LVwG-350128/10/GS/BD

Linz, 07.04.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Mag. Gabriele Saxinger über die Beschwerde vom 19.1.2015 der Frau I. K., geb. x, x, vertreten durch ihren Sohn Ing. K. B., x, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 5.1.2015, GZ: 3.01 - ASJF, wegen Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs (bedarfs­orientierte Mindestsicherung), den

 

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I. Der Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom
5.1.2015, GZ 3.01 – ASJF, wird gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz zurückverwiesen.

 

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) vom 5.1.2015, GZ 3.01 – ASJF, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) vom 7.7.2014 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Lebensgemeinschaft mit Herrn S. bei der Vorsprache am 7.7.2014 bestritten worden wäre. Herr S. wäre bei diesem Gespräch anwesend gewesen, habe sich aber nicht zur Lebensgemeinschaft geäußert. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens seien Sie am 6.3.2014 seitens der Behörde gefragt worden, ob es für Sie in Ordnung sei, dass der zuständige Erheber nach Beendigung der Vorsprache einen Blick in die Wohnung von Herrn S. werfe. Sie hätten daraufhin das Büro verlassen. Herr S. habe dann das Büro betreten und wäre befragt worden, ob es für ihn in Ordnung sei, dass der zuständige Erheber sich in seiner Wohnung umsehe. Herr S. habe in der Folge mitgeteilt, dass sich sehr wohl Habseligkeiten von Ihnen bei ihm in der Wohnung befänden, dass auch das Bett geteilt werde und eine Lebensgemeinschaft bestehe, Ihrem Antrag wäre daraufhin keine Folge gegeben worden. Gegen diesen Bescheid vom 31.3.2014 hätten Sie kein Rechtsmittel ergriffen. Um den Sachverhalt bezüglich Ihres aktuellen Antrags vom 7.7.2014 zu klären, wäre eine Erhebung beauftragt worden. Das Ergebnis des Erhebungs­dienstes vom 15.7.2014 wäre gewesen, dass Sie zweimal nicht an Ihrer gemeldeten Wohnadresse, stattdessen aber bei Herrn S. angetroffen worden wären. Sie hätten angegeben, sich vor Ihrem Exgatten zu fürchten und sich daher manchmal bei Herrn S. aufzuhalten. Dies hätten Sie auch in Ihrer mündlichen Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme am 18.12.2014 angegeben. Nach Kontrolle der Unterlagen, die dem Antrag auf Mindestsicherung beigelegt worden wären, sei ersichtlich, dass die Abrechnung der Stadt Linz für die Wohnwagensiedlung durch das Gebäudemanagement vom 31.5.2013 und vom 28.5.2014 zu Herrn S. – x – als Postadresse angegeben worden wäre. Auch am Zustellnachweis eines Schriftstücks der bedarfsorientier­ten Mindestsicherung über die Benachrichtigung vom Ergebnis der Beweis­aufnahme vom 22.3.2014 zeige sich, dass Sie einen Nachsendeauftrag zu Herrn S. bei der Post angegeben hätten. Dazu hätten Sie am 18.12.2014 Stellung genommen, nämlich, dass dieser gemacht worden wäre, da auch der Exgatte an Ihrer Meldeadresse Zugang zur Post gehabt hätte und es vermehrt vorge­kommen sei, dass Ihre Post verschwunden sei. Im Rahmen einer Erhebung am 5.3.2014 hätte Ihr Exgatte Herr D. H. ausgesagt, dass Sie seit zirka 2 Jahren nicht mehr an der angegebenen Wohnadresse wohnen würden, wobei Sie am 12.2.2014 selbst angegeben hätten, dass Sie abwechselnd bei Ihrer Tochter bzw. einer Freundin wohnen würden. Im Rahmen einer freien Beweis­würdigung hinsichtlich Ihres Lebensmittelpunktes wäre den Erhebungsergeb­nissen, der angegebenen Adresse gegenüber dem Gebäudemanagement des Magistrats Linz sowie dem Nachsendeauftrag gegenüber der Post an die Adresse des Herrn S., der Aussage von Herrn D. H. (Exgatte) und der Zeugenaussage vom 6.3.2014 von Herrn S., dass eine Lebensgemeinschaft vorliege, eine höhere Bedeutung beigemessen worden als der Aussage der Bf am 18.12.2014, wonach sie angegeben hätte, dass sie mit Herrn S. keine Lebensgemeinschaft hätte und er sich dies nur so vorstelle. Weiters hätte die Bf der Behörde am 7.8.2014 eine Vollmacht für ihre Vertretung durch Herrn S. vorgelegt. Diese Vollmachtserteilung werde als weiteres Indiz gewertet, dass hier ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliege. Herr S. habe am 6.3.2014 angegeben, dass er eine Pension in der Höhe von 1.200 Euro (14 Mal) monatlich beziehe. Die Bf würde ein Krankengeld in der Höhe von 10,18 Euro täglich beziehen. Das Haushaltseinkommen überschreite den für die Bf und ihren Lebensgefährten anzuwendenden Mindeststandard in der Höhe von jeweils 625,70 Euro. Gemäß § 8 Abs. 2 Oö. BMSG wäre bei der Leistung bedarfs­orientierter Mindestsicherung das Einkommen der (des) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin oder Ehegattin, Lebensgefährtin oder Lebens­gefährten bzw. Lebenspartnerin oder Lebenspartners insoweit als Einkommen der hilfebedürftigen Person betrachtet, als es jenen Betrag übersteigt, der ihr oder ihm zustünde, wenn sie oder er selbst auf bedarfsorientierte Mindestsicherung angewiesen wäre. Mit dem Einkommen der Bf und der Pension des Lebens­gefährten Herrn S. würde die Bf über den für sie anzuwendenden Mindest­standard gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 Oö. BMSV liegen. Es wäre daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 19.1.2015. Zusammengefasst bringt die Bf durch ihren Sohn im Wesentlichen vor, dass nochmals darauf hingewiesen werde, dass die Mutter, Frau K., nicht in der Lage sei, zu lesen und zu schreiben und sie deshalb hier auf fremde Hilfe angewiesen sei. Als einer der Gründe für die Ablehnung wäre unter anderem eine Vollmacht von Herrn S. angeführt, welche am 7.8.2014 vorgelegt werden hätte müssen, um auf meine (Anmerkung: d.h. des Sohnes der Bf) Bitte hin, überhaupt Auskunft über den Sachverhalt der Mutter zu erhalten. Die Bf hätte selbst nicht vorsprechen können, da zu diesem Zeitpunkt ein zweimonatiger Aufenthalt im Krankenhaus wegen schwerer psychischer Erkrankung notwendig gewesen wäre. Da er (Anm: der Sohn) in der S. wohne und nicht immer die Mutter bei Behördenwegen unterstützen könne, sei er sehr froh, hier von Herrn S. Unterstützung zu bekommen. Es stimme auch, dass zu Herrn S. ein besonderes Vertrauensverhältnis seinerseits und auch seiner Mutter bestehe. Wie allerdings selbst im Bescheid vom 5.1.2015 angeführt worden sei, könne dies nur als Indiz, nicht aber als Beweis einer Lebensgemeinschaft bewertet werden. Es werde darauf hingewiesen, dass als zentraler Lebens­mittelpunkt der Wohnwagen in der x, in dem die Bf auf­gewachsen sei, anzusehen wäre. Dieser Wohnwagen wäre so gestaltet worden, dass hier an und für sich ein gemütliches Wohnen möglich sei. Außerdem sei es die Bf auch gewohnt, im Wohnwagen zu wohnen. Die Bf nächtige abwechselnd bei ihrem Sohn, ihrer Tochter, einer guten Freundin, Herrn S. und in ihrem Wohnwagen. Als ihre Heimat bezeichne sie allerdings immer ihren Wohnwagen. Ein dauernder Aufenthalt im Wohnwagen sei aufgrund der bereits mehrmals angeführten Feindseligkeiten ihres Exmannes Herrn D. nicht möglich. Besserung sollte sich hier einstellen, sobald das Aufteilungsverfahren aus der Scheidung abgeschlossen sei und die Fronten dann geklärt wären. Es sollte dann auch ein dauernder Aufenthalt in der x möglich sein. Als freie Beweiswürdigung hinsichtlich des Lebensmittelpunktes der Bf wäre die Adressangabe von Herrn S. und auch ein Nachsendeauftrag an diesen herangezogen worden. Wie bereits ausgeführt, wäre dies notwendig gewesen, damit die Post nicht verschwinde. Die Bf habe die Adresse von Herrn S. angegeben, da sie ihre Kinder nicht belasten hätte wollen. Die Aussagen von Herrn D. wären bitte nicht zu berücksichtigen, da es seine Absicht sei, der Bf damit nur zu schaden. Hingewiesen wird, dass der Bf aufgrund ihrer schweren psychischen Erkrankung in diesem Frühjahr auch ein weiterer dreimonatiger Klinikaufenthalt bevorstehe.

 

I.3. Mit Schreiben vom 2.2.2015 wurde die verfahrensgegenständliche Beschwerde von der belangten Behörde dem Oö. Landesverwaltungsgericht (LVwG) zur Entscheidungsfindung übermittelt.

 

I.4. Beweis erhoben wurde durch Akteneinsichtnahme und Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.3.2015. An dieser nahmen die Bf, ihr Sohn, zwei Vertreter der belangten Behörde sowie Herr S. und ein weiterer Mitarbeiter der belangten Behörde (beide Letztgenannten jeweils als Zeuge) teil.

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

Am 7.7.2014 stellte die Bf einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebens­unterhaltes und Wohnbedarfs.

Die Bf ist österreichische Staatsbürgerin, geschieden, und hat ihren Hauptwohn­sitz in x, gemeldet.

Frau K. gehört der Volksgruppe der S. an und lebt an der genannten Adresse auf ihrem Pachtgrundstück in einem Wohnwagen. Im Sommer und der wärmeren Jahreszeit übernachtet die Bf fast durchgehend in ihrem Wohnwagen. Im Winter bei besonderer Kälte übernachtet die Bf 3 bis 4 Mal pro Woche in der Wohnung des Herrn A. S. in Linz. Die restlichen Tage im Winter nächtigt die Bf bei ihrer Tochter in P. und einer Freundin in L... Weiters ist sie im Durchschnitt 2 Mal pro Monat bei ihrem Sohn in der S. zu Besuch.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

Die Bf und der Zeuge A. S. schilderten in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Oö. LVwG am 11.3.2015 glaubwürdig, dass zwischen beiden nie eine Lebensgemeinschaft bestanden hat. Für die erkennende Richterin ist das geschilderte enge Vertrauens- und bloße Freundschaftsverhältnis glaub­haft und nachvollziehbar. Durch die ausführliche Schilderung ihrer persönlichen Lebenssituation (Bedrohungen durch den Ex-Gatten, schlimme Kindheit, psychische Beeinträchtigungen) ist es für die erkennende Richterin nachvoll­ziehbar, dass es der Bf unmöglich ist, enge körperliche Kontakte und damit eine Lebensgemeinschaft zuzulassen.

Auch der in der Verhandlung einvernommene Mitarbeiter der belangten Behörde, der bei der Vorsprache der Bf am 6.3.2014 einen Aktenvermerk angelegt hat, in dem von der Situation einer Lebensgemeinschaft die Rede ist, sagte nunmehr zeugenschaftlich aus, dass Herr S. eher nicht den konkreten Ausdruck „Lebensgemeinschaft“ verwendet hat. Offensichtlich hat der Mitarbeiter aufgrund des ohne Zweifel zwischen der Bf und Herrn S. bestehenden Vertrauens- und Freundschaftsverhältnisses das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft ange­nommen. Dass die Bf und Herr S. im März 2014 in der Wohnung des Herrn S. auf Grund von reinem Platzmangel in einem Bett schliefen, wurde in der Verhandlung nachvollziehbar und glaubwürdig geschildert. Zu dieser Zeit pflegte nämlich Herr S. seine betreuungsbedürftige Mutter in seiner Wohnung und die Bf unter­stützte ihn dabei.

Auch die von der belangten Behörde zur Untermauerung des Vorliegens einer Lebensgemeinschaft herangezogene Vollmachtserteilung an Herrn S. ist rein in dem zwischen beiden bestehenden Freundschafts- und Vertrauensverhältnis begründet. Außerdem wurde in der Beschwerde aufgrund der geschilderten Lebenssituation der Bf lebensnah ausgeführt, dass der Sohn der Bf über die Unterstützung seiner Mutter durch Herrn S. sehr froh ist. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Bf selbst nicht lesen und schreiben kann und ihr Sohn weit entfernt von ihr in der S. lebt.

Aber auch der Nachsendeauftrag von der Bf an die Adresse des Herrn S. ist kein Beweis für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft. Nachvollziehbar und glaubwürdig schilderten die Bf und der Zeuge S., dass der Grund für den Nachsendeauftrag ein anderer war. Die an die Bf adressierte Post musste dem Zugriff des Ex-Gatten und des Sohnes, die auf demselben Grundstück jeweils in verschiedenen Häusern leben, entzogen werden, da der Bf etliche an sie gerichtete Schreiben nicht zugegangen sind.

 

Zur Frage des Lebensmittelpunktes der Bf:

Die Bf schilderte in der Verhandlung glaubhaft und nachvollziehbar, dass sie im Sommer fast ausschließlich in ihrem Wohnwagen nächtigt. Von den Wohn­verhältnissen dort konnte sich die erkennende Richterin ein anschauliches Bild machen, da die Bf in der Verhandlung auf ihrem Handy ein selbst auf­genommenes Video vorführte. Beim Wohnwagen handelt es sich um kein herkömmliches Modell, sondern um eine 100 Jahre alte Konstruktion aus Holz. Die Wohnmöglichkeit ist ca. 25 groß, verfügt über eine Toilettenvorrichtung, eine Heizmöglichkeit mit Strom und ist insgesamt sehr wohnlich eingerichtet. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass die Bf der Bevölkerungsgruppe der „S.“ angehört. In dieser Gruppe ist bekanntermaßen das Wohnen in Wohn­wägen üblich. Ebenso ist es für Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe typisch, dass sie sich nicht ständig am gleichen Ort aufhalten. Unter diesem Aspekt ist es weiter nicht unüblich, dass die Bf auch regelmäßig abwechselnd bei ihrer Tochter, einer Freundin, ihrem Sohn und Herrn S. besuchsweise über­nachtet, ohne jedoch ihren Wohnwagen als „Lebensmittelpunkt“ aufzugeben. V.a. zum Zeitpunkt der Antragstellung im Sommer hielt sich die Bf – abgesehen von ihrem stationären Aufenthalt im Wagner-Jauregg-Krankenhaus- ständig in ihrem Wohnwagen auf. Nur zur Zeit der extremen Kälte im Winter übernachtet sie aufgrund beträchtlicher Heizkosten, die für die Bf finanziell nicht leistbar sind, abwechselnd bei den genannten Personen. Dabei handelt es sich jedoch jeweils um kurzfristige, tageweise Aufenthalte.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Das Oö. BMSG bestimmt:

 

§ 4  regelt die persönlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung:

(1)          Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1.   ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz, BGBl.Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2.   a) österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren Familien­ angehörige,

b) Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

c) EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

d) Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG“ oder „Daueraufenthalt - Familienangehörige“ oder mit einem Nieder­lassungsnachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

e) Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthalts­recht verlieren würden, sind.

(2) Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann im Einzelfall – abweichend von Abs.1 – auf der Grundlage des Privatrechts geleistet werden, soweit

1. der Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert ist oder gesichert werden kann und

2. dies zur Vermeidung besonderer Härten unerlässlich ist.

 

 

§ 6

Soziale Notlage

 

 

(1) Eine soziale Notlage liegt bei Personen vor,

1.     die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder

2.     den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Ange­hörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft leben, nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

(2) Der Lebensunterhalt im Sinn des Abs. 1 umfasst den Aufwand für die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse zur Führung eines menschen­würdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse, wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

(3) Der Wohnbedarf nach Abs. 1 umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, allgemeine Betriebskosten und Abgaben.

 

[.....]

§ 8

Einsatz der eigenen Mittel

 

(1) Die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung hat unter Berück­sichtigung

1.     des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfebedürftigen Person sowie

2.     tatsächlich zur Verfügung stehender Leistungen Dritter zu erfolgen.

(2) Bei der Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung wird das Einkommen der (des) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin oder Ehegatten, Lebensgefährtin oder Lebensgefährten bzw. Lebenspartnerin oder Lebens­partners insoweit als Einkommen der hilfebedürftigen Person betrachtet, als es jenen Betrag übersteigt, der ihr oder ihm zustünde, wenn sie oder er selbst auf bedarfsorientierte Mindestsicherung angewiesen wäre.

(3) Das Einkommen in Haushaltsgemeinschaft mit hilfebedürftigen Personen lebender Kinder ist bis zur Erreichung der Volljährigkeit ausschließlich zur eigenen Bedarfsdeckung zu berücksichtigen.

 

[.....]

 

§ 13

Monatliche Leistungen im Rahmen der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs

 

(1) Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs erfolgt durch laufende monatliche Geldleistungen (Mindeststandards), soweit keine Hilfe in Form von Sachleistungen in Betracht kommt und auch keine Bedarfsdeckung durch die Inanspruchnahme von Hilfe zur Arbeit besteht.

(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung

1. jährlich zum 1. Jänner die Höhe der Mindeststandards gemäß Abs. 1 ...

festzusetzen ...

 

In diesem Sinn sind in § 1 Abs. 1 der Oö. Mindestsicherungsverordnung

(Oö. BMSV) in der jeweils geltenden Fassung die Mindeststandards betragsmäßig festgesetzt.

Für Alleinstehende ist jeweils ein höherer Mindeststandard festgelegt als für Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben.

 

IV.2. Die belangte Behörde hat ihre abweisende Entscheidung auf das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft mit Herrn S. gestützt, sowie den Lebensmittel­punkt der Bf in der Wohnung des Herrn S. angenommen.

 

Den Ausführungen der belangten Behörde ist entgegenzuhalten:

 

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt, liegt zwischen der Bf und Herrn A. S. keine Lebensgemeinschaft vor.

 

Es liegt zwischen Herrn S. und der Bf aber auch kein gemeinsamer Haushalt vor, da nicht einmal in Teilbereichen eine gemeinsame Wirtschaftsführung besteht. Wenn die Bf im Winter tageweise bei Herrn S. übernachtet, bezahlt Herr S. zwar den Einkauf. Im Gegenzug anstatt einer Entgeltleistung ver­richtet die Bf in der Wohnung des Herrn S. die Putz-, Wasch- und Koch­arbeiten.

 

Aber auch der Lebensmittelpunkt der Bf ist nicht in der Wohnung des Herrn S. gelegen:

 

Den Erläuterungen zu den Bestimmungen des § 4 Oö. BMSG (vgl. AB 434/2011 BlgLT XXVIII.GP) ist zu entnehmen, dass die persönlichen Voraussetzungen für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung im Wesentlichen jenen nach § 6 Abs. 1 Z 1 sowie Abs. 2 und 3 Oö. Sozialhilfegesetz 1998 entsprechen. Allerdings wird zur Erleichterung des Vollzuges eine nähere Umschreibung des rechtmäßigen Aufenthalts vorgenommen. Die konkreten Antragserfordernisse bestimmen sich nach § 28 Oö. BMSG und den darin zitierten melderechtlichen Vorschriften.

Mit dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. VwGH 16.6.1992, 92/11/0031) im Abs. 1 Z 1 ist nicht bloß ein vorübergehender Aufenthalt gemeint. Aus Aufenthaltsort wird sohin der Ort anzusehen sein, wo sich jemand die meiste Zeit aufhält. Die Absicht, sich dauernd an diesem Ort niederzulassen, ist nicht erforderlich. Ein bloß kurzfristiger Aufenthalt an einem Ort ohne die Absicht, dort Wohnung zu nehmen oder längere Zeit zu bleiben, wie z.B. ein Aufenthalt während einer Reise oder zu Besuchszwecken, reicht zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Regelfall nicht aus. Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt ist jener Ort zu verstehen, an dem in der bestimmten und erkennbaren Absicht Aufenthalt genommen wird, ihn bis auf weiteres zum Lebensmittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen. Für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts ist eine gewisse Dauer erforderlich und, dass dort auch tatsächlich der Mittelpunkt des Lebens liegt.

Wie bereits ausgeführt, hält sich die Bf im Sommer ständig in ihrem Wohnwagen auf. In der Zeit extremer Kälte hält sie sich abwechselnd und bloß vorüber­gehender Weise bei ihrer Tochter, ihrem Sohn, einer Freundin und Herrn S. tageweise zu Besuchszwecken auf. Diese bloß kurzfristigen Aufenthalte bei verschiedenen Personen begründen jedoch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in den jeweiligen Wohnungen. Vielmehr ist in Anbetracht dessen, dass die Bf der Volksgruppe der „S.“ angehört (die Sesshaftigkeit ist keineswegs für diese kennzeichnend) und die extremen Heizkosten im Wohnwagen (Heizung mit Strom) während der kalten Periode für die Bf finanziell nicht leistbar sind und die Bf daher „gezwungen“ ist, abwechselnd bei verschiedenen Personen Quartier zu nehmen, der Wohnwagen in der x, an dem die Bf auch ihren Hauptwohnsitz angemeldet hat, als Lebensmittelpunkt der Bf anzusehen.

 

IV.3. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Wie bereits ausgeführt geht ‒ entgegen der Beurteilung durch die belangte Behörde ‒ das Oö. Landesverwaltungsgericht nicht davon aus, dass zwischen der Bf und Herrn S. eine Lebensgemeinschaft vorliegt und der Lebensmittelpunkt der Bf nicht in der Wohnung des Herrn S. gelegen ist. Die belangte Behörde hat daher aufgrund der gegenständlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes die Voraussetzungen hinsichtlich des nunmehr zugrunde zu legenden Mindest­standards für Alleinstehende gemäß § 1 Abs. 1 Oö. BMSV neu zu beurteilen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Oö. BMSG steht es der Bf nicht nur zu, eine Beschwerde gegen einen abweisenden Bescheid dem Grunde nach zu erheben; vielmehr besteht für die Bf auch das Recht, eine Beschwerde der Höhe nach zu erheben, sollte nach ihrer Auffassung die ihr gewährte bedarfsorientierte Mindestsicherung zu niedrig bemessen worden sein. Über die Frage der Höhe der Mindestsicherung hat sodann wiederum das Landesverwaltungsgericht Ober­österreich zu entscheiden. Durch eine sofortige Sachentscheidung des Landes­verwaltungsgerichtes Oberösterreich würde der Bf im gegenständlichen Ver­fahren daher eine Instanz im Hinblick auf die Höhe der beantragten Leistung genommen werden. Würde das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bereits zum derzeitigen Verfahrensstand der Höhe nach in der Sache selbst entscheiden, wäre dadurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Beschwerde­führerin auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B-VG verletzt werden.

 

Insofern war daher der Beschwerde derart Folge zu geben, dass der Bescheid der belangten Behörde aufgehoben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an dieselbe zurückverwiesen wird. Die belangte Behörde ist im Rahmen ihrer Entscheidung an die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes Ober­österreich dahingehend gebunden, dass die Beschwerdeführerin in keiner Lebensgemeinschaft lebt, sondern als Alleinstehende an ihrem gemeldeten Hauptwohnsitz ihren Lebensmittelpunkt hat.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­ver­waltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gabriele Saxinger