LVwG-650281/6/Py/Bb
Linz, 19.03.2015
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des R S, geb. X, c/o Rechtsanwaltskanzlei Mag. Dr. A M, X, vom 4. Dezember 2014, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 25. November 2014, GZ VerkR21-121-2012, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung der Klassen AM und B mangels Verkehrszuverlässigkeit und weitere führerscheinrechtliche Anordnungen, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13. März 2015,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 74 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG wird der Antrag auf Ersatz der Kosten des Verfahrens als unzulässig zurückgewiesen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1) Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding (im Folgenden: belangte Behörde) vom 25. November 2014, GZ VerkR21-121-2012, wurde R S (dem nunmehrigen Beschwerdeführer – im Folgenden kurz: Bf) gemäß §§ 24 und 25 FSG die Lenkberechtigung der Klassen AM und B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7 FSG) für die Dauer von zwei Jahren, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen und er gemäß § 29 Abs. 3 FSG aufgefordert, nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides den Führerschein bei der Behörde oder der zuständigen Polizeiinspektion abzuliefern. Des Weiteren wurde ihm gemäß § 30 FSG das Recht aberkannt, von einem ausländischen Führerschein während der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen.
Die Entziehung der Lenkberechtigung und die weiteren angeordneten Maßnahmen wurden im Wesentlichen mit dem zugrundeliegenden rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil, aufgrund welchem vom Vorliegen bestimmter die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierender Tatsachen gemäß § 7 Abs. 3 Z 8 und Z 9 FSG auszugehen sei, und der vorgenommenen Wertung nach § 7 Abs. 4 FSG begründet.
I.2) Gegen diesen Bescheid, zugestellt am 27. November 2014, wurde durch die Rechtsvertretung des Bf fristgerecht die Beschwerde vom 4. Dezember 2014 erhoben, mit der die Aufhebung des Bescheides, in eventu eine mündliche Verhandlung und Sachentscheidung, die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bezüglich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verwerflichkeit, beantragt wurde. Überdies wurde beantragt, die belangte Behörde zum Ersatz der Kosten des Bf zu verfällen.
Sein Begehren inhaltlich begründend bringt der Bf vor, dass die vermutete Verkehrsunzuverlässigkeit seit Dezember 2011 bestehe. Die verhängte, nunmehr ab Rechtskraft des Bescheides verfügte Dauer, sei sohin weder zweckmäßig noch angemessen.
Sämtliche Tathandlungen seien gegen Schutzbefohlene verübt worden. Es sei zwar der in § 7 Abs. 3 FSG taxativ aufgeführte Tatbestand einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung begangen worden, jedoch ausschließlich im eng umgrenzten privaten und geschützten Umfeld, abseits jedwelcher Öffentlichkeit. Ihm nunmehr die Verkehrszuverlässigkeit abzusprechen, mit der Begründung, dass eine Gefährdung aufgrund seiner Einstellung zu befürchten sei, stelle eine denkunmögliche Anwendung dar, da er sehr wohl unterscheiden könne zwischen höchstpersönlichem privaten Recht und allfälliger Handlungen gegen Schutzbefohlene und der Öffentlichkeit, dem öffentlichen Handeln, sowie der Sphäre außerhalb seines privaten und geschützten Wohnumfeldes. Dies sei auch im forensisch-neurologischen Gutachten von Ass. Prof. Dr. E G vom 29. Juni 2012 bestätigt worden.
Zu beachten sei auch, dass zwar das erstgerichtliche Urteil durch Bestätigung des Obersten Gerichtshofes in Rechtskraft erwachsen ist, jedoch ein Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig sei, da den österreichischen Strafgerichten erhebliche Verfahrensfehler unterlaufen seien. Der bereits dadurch entstandene Schaden würde durch eine vorzeitige Abnahme der Lenkberechtigung perpetuiert werden.
Dieser Umstand sei insbesondere bei der Beurteilung der Verwerflichkeit zu berücksichtigen, da zwar eine Bindung an die strafgerichtliche Verurteilung vorläge, jedoch, sollten die Tathandlungen tatsächlich nicht begangen worden sein, worüber der EGMR entscheide, auch keine Verwerflichkeit der Tathandlungen gesetzt sei.
I.3) Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 9. Dezember 2014, GZ VerkR21-121-2012, ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.
I.4) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt, insbesondere in die Urteile des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 12. Februar 2014, GZ 21 Hv 13/13 x und des Obersten Gerichtshofes vom 1. Oktober 2014, GZ 15 OS 93/14m-11, und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 13. März 2015, zu welcher beide Verfahrensparteien geladen wurden und zu der der Bf, dessen Ehegattin als Zeugin, der Rechtsvertreter des Bf und ein Vertreter der belangten Behörde erschienen sind und zum Sachverhalt gehört und befragt wurden.
I.4.1) Für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ergibt sich daraus folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Der am X geborene Bf ist im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen AM und B.
Mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 12. Februar 2014, GZ 21 Hv 13/13 x, wurde der Bf wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB, die Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, die Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 Z 1 StGB, des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und Abs. 4, Satz 2, 2. Fall StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB unter Anwendung der §§ 28 und 65 Abs. 2 StGB nach § 206 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren und gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.
Grund für diese Verurteilungen war, dass der Bf im Zeitraum
· von 1. Jänner 2003 bis Dezember 2011 in Ottobrunn/D, Taufkirchen bei München/D, Rainbach oder andernorts, an seiner am X geborenen Stieftochter, sohin an einer unmündigen Person, außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vornahm und von ihr an sich vornehmen ließ, indem er in wiederholten Angriffen sie beide entkleidete, sie mit gespreizten Beinen auf seinen Unterschenkel setzte und sie vor- und zurückbewegte, sie im nackten Brustbereich betastete und streichelte, sie im nackten Scheidenbereich berührte, betastete und leckte, sich auf sie legte und seinen nackten Penis durch Vor- und Zurückbewegungen an ihrer nackten Scheide bis zum Samenerguss rieb und sie ihn mit der Hand befriedigen müsste,
· von 1. Jänner 2005 bis Dezember 2011 in Ottobrunn/D, Taufkirchen bei München/D, Rainbach oder andernorts mit seiner unmündigen Stieftochter den Beischlaf oder dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternahm, indem er ihr in wiederholten Angriffen zunächst den kleinen Finger und später den Zeigefinger in die Vagina und ihren After einführte sowie mit ihr den Vaginal- und Analverkehr durchführte und an sich Oralverkehr vornehmen ließ,
· von 1. Jänner 2003 bis Dezember 2011 in Ottobrunn/D, Taufkirchen bei München/D, Rainbach oder andernorts mit seiner minderjährigen Stieftochter durch die beiden eben geschilderten Taten geschlechtliche Handlungen vornahm oder von ihr an sich vornehmen ließ,
· von 1. Juni 2009 bis Dezember 2011 in Taufkirchen bei München/D, Rainbach oder andernorts gegen die unmündige Stieftochter eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausübte, indem er ihr in einer Vielzahl von Angriffen Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht oder den Körper, insbesondere den Nacken, die Arme, die Finger und auf den Po versetzte, sie an den Ohren und Haaren zog und ihr im Sommer 2011 mit den Zacken einer Gabel in den Oberschenkel stach, sie sohin am Körper misshandelte,
· Personen am Körper vorsätzlich verletzte und zwar
- zu einem unbekannten Zeitpunkt Anfang November 2011 in Rainbach eine weibliche Person dadurch, dass er ihre rechte Hand mit einer Hand erfasste und diese fest zudrückte, was einen Riss des ulnaren Seitenbandes am rechten Daumengelenk mit Einriss der palmaren Gelenkskapsel, sohin eine an sich schwere Verletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, und zwar in der Dauer von zumindest sechs Wochen, zur Folge hatte,
- am 19. März 2012 in Rainbach eine weibliche Person dadurch, dass er ihr eine Ohrfeige versetzte, sie zwickte und kratzte, wodurch diese Prellungen und Abschürfungen im Bereich des linken Ober- und Unterarmes, eine Abschürfung an der rechten Hand sowie eine Prellung am linken Zeigefinger erlitt sowie des Weiteren eine männliche Person durch Versetzen eines Bisses in den Rücken, wodurch diese eine Verletzung am oberen Rücken erlitt.
Mit Urteil des Obersten Gerichtshof vom 1. Oktober 2014, GZ 15 Os 93/14m-11, wurde in Stattgebung der erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis im Strafausspruch aufgehoben und der Bf unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 107b Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von sieben Jahren verurteilt.
Im Hinblick auf die Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die Tatwiederholungen über einen längeren Zeitraum. Mildernd wurde hingegen der bisherige ordentliche Lebenswandel des Bf gewertet. Unter Bedachtnahme auf den insgesamt neun Jahre umfassenden Tatzeitraum, das geringe Alter des Opfers bei Beginn der Tathandlungen und das sich durch Gewalthandlungen gegen vier verschiedene Personen manifestierende Charakterbild des Bf kam der Gerichtshof zur Auffassung, dass eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren dem Unrechtsgehalt der Taten und der Täterpersönlichkeit angemessen sei.
Der Schuldspruch des Urteils des Landesgerichtes Ried blieb durch den Obersten Gerichtshof unberührt; die vom Bf eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde wurde verworfen und seiner Berufung wegen Ausspruchs über privatrechtliche Ansprüche nicht Folge gegeben. Gemäß § 390a StPO wurde er zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens verpflichtet.
Dieses rechtskräftige strafgerichtliche Urteil war letztlich Anlass für die Erlassung des nunmehr angefochtenen Entziehungsbescheides vom 25. November 2014.
Mit Ausnahme dieser – im Strafurteil geschilderten - Tathandlungen war der Bf bislang offenbar strafgerichtlich als auch verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Nach den Eintragungen im Zentralen Führerscheinregister handelt es sich gegenständlich auch um die erste führerscheinrechtliche Maßnahme (Entziehung der Lenkberechtigung) zum Nachteil des Bf.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem OÖ. Landesverwaltungsgericht am 13. März 2015 erklärte der Bf, dass die Beibehaltung der Lenkberechtigung unabdingbar sei, da er seine erkrankte Gattin dreimal wöchentlich zu ärztlichen Behandlungen fahren und darüber hinaus spezielle Medikamente in Deutschland für sie besorgen und sie auch zu regelmäßigen Untersuchungen nach Regensburg fahren müsse. Die Gattin des Bf bestätigte als Zeugin nach Information über ihr Entschlagungsrecht und Wahrheitsbelehrung diese Angaben ihres Ehegatten und erläuterte, dass sie selbst nicht im Besitz einer Lenkberechtigung sei, die angesprochenen ärztlichen Behandlungen, zu der sie ihr Mann mit dem Auto fahre, jedoch lebensnotwendig für sie wären. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei ihr aufgrund der Zeitdauer unzumutbar und für sie auch unleistbar, da sie lediglich Rentenbezieherin sei.
I.4.2) Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Inhalt des behördlichen Verfahrensaktes, insbesondere dem rechtskräftigen Urteil des Obersten Gerichtshof vom 1. Oktober 2014, GZ 15 Os 93/14m-11, und als Ergebnis der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Es bestehen seitens des Landesverwaltungsgerichtes - trotz des Vorbringens des Bf - keine Bedenken, die Sachverhaltsfeststellungen der Entscheidung zugrunde zu legen.
I.5) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
I.5.1) Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen. [...]
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 FSG bildet die Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat gemäß § 7 Abs. 3 Z 8 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat.
§ 7 Abs. 4 erster Satz FSG zufolge sind für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Gemäß § 25 Abs. 3 erster Satz FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen.
Gemäß § 29 Abs. 3 FSG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern.
Nach § 30 Abs. 2 FSG hat die Behörde einem Besitzer einer ausländischen Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder eines ausländischen EWR-Führerscheines (§ 1 Abs. 4), der einen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, die Lenkberechtigung unter Anwendung der §§ 24 bis 29 zu entziehen. Der eingezogene Führerschein ist der Ausstellungsbehörde zusammen mit einer Sachverhaltsdarstellung zu übermitteln. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs. 3 oder, falls die Entziehungsdauer länger als 18 Monate war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung zu stellen. Die Behörde hat auch die Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR- oder eines Nicht-EWR-Staates anzuordnen, wenn eine Person mit Wohnsitz in Österreich eine solche Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt erlangt hat, zu dem in Österreich bereits die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war. In diesem Fall ist die Lenkberechtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu entziehen, zu dem die bereits angeordnete Entziehungsdauer endet. Eine Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates oder eines Nicht-EWR-Staates ist auszusprechen, wenn eine Person eine Lenkberechtigung in diesem Staat zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem die Person ihren Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich und nicht im Ausstellungsstaat des Führerscheines hatte.
I.5.2) Die Basis für die Entziehung der Lenkberechtigung des Bf und die weiteren Maßnahmen nach dem FSG bildet das im Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 1. Oktober 2014, GZ 15 Os 93/14m-11, dargestellte Verhalten des Bf. Diesem zufolge wurde der Bf - wie eingangs dargestellt - wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB, die Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, die Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 Z 1 StGB, des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und Abs. 4, Satz 2, 2. Fall StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt sieben Jahren verurteilt.
Im Hinblick auf diese rechtskräftigen Verurteilungen besteht für die belangte Behörde wie auch für das Landesverwaltungsgericht – unbeschadet der Ergreifung allfälliger Beschwerden an die europäischen Instanzen – Bindungswirkung (VwGH 6. April 2006, 2005/11/0214, 6. Juli 2004, 2002/11/0163, 20. Februar 2001, 98/11/0317; OGH verstärkter Senat 17. Oktober 1995, 1 Ob 612/95, uvm.), sodass von der tatsächlichen Begehung der dargestellten strafbaren Handlungen durch den Bf und somit von der Verwirklichung von der Verkehrsunzuverlässigkeit indizierenden bestimmten Tatsachen im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 8 und Z 9 FSG auszugehen ist, welche gemäß § 7 Abs. 4 FSG einer Wertung zu unterziehen sind.
Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung (sogenannte "Sittlichkeitsdelikte") zählen zu den verpöntesten und verwerflichsten Tathandlungen überhaupt. Derartige Handlungen verstoßen gegen wesentliche Grundwerte unserer Gesellschaftsordnung und stellen einen besonders schweren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit Dritter dar und laufen deren Recht auf freie Willensbestimmung zuwider. Insbesondere sexueller Missbrauch an Kindern stellt ein überaus schwerwiegendes Gefährdungsdelikt mit extrem hoher Verwerflichkeit dar! Auch „Gewaltdelikte“ (Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben) sind durch besondere Verwerflichkeit und Gefährlichkeit gekennzeichnet, da auch durch die Begehung solcher Tathandlungen in die Sphäre dritter Personen eingegriffen wird.
Straftaten wie die vorliegenden zählen zu jenen strafbaren Handlungen, deren Begehung durch die Benützung von Kraftfahrzeugen typischerweise erleichtert wird (VwGH 28. Juni 2001, 2001/11/0173). Der Umstand, dass der Bf bei den begangenen Straftaten offensichtlich kein Kraftfahrzeug (zumindest ist Gegenteiliges der Aktenlage nicht zu entnehmen) verwendet hat, steht daher der Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach der Judikatur nicht entgegen, ist aber im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung und unter Berücksichtigung der in dieser Gesetzesstelle genannten Wertungskriterien anzustellenden Prognose, wann der Betreffende die Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen wird, zu berücksichtigen (VwGH 28. Juni 2001, 2000/11/0084, mwN).
Im konkreten Fall ist zum Nachteil des Bf besonders erschwerend zu berücksichtigen, dass die geschlechtlichen Missbrauchshandlungen in wiederholten Angriffen über einen Zeitraum von rund neun Jahren! (von Jänner 2003 bis Dezember 2011) begangen wurden und das Opfer dieser Verbrechen im Zeitpunkt der Taten unmündig war. Als besonders verwerflich ist in diesem Zusammenhang auch zu werten, dass es sich beim Opfer um die Stieftochter des Bf handelte und er demnach offenbar sein Autoritäts- und Naheverhältnis gröblichst ausnutzte. Dass er die Verbrechen ausschließlich im engsten Familienkreis beging, vermindert die Verwerflichkeit seiner Taten keinesfalls und kann von ihm nicht zu seinen Gunsten ins Treffen geführt werden. In seinen Tathandlungen manifestiert sich eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber den rechtlich geschützten Werten der Schutzbedürftigkeit Minderjähriger und den moralischen Grundsätzen unserer Gesellschaft. Sein Verhalten zeugt von einer besonders rücksichtslosen Täterpersönlichkeit und lässt bei ihm eine sich über alle sittlichen Wertvorstellungen hinwegsetzende Sinnesart erkennen. Die Gewalthandlungen gegen seine Stieftochter sowie drei weitere Personen weisen darauf hin, dass der Bf auch eine überdurchschnittlich hohe Bereitschaft zur Gewaltanwendung aufweist. Von Kraftfahrzeuglenkern muss wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktfälle jedoch eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlangt werden (VwGH 26. Februar 2002, 2001/11/0379). Sein rücksichtsloses und verwerfliches Gesamtverhalten bedarf daher einer strengen Ahndung. Dementsprechend ist jedenfalls eine entsprechende Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung gerechtfertigt.
Negativ wirkt sich auch die Vielzahl an strafbaren Handlungen und das Zusammentreffen mehrerer strafbarerer Handlungen aus. Des Weiteren ist zu beachten, dass der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Jahren festgesetzt hat und damit den Unrechtsgehalt der gegenständlichen Straftaten als sehr erheblich erachtet hat. Der Gerichtshof ist offensichtlich der Ansicht, dass es der Vollstreckung einer hohen Freiheitsstrafe bedarf, um dem Bf das Unrecht seiner Taten vor Augen zu führen und von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.
Auch wenn die Straftaten mittlerweile einige Zeit zurückliegen und sich der Bf in der Zwischenzeit wohlverhalten hat, so fällt dies für ihn nicht entscheidend ins Gewicht, zumal in diesem Zeitraum das gerichtliche Strafverfahren als auch das Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung anhängig war und er sich überdies zumindest für kurze Zeit in Haft befand, sodass einem Wohlverhalten grundsätzlich – wenn überhaupt - nur geringe Bedeutung beigemessen werden kann (z. B. VwGH 28. November 1996, 96/11/0179).
In Anbetracht der Gesamtumstände gelangt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich daher im Rahmen der Wertung gemäß § 7 Abs. 4 FSG zur Auffassung, dass die Verlässlichkeit des Bf im Hinblick auf die Verwendungsmöglichkeiten eines Kraftfahrzeuges nicht gewährleistet ist und es im konkreten Fall trotz des ordentlichen Lebenswandels des Bf vor den Straftaten, einer Entziehungsdauer von zwei Jahren bedarf, bis er die Verkehrszuverlässigkeit wiedererlangt. Sittlichkeitsdelikte werden durch die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen verbundene erhöhte Mobilität wesentlich erleichtert, wobei konkret die Annahme begründet ist, dass der Bf weitere schwere strafbare Handlungen begehen würde, sofern ihm dies durch die mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen verbundene Mobilität ermöglicht würde. Selbst unter Berücksichtigung, dass es sich gegenständlich um die erstmalige Entziehung der Lenkberechtigung des Bf handelt und er im Straßenverkehr bislang nicht auffällig in Erscheinung trat, vermag das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich keine günstigere Zukunftsprognose für den Bf hinsichtlich der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit abzugeben als die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid. Die von der Behörde festgesetzte Entziehungsdauer erscheint im Hinblick auf das geschilderte abartige und höchst verwerfliche Verhalten des Bf angemessen und steht auch in Einklang mit der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Im zuvor zitierten Erkenntnis vom 28. November 1996 hat der Verwaltungsgerichtshof in einem nahezu vergleichbaren Fall beispielsweise eine Entziehungsdauer von 24 Monaten als rechtmäßig bestätigt und die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Eine Unterschreitung der behördlich festgesetzten Entzugsdauer von zwei Jahren – wie im Rahmen der Verhandlung in eventu beantragt - ist daher nicht möglich.
Das Landesverwaltungsgericht verkennt die Problematik, die sich für den Bf und seine Ehefrau aufgrund der Entziehung seiner Lenkberechtigung ergibt, nicht. Private und berufliche Umstände haben bei der Entziehung der Lenkberechtigung aus Gründen des öffentlichen Interesses, ua. verkehrsunzuverlässige Lenker von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, jedoch außer Betracht zu bleiben (VwGH 24. August 1999, 99/11/0166). Ebenso bilden wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind, bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit kein wie immer geartetes Beweisthema (VwGH 30. Mai 2001, 2001/11/0081, 23. April 2002, 2000/11/0182). Sein Verhandlungsvorbringen, die Lenkberechtigung sei für ihn aufgrund der Erkrankung seiner Ehefrau unabdingbar, kann daher vor dem Hintergrund dieser dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht berücksichtigt werden. Anzumerken ist, dass dem Bf schon bei den Tatbegehungen die sich über eine gerichtliche Bestrafung hinaus ergebenden Konsequenzen und Folgen hätten bewusst sein müssen, ihn dies dennoch nicht vom strafbaren Tun abgehalten hat.
Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um eine Schutzmaßnahme im (primären) Interesse anderer Personen vor verkehrsunzuverlässigen Kraftfahrzeuglenkern (VwGH 22. Oktober 2002, 2001/11/0108, 8. Juli 1983, 82/11/0014).
Die Verkehrs(un)zuverlässigkeit einer Person stellt eine Charaktereigenschaft dar, die keiner ärztlichen und/oder psychologischen Beurteilung zugänglich ist, sondern im Wege der Lösung einer Rechtsfrage - ohne Heranziehung von Sachverständigengutachten - zu beurteilen ist (z. B. VwGH 11. Juli 2000, 2000/11/0011, 22. September 1995, 95/11/0202 ua.). Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens war daher nicht erforderlich und dem entsprechenden Beschwerdeantrag nicht stattzugeben.
Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines ist in § 29 Abs. 3 FSG begründet. Gemäß § 30 Abs. 2 FSG ist dem Besitzer einer allfällig bestehenden (VwGH 17. März 2005, 2005/11/0057, 20. März 2012, 2012/11/0014) ausländischen Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder eines ausländischen EWR-Führerscheines, welcher einen Wohnsitz in Österreich hat, die Lenkberechtigung zu entziehen.
II.) Zum beanspruchten Kostenersatz des Bf ist zu bemerken, dass § 74 Abs. 1 AVG (iVm § 17 VwGVG) zufolge jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten hat.
Ein nach Beendigung eines Verfahrens zuzusprechender Kostenersatz für die Beiziehung eines Rechtsanwaltes in einem Verwaltungsverfahren, in dem keine Anwaltspflicht besteht, ist auch im FSG nicht vorgesehen.
Der Antrag, der belangten Behörde den Ersatz der Kosten aufzuerlegen, ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
III.) Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche, d.h. über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr.in Andrea P a n n y