LVwG-300642/2/Kl/TK

Linz, 26.03.2015

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin  Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des DI H. Z., vertreten durch Rechtsanwalt Mag. W. K., x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 13.2.2015, GZ. 23898/2014, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitnehmer-Innenschutzgesetz

 

b e s c h l o s s e n:

 

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungs-strafverfahren eingestellt.

 

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25 a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.           Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 13.2.2015, GZ. 23898/2014, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 2.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz iVm § 17 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung verhängt, weil er als für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften für den Bereich Kaltband/Veredelung (am Dienstort x) gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der v GmbH (FN x) mit Sitz in x, zu vertreten hat, dass am 21.3.2014 in der Arbeitsstätte der v GmbH, x, im Bereich x, der Arbeitnehmer K. M. mit Einstell- bzw. Störungsbeseitigungsarbeiten an einer in Betrieb befindlichen Schweißmaschine Lochstanze, Bauj.: 1973 (Arbeitsmittel) beschäftigt war, obwohl – um die Sicherheit und Gesundheit des Arbeitnehmers nicht zu gefährden – an solchen in Betrieb befindlichen Anlagen bzw. Arbeitsmitteln solche Einstell-, Wartungs-, Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten sowie Arbeiten zur Beseitigung von Störungen an in Betrieb befindlichen Arbeitsmitteln nicht durchgeführt werden dürfen und daher auch geeignete Maßnahmen zu treffen sind, um ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten des Arbeitsmittels wie hier der gegenständlichen „Schweißmaschine Lochstanze“ zu verhindern.

 

2.           Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens beantragt. Begründend wurde nach Darstellung des Sachverhaltes im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen von der belangten Behörde nicht gewürdigt worden seien und auch die benannten Zeugen nicht einvernommen worden seien. Es sei eine Gefahren- und Risikoanalyse erstellt und für den gegenständlichen Bereich eine Sicherheitsinstruktion erlassen worden. Die Mitarbeiter seien unterwiesen. Wären die entsprechenden Unterweisungen zur Gänze eingehalten worden, so wäre auch der bedauerliche Vorfall unterblieben. Entgegen den getroffenen schriftlichen Anweisungen und Unterweisungen sei mit Zustimmung des Verunfallten vom Vorarbeiter die Zutrittstür geschlossen und der Sicherheitsbereich quittiert worden. Es sei die Maschine in Betrieb genommen worden und eine Probestanzung vorgenommen worden. Nach der Probestanzung hätten beide das Ergebnis der Lochstanzung begutachtet und festgestellt, dass diese qualitativ nicht in Ordnung sei. Um eine Kontrolle durchzuführen, ging der Verunfallte zurück und kontrollierte mit dem Finger das Werkzeug. Die Lochstanze sei jedoch nicht, wie beabsichtigt, deaktiviert gewesen und sei es daher zum Unfall gekommen. Es handle sich um ein unbeabsichtigtes, unbefugtes oder irrtümliches Einschalten der Lochstanze. Es handle sich um ein bedauerliches Eigenverschulden des Verunfallten. Die Einstellarbeiten seien bereits abgeschlossen gewesen. Dass der Arbeitnehmer trotzdem in die Stanze gegriffen habe, sei als nicht nachvollziehbares Blackout zu werten. Es sei daher mangels objektiven und subjektiven Tatbestandes das Strafverfahren einzustellen. Weiters wurde die Strafhöhe bekämpft.

 

3.           Der Magistrat der Stadt Linz hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

 

4.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die mündliche Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG.

 

Als erwiesen festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt wird, dass dem Arbeitsinspektorat Linz mit 14.7.2010 eine Meldung der v GmbH über die Bestellung „nachstehend genannter Bereichsleiter gemäß § 9 Abs. 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten für die ihnen jeweils zugeordneten Bereiche“, darunter auch der Beschwerdeführer, zugegangen ist. Es wurde hinsichtlich des Beschwerdeführers eine „Vollmacht“ betreffend „Bestellung als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991 i.d.g.F.“ beigelegt. Die Bestellungsurkunde hat weiters folgenden Inhalt: „Als zuständige und gesamtverantwortliche Mitglieder der handelsrechtlichen Geschäftsführung der v GmbH bestellen wir hiemit Herrn DI H. Z. als zuständigen Leiter des Bereiches Kaltband/Veredelung zum verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten im Zusammenhang mit der Einhaltung der relevanten arbeitszeitrechtlichen Vorschriften in diesem Bereich der v GmbH am Standort x. Der Bereich Kaltband/Veredelung umfasst Folgendes: KWW 2, Banddurchlaufofen für die Elektroblechfertigung im KWW 1, Feuerverzinkungsanlagen, elektrolytische Bandverzinkungsanlage und organische Beschichtungsanlagen, KWW 3.

Die Bestellung gemäß Namhaftmachung vom 15.12.2005 wird hiemit widerrufen.

Herr DI H. Z. verfügt im Rahmen seiner Funktion über die entsprechenden Anordnungsbefugnisse, die für die Erfüllung der entsprechenden arbeitszeitrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit der Errichtung und den Betrieb von Betriebsanlagen, Bauten, Einrichtungen... in der v GmbH sowie der damit zusammenhängenden Arbeitnehmerschutzvorschriften und der Vorschriften des Arbeitsinspektionsgesetzes erforderlich sind.“

 

Die Zustimmungserklärung des Bestellten erfolgte in einer „Bestätigung“, mit welcher er „in Kenntnis der damit verbundenen Konsequenzen meiner Bestellung zum verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten für den Bereich Kaltband/Veredelung im Sinn der obigen Vollmacht“ zustimmt.

 

Mit der Mitteilung an das Arbeitsinspektorat erfolgten zwei weitere Bestellungen, nachgewiesen mit Bestellungsurkunde („Vollmacht“), insbesondere auch für den Bereich „Technischer Service zum verwaltungsstrafrechtlichen verantwortlichen Beauftragten für diesen Bereich der v GmbH, der folgende Betriebsanlagen samt zugehörige Bauten und Einrichtungen erfasst: Kraftwerk...“. Eine sachliche Einschränkung ist hier nicht vorgesehen.

 

 

5.           Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1.      Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zum verantwortlichen Beauftragten bestellt werden (Abs. 2).

Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist (Abs. 4).

 

Nach der dazu ergangenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Delegation der Verantwortlichkeit und daher der Übergang der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von den nach außen vertretungsbefugten Organen nur dann erfolgen, wenn diese Übertragung der Verantwortlichkeit ausdrücklich erfolgt, der räumlich und/oder sachlich abgegrenzte Bereich des Unternehmens aus der Bestellung klar und eindeutig hervorgeht und der bestellten Person die für diesen Verantwortungsbereich erforderliche Anordnungsbefugnis übertragen wurde. Das Tatbestandsmerkmal des klar abzugrenzenden Bereiches muss schon beim Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten vorgelegen haben und darf nicht erst während des anhängigen Strafverfahrens – durch Klarstellung im Rahmen des Beweisverfahrens – entscheidend ergänzt werden (VwGH 29.4.1997, 96/05/0282).

 

5.2. Die mit 14.7.2010 beim Arbeitsinspektorat Linz eingegangene Bestellungsurkunde „Vollmacht“ vom 9.7.2010, mit Zustimmungserklärung des Beschwerdeführers vom 7.7.2010, enthält als räumlich abgegrenzten Bereich „Kaltband/Veredelung“, welcher im Folgenden auch näher aufgelistet ist. Als sachlich abgegrenzter Bereich wird die „Einhaltung der relevanten arbeitszeitrechtlichen Vorschriften in diesem Bereich“ deutlich und klar festgelegt. Ein sachlicher Zuständigkeitsbereich für Arbeitnehmerschutzvorschriften (ausgenommen arbeitszeitrechtliche Vorschriften) ist daraus nicht zu entnehmen. Es hat daher ein Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit auf den Beschwerdeführer für den Bereich Kaltband/Veredelung lediglich für den sachlichen Zuständigkeitsbereich „arbeitszeitrechtliche Vorschriften“ stattgefunden. Dieser Übertragung hat der Beschwerdeführer auch mit Zustimmungserklärung vom 7.7.2010 zugestimmt, in welcher er „für den Bereich Kaltband/Veredelung im Sinne der obigen Vollmacht“ zustimmt. Es hat daher auch durch die Zustimmungserklärung keine nähere Konkretisierung oder Erweiterung des sachlichen Zuständigkeitsbereiches des Beschwerdeführers stattgefunden.

 

Daran ändert auch nichts die weitere Ausführung in der Bestellungsurkunde im Hinblick auf die entsprechenden Anordnungsbefugnisse, die „für die Erfüllung der entsprechenden arbeitszeitrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit der Errichtung ... sowie der damit zusammenhängenden Arbeitnehmerschutzvorschriften ... erforderlich sind“. Die Anführung der Anordnungsbefugnisse für bestimmte Bereiche ersetzt nicht die klare und deutliche Übertragung und Bestimmung des sachlichen Bereiches der Delegationsverantwortung.

 

Da eine andere Bestellungsurkunde beim Arbeitsinspektorat nicht vorliegt, ist davon auszugehen, dass ausgenommen in arbeitszeitrechtlicher Hinsicht eine Delegation der Verantwortlichkeit von den gesetzlich nach außen vertretungsbefugten Organen auf den Beschwerdeführer nicht stattgefunden hat.

 

Da im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren die Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz vorgeworfen wird, war mangels eines Überganges der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf den Beschwerdeführer der Beschwerdeführer in diesem Verwaltungsstrafverfahren nicht zur Verantwortung zu ziehen. Es hat daher der Beschwerdeführer die ihm angelastete Tat nicht begangen und war daher das gegen ihn ergangene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

 

6.           Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist (§ 52 Abs. 8 VwGVG).

 

 

7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Ilse Klempt