LVwG-550055/21/EW/FE
Linz, 30.03.2015
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Wiesbauer über die Beschwerde des Herrn W S, G, R, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 31. Oktober 2012, WR10-388-2012, den
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 31. Oktober 2012, GZ. WR10-388-2012, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurückverwiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Schreiben vom 30. Juli 2012 suchte der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Erweiterung einer bereits bestehenden und wasserrechtlich genehmigten Halle sowie für das Aufstellen von Containern mit Vordächern auf dem Grundstück Nr. x, KG R, im 30‑jährlichen Hochwasserabflussbereich des R an.
Auf Grund der negativen Stellungnahme des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik vom 17. August 2012 wurde das Ansuchen des Bf mit Bescheid vom 31. Oktober 2012, WR10-388-2012, abgewiesen.
I.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf fristgerecht Berufung, in welcher er sein Projekt insofern abänderte, als die geplanten Container auf einen 40 cm Betonsockel aufgestellt werden sollen.
Die Berufung wurde dem Landeshauptmann von Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt und dieser holte auf Grund der Projektsänderung neuerlich eine fachliche Stellungnahme des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik ein.
In seiner Stellungnahme vom 19. April 2013 führte der Amtssachverständige für Wasserbautechnik aus, dass durch die erfolgte Modifikation des Antrages „die HW Abflusssituation zwar geringfügig verbessert [wird], trotzdem verbleibt durch eine solche Errichtung bzw. Aufstellung der Container eine Gefahr von Verklausungen, welche den HW Abfluss beeinträchtigen. Des weiteren werden zusätzliche Rampen und Podeste erforderlich, welche wiederum den HW Abfluss unmittelbar negativ beeinträchtigen werden und zu einem Anheben der Wasserspiegellagen führen wird.“
Dieses Gutachten wurde dem Bf mit Schreiben vom 29. April 2013 übermittelt. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 übermittelte der Bf eine ergänzende Stellungnahme seines Projektanten, in der erklärt wird, dass durch die Fundamente der Gesamtquerschnitt um weniger als 5 ‰ eingeschränkt werden würde. Dies sei aber nicht erheblich und es würde durch das geplante Projekt zu keiner Änderung der Hochwasserabflussverhältnisse kommen.
I.3. Mit Schreiben vom 2. Jänner 2014 übermittelte der Landeshauptmann von Oberösterreich die Berufung des Bf samt dem bisherigen anhängigen Verfahrensakt auf Grund des Zuständigkeitsüberganges an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.
Dem vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zugezogenen Amtssachverständigen für Wasserbautechnik wurden die Projektsunterlagen und die Stellungnahme des Bf vom 10. Dezember 2013 u.a. mit der Frage übermittelt, ob die vorgelegten Unterlagen aus fachlicher Sicht dem § 103 WRG 1959 entsprechen und zur fachlichen Beurteilung ausreichen.
Im seiner Stellungnahme vom 7. Juli 2014 erklärte der Amtssachverständige für Wasserbautechnik, dass die Lage und die Abmessung der Sockeln, auf welchen die Container gestellt werden sollen, nicht weiter ausgeführt und somit nicht beurteilbar seien. Zur Beurteilung der Inanspruchnahme fremder Rechte durch die Erweiterung der Halle und das Aufstellen von Containern seien die Ausführung der Hallenerweiterung (Wände bis zum Boden oder Durchlassöffnung) sowie die Art der Aufstellung der Container (direkt auf der befestigten Fläche oder auf Sockeln) darzustellen; ebenso die dadurch bewirkte Veränderung des Hochwasserabflusses vor allem im Bereich fremder Grundstücke (Veränderungen der Hochwasserspiegellagen und der Fließgeschwindigkeiten).
Auf Grund dieser fachlichen Stellungnahme wurde der Bf aufgefordert, diese Unterlagen bis 15. August 2014 an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu übermitteln. Nach letztmaliger Fristerstreckung bis 15. Oktober 2014 erklärte der Bf, dass er das gegenständliche Projekt insofern einschränken wolle, als die Container nicht mehr errichtet werden sollen und nur die Hallenerweiterung, welche als "Flugdach" ausgeführt sei, bei der bestehenden Halle angebracht werden soll.
Am 17. November 2014 gab der Bf die Pläne der Hallenerweiterung beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich persönlich ab und wies darauf hin, dass die im Plan eingezeichneten Container bereits mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 8. November 2011, WR10-319-2011, bewilligt worden seien und diese unter der Halle und nicht unter dem Flugdach stehen würden. Unter dem Flugdach selbst stehe nichts, dieses hätte lediglich die Funktion zum Schutz der geöffneten Container unter der Halle vor Regen.
Der Amtssachverständige für Wasserbautechnik führt in seiner Stellungnahme vom 12. Februar 2015 zum modifizierten Antrag aus, dass die Errichtung eines 6 m breiten Flugdaches an der bestehenden und wasserrechtlich bereits genehmigten Stirnseite der Halle auf 6 Stahlstützen im Abstand von ca. 6 m keine über die unmittelbare Umgebung der einzelnen Säulen hinausgehende erhebliche Beeinträchtigung des Ablaufes von Hochwässern darstelle.
Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
II. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Wasserrechtsbehörden erster und zweiter Instanz und der Schriftsätze der Bf im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Der unter I. dargelegte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den Verwaltungsverfahrensakten.
III.1. Auf Grund der Einrichtung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit mit Wirkung zum 1. Jänner 2014 gilt die (rechtzeitige) Berufung gem Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I 51 als rechtzeitig erhobene Beschwerde gem Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG. Die Zuständigkeit des Oö. Landesverwaltungsgerichts ergibt sich aus Art 131 Abs 1 B-VG und dem Nichtvorliegen von abweichenden Regelungen in den Absätzen 2 und 3 leg cit.
Die Beschwerde des Bf ist daher zulässig.
III.2. Gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
III.3. Die maßgebliche Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), BGBl 215 (WV) idF BGBl I 2013/98 lautet:
„§ 38 Besondere bauliche Herstellungen
(1) Zur Errichtung und Abänderung von Brücken, Stegen und von Bauten an Ufern, dann von anderen Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer oder in Gebieten, für die ein gemäß § 42a Abs. 2 Z 2 zum Zweck der Verringerung hochwasserbedingter nachteiliger Folgen erlassenes wasserwirtschaftliches Regionalprogramm (§ 55g Abs. 1 Z 1) eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht vorsieht, sowie von Unterführungen unter Wasserläufen, schließlich von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, ist nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Die Bewilligung kann auch zeitlich befristet erteilt werden.
[...]
(3) Als Hochwasserabflussgebiet (Abs. 1) gilt das bei 30-jährlichen Hochwässern überflutete Gebiet. Die Grenzen der Hochwasserabflussgebiete sind im Wasserbuch in geeigneter Weise ersichtlich zu machen.“
IV.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
Im Gegensatz zum ursprünglichen Antrag des Bf, welcher bei der belangten Behörde mit Schreiben vom 30. Juli 2012 eingebracht wurde, hat der Bf sein Ansuchen nun auf die Errichtung der Hallenerweiterung (6m breites Flugdach an der Stirnseite der bestehenden Halle) eingeschränkt. Diese bauliche Anlage auf 6 Stahlstützen im Abstand von ca. 6m stellt keine über die unmittelbare Umgebung der einzelnen Säulen hinausgehende erhebliche Beeinträchtigung des Ablaufes von Hochwässern dar.
Im behördlichen Verfahren wurde aufgrund des noch nicht modifizierten Antrages das Ansuchen des Bf bereits aufgrund des negativen wasserbautechnischen Gutachtens abgewiesen. Die belangte Behörde hat aufgrund dieses Gutachtens die Parteien im Verfahren nach § 38 WRG nicht ermittelt und ihnen im Verfahren auch nicht die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Infolge der Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages und des nun positiven fachlichen Gutachtens ist den Parteien aber auch im behördlichen Verfahren die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Diese sich daraus ergebende „Ermittlungslücke“ im Verfahren der belangten Behörde zieht gemäß § 28 Abs 3 VwGVG eine Behebung und Zurückverweisung nach sich (vgl VwGH vom 26. Juni 2014, GZ Ro 2014/03/0063). Ob die Beiziehung der Parteien und die Erörterung des nun positiven fachlichen Gutachtens des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik im Rahmen einer mündlichen Verhandlung oder unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführt wird, obliegt der Behörde.
IV.2. Für eine Anwendung des § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG bleibt weiters zu prüfen, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass eine Behebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung zulässig ist, wenn die Behörde danach ihr neuerliches Ermittlungsverfahren voraussichtlich mindestens zum gleichen Datum abschließen kann wie es das Verwaltungsgericht könnte. Bezüglich des Kriteriums der Kosten ist eine Zurückverweisung zulässig, wenn dadurch höchstens etwas höhere Kosten entstünden, als wenn das Verwaltungsgericht sein Ermittlungsverfahren durchführt (vgl zur wortgleichen Bestimmung in Art 130 Abs 4 Z 2 B-VG Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis, in Janko/Leeb (Hrsg), Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 85 [99f]; ebenso Fischer, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte I. Instanz [VwGVG], in Österreichische Juristenkommission [Hrsg], Justizstaat Chance oder Risiko, in Druck).
Im gegenständlichen Fall ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung/Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein von ihm geführtes abschließen könnte.
Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zur Sachentscheidung lag somit im gegenständlichen Fall nicht vor und war daher insgesamt aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage der ausgesprochene Beschluss der Zurückweisung zu fassen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Elisabeth Wiesbauer