Stunden) und (2) 100,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Stunden) verhängt.

 

Ferner wurden diesem 40 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens und 366,56 Euro Untersuchungskosten der AGES auferlegt.

 

Die belangte Behörde begründete zusammengefasst wie folgt:

 

Die A habe die entnommene Probe als verfälscht bzw. als gegen die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung verstoßend beurteilt. Der Mangel sei zum Zeitpunkt der Probenziehung nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht worden. Aus dem Gutachten der A gehe hervor, das der Kollagenwert der Probe 17,4 ±1,2 betragen habe. Dieser hätte nur 14,3 betragen dürfen hat aber zumindest 16,2 betragen.

Darüber hinaus habe die Angabe der bei der Herstellung verwendeten Menge an Schweinefleisch gefehlt.

Die Probe sei im Expedit der angeführten Betriebsstätte für den Verkauf bereitgehalten worden. Damit liege ein Inverkehrbringen durch Bereithalten vor.

Die Angabe der bei der Herstellung verwendeten Menge einer Zutat oder Zutatenklasse sei erforderlich, wenn die betreffende Zutat oder Zutatenklasse in der Sachbezeichnung genannt sei oder normalerweise vom Verbraucher mit dieser in Verbindung gebracht würde.

Die LMKV sei auf alle verpackten Lebensmittel, ausgenommen Wein, die - ohne weitere Verarbeitung - für den Letztverbraucher bestimmt seien, anzuwenden; dem Letztverbraucher seinen Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung gleichzustellen.

Nach Abwägung der Umstände würden die verhängten Geldstrafen auch im Hinblick auf einschlägige Verwaltungsvormerkungen mehr als angemessen sein. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Probe genusstauglich gewesen sei.

 

I.2. In seiner rechtzeitigen Beschwerde vom 4. Dezember 2014 führte der Beschwerdeführer aus, es sei gänzlich unzutreffend, dass er eine dem LMSVG und der LMKV widersprechende Probe in Verkehr gebracht habe. Eine Verfälschung liege dann nicht vor, wenn der Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht worden sei. Dies sei geschehen, indem die Etikette die Wendung „Überhöhter Wassergehalt – Nur für die Weiterverarbeitung bestimmt“ aufgewiesen habe. Darüber hinaus sei die Ware nicht in Verkehr gebracht worden, weil sie lediglich im Expedit bereitgehalten worden sei. Die Ware sei auch nicht für den Letztverbraucher bestimmt, da die H Fleischwaren GmbH nicht an Letztverbraucher, sondern lediglich an Zwischenhändler oder Gastronomiebetriebe, die die Ware weiterverarbeiten würden, liefere. Es liege kein Verstoß gegen § 5 Abs. 5 Z 3 LMSVG vor und sei die Gesetzesstelle falsch angewendet worden. Zwischenhändler und Gastronomiebetriebe seien weder Letztverbraucher noch Einrichtungen der Gemeinschaft iSd § 1 Abs 1 LMKV. Die LMKV komme nicht zur Anwendung.

 

Der Beschwerdeführer stellte die Anträge, eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht anzuberaumen, der Beschwerde Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen bzw. der Beschwerde Folge zu geben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

I.3. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt mit Vorlageschreiben vom  8. Jänner 2015 zur Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.

 

I.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den gegenständlichen Verfahrensakt der Bezirks-hauptmannschaft Urfahr-Umgebung zu SanRB96-29-2014-Bd/Ps.

Bereits aus dem Verfahrensakt ergibt sich, dass das gegenständliche Straferkenntnis zu beheben ist, sodass gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG auf eine Verhandlung verzichtet werden konnte.

 

I.5. Nachstehender entscheidungswesentlicher  S a c h v e r h a l t  steht fest:

 

Im Zuge einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung am 14.11.2013 um 12.09 Uhr entnahm ein Aufsichtsorgan gemäß § 24 LMSVG eine Probe „P“ zur U Zahl X  im Expeditkühlraum der H Fleischwaren GmbH, K, B L. Der errechnete  Kollagenwert beträgt 17,4. Die Messungenauigkeit beträgt ± 1,2. Beim ggst. Produkt handelt es sich nach der Einstufung des ÖLMB um eine „Salami mit weiterer Bezeichnung ohne Hervorhebung“. Der Text auf dem Etikett lautet wie folgt:

H

FLEISCHWAREN GMBH

A-B L

 

P

ZUTATEN: SCHWEINEFLEISCH, SPECK, NITRITPÖKELSALZ (KOCHSALZ, KONSERVIERUNGSSTOFF: E250), DEXTROSE, GEWÜRZE, OLIGOFRUCTOSE, ANTIOXIDATIONSMITTEL: E392, E300, E316, SPEISEWÜRZEN, AROMA, GEWÜRZEXTRAKTE, RAUCH,

ÜBERHÖHTER WASSERGEHALT – NUR FÜR DIE WEITERVERARBEITUNG BESTIMMT

 

LAGERN BEI +8 C° - +10 C°

MINDESTENS HALTBAR BIS: 29:12:2013

0,000kg

 

 

Der Beschwerdeführer wurde am 1.12.2000 zum verantwortlichen Beauftragten für die H Fleischwaren GmbH bestellt und hat dieser Bestellung zugestimmt.

 

Der Spruch des bekämpften Straferkenntnisses lautet wie in I.1. wiedergegeben.

 

Die Strafverfügung vom 27. Mai 2014 weist den gleichen Spruch auf.

 

II. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt. Der errechnete Kollagenwert ergibt sich aus dem schlüssigen und im Übrigen vom Beschwerdeführer unbestrittenen Untersuchungszeugnis der A. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer verantwortlicher Beauftragter ist, ist gerichtsbekannt.     

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

III.1. Rechtliche Grundlagen

 

§ 3 Z9 LMSVG lautet:

 

Begriffsbestimmungen

§ 3. Für dieses Bundesgesetz gelten folgende Begriffsbestimmungen:

       

9.         Inverkehrbringen: Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt sinngemäß für Gebrauchsgegenstände, wobei ein Inverkehrbringen von Spielzeug dann nicht vorliegt, wenn sichergestellt ist, dass das Spielzeug in seiner den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Art. 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt sinngemäß auch für kosmetische Mittel, wobei ein Inverkehrbringen dann nicht vorliegt, wenn es sich um die Anwendung am Endverbraucher im Rahmen der Berufsausübung handelt. Für Wasser für den menschlichen Gebrauch gilt auch die Abgabe zum Zweck der Gemeinschaftsversorgung als Inverkehrbringen, sofern diese nicht im Rahmen des familiären Verbandes erfolgt.

Davon abweichend ist als Inverkehrbringen bei ursprünglich auf Grund des Lebensmittelgesetzes 1975 – LMG 1975, BGBl. Nr. 86, erlassenen Verordnungen das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht. Bei Beurteilung einer Ware ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige den lebensmittelrechtlichen Vorschriften gemäß Z 13 nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Die Befugnisse der Aufsichtsorgane gemäß §§ 35, 39 und 41 bleiben davon unberührt.

 

§ 5 Abs 1 LMSVG lautet:

Lebensmittel

Allgemeine Anforderungen

§ 5. (1) Es ist verboten, Lebensmittel, die

            1.         nicht sicher gemäß Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sind, d.h. gesundheitsschädlich oder für den menschlichen Verzehr ungeeignet sind, oder

            2.         verfälscht oder wertgemindert sind, ohne dass dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist, oder

            3.         den nach den § 4 Abs. 3, §§ 6 oder 57 Abs. 1 erlassenen

Verordnungen nicht entsprechen,

in Verkehr zu bringen.

 

§ 5 Abs 2 und Abs 5 Z3 LMSVG lauten:

 

(2) Es ist verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere

            1.         zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

            2.         Angaben von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt;

            3.         Angaben, durch die zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen.

 

(5) Lebensmittel sind

            3.         verfälscht, wenn ihnen wertbestimmende Bestandteile, deren Gehalt vorausgesetzt wird, nicht oder nicht ausreichend hinzugefügt oder ganz oder teilweise entzogen wurden, oder sie durch Zusatz oder Nichtentzug wertvermindernder Stoffe verschlechtert wurden, oder ihnen durch Zusätze oder Manipulationen der Anschein einer besseren Beschaffenheit verliehen oder ihre Minderwertigkeit überdeckt wurde, oder wenn sie nach einer unzulässigen Verfahrensart hergestellt wurden;

 

§ 90 Abs 1 und 3 LMSVG lauten in ihren wesentlichen Teilen:

 

Verwaltungsstrafbestimmungen

Tatbestände

§ 90. (1) Wer

            1.         Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung,

            2.         Lebensmittel, die wertgemindert oder verfälscht sind, wenn dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist,

            [...]

in Verkehr bringt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei vorsätzlichen Verstößen gegen Z 1 und 2, die in Kenntnis der Rechtwidrigkeit des Handelns begangen werden, ist, sofern die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind, eine Geldstrafe in der Höhe von zumindest 700 Euro, bei Wiederholung von 4000 Euro festzusetzen. Im Fall der Uneinbringlichkeit ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen.

[...]

(3) Wer

[...]

            2.         den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 6, 7 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 7 oder 8, der §§ 11, 12, 13, 14, 19, 20, 34, 47 Abs. 2, 53 Abs. 7 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt,

[...]      

begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 100 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

§ 98 LMSVG lautet:

 

§ 98. (1) Verordnungen auf Grund des LMG 1975 und Verordnungen auf Grund des Fleischuntersuchungsgesetzes gelten als auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen.

(2) Die bisher erfolgten Veröffentlichungen des Österreichischen Lebensmittelbuches (Codex Alimentarius Austriacus) gelten als Verlautbarungen im Sinne des § 76 dieses Bundesgesetzes.

 

§ 1 Abs 1 LMKV lautete wie folgt:

 

§ 1. (1) Diese Verordnung ist auf alle verpackten Waren (Lebensmittel) - ausgenommen Waren, die dem Weingesetz 1999 in der jeweils geltenden Fassung unterliegen - , die - ohne weitere Verarbeitung - für den Letztverbraucher bestimmt sind, anzuwenden; dem Letztverbraucher sind Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung gleichzustellen.

 

§ 3 Abs 3 LMKV lautete in seinen für das Verfahren wesentlichen Teilen wie folgt:

 

§ 3. [...]

(3) Bei verpackten Waren, die auf einer der Abgabe an den Letztverbraucher vorangehenden Stufe oder an Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung abgegeben werden, dürfen - anstelle Abs. 1 - die in § 4 Abs. 1 geforderten Angaben in den die Waren begleitenden Geschäftspapieren aufscheinen, wobei die in § 4 Abs. 1 Z 1, 2, 4 und 5 sowie gegebenenfalls § 5 angeführten Angaben auch auf der äußeren Verpackung aufzuscheinen haben.

 

§ 4 Abs 1 lit 7a sublit. a) und b) LMKV lauteten in ihren für das Verfahren wesentlichen Teilen wie folgt:

 

§ 4. (1) Verpackte Waren sind wie folgt zu kennzeichnen, sofern die §§ 5 bis 7 nicht anderes bestimmen:

   [...]

   7a. a) die Angabe der bei der Herstellung verwendeten Menge einer Zutat oder Zutatenklasse, wenn

              i) die betreffende Zutat oder Zutatenklasse in der Sachbezeichnung genannt ist oder normalerweise vom Verbraucher mit dieser in Verbindung gebracht wird oder

             ii) die betreffende Zutat oder Zutatenklasse auf dem Etikett durch Worte, Bilder oder eine graphische Darstellung hervorgehoben ist oder

             iii) die betreffende Zutat oder Zutatenklasse von wesentlicher Bedeutung für die Charakterisierung einer Ware und ihre Unterscheidung von anderen Erzeugnissen ist, mit denen sie auf Grund ihrer Bezeichnung oder ihres Aussehens verwechselt werden könnte;

         b) lit. a gilt nicht

              i) für eine Zutat oder Zutatenklasse,

               - deren Abtropfgewicht gemäß Z 3 lit. b angegeben ist,

               - deren Menge auf Grund von anderen Rechtsvorschriften bereits auf dem Etikett angegeben sein muß,

               - die in kleinen Mengen zur Geschmacksgebung verwendet wird,

               - die, obwohl sie in der Sachbezeichnung angeführt wird, für die Wahl des Verbrauchers nicht ausschlaggebend ist, weil unterschiedliche Mengen für die Charakterisierung der betreffenden Ware nicht wesentlich sind oder sie nicht von ähnlichen Waren unterscheiden,

             ii) wenn in anderen Rechtsvorschriften die Menge der Zutat oder der Zutatenklasse präzise festgelegt, deren Angabe in der Etikettierung aber nicht vorgesehen ist,

             iii) in den Fällen der Z 7 lit. a vierter Gedankenstrich;

          [...]

 

§ 44a VstG lautet:

§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

            1.         die als erwiesen angenommene Tat;

            2.         die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

            3.         die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

            4.         den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

            5.         im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

 

III.2. Auszüge aus dem ÖLMB

 

Punkt B.4.5.1.2 des ÖLMB „Rohwürste ohne Belag“ lautet:

Sorte 1a:
Rohwürste mit einem Hinweis auf ausländische Herstellungsweisen in
der Bezeichnung oder Aufmachung oder in Wortverbindung mit „Katen-“, „Schlack-“ oder „Schinken-“ und solche mit hervorhebender Bezeichnung;
Salami mit weiterer, nicht hervorhebender Bezeichnung (z.B. Bauernsalami,
Bergsalami und dgl.)
Debreziner Rohwurst und gleichsinnig bezeichnete Debreziner, Pußtawürstel.

Sorte 1b:
Salami ohne weitere Bezeichnung
Putensalami

Sorte 2:
Plockwurst, Cervelatwurst, Jagdwurst, Kaminwurzen, Boxerl u.dgl.;
Knoblauchwurst, Hauswürstel roh;
Kantwurst;
Frische Rohwurst

Sorte 3:
Landjäger, Almjäger im Kranz (rund) oder abgepasst.  

Im Einzelnen gelten für das zu verwendende Ausgangsmaterial folgende Richtlinien:
Bei allen Sorten werden als Zucker und Zuckerarten ca. 4g/kg Dextrose oder ca. 6g/kg Saccharose; bei Mischungen davon adäquate Anteile verwendet.

Sorte 1a:
Rohwürste mit einem Hinweis auf ausländische Herstellungsweisen in der Bezeichnung oder Aufmachung oder in Wortverbindung mit "Katen-", "Schlack-" oder "Schinken-" und solche mit hervorhebender Bezeichnung:
70 Teile Rindfleisch I und/oder sehnenarmes Schweinefleisch I, mit "Schinken-" bezeichnete Rohwürste ausschließlich Schweinefleisch vom Schlögel
30 Teile Speck I.
Ca. 30 % Trockenverlust.
Bei Kaliber kleiner 45 mm ca. 32% Trocknungsverlust

Salami mit weiterer Bezeichnung (z.B. Bauernsalami, Bergsalami) ohne Hervorhebung:
70 Teile Rindfleisch I und/oder sehnenarmes Schweinefleisch I
30 Teile Speck I.
Ca. 32 % Trockenverlust

Debreziner Rohwurst und gleichsinnig bezeichnete Debreziner, Pußtawürstel:

70 Teile sehnenarmes Schweinefleisch I 30 Teile Speck I.
Ca. 15 % Trockenverlust.

Pußtawürstel, die in gebrühtem Zustand in Verkehr gebracht werden, müssen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung Grenzwerten der Brühwurst Debreziner entsprechen.

Sorte 1b:
Salami ohne weitere Bezeichnung
70 Teile Rindfleisch I und II und/oder Schweinefleisch I und II
30 Teile Speck I.
Ca. 32 % Trockenverlust.

Putensalami
70 Teile Putenfleisch 30 Teile Speck I
Ca. 30 % Trockenverlust.

Sorte 2:
Plockwurst, Cervelatwurst, Jagdwurst und dgl.:
70 Teile Rindfleisch II und/oder Schweinefleisch I
30 Teile Speck I.
Ca. 30 % Trockenverlust.

Plockwurst, Cervelatwurst, Jagdwurst und dgl. mit einem Kaliber von weniger als 45 mm Kaminwurzen, Boxerl, und ähnliche Würstel zum Rohverzehr:
Wie Plockwurst etc. jedoch ca. 32% Trocknungsverlust

Knoblauchwurst, Hauswürstel roh:
Wie Plockwurst, Cervelatwurst, Jagdwurst, Kaminwurzen, Boxerl und dgl., jedoch ca.15 % Trockenverlust.

Knoblauchwurst wird in Schweinssaitlinge abgefüllt. Hauswürstel roh werden bei nicht mehr als 25ºC geräuchert. Regional werden Hauswürstel roh auch als „Bauernkrainer“ bezeichnet. Hauswürstel roh werden verpackt als solche bezeichnet; werden sie unverpackt in Verkehr gebracht, genügt die Bezeichnung „Hauswürstel“.

Kantwurst:
ca. 2/3 Rindfleisch II und/oder Schweinefleisch I und II
ca. 1/3 Speck I.
Ca. 30 % Trockenverlust.

Frische Rohwurst:
70 Teile Schweinefleisch I, höchstens bis zur Hälfte durch Rindfleisch II ersetzt
30 Teile Speck I.

Anstatt Saccharose können auch bis zu 12 g/kg Trockenstärkesirup verwendet werden. Ca. 20 % Trockenverlust.
Frische Rohwurst wird in Därmen mit einem Kaliber von mind. 80 mm abgefüllt.

Sorte 3
Landjäger, Almjäger im Kranz (rund) oder abgepasst:
2/3 Rindfleisch II und III und/oder Schweinefleisch I und II
1/3 Speck I.
Ca. 30 % Trockenverlust .

Almjäger werden in Därme mit Kaliber zwischen 33 mm und 50 mm abgefüllt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Punkt G.1.2.6.1.2 des ÖLMB „Grenzwerte Rohwürste ohne Belag“ lautet:


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Punkt G.2.2 des ÖLMB „Toleranzen Fleischerzeugnisse“ lautet:

 

III.3. Zur Frage des Inverkehrbringens:

 

Gemäß § 3 Z. 9 LMSVG iVm Art. 3 Z. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob entgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst. "Inverkehrbringen" in diesem Sinne umfasst das Bereithalten von Lebensmitteln für Verkaufszwecke "einschließlich ... jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig ob entgeltlich oder nicht". Auch das Bereithalten für jede andere Form der Weitergabe als den Verkauf im eigentlichen Sinn fällt somit unter den Begriff des "Inverkehrbringens" (VwGH 26.09.2011, 2007/10/0204). Die belangte Behörde hat dem Bf in ausreichender Weise vorgehalten, die ggst. Ware im Expeditkühlraum für den Verkauf bereitgehalten zu haben. Das Bereithalten im Warenausgang, das die Weitergabe an Erwerber (seien es auch andere Unternehmer) oder Transporteure bezweckt, erfüllt die Voraussetzungen des § 3 Z9 LMSVG. Es handelt sich dabei um ein Bereithalten für Verkaufszwecke,  ggf. aber auch für eine andere Form der Weitergabe.

Eine nähere Prüfung, ob ein Inverkehrbringen eventuell nicht vorliegt, weil aufgrund des allfälligen Eingreifens der §§ 1 Abs 1 und 3 Abs 3 LMKV sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt, kann vorliegend aus den weiter unten dargestellten Gründen unterbleiben.

 

III.4. Die belangte Behörde wirft dem Bf im ersten Spruchpunkt ihres Straferkenntnisses vor, ein verfälschtes Lebensmittel in Verkehr gebracht zu haben.

 

Wie das Gericht bereits dargestellt hat (zuletzt in LVwG-000075/2/FP/SA vom 9.2.2015 und LVwG-000062/2/FP/CG vom 18.12.2014) ist für die Verfälschung der Eingriff in die Substanz eines Lebensmittels charakteristisch (vgl. VwGH 91/10/0105; 09.11.1992). Es werden demnach wertbestimmende Anteile nicht oder nicht ausreichend hinzugefügt oder ganz oder teilweise entzogen. In Frage kommt weiters der Zusatz oder Nichtentzug wertvermindernder Stoffe. Lebensmittel werden darüber hinaus verfälscht, wenn ihnen durch Zusätze oder Manipulationen der Anschein einer besseren Beschaffenheit verliehen oder ihre Minderwertigkeit überdeckt wird oder eine unzulässige Verfahrensart verwendet wird.

Eine Verfälschung eines Lebensmittels liegt bspw. dann vor, wenn einem Lebensmittel minderwertige Fremdstoffe zugesetzt werden, deren Vorhandensein in dem Lebensmittel der Käufer nach der Form und Bezeichnung, unter der es feilgehalten und verkauft wird, nicht voraussetzt und auch nicht offenbar erkennen kann (OGH 26.02.1960, 7Os290/59).

Wesentlich für die Verfälschung ist demnach auch, dass sich der Wert des Lebensmittels durch die Handlung oder Unterlassung verschlechtert.

 

Bei der Frage des Kollagenwertes handelt es sich nach Ansicht des Gerichtes nicht um eine Eigenschaft des Erzeugnisses, das seine Zutaten, sondern vielmehr seine Qualität betrifft (vgl. zum Beffe-Gehalt EuGH 9.2.1999, Rs C-383/97, Van der Laan).

 

Der unter dem Regime des LMG 1975 zuständige OGH ging etwa davon aus, dass Erzeugung und Verkauf einer Schinkenwurst mit einer Fleischeinlage von nur sechzig Prozent nicht als Verfälschung, sondern als falsche Bezeichnung eines Lebensmittels zu beurteilen war (24.06.1965, 9Os93/65).

 

Zumindest ist es für eine Bestrafung wegen Inverkehrbringens eines verfälschten Produktes gem. § 90 Abs 1 Z2 LMSVG aber erforderlich, dem Täter eine für die Verfälschung erforderliche Manipulationshandlung (vgl. Legaldefinition in § 5 Abs 5 Z3 LMSVG) vorzuwerfen. Alleine der Vorwurf einer Abweichung hinsichtlich eines bestimmten Wertes, der noch dazu dem ÖLMB entstammt, welches keinen normativen Charakter hat, reicht für den Vorwurf des Inverkehrbringen eines verfälschten Produktes nicht hin. Zudem muss eine Verschlechterung der Produkteigenschaften feststehen (arg. „wertbestimmende Bestandteile... wertvermindernder Stoffe... Anschein einer besseren Beschaffenheit... Minderwertigkeit... unzulässigen Verfahrensart hergestellt“).

Dies bedeutet, dass zwar denkbar ist, dass ein bestimmter Wert zB. aufgrund des Zusatzes oder des Entzugs eines wertbestimmenden Bestandteiles, von der kodifizierten Regel abweicht, es jedoch für eine Bestrafung nach dem Verfälschungstatbestand nicht hinreicht, sich mit der Feststellung einer Abweichung hinsichtlich dieses bestimmten Wertes zu begnügen. Vielmehr müsste die Behörde entsprechende Nachforschungen anstellen, wodurch die Abweichung hervorgerufen wurde. Erst aufgrund der Ermittlungsergebnisse wäre es möglich festzustellen, ob es zu einer inkriminierten Manipulation gekommen ist, die zu einer Wertminderung geführt hat oder zu einer anderen aus dem § 5 Abs 5 Z3 LMSVG abzuleitenden Folge geführt hat. Diese Manipulation samt Folge wäre dem Täter, den Anforderungen des § 44a VStG entsprechend, vorzuwerfen gewesen.

 

Einen konkreten Vorwurf, der Bf habe dem Produkt bestimmte wertbestimmende oder –mindernde Stoffe zugesetzt oder eine andere Manipulation im Sinne des § 5 Abs. 5 Z 3 LMSVG vorgenommen, hat die belangte Behörde dem Bf aber innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nicht gemacht. Ebenso wenig hat die Erstbehörde Feststellungen zur Frage getroffen, ob überhaupt eine Wertverminderung oder eine unzulässige Verfahrensart vorlag, wie sie § 5 Abs 5 LMSVG fordert. Vielmehr wirft sie ihm lediglich die von der A errechnete Abweichung von letztendlich 1,3 vor. Der Vorwurf einer Manipulationshandlung und die Feststellung einer negativen Beeinflussung des Produktes durch die Manipulation wäre jedoch Voraussetzung für eine Bestrafung nach der angezogenen Bestimmung gewesen (vgl. ÖJZ 1984/164 [EvBl]).

 

Vorliegend kommt daher eine Bestrafung wegen Verfälschung schon mangels rechtzeitigen Vorwurfes einer Manipulationshandlung und mangels Feststellung einer wertmindernden Wirkung nicht in Betracht. Wertbestimmende oder            -mindernde Manipulationen, die einen Eingriff in die Substanz des Lebensmittels bedeutet hätten, lassen sich dem Akt auch nicht entnehmen.

 

Ggf. wäre, ginge man davon aus, dass das ggst. Produkt an sich verkehrsfähig war, die Bestimmung des § 5 Abs 2 LMSVG, also der Irreführungstatbestand, in Betracht gekommen. Dies unter der Voraussetzung, dass hinsichtlich der angesprochenen Verkehrskreise Irreführungseignung bestand (vgl. hiezu auch LVwG-000049/5/FP/TK vom 20.10.2014, Blass ua, LMR³ LMSVG § 5 RZ 21). Es wäre also zu ermitteln und festzustellen gewesen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Betroffenen durch bestimmte Angaben irregeführt werden konnte. Allerdings muss es sich um zur Irreführung geeignete Angaben über solche Umstände handeln, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung (sofern diese vorliegend relevant wäre), wesentlich sind (Hinweis Barfuß ua, Lebensmittelrecht, 2te Auflage, Kommentar zu § 8, Seite 19f; VwGH 09.11.1992, 91/10/0105).

 

Eine Irregularität des Lebensmittels könnte unter Berücksichtigung des von der belangten Behörde Vorgeworfenen also allenfalls auf eine irreführende Bezeichnung zurückzuführen sein, wenn der jeweils angesprochene Verkehrskreis angesichts der Bezeichnung als „Pizzasalami 65 extra frisch geschnitten“ einen bestimmten Kollagenwert erwartet, diese Erwartung nicht erfüllt wird und er deshalb in die Irre geführt wird.

Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass dem ÖLMB nach ständiger Judikatur (nur) der Charakter eines objektivierten Sachverständigengutachtens über die maßgebliche Verbrauchererwartung zukommt (vgl. VwGH 26.9.2011, 2010/10/0145) und dass es im Hinblick auf dieses auf die Erwartung eines durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. VwGH 22.11.2006, 2003/10/0042) ankommt. Das ÖLMB hat keinen normativen Charakter und ist daher nicht rechtsverbindlich.

Die hervorragende Bedeutung des Codex, so der OGH in RS0066294, als gleichsam autorisiertes Sachverständigengutachten darf allerdings nicht so weit führen, dass dem Durchschnittsverbraucher geradezu fiktiv völlig realitätsfremde Erwartungen unterstellt werden (keine Zuspitzung der Verbrauchererwartung in Ansehung der Zusammensetzung bestimmter Lebensmittel auf Zehntelprozente).

 

Alleine die Abweichung vom im ÖLMB angegeben Wert reicht für eine Bestrafung auch nach der Bestimmung des § 5 Abs 2 LMSVG, umsoweniger nach § 5 Abs 1 Z2, nicht hin.

Vielmehr muss feststehen, dass der Verbraucher oder allenfalls ein Teilnehmer eines anderen Verkehrskreises getäuscht wurde (bzw Täuschungseignung bestanden hat). Eine entsprechende Kennzeichnung kann dies unterbinden. (vgl. Natterer, Lebensmittelrecht [2008], Rz 131,132).

 

Durch die vollständige Angabe der Inhaltsstoffe im Zutatenverzeichnis, kann die Verfälschung selbst bei erheblichen Abweichungen saniert werden, weil der Umstand dann deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht ist (Blass ua, LMR³ LMSVG § 5 RZ 21).

 

Der EuGH hat, ähnlich dem OGH, in seiner Entscheidung vom 9.2.1999, Rs C-383/97, Van der Laan ausführt, dass selbst wenn bei den deutschen Verbrauchern eine Erwartung hinsichtlich des Eiweißgehaltes im fettfreien Anteil oder des BEFFE-Gehalts (Gehalt an bindegewebseiweißfreiem Fleischeiweiß) bestünde, eine solche Erwartung in keinem Fall derart präzise sein könne, dass der Verbraucher angesichts der Unterschiede zwischen den tatsächlich festgestellten Anteilen 15% bzw 87,9% und den nach dem Deutschen Lebensmittelbuch vorgeschriebenen Anteilen von 19% bzw. 90% irregeführt werden könnte.

 

Die überzeugende Ansicht, wonach sich eine Verbrauchererwartung kaum im einstelligen Prozentbereich (wie im vorliegenden Fall) abspielen kann (vgl dazu auch Natterer, Lebensmittelrecht [2008], Rz 48), muss auch für den österreichischen Markt gelten, zumal sich das Verbraucherverhalten von Österreichern und Deutschen nicht wesentlich unterscheidet.

 

Abgesehen davon wäre es dem Landesverwaltungsgericht . jedoch ohnehin verwehrt, den Spruch zu korrigieren, zumal es sich bei „Irreführung“ und „Verfälschung“ um unterschiedliche Tatvorwürfe mit jeweils eigenem Sachverhaltssubstrat handelt. Hinsichtlich der Verfälschung wäre die Frage der richtigen substantiellen Zusammensetzung der Ware im Hinblick auf einen Eingriff zu stellen, während sich im Falle der Irreführung die Frage der nicht irreführenden Deklaration im Hinblick auf die Verkehrsauffassung stellt.

 

In seinem Erkenntnis vom 31. Juli 2014, Ro 2014/02/0099, hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt ausgesprochen: „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat – unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen – einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, Zl 2006/09/0031). Im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG), kann für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten.“

 

Mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2013, 2009/06/0189, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass "‘Sache‘ des Berufungsverfahrens [...] die Angelegenheit [ist], die Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz war; die den Entscheidungsspielraum der Berufungsbehörde begrenzende Sache iSd (gemäß § 24 VStG im Strafverfahren anwendbaren) § 66 Abs. 4 AVG ist also nicht etwa jene, welche in erster Instanz in Verhandlung war, sondern ausschließlich die, die durch den (Spruch des) erstinstanzlichen Bescheid(es) begrenzt ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1265 unter E 111f zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde war somit nur die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannte Tat.“

 

Bei der Einordnung unter den richtigen Tatbestand (Verfälschung oder Irreführung) handelt es sich im Übrigen um eine Rechtsfrage, die die Behörde selbst, auf Basis der Untersuchungsergebnisse (= Tatsachen) der A., zu beurteilen hat.

 

Eine (die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende) Verfolgungshandlung nach § 32 Abs 2 VStG ist auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen; (VwGH 21.10.2014, Ra 2014/03/0006; Näheres dazu unter III.5.)

 

Vorliegend hätte die Behörde daher sämtliche Tatbestandselemente der §§ 5 Abs 2 und Abs 5 Z3 LMSVG (Verfälschung) einzubeziehen oder dem Bf das Inverkehrbringen eines mit zur Irreführung geeigneten Angaben versehenen Produkts vorzuwerfen gehabt.

 

III.5. Im zweiten Spruchpunkt ihres Straferkenntnisses wirft die belangte Behörde dem Bf einen Verstoß gegen die mittlerweile außer Kraft getretene LMKV vor.

Der bezughabende Blankettstrafbestand findet sich in § 90 Abs 3 LMSVG und sieht eine Bestrafung unter der Voraussetzung vor, dass gegen eine auf dem LMSVG (bzw. dem LMG 1975) fußende Verordnung verstoßen wurde.

Wie bereits unter III.4. dargestellt, muss sich die Verfolgungshandlung der Behörde nicht nur auf Tatzeit und Tatort, sondern auch auf sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften (VwGH 21.10.2014, Ra 2014/03/0006).

„Die Umschreibung dieser Tat hat – bereits im Spruch und nicht erst in der Bescheidbegründung (VwSlg 17.326 A/2007; VwGH 1. 7. 2010, 2008/09/0149) – so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (zB VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 12. 3. 2010, 2010/17/0017; 17. 4. 2012, 2010/04/0057), sie muss mithin die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind, ermöglichen (vgl VwGH 20. 7. 1988, 86/01/0258; 31. 1. 2000, 97/10/0139; s auch VwGH 6. 11. 2012, 2012/09/0066 [AuslBG]) und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 23. 4. 2008, 2005/03/0243). Andererseits dürfen bei der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auch keine Verhaltensweisen mitumfasst werden, die nicht der verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44 a Z 2 unterliegen (vgl VwGH 24. 4. 2008, 2007/07/0124).

(Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 44 a Rz 2).“

 

Zumal die auf die LMKV bezogene Strafbestimmung des LMSVG eine Blankettstrafbestimmung ist, muss die dort dargestellte Verletzung der LMKV aus den materiellrechtlichen Bestimmungen der LMKV selbst abgeleitet werden.

Diesbezüglich ist nicht nur die von der Behörde angezogene Bestimmung des § 4 Abs 1 lit 7a LMKV relevant, sondern insbesondere auch § 1 Abs 1 LMKV, der den Anwendungsbereich der LMKV insgesamt regelt. Wesentliches Tatbestandsmerkmal ist daher auch der Umstand, dass eine verpackte Ware ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt war, wobei diese Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung gleichzustellen sind. Demgemäß wäre mangels Anwendbarkeit der LMKV keine Strafbarkeit (weil kein Verstoß gegen die LMKV) gegeben, wenn die beanstandete Ware nicht für den Letztverbraucher oder die genannten Einrichtungen bestimmt war. Wäre die Ware also bspw. für die weiterverarbeitende Industrie bestimmt gewesen, hätte der Bf keine derartige Kennzeichnung nach der LMKV vornehmen müssen und wäre demgemäß nicht strafbar gewesen (vgl. Blass ua, LMR³ LMKV § 1 RZ 8).

Um den Erfordernissen des § 44a Z 2 VStG gerecht zu werden, hätte die Behörde dem Bf daher im Spruch des Straferkenntnisses vorzuwerfen gehabt, dass die Ware ohne weitere Verarbeitung für Letztverbraucher oder die genannten Einrichtungen bestimmt war. Eine entsprechende Klarstellung findet sich weder im Spruch noch in der Begründung. Die Umstände wären zuvor und unter Wahrung des Parteiengehörs zu ermitteln und festzustellen gewesen, zumal auch die Regel über den erleichterten Beweis (vom Bf zu erbringender Entlastungsbeweis) gemäß § 5 Abs. 1 S2 VStG nur und erst dann greift, wenn der objektive Tatbestand von der Behörde erwiesen und festgestellt wurde. Die Behörde ist in Bezug auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestands und auch die Rechtswidrigkeit beweispflichtig (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 5 Rz 8 mwN).   

Wesentlich ist vorliegend zudem, dass die LMKV mit ihrer Bestimmung § 3 Abs 3 eine Ausnahmebestimmung kannte, die im vorliegenden Fall wohl anzuwenden gewesen wäre, da das Unternehmen für das der Bf tätig ist

(amts-)bekanntermaßen nicht direkt an Letztverbraucher liefert, sodass die hier relevierte Kennzeichnung hinsichtlich der Menge des verwendeten Schweinefleisches nur auf der Verpackung angebracht werden muss, wenn sie nicht in den Geschäftspapieren vorgenommen wurde. Daraus folgt, dass die Behörde dem Bf im Spruch vorzuwerfen hat, dass der die Kennzeichnung „weder auf der Verpackung noch auf den warenbegleitenden Geschäftspapieren“ vorgenommen hat. Demgemäß muss die Behörde jedoch zuvor ein entsprechendes Ermittlungsverfahren dahingehend abführen, dass die Papiere (bspw die Lieferscheine) zunächst beigeschafft und in diese Einsicht genommen wird, zumal der Mangel der Kennzeichnung auf dem Produkt selbst noch keine strafbare Handlung darstellen muss, sofern die Warenbegleitpapiere einen entsprechenden Hinweis beinhalten. Eine derartige Überprüfung hätte auch bereits das Organ der Lebensmittelaufsicht vornehmen können.

Eine diesbezügliche Prüfung hat schon aufgrund des amtsbekannten Umstandes, dass die Dienstgeberin des Bf idR nicht an Letztverbraucher liefert und aufgrund der Kennzeichnung des Artikels als „nur für die Weiterverarbeitung bestimmt“ zu erfolgen.

 

Die aus der LMKV abzuleitenden wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die der Spruch zu beinhalten gehabt hätte, wären daher gewesen:

-      verpackte Ware

-      für Letztverbraucher oder Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung bestimmt

-      Fehlen der Menge des verwendeten Schweinefleisches unter Angabe des Grundes warum diese anzugeben ist (sublit. i – iii)

-      Abgabe an Verbraucher oder vorangehende Stufe bzw. Einrichtung der Gemeinschaftsversorgung

-      Angabe erfolgte weder auf der Verpackung noch in den Warenbegleitpapieren

 

Eine Korrektur war dem Landesverwaltungsgericht angesichts der bereits eingetretenen Verfolgungsverjährung auch hinsichtlich des 2. Spruchpunktes verwehrt.

 

Die nun in Kraft stehende EU-Verbraucherinformationsverordnung [VO (EU) Nr. 1169/2011 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25. Oktober 2011] sieht in ihrem Art 1 Abs 3 eine mit dem § 1 Abs 1 LMKV vergleichbare Geltungsregel vor, die für den Bf nicht günstiger erscheint. Diese schließt eine Anwendbarkeit der Verordnung aus, sofern eine Lieferung an Personen erfolgen soll, die weder Letztverbraucher noch Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung sind. Verstöße gegen diese sind ebenso nach dem § 90 Abs 3 Z1 LMSVG strafbar. Ein detaillierter Günstigkeitsvergleich konnte unterbleiben. Dieser hätte zu keinem anderen Ergebnis geführt.

   

III.6. Das Straferkenntnis war demgemäß hinsichtlich Spruchpunkt 1. schon mangels Erfüllung des objektiven Tatbestandes, ginge man davon aus, dass tatsächlich eine Verfälschung vorgelegen wäre, aufgrund der fehlenden Spruchbestandteile hinsichtlich der vorzuwerfenden Manipulationshandlung zu beheben.

Hinsichtlich Spruchpunkt 2. war das Straferkenntnis aufgrund der mangelnden Bestimmtheit und Konkretisierung in Zusammenhang der Bestimmung der Ware für Letztverbraucher oder Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung aufzuheben. Ohne die fehlenden Elemente hinsichtlich der Geltung der LMKV an sich bzw. das allfällige Fehlen einer Kennzeichnung in den Geschäftspapieren, war (noch) keine Strafbarkeit gegeben.

 

Angesichts der mangelnden anderweitigen Anlastung im Verfahren und aufgrund der bereits abgelaufenen Verfolgungsverjährung, war eine Korrektur durch das Landesverwaltungsgericht ausgeschlossen (vgl. VwGH 23.10.2014, 2011/07/0205) (vgl. hiezu auch III.4.).

 

Bei diesem Ergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kosten für das Verwaltungsstrafverfahren und das Beschwerdeverfahren. Zudem besteht keine Verpflichtung zur Tragung der Kosten der Lebensmitteluntersuchung.

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Pohl