LVwG-600615/7/Br – 600616/7/Br
Linz, 12.01.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier in Angelegenheit der Beschwerden des J. S., geb. x, gegen die Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck jeweils vom 13. November 2014, GZ: VerkR96-21185-2014 und VerkR96-21181-2014, nach der am 12.01.2015 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird den Beschwerden Folge gegeben; die angefochtenen Straferkenntnisse werden behoben und die Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs.9 VwGVG entfallen sämtliche Verfahrenskosten-beiträge.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit den oben bezeichneten Straferkenntnissen ist über den Beschwerdeführer nach § 99 Abs.3 lit.a je eine Geldstrafe in der Höhe von 60 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von je 20 Stunden verhängt worden.
Es wurde ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe
1) am 12.08.2014 um 16:21 Uhr, in Timelkam, im Ortsgebiet Pichlwang Nr. 151 bei km 1.235 in Fahrtrichtung Lenzing, als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen x ,die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 13 km/h überschritten und
2) am 11.08.2014 um 11:51 Uhr, in Timelkam, im Ortsgebiet Pichlwang Nr. 151 bei km 1.235 in Fahrtrichtung Lenzing, als Lenker des Pkw mit dem Kennzeichen x, die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 17 km/h überschritten.
I.1. Der Schuldspruch wurde auf die von der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich, jeweils mittels Radarmessung festgestellten Fahrgeschwindigkeit, gestützt.
Nachdem der Beschwerdeführer als Fahrzeughalter zur Lenkerbekanntgabe aufgefordert worden sei, habe er lediglich angegeben, aufgrund der vorliegenden Aktenlage nicht nachvollziehen zu können das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt zu haben. Es kämen mehrere Personen, insbesondere seine Frau, seine Söhne oder Schwiegertöchter aber auch andere Personen als Lenker in Betracht.
Die belangte Behörde wies diesbezüglich auf einschlägige Judikatur hin, woraus sich ergebe, dass bloßes Leugnen einer Verwaltungsübertretung kein Gegenbeweis wäre.
Betreffend die Strafzumessung wurde lediglich auf den gesetzlichen Strafrahmen bis zu 726 Euro gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 hingewiesen.
II. In der dagegen fristgerecht per FAX vom 4.12.2014 an die Behörde gerichteten Beschwerden, bestreitet der Beschwerdeführer die Begehung der ihm zur Last gelegten Übertretungen. Dies unter Hinweis auf seine Einsprüche vom 8.10.2014 worin er bereits mitgeteilt habe, er wäre am 11. August an seinem Arbeitsplatz in D gewesen, was sein Dienstgeber bestätigen könne. Aus diesem Grund könne er die Übertretung gar nicht begangen haben und er begehrte die Einstellung des Verfahrens. Er hätte sich auch bereit erklärt alle Auskünfte über den verantwortlichen Fahrzeugführer zu erteilen, sofern dies möglich wäre. Insbesondere im Fall der Vorlage eines entsprechenden Frontfotos hätte er sicherlich konkrete Angaben über den Fahrer machen können. Leider lägen anscheinend keine derart geeigneten Fotos vor, so dass er auch in seinem Schreiben vom 10.11.2014 keine konkreten Angaben zum Fahrer machen habe können, obwohl er das bei entsprechenden Anhaltspunkten gerne gemacht hätte. Ferner gibt der Beschwerdeführer bekannt, dass außer ihm auch noch seine Söhne und Schwiegertöchter den PKW benutzten. Falls erforderlich, könne er die Personalien dieser Personen mitteilen. Falls die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehe, beantrage er im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung.
Mit dieser Verantwortung würde wohl der Beschwerdeführer die österreichische Rechtslage verkennen. Dieser zur Folge ist auch ein nicht österreichischer Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) verpflichtet dafür Sorge zu tragen, auf behördliche Anfrage einen Fahrzeuglenker bekannt geben zu müssen, um dessen behördliche Verfolgung zu ermöglichen.
III. Die Behörde hat die Verfahrensakte dem Landesverwaltungsgericht mit Vorlageschreiben am 16.12.2014 unter Anschluss eines Inhaltsverzeichnisses zur Entscheidung vorgelegt.
III.1. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nach § 44 Abs.1 VwGVG durchzuführen.
Der Beschwerdeführer übermittelte am 30.12.2014 dem Landes-verwaltungsgericht ein Schreiben in dem er um Mitteilung ersucht, ob auf ein Erscheinen zur öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet werden könne. Dieser Mitteilung wurde eine Bestätigung der Polizeiinspektion Deggendorf, des Dienstgebers des Beschwerdeführers, beigeschlossen. Letztlich konnte auf die Anwesenheit des Beschwerdeführers mit Blick auf die behördliche Stellungnahme zu der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dienstbestätigung verzichtet werden.
IV. Sachverhalt und Akteninhalte:
Die Landesverkehrsabteilung Oberösterreich (LVA) übermittelte am 29.08.2014 an die belangte Behörde zwei Anzeigen, deren zur Folge laut Radarmessung mit dem vom Beschwerdeführer gehaltenen Kraftfahrzeug zu der/den oben angeführten Zeiten und Örtlichkeit die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritten wurde.
Gegen den Beschwerdeführer wurden vorerst als präsumtiven Lenker ohne vorherige Lenkererhebung zwei Strafverfügungen erlassen. Diese wurden vom Beschwerdeführer im Ergebnis mit der Bestreitung der jeweiligen Lenkereigenschaft beeinsprucht.
Im Lichte dieses Einspruches wurde der Beschwerdeführer mit Aufforderungsschreiben vom 17.10.2014 zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers gemäß § 103 Abs.2 KFG mit dem Hinweis aufgefordert, dass die Nichterteilung dieser Auskunft strafbar sei. Ebenfalls wurde ihm vermutlich mit gleicher Post ein Radarbild übermittelt, welches sein Fahrzeug von hinten abgelichtet zeigt.
Darauf reagierte der Beschwerdeführer mit einem Schreiben vom 10.11.2014 mit dem Hinweis, mangels weiterer Anhaltspunkte wirklich nicht sagen zu können, wer das Fahrzeug jeweils zur fraglichen Zeit gefahren habe.
Die Behörde verzichtete offenbar vorerst auf die Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach § 103 Abs.2 KFG, sondern erachtete den Beschwerdeführer jeweils als Lenker und erließ gegen ihn die angefochtenen Straferkenntnisse.
IV.1. Beweisaufnahme im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Der persönlich an der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht teilnehmende Beschwerdeführer übermittelte am 30.12.2014 eine Bestätigung von der Polizeiinspektion D, woraus hervorgeht, dass er am Montag den 11.8.2014 von 06:54 Uhr bis 13:02 Uhr und am Dienstag den 12.8.2014 von 06:56 Uhr bis 13:07 Uhr in D Dienst verrichtet habe.
Diese Bestätigung ist zumindest als Beweis dafür anzusehen, dass er am 11.8.2014 um 11:51 Uhr als Lenker seines Kraftfahrzeuges nicht in Betracht kommen kann. Diese Bestätigung einer Polizeidienstelle kann als Beweis urkundlichen Charakters qualifiziert werden.
Diese Bestätigung wurde der Behörde zur Kenntnis gebracht.
Sie wurde dahingehend beantwortet, dass angesichts dieser Bestätigung des Dienststellenleiters, welche bedauerlicherweise im Behördenverfahren offenbar nicht vorgelegt werden habe können, eine mündliche Verhandlung als nicht sinnvoll erachtet und demnach aufgrund der Aktenlage entschieden werden könne.
Der Beschwerdeführer wurde vom Landesverwaltungsgericht am 8.1.2015 darüber in Kenntnis gesetzt, dass demnach seine Teilnahme an der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erforderlich wäre und damit seine Nichtteilnahme entschuldigt werde.
Auf die Möglichkeit der Verfolgung wegen § 103 Abs.2 KFG wurde er im Rahmen einer fernmündlichen Mitteilung in Kenntnis gesetzt (AV v. 8.1.2015).
IV.2. Beweiswürdigung:
Auf Grund des erwiesenen Umstandes, dass der Beschwerdeführer sich am 11.8.2014 um 11:51 Uhr im Dienst befunden hat, kann auch betreffend die am 12.8.2014 um 16:21 Uhr an der gleichen Örtlichkeit begangene Geschwindigkeitsüberschreitung, mit gutem Grund ebenfalls von einer anderen Person als dem Zulassungsbesitzer (Fahrzeughalter) ausgegangen werden.
V. Rechtlich stellt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fest:
Im Lichte der obigen Feststellung ist selbst mit Blick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu § 45 Abs.2 AVG über die freie Beweiswürdigung nichts zu gewinnen, weil ein faires Verfahren an einen (Schuld-)Beweis einen strengeren Maßstab anzulegen hat (Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372).
Der Verfassungsgerichtshof geht etwa im Bereich der sogenannten Ungehorsams- und/oder Unterlassungsdelikte ebenfalls davon aus, dass § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, dass ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986).
Nach § 45 Abs.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Z1 die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs.6 Z1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. B l e i e r