LVwG-750259/10/BP/JW
Linz, 20.04.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des R. O. K.,
geb. x, xStraße x, x T., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft
Linz-Land vom 08. Jänner 2015, GZ: LL/2630, mit dem gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot gemäß § 12 Waffengesetz ausgesprochen wurde,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm. § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I
Nr. 161/2013, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Bescheid vom 08. Jänner 2015, GZ: LL/2630, über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) ein Verbot über den Besitz von Waffen und Munition gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG), BGBl. I Nr. 12/1997 idgF, in Verbindung mit § 58 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF ausgesprochen.
Begründend führt die belangte Behörde in ihrem Bescheid wie folgt zum Sachverhalt aus:
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende durch den Bf rechtzeitig am 11. Februar 2015 eingebrachte Beschwerde, worin zunächst zum Sachverhalt wie folgt ausgeführt wird:
3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 20. März 2015 zur Entscheidung vor.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.
Zusätzlich wurde am 16. April 2015 eine öffentliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durchgeführt.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:
Der Bf, der mit Frau A. bis Februar 2014 in Wohn- und Lebensgemeinschaft gelebt hatte und danach zu ihr eine bloße Freundschaft unterhielt, war am
29. August 2014 in deren Wohnung abends zu Besuch. Als er erfuhr, dass seine Ex-Lebensgefährtin mit einem neuen Freund am nächsten Tag zu einer Hochzeit gehen werde, wollte er zunächst rasch aufbrechen, drehte sich an der Tür nochmals um, kehrte zurück und würgte Frau A. für einige Sekunden. Er ließ daraufhin wieder von ihr ab und verharrte in den Folgetagen in tiefer Reue, kontaktierte die Ex-Lebensgefährtin mit einer Unzahl von SMS sowie mit Telefonaten. In einem dieser Telefonate teilte er ihr mit, dass er schon seine Waffe aus dem Tresor genommen habe und mehrfach versucht gewesen sei, sein Leben zu beenden.
6. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch Einzelrichter berufen, zumal das Materiengesetz keine Senatszuständigkeit vorsieht.
II.
1. Im Rahmen der öffentlichen Verhandlung trat der Bf nicht sehr glaubwürdig auf. Insbesondere stehen seine Aussage, am 29. August 2014 abends in der Wohnung seiner Ex-Lebensgefährtin sei „nichts“ passiert und der aktenkundige Umstand, dass der Bf in den Folgetagen zahllose SMS auf das Handy der Zeugin A. geschickt hatte, in nicht nachvollziehbar auflösbarem Widerspruch. Die eingestandene emotionale Ausnahmesituation im Zuge der Anzeigenerstattung durch die Zeugin A. scheint im Zusammenhang mit dem Wortlaut der vom Bf versendeten SMS dahingehend verstanden werden zu müssen, dass der Bf sehr wohl – in welcher Intensität auch immer seine Ex-Lebensgefährtin attackiert hatte.
Auch dass der Bf Suizidgedanken konkret äußerte, ergibt sich alleine schon aus mehreren seiner dokumentierten Aussagen im Rahmen der SMS: „Hatte Nachmittag schlimme Gedanken über mein Leben“, „Ich kann mit dieser Tat nicht leben“, „Ich kann damit nicht leben“ oder „Fast wäre ich nicht mehr da“. Im Rahmen der Befragung zu den SMS hatte der Bf betreffend der Richtigkeit nur lapidar „mehr oder weniger“ geäußert, wobei aber anzuführen ist, dass der
SMS-Verkehr zwischen dem Bf und seiner Ex-Lebensgefährtin immerhin 23 Seiten Screenshots umfasst, wobei der bei weitem überwiegende Teil auf Sendungen des Bf entfällt und die Zeugin A. lediglich spärlich reagierte.
2. Die Zeugin A. trat durchwegs glaubwürdig auf. Ihre Schilderungen zu den Vorfällen erfolgten schlüssig und nachvollziehbar. Daran ändert es auch nichts, dass die Zeugin nach den Vorfällen den Bf als Urheber von Sachbeschädigungen an ihrem PKW vermutete, da dieser Umstand keinesfalls geeignet ist, die Schilderungen betreffend den hier relevanten Zeitraum maßgeblich zu beeinflussen, zumal die in der Verhandlung getätigten Aussagen mit denen in der ursprünglichen Anzeige vom 2. September 2014 übereinstimmten und daher durch die nachträglichen Sachbeschädigungsvorkommnisse nicht alternierten. Nicht zuletzt erfahren die Schilderungen durch die dokumentierten SMS Bestätigung.
3. Bei Betrachtung der Schilderungen der Zeugin H. ist im Rahmen der Beweiswürdigung zwar mitzubedenken, dass die Zeugin angab, am Vortag nochmals die Aussagen im Akt nachgelesen zu haben, jedoch erstreckte sich die Darstellung der Wahrnehmung – in glaubwürdiger Weise – über die in den Protokollen festgehaltenen Feststellungen hinaus, weshalb die Anmerkung der Zeugin, sich noch sehr gut an die Vorkommnisse zu erinnern, absolut nachvollziehbar erscheint. Insbesondere gilt dies für die Aussagen zum Gemütszustand des Bf im Rahmen der Einvernahme am 5. September 2014.
4. Aufgrund der eben vorgenommenen Beweiswürdigung steht der festgestellte Sachverhalt für das Oö. LVwG unzweifelhaft fest.
III.
1. Gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996, BGBl I 12/1997 idF 161/2013 (in der Folge: WaffG) hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.
Gemäß § 12 Abs. 2 WaffG sind die im Besitz des Menschen, gegen den ein Waffenverbot erlassen wurde, befindlichen
1. Waffen und Munition sowie
2. Urkunden (ausgenommen Jagdkarten), die nach diesem Bundesgesetz zum Erwerb, Besitz, Führen oder zur Einfuhr von Waffen oder Munition berechtigen,
unverzüglich sicherzustellen. Für die damit betrauten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gilt § 50 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl.
Nr. 566/1991.
Gemäß § 12 Abs. 3 WaffG hat eine Beschwerde gegen ein Waffenverbot keine aufschiebende Wirkung. Mit dem Eintritt der Rechtskraft des Waffenverbotes gelten
1. die sichergestellten Waffen und Munition als verfallen;
2. die im Abs. 2 Z 2 angeführten Urkunden als entzogen.
Gemäß § 12 Abs. 4 WaffG hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag für die verfallenen Waffen und verfallene Munition, soweit er deren rechtmäßigen Erwerb glaubhaft macht, mittels Bescheides eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen. Ein solcher Antrag ist binnen einem Jahr ab Eintritt der Rechtskraft des Verbotes nach Abs. 1 zu stellen.
Gemäß § 12 Abs. 5 WaffG gelten die gemäß Abs. 2 sichergestellten Waffen und Munition trotz eines rechtmäßig verhängten Waffenverbotes nicht als verfallen,
1. wenn das ordentliche Gericht, dem sie anlässlich eines Strafverfahrens vorgelegt worden sind, ihre Ausfolgung an deren Eigentümer verfügt oder
2. wenn jemand anderer als der Betroffene binnen sechs Monaten, vom Zeitpunkt der Sicherstellung an gerechnet, der Behörde das Eigentum an diesen Gegenständen glaubhaft macht und dieser Eigentümer die Gegenstände besitzen darf.
2.1. § 12 Abs. 1 WaffG erlaubt es ua. nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bestimmten Menschen den Besitz von Waffen überhaupt zu verbieten; eine Einschränkung des Waffenverbotes auf eine bestimmte Art von Waffen (etwa genehmigungspflichtige Schusswaffen) kommt nicht in Betracht (vgl ua. VwGH vom 18. September 2013, 2013/03/0050)
Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt nämlich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine besonders qualifizierte missbräuchliche Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Entscheidend für die Verhängung eines Waffenverbotes ist es, ob der von der Behörde angenommene Sachverhalt "bestimmte Tatsachen" iSd § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Demgegenüber ist die Versagung bzw. der Entzug waffenrechtlicher Urkunden (vgl. § 21 Abs. 1 bzw. § 25 Abs. 3 WaffG) schon bei fehlender waffenrechtlicher Verlässlichkeit (vgl. § 8 WaffG) gerechtfertigt, die insofern an andere, weniger strenge Anforderungen geknüpft sind (vgl. etwa VwGH vom 28. November 2013, 2013/03/0084).
2.2. Bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Gefahren ist im Hinblick auf den dem WaffG (allgemein) innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Begriff der "missbräuchlichen Verwendung" einer Waffe ist daher nicht restriktiv auszulegen (vgl. ua. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014, Zl. 2014/03/0063). Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen. Die Erlassung eines Waffenverbotes liegt somit nicht im Ermessen der Behörde (vgl. auch VwGH vom 18. Mai 2011, 2008/03/0011, und VwGH vom 27. November 2012, 2012/03/0134).
2.3. Bei einem Waffenverbot wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht über eine strafrechtliche Anklage (iSd Art 6 EMRK) entschieden, vielmehr handelt es sich dabei um eine administrativrechtliche Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung
(vgl. etwa VwGH vom 19. März 2013, 2012/03/0180).
Zur Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG vorliegen, ist es auch nicht entscheidend, ob die Strafverfolgungsbehörde wegen des strittigen Vorfalls von einer Verfolgung, allenfalls nach diversionellem Vorgehen, Abstand genommen hat, weil diese Entscheidung für die Waffenbehörde keine Bindungswirkung entfaltet (vgl. etwa VwGH vom 30. Jänner 2014, 2013/03/0154, und VwGH vom
19. März 2013, 2012/03/0180).
3.1. Im vorliegenden Fall liegen zwei Sachverhaltselemente vor, die per se oder in Kombination der Überprüfung betreffend des Vorliegens einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG zu unterziehen sein werden. Zum Einen ist dies der Vorfall am 29. August 2014, in dessen Rahmen der Bf seine
Ex-Lebensgefährtin in welcher Intensität und Dauer auch immer gewürgt hatte. Es ist zwar festzuhalten, dass er deswegen nicht wegen Körperverletzung im Sinne des StGB bestraft wurde, was für sich gesehen aber noch nicht geeignet ist, die Relevanz für die hier vorzunehmende Prüfung auszuschließen. Der Bf reagierte hier spontan, in emotionaler Aufwallung, auf die Mitteilung seiner
Ex-Lebensgefährtin, dass sie mit einem anderen Mann am nächsten Tag zu einer Hochzeit gehen werde.
Ein zweites Element bildet der Umstand, dass der Bf – wie im Sachverhalt festgestellt – aus Scham und Reue über seine „Entgleisung“ der
Ex-Lebensgefährtin gegenüber offensichtlich seine Faustfeuerwaffe aus dem Tresor holte und – nach seiner eigenen Mitteilung nach – schon mit dem Finger am Abzug versucht war, seinem Leben ein Ende zu setzen.
§ 12 Abs. 1 beschränkt die Gefährdung des Lebens nicht auf andere Personen, weshalb auch suizidale Tendenzen – noch dazu unter Heranziehung einer Schusswaffe – unter diesen Tatbestand zu subsummieren sein werden. Dass der Bf spontan raptiv seine Aggressionen auch dritten Personen gegenüber nicht zu kontrollieren in der Lage ist, beweist der Vorfall am 29. August 2014, wobei dieser Umstand nicht dadurch entscheidend gemildert wird, dass nachträglich massive Reue eintrat, die sich wiederum gegen den Bf selbst wendete und er hier nun sogar den Gebrauch seiner Schusswaffe in Erwägung zog. Die Disposition des Bf muss dabei nicht nur auf einen einzelnen Moment alleine angesetzt werden, zumal er in verschiedenen SMS und in einem Telefonat die Beendigung seines Lebens thematisierte. In einer emotionalen Ausnahmesituation, in der sich der Bf im fraglichen Zeitraum zugegebener Maßen befand, kann bei näherer Betrachtung also keinesfalls die missbräuchliche Verwendung einer Waffe durch den Bf ausgeschlossen werden, wobei für die Beurteilung gemäß der ständigen Rechtsprechung nicht erforderlich ist, dass es bislang schon tatsächlich zu einer missbräuchlichen Verwendung gekommen ist. Das Gefährdungspotential ist im vorliegenden Fall aber fraglos vorhanden.
3.2. Die vom Bf getätigten Äußerungen und Handlungen erreichen sohin klar das Maß, um als bestimmte Tatsachen erkannt zu werden, die die Annahme rechtfertigen, dass er durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.
Unter Berücksichtigung der oa. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Tatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG im vorliegenden Fall erfüllt.
4. Es war also im Ergebnis die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree