LVwG-150334/2/RK/WFu
Linz, 17.03.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Roland Kapsammer über die Beschwerde von B P, vertreten durch Dr. C K, Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz, pA Magistrat Linz, Präsidium, Personal und Organisation, Abt. Rechtsmittelverfahren vom 12.06.2014 GZ. PPO-RM-Bau-140028-08, betreffend eine Planabweichungsbewilligung
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Spruch des Berufungsbescheides des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 12.06.2014, GZ. PPO-RM-Bau-140028-08, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 30.07.2014, PPO-RM-Bau-140028-11, zu lauten hat:
„Die Berufung wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass sich die erteilte Baubewilligung auf den im Berufungsverfahren am 09.05.2014 ergänzten Einreichplan bezieht (Inhalt der Planergänzung: Kotierung des Abstandes zur nordwestlichen Bauplatzgrenze mit 3,18 m).“
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Vorab ist festzuhalten, dass in Zusammenhang mit der gegenständlichen Angelegenheit eine weitere Beschwerde, betreffend die Benützung fremder Grundstücke, beim Landesverwaltungsgericht Oö. anhängig ist, deren Beurteilung in einem gesonderten Verfahren erfolgt.
Zum Sachverhalt bzw. Verfahrensablauf ist Folgendes festzuhalten:
1. Ursprung jener Angelegenheit ist eine mit Bescheid vom 01.07.2013 erteilte Baubewilligung (Antrag vom 20.12.2012) über die Errichtung eines Zubaus an das bestehende Wohngebäude der Beschwerdegegnerin. Nach erhobener Berufung vom 17.07.2013 durch den nunmehrigen Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) erfolgte mit Berufungsbescheid vom 23.09.2013 die Abweisung und in der Folge der Eintritt der Rechtskraft.
2. Mit Datum vom 20.01.2014 (Eingangsdatum) stellte die Beschwerdegegnerin einen Antrag auf Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben nach § 39 Abs. 2 Oö. BauO 1994 unter der Bezeichnung „Wohnraumerweiterung auf der best. Dachterrasse im DG“. Im Verfahren erfolgte in zeitlicher Reihung eine Beurteilung durch das Umwelt- und Technik-Center der Landeshauptstadt Linz. In dem daraus resultierenden Befund vom 13.03.2014 wird festgestellt, dass die geplanten Änderungen im Vergleich zum verhandelten Bauvorhaben unwesentlich seien und die beantragte Planabweichung daher iSd. § 34 Oö. BauO 1994 ohne neuerliche Bauverhandlung abgehandelt werde. Das anschließende Gutachten enthielt folgende Beurteilung:
Unter Zugrundelegung der Plankorrekturen, der maßgebenden Vorschriften und der in Beschreibung und Bauplan festgelegten besonderen Bestimmungen entspricht das geänderte Bauvorhaben den Anforderungen, die nach den einschlägigen Gesetzen an bauliche Anlagen der betreffenden Art gestellt werden. Gegen die Erteilung der Bewilligung zur Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben besteht daher bei Einhaltung nachfolgender Auflagen aus bautechnischer Sicht kein Einwand:
1) die bautechnischen Auflagen 1 bis 15 des Baubewilligungsbescheides vom 01.07.2013 bleiben vollinhaltlich weiterhin gültig.
3. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 13.03.2014 räumte das Anlagen- und Bauamt der Stadt Linz als Baubehörde 1. Instanz das Parteiengehör ein. Von Seiten des nunmehrigen Bf erfolgte keine Äußerung.
4. Mit Bescheid vom 08.04.2014 wurde dem Antrag auf Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben stattgegeben und der Beschwerdegegnerin die Bewilligung erteilt.
5. Gegen diesen Bescheid wurde vom Bf mit Schriftsatz vom 23.04.2014 Einspruch erhoben und dies insbesondere damit begründet, dass durch die geplante Vergrößerung von ca. 4,5 Metern Richtung Nordosten das Erscheinungsbild derart abgeändert werden würde, dass eine neuerliche Beurteilung durch die L Planungsvisite notwendig sei. Zusätzlich werde die Belichtung des Grundstückes des Bf wesentlich verschlechtert. Es werde zudem vermutet, dass es sich um ein geplantes Vorgehen seitens der Beschwerdegegnerin handle.
Im bezeichneten Einspruch wurde handschriftlich ein Aktenvermerk über die Verständigung der Antragstellerin betreffend die Einspruchserhebung, mit Datum vom 25.04.2014, angefertigt. In der Folge erging ein Aktenvermerk vom 09.05.2014 anlässlich einer Vorsprache der Antragstellerin im Beisein ihres Planverfassers. Daraufhin erfolgte eine Änderung des Einreichplans dahingehend, dass nunmehr zum Grundstück des Bf ein Abstand von 3,18 Metern eingehalten werde.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 12.05.2014 räumte die Berufungsbehörde den Bf abermals das Parteiengehör ein. Darauf aufbauend wurden dem Bf Ausschnittskopien des verfahrensgegenständlichen Einreichplanes ausgefolgt, was mit Aktenvermerk vom 28.05.2014 seitens der Rechtsmittelbehörde festgehalten wurde.
6. Mit Datum vom 09.06.2014 erfolgte eine Stellungnahme durch den Bf dahingehend, dass es nicht im Sinne der Stadtplanung sein könne, dass derart „brutal“ an die Nachbargrundgrenze gebaut werde. Das Projekt sei unzumutbar und dem L Gestaltungsbeirat und/oder dem Planungsausschuss vorzulegen. Vermutlich wäre durch diese Gremien das vorliegende Projekt nicht genehmigt worden.
7. In zeitlicher Reihung wurde mit 12.06.2014 der Berufungsbescheid durch den Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz erlassen, und zugleich die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass durch nicht Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Präklusionsfolgen des § 42 AVG nicht eingetreten seien und so der Bf erstmals in der Berufung Einwendungen gegen die beantragte Planabweichung erheben könne. Die Rechtsstellung des Nachbarn sei im baubehördlichen Bewilligungsverfahren beschränkt. Die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde, der Verwaltungsgerichte bzw. der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer ein Mitspracherecht als subjektiv-öffentliches Recht bestehe.
Die aufgeworfene Beeinträchtigung des Ortsbildes stelle keine Verletzung eines Nachbarrechtes dar. Informativ werde hingewiesen, dass die Erstbehörde im Vorprüfungsverfahren einen Ortsbildsachverständigen beigezogen habe. Des Weiteren habe der Nachbar – man sehe von der Einhaltung der vorgeschriebenen Abstände und Höhe ab - grundsätzlich keinen Anspruch auf Belichtung durch die Nachbarliegenschaft. Das Berufungsvorbringen könne auch dahingehend verstanden werden, dass damit eine Verletzung von Abstandsvorschriften geltend gemacht würde. Aufgrund des Fehlens einer speziellen Abstandsregelung im Bebauungsplan habe entsprechend der Bestimmung des § 40 Z. 1 Satz 2 Oö. BauTG 2013 der Abstand zur Nachbargrundgrenze des Berufungswerbers mindestens 3,16 Meter zu betragen. Dies sei durch die im Berufungsverfahren vorgenommene und im Lichte des § 13 Abs. 8 AVG zulässige Plankorrektur mit 3,18 Metern eingehalten worden. Betreffend die Rüge, es hätte bei derartigen Änderungen ein neues Bauansuchen gestellt werden müssen, wird ausgeführt, dass sich ein Verfahren zur Erlangung einer Planabweichungsbewilligung dadurch unterscheide, dass unter den Voraussetzungen des § 34 Oö. BauO 1994 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen könne. Ob im vorliegenden Fall auf Grund des Umfanges der Planabweichung eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt hätte werden müssen, sei rein verfahrensrechtlicher Natur, weshalb der Berufungswerber kein – von den subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten abstrahiertes – Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe. Die Berufung sei im Ergebnis als unbegründet abzuweisen.
8. Dagegen richtet sich die erhobene Beschwerde vom 11.07.2014 des Bf, deren Begründung im Wesentlichen darauf abstellt, dass die erfolgte Plankorrektur nicht Inhalt des Bescheides vom 08.04.2014 sei, auf welchen sich jedoch der Berufungsbescheid durch seinen Spruch „Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert“ beziehe. Rechtswidrigkeit erblicke der Bf weiters dahingehend, dass es die Behörde unterlassen habe, eine Augenscheinverhandlung durchzuführen, obwohl es sich bei der gegenständlichen Wohnraumerweiterung um ein bewilligungspflichtiges Verfahren handle. Dadurch habe die Behörde zusätzlich öffentliche Interessen betreffend Ortsbildgestaltung von vorneherein ausgeschaltet. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Plankorrektur „im Lichte des § 13 Abs. 8 AVG“ stelle eine materielle Rechtswidrigkeit da. Es sei zudem rechtlich falsch, dass jeder Nachbar durch das Unterlassen der Bauverhandlung seine Einwendungen im Berufungsverfahren erheben könne.
Des Weiteren sei die Planabweichung in Bezug auf die Vergrößerung nicht nachvollziehbar bzw. könne nicht von einer Unwesentlichkeit der Änderung gesprochen werden. Es werde demnach der Antrag gestellt, den Bescheid im gesamten Umfang aufzuheben, sowie weiters eine mündliche Verhandlung durch zuführen.
9. Sodann erging mit 30.07.2014 die Beschwerdevorentscheidung durch den Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz, in dem im Wesentlichen eine Spruchänderung wie folgt vorgenommen wurde:
„Die Berufung wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass sich die erteilte Baubewilligung auf den im Berufungsverfahren am 09.05.2014 ergänzten Einreichplan bezieht (Inhalt der Planergänzung: Kotierung des Abstandes zur nordwestlichen Bauplatzgrenze mit 3,18 m).“
Begründend wurde ausgeführt, dass es bei der Abfassung des Berufungsbescheides versehentlich unterlassen worden sei, im Spruch zum Ausdruck zu bringen, dass sich die erteilte Bewilligung nunmehr auf das geänderte Projekt beziehe. Im Sinne des § 14 Abs. 1 VwGVG sowie aus verfahrensökonomischen Gründen ergehe somit fristgerecht eine Beschwerdevorentscheidung. Zusätzlich ergebe sich bereits aus der Länge von weniger als 4,50 Metern sowie der Breite von nicht einmal 3,00 Metern, dass es sich lediglich um eine geringfügige Abweichung handle, weshalb spruchgemäß entschieden worden sei.
10. Nunmehr wurde von Seiten des Bf ein, vom 16.08.2014 (Eingangsdatum 18.08.2014) datierter Vorlageantrag zur Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht Oö., eingebracht.
11. Die Beschwerde wurde vom Magistrat der Stadt Linz mit Schriftsatz vom 18.08.2014 unter Angabe einer sachverhaltsbezogenen Stellungnahme dem Landesverwaltungsgericht Oö. vorgelegt.
II.
Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt (einschließlich der Schriftsätze des Bf). Durch die umfangreiche Vorgeschichte einerseits und um die Gesamtheit der Ermittlungsergebnisse andererseits nachvollziehbar darzulegen, wurde vom Landesverwaltungsgericht Oö. zusätzlich in den Akt betreffend die Benützung fremder Grundstücke (LVwG 150323-2014) eingesehen. Auf dessen Grundlage konnten weitere Ermittlungsschritte – insbesondere die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gem. § 24 VwGVG – unterbleiben, da keine weitere Klärung des Sachverhaltes zu erwarten war. Es waren ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen.
III.
Für die Beurteilung der hier relevanten Rechtsfragen sind insbesondere nachstehende Bestimmungen der Oö. BauO 1994, des BauTG 3013 sowie des AVG zu berücksichtigen:
§ 31 Oö. BauO 1994
Einwendungen der Nachbarn
(1) Nachbarn sind
1. bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind;
2. bei allen anderen Bauvorhaben sowie für die Nachbarrechte im Sinn des Abs. 5: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens 50 Meter entfernt sind.
Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern oder Grundeigentümerinnen gleichgestellt.
(...)
(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.
(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauwerke nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauwerke auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.
§ 34
Änderungen des Bauvorhabens im Zug des Verfahrens
Ändert der Bauwerber im Zug des Verfahrens das Bauvorhaben, hat er der Baubehörde einen entsprechend geänderten Bauplan (§ 29) vorzulegen. Wurde schon eine Bauverhandlung durchgeführt, kann eine neuerliche Bauverhandlung entfallen, wenn die Änderung im Vergleich zum verhandelten Bauvorhaben unwesentlich ist und das Parteiengehör auf eine andere Weise gewahrt wird.
§ 35
Entscheidung über den Baubewilligungsantrag
(...)
(1a) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn, die im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen sind, stehen der Erteilung einer Baubewilligung entgegen, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind. Kann solchen öffentlich-rechtlichen Einwendungen durch Auflagen oder Bedingungen entsprochen werden, sind diese vorzuschreiben.
§ 39
Beginn der Bauausführung, Planabweichungen
(...)
(2) Vom bewilligten Bauvorhaben darf - sofern nicht Abs. 3 oder 4 zur Anwendung kommt - nur mit Bewilligung der Baubehörde abgewichen werden. § 34 gilt sinngemäß.
(3) Ohne Bewilligung der Baubehörde darf vom bewilligten Bauvorhaben abgewichen werden, wenn
1. die Abweichung solche Änderungen betrifft, zu deren Vornahme auch bei bestehenden baulichen Anlagen eine Bewilligung nicht erforderlich ist, sowie
2. Auflagen und Bedingungen des Baubewilligungsbescheides hievon nicht berührt werden.
(...)
§ 40 Oö. BauTG 2013
Abstandsbestimmungen für Gebäude und Schutzdächer
Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gilt für die Lage und Höhe von Gebäuden und Schutzdächern:
1. Beim Neu- und Zubau von Gebäuden ist, sofern sich aus den folgenden Ziffern nichts anderes ergibt, zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen ein Mindestabstand, gemessen von der fertigen Außenwand, von 3 m einzuhalten. Bei Gebäudeteilen, die höher als 9 m sind, muss der Abstand wenigstens ein Drittel ihrer Höhe betragen.
...
6. Die Höhe des jeweiligen Bauwerksteils ist vom jeweils nächstgelegenen Punkt an der dem jeweiligen Abstand zugeordneten Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze zu messen. Aufzugschächte, Rauch- und Abgasfänge, Antennenanlagen und ähnliche Einrichtungen auf Gebäudeteilen oder Schutzdächern sind dabei nicht einzurechnen.
Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten
Anbringen
§ 13 AVG
(...)
(8) Der verfahrenseinleitende Antrag kann in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden.
IV.
Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat im Rahmen des durch § 27 iVm § 9 Abs. 1 Z. 3 und Z. 4 VwGVG normierten Prüfungsumfanges durch seinen gem. § 2 VwGVG zuständigen Einzelrichter erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, dass der Bf unstrittig Nachbar iSd § 31 OÖ BauO 1994 ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Der Nachbar kann nach der oberösterreichischen Rechtslage im Baubewilligungsverfahren daher nur eine Verletzung seiner ihm vom Gesetz eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen (Vgl. als Beispiel für viele etwa das Erkenntnis des VwGH vom 12.06.2012, Zl. 2009/05/0105, mwN).
In der gegenständlichen Causa bedarf es zunächst der Beurteilung, um welche Form der Projektänderung es sich konkret handelt. Gem. § 39 Abs. 2 Oö. BauO 1994 darf vom bewilligten Bauvorhaben – mit Ausnahme von Abs. 2 und Abs. 3 leg.cit. – nur mit Bewilligung der Baubehörde abgewichen werden; mit Verweis auf § 34 Oö. BauO 1994. Aus den Materialen zu § 39 Oö. BauO 1994 ergibt sich, dass in der Praxis seit jeher der Begriff der „Planänderung“ oder der „Abweichung“ vom bewilligten Bauvorhaben angewendet wird, und dies auch im Interesse einer verwaltungsökonomischen Vollziehung der Bauvorschriften gelegen ist; es soll eine ausdrückliche Normierung unter gleichzeitiger Einbeziehung des vereinfachten Verfahrens vorgenommen werden (Siehe hiezu Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I7 AB zu § 39).
Bei einer Wohnraumerweiterung in Richtung Nordosten mit einer Länge von ca. 4,5 Metern und einer Breite von ca. 3 Metern, lt. Baubeschreibung Erweiterung der Nettonutzfläche um 10,19 m2, ist jedenfalls von einem bewilligungspflichtigen Zubau iSd § 24 Abs. 1 Oö. BauO 1994 zu sprechen. Erfordert nun eine Planabweichung eine Baubewilligung, so ist das übliche Baubewilligungsverfahren aufgrund eines Ansuchens um Baubewilligung durchzuführen (Vgl. Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I7 § 39 Rz. 6).
Von Seiten des Bf wird nun vorgebracht, dass über die gegenständliche Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben keine mündliche Bauverhandlung stattgefunden habe. Das vereinfachte Verfahren iSd § 34 Oö. BauO 1994 sieht die Möglichkeit zum Entfall der mündlichen Verhandlung - bei Änderungen des Bauvorhabens im Zuge des Verfahrens - unter den Voraussetzungen vor, dass bereits eine Bauverhandlung durchgeführt wurde, die Änderungen zum verhandelten Bauvorhaben unwesentlich sind und das Parteiengehör auf andere Weise gewahrt wird. Durch die sinngemäße Anwendung des § 34 Oö. BauO 1994 kann bei unwesentlichen Planänderungen im Vergleich zum gesamten Bauvorhaben somit die Bauverhandlung entfallen (Vgl. Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I7 § 39 Rz. 6).
Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass am 10.06.2013 eine Bauverhandlung unter Anwesenheit des Amtssachverständigen Dipl.-Ing. S S stattgefunden hat (Verhandlungsschrift zu GZ 503-0021020/2013). Gegenstand dieser Bauverhandlung war der Abbruch der bestehenden Garage und Errichtung eines Zubaus an das bestehende Wohngebäude. Festgehalten wird in diesem Zusammenhang, dass auch übergangene Parteien keinen Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Verhandlung haben (Siehe hiezu § 33 Abs. 3 letzter Satz Oö. BauO 1994).
Folglich stellt sich nun die Frage, ob die zu genehmigende Projektänderung wesentlich bzw. unwesentlich ist. Von einer unwesentlichen Änderung kann nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Oö. dann gesprochen werden, wenn das Ausmaß der Änderung in Relation zum Kern des Bauprojektes nur von untergeordneter Bedeutung ist. Eine Bewilligung von Planabweichungen ist nicht mehr zulässig, wenn bauliche Änderungen vorliegen, die in Wahrheit ein neues Projekt darstellen; weder die Verringerung der Gebäudehöhe um 10 m noch die Tieferlegung des Gebäudes ist ein anderes Projekt (Vgl. Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I7 § 39 Rz. 6 mwN). In Bezug auf das vereinfachte Verfahren ist eine weitgehende Änderung des Bauvorhabens während des Berufungsverfahrens unzulässig, weil in diesem Fall nicht mehr „dieselbe Sache“ gegeben ist (Vgl. Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I7 § 34 Rz. 4). Der Begriff „Sache“ wird nach langjähriger Rsp. des VwGH im baubehördlichen Bewilligungsverfahren nicht derart eng ausgelegt, dass dem Bauwerber jede Projektsänderung im Zuge des Berufungsverfahrens verwehrt wäre (VwGH 21.02.1989, GZ. 88/05/0205).
Beim verfahrensgegenständlichen Bauprojekt handelt es sich um den Abbruch einer bestehenden Garage und die Errichtung eines Zubaus an das bestehende Wohngebäude. Die nunmehr erfolgte Projektänderung durch einen Zubau auf der Dachterrasse, konkret die Erweiterung des Wohnraumes und daraus resultierend die Verkleinerung der Dachterrasse, stellt in Anbetracht des Umfanges für das gesamte Bauvorhaben für das Landesverwaltungsgericht Oö. eine doch unwesentliche Änderung dar. Ob bei dem der Rechtsmittelinstanz vorgelegten Projekt noch von derselben „Sache“ gesprochen werden kann, ist eine Rechtsfrage, die auf Grund eines Vergleichs der jeweiligen Vorhaben zu beurteilen ist (VwGH 23.04.1987, GZ. 86/06/0253). Jene Ansicht spiegelt sich insbesondere dadurch wieder, dass der VwGH schon vor der durch die Novelle BGBl I 1998/158 in § 13 Abs 8 AVG eingefügten ausdrücklichen Anordnung, dass der verfahrenseinleitende Antrag „in jeder Lage des Verfahrens“ (also auch im Berufungsverfahren) abgeändert werden kann, wenn dadurch die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die Zuständigkeit nicht berührt wird, für zulässig, den Antrag unter diesen Voraussetzungen noch während des Rechtsmittelverfahrens zu modifizieren (Vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 [2014] § 66 Rz 77; VwGH 21.02.1989, GZ. 88/05/0205, Rechtsatz 2). Daraus folgt, dass im Berufungsverfahren eine Änderung des verfahrenseinleitenden Antrags insoweit zulässig ist, als die Änderung nicht zu einem „aliud“ gegenüber dem ursprünglichen Projekt führt (Vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 [2014] § 66 Rz 78; Mayer H., ecolex 1998, 591). Eine Projektänderung, die ein weiteres Geschoß und eine wesentliche Änderung der Gebäudehöhe vorsieht, wäre jedoch nicht mehr mit § 66 Abs. 4 AVG vereinbar (VwGH 27.02.1998, GZ. 95/06/0185, Rechtsatz 3).
Unter Berücksichtigung dieser – sich auf das Berufungsverfahren beziehenden Argumentation - und unter Heranziehung der Definition eines Geschoßes gem. § 2 Z. 14 Oö. BauTG 2013, sowie in Anbetracht der Höhe von 9,47 Metern vom ursprünglich genehmigten Projekt, handelt es sich bei der gegenständlichen Projektänderung lediglich um eine Verlängerung des bereits in selber Höhe befindlichen Baukörpers im Bereich des Obergeschoßes und nicht um ein die Gebäudehöhe beeinflussendes Geschoß. Im Ergebnis bedeutet dies für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens iSd. § 34 Oö. BauO 1994, - unter Berücksichtigung der Rsp. über Projektänderungen im Berufungsverfahren - dass in casu von einer unwesentlichen Projektänderung auszugehen ist.
Im Zuge der Projektänderung ist dem Bf lt. Verwaltungsakt erstmals mit Schreiben vom 13.03.2014 das Parteiengehör eingeräumt worden, woraufhin ohne Stellungnahme von Seiten des Bf der Genehmigungsbescheid vom 08.04.2014 erlassen wurde. Jene Vorgehensweise entspricht den verfahrensrechtlichen Schritten des § 34 Oö. BauO 1994, dessen sinnhafte Anwendung durch § 39 Abs. 2 Satz 2 leg. cit. gegeben ist. Durch Vorliegen der in § 34 Oö. BauO 1994 bezeichneten Voraussetzungen ist die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung nicht zwingend gegeben und deren Unterbleiben für das Landesverwaltungsgericht Oö. rechtmäßig.
Wenn nun vom Bf vorgebracht wird, es habe keine Möglichkeit zur Erhebung von Einwendungen durch den Entfall der mündlichen Verhandlung gegeben, so wird diesbezüglich entgegen gehalten, dass der Eintritt von Präklusionsfolgen nach § 42 Abs 1 AVG voraussetzt, dass eine (förmliche) mündliche Verhandlung durchgeführt wird (Vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 [2014] § 42 Rz. 3). Argumentum e contrario ergibt sich, dass bei Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung auch die mit dieser in Zusammenhang stehenden Konsequenzen der Präklusion nicht eintreten können. Der Nachbar ist dem entsprechend nicht präkludiert, wenn nach der mündlichen Verhandlung eine Projektänderung erfolgte, über die keine mündliche Verhandlung abgehalten wurde (VwGH 14.12.2007, GZ. 2006/05/0235, Rechtsatz 6). Daraus folgt, dass vom Bf als Nachbar iSd § 31 Oö. BauO 1994 bis in das Rechtsmittelverfahren neue Einwendungen erhoben werden können. Eine Projektänderung ermöglicht jedoch keine neuen Einwendungen in den Bereichen, in denen das bisherige Projekt überhaupt nicht geändert worden ist (Vgl. Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I7 § 34 Rz. 8). Der in Bezug auf Einwendungen des Nachbarn aufgeworfene Verweis des Bf auf § 37 Oö. BauO 1994 geht in der Form am Gegenstand der Sache vorbei, dass jene Bestimmung mit der Oö. Bauordnungs-Novelle 2006 aufgehoben wurde (LGBl. Nr. 96/2006).
Zu der in diesem Zusammenhang vorgebrachten Ortsbildgestaltung genügt es auf die ständige Rechtsprechung des VwGH hinzuweisen, wonach dem Nachbarn kein Mitspracherecht in Bezug auf das Orts- oder Landschaftsbild zukommt (Vgl. etwa VwGH 20.01.2009, GZ. 2008/05/0139; 15.06.2010, GZ. 2009/05/0212, jeweils mwN).
Vom Bf wird des Weiteren vorgebracht, dass es keine Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen an Ort und Stelle gegeben habe. Auf den rechtlichen Gegebenheiten zum Entfall der mündlichen Verhandlung aufbauend, wird ausgeführt, dass mit Datum vom 13.03.2014 der Amtssachverständige S S, der bereits bei der Augenscheinverhandlung vom 10.06.2013 in dieser Funktion tätig war, ein Gutachten die Projektänderung betreffend, erstattet hat. Diesbezüglich wird ausgeführt, dass unter Zugrundelegung der Plankorrekturen, der maßgebenden Vorschriften und der in Beschreibung und Bauplan festgelegten besonderen Bestimmungen das geänderte Bauvorhaben den Anforderungen, die nach den einschlägigen Gesetzen an bauliche Anlagen der betreffenden Art gestellt werden, entspricht. Das Landesverwaltungsgericht Oö. sieht anhand jener bautechnischen Beurteilung keine Notwendigkeit für eine Begutachtung an Ort und Stelle.
Materielle Rechtswidrigkeit wird von Seiten des Bf zusätzlich dahingehend gesehen, dass eine im Lichte des § 13 Abs. 8 AVG vorgenommene Plankorrektur im Berufungsverfahren durchgeführt worden sei.
Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Einreichplan bzw. die Baubeschreibung im Berufungsverfahren dahingehend abgeändert wurden, dass ein Abstand zum Grundstück des Bf mit 3,18 Metern eingehalten wird (AV vom 09.05.2014). Grundgedanke des § 13 Abs. 8 AVG war, dass der Antragsteller die Möglichkeit erhalten soll, nicht nur über den Antrag als Ganzes sondern auch über Teile seines Inhaltes zu disponieren, ohne dass er „gleichsam an den Start zurückgeschickt wird“. Aus der Rsp des VwGH ergibt sich, die Berufungsbehörde sei sogar verpflichtet, den Projektwerber zu einer geringfügigen Modifikation seines Vorhabens aufzufordern, um damit das Projekt den gesetzlich festgelegten Bewilligungsvoraussetzungen anzupassen und etwa einen Versagungsgrund zu beseitigen (Vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 [2014] § 13 Rz 47 mwN). Mangels spezieller Abstandsregelungen im Bebauungsplan kommt die Bestimmung des § 40 Z. 1 Satz 2 Oö. BauTG 2013 zur Anwendung. Im Lichte jener Bestimmung ist ein Abstand von rund mindestens 3,16 Metern zur Nachbargrundgrenze erforderlich. Von Seiten der Beschwerdegegnerin wurde im Berufungsverfahren eine Änderung dahingehend vorgenommen, dass der Abstand zum bezeichneten Nachbargrundstück nunmehr 3,18 Meter beträgt, was im Einklang mit der gesetzlichen Bestimmung steht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
V.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Roland Kapsammer