LVwG-650339/3/Bi

Linz, 02.03.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn M. R. , W., vertreten durch H. N. Rechtsanwälte, B., vom 24. September 2012 gegen den Bescheid der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 7. September 2012, GZ: 08/451804, wegen Anordnung der Beibringung einer Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie, in Entsprechung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 2015, 2012/11/0233-7, zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 28 VwGVG wird der Berufung (nunmehr Beschwerde) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.    

 

 

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Rechtsmittelwerber gemäß    § 24 Abs.1 und 4 FSG aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen nach Bescheidzustellung eine Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie vorzulegen. Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 27. November 2014. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde abgewiesen und der Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die zweiwöchige Frist ab Rechtskraft (= Zustellung) des Erkenntnisses zu berechnen sei.

 

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 27. Jänner 2015, Zl. 2012/11/023-7, das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben, sodass das Landesverwaltungsgericht neuerlich über die Berufung, die nunmehr als Beschwerde im Sinne des § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG anzusehen ist, gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. 

 

3. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie das Ergebnis der am 24. Oktober 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung seiner gesundheitlichen Eignung erfolgte aufgrund eines den Verdacht auf eine Straftat gemäß § 27 Abs.2 SMG betreffenden "Abschluss-Berichtes" der PI H. vom 6. März 2012, GZ: B6/1345/2012, durch die Ladung des Beschwerdeführers (in Folge: Bf) vom 27. März 2012.

 

Der 1989 geborene und bislang unbescholtene Bf wurde wegen § 27 Abs.2 SMG bei der Staatsanwaltschaft Linz angezeigt, jedoch trat die StA laut Verständigung vom 20. März 2012, 41 BAZ 229/12y-2, von der Verfolgung gemäß § 35 SMG vorläufig für eine Probezeit von zwei Jahren zurück.

Am 6. April 2012 erschien der Bf beim Amtsarzt der Erstinstanz Herrn Dr. H.. Die von ihm abgegebene Harnprobe wurde an die Gerichtsmedizin Innsbruck zur Prüfung auf THC-Metabolite und Amphetamine übermittelt. Der Test war laut Kurzbefund vom 10. April 2012 auf Cannabinoide "schwach positiv". Der erneuten Ladung des Amtsarztes vom 11. April 2012 zur Besprechung des Drogenharnbefundes folgte der Bf nicht. 

 

Mit Bescheid der Erstinstanz vom 23. April 2012, GZ: 08/451804, wurde er aufgefordert, sich gemäß § 24 Abs.4 FSG innerhalb von zwei Wochen nach Bescheidzustellung amtsärztlich untersuchen zu lassen. Die Berufung dagegen wurde mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 31. Mai 2012, VwSen-523167/7/Bi/Kr, abgewiesen. Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung hat der Bf einen – negativen – THC-Befund vom 25. Mai 2012 vorgelegt.

Er erschien daraufhin am 19. Juni 2012 bei Herrn Dr. H. und wurde dort im Hinblick auf seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B gemäß § 8 FSG untersucht. Gleichzeitig wurde ihm eine Zuweisung an einen Facharzt für Psychiatrie – Herr Dr. E. S. ist ein solcher – zur Erstattung einer FA-Stellungnahme übergeben mit der Diagnose: "Verdacht auf Cannabisabhängigkeit". Dem entsprach er nicht.

 

Gegen die nunmehrige Aufforderung der Erstinstanz vom 7. September 2012, innerhalb von zwei Wochen ab Bescheidzustellung eine Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie vorzulegen, berief der Bf, wobei er in der Verhandlung am 24. Oktober 2012 darlegte, die von SM bei dessen polizeilicher Einvernahme am 27. Jänner 2012 gemachten Angaben seien im Hinblick auf sowohl den Kauf von Cannabiskraut falsch als auch hinsichtlich des Hintergrundes der angeführten 200 Euro, die für den Account für das Internet-Spiel "World of Warcraft" bestimmt gewesen seien. SM sei nur ein Bekannter, den er im Internet kennengelernt habe. Der Kontakt habe sich nie auf Cannabis bezogen, er habe solches auch nie von diesem in A abgeholt und gar nicht gewusst, dass SM in A wohne. Das von der Polizei gefundene SMS beziehe sich darauf. SM habe auch nie einen Cannabis-Konsum bestätigt.

 

Der Bf hat einen – auf Cannabinoide negativen – Drogenbefund vom 25. September 2012 vorgelegt und zum "schwach positiven" Befund vom 6. April 2012 geltend gemacht, er habe noch nie Cannabis konsumiert und der Befund könne nur aufgrund der grundsätzlichen Fehlerquote des Tests schwach positiv sein, eventuell auch aufgrund THC-hältiger Lebensmittel zB Mohnspeisen. Dass er damals konkret solche gegessen gehabt habe, hat er nicht einmal behauptet.

 

Nach der Aktenlage handelt es sich beim Befund vom 10.4.2012 um einen Laborbefund der Gerichtsmedizin Innsbruck, bei dem nicht auszuschließen ist, dass er ein gewisses Fehlerkalkül aufweist, dh durchaus auch "falsch schwach positiv" sein kann – weshalb sich die beantragte Einholung einer Auskunft der Gerichtsmedizin Innsbruck dazu erübrigt. Jedoch ist das "schwach positive" Ergebnis nicht einfach durch den bloßen Hinweis auf grundsätzliche Nichteignung eines Labortests zu widerlegen. Der Bf ist aber nicht zur Nachbesprechung erschienen – dazu hat er sich in der Verhandlung erstmals verantwortet. Insgesamt besteht der Eindruck, dass der Bf es darauf anlegt, jegliche unvorhergesehene Testung zu verhindern. Die von ihm in Eigeninitiative vorgelegten Laborbefunde waren logischerweise negativ, allerdings konnte sich der Bf auf den jeweiligen Labortest, der – folgt man seiner Argumentation – wohl ebenfalls Fehlerquellen aufweist, einstellen, weshalb solche Befunde nur eingeschränkt geeignet sind.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Verwaltungsgerichtshof durch einen gemäß      § 12 Abs.1 Z2 VwGG gebildeten Senat im Erkenntnis vom 27. Jänner 2015, Zl. 2012/11/0233-7, ausgeführt:

4. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abss.4 FSG sind begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenkberechtigung wäre ein Aufforderungsbescheid rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (vgl E 24.5.2011, 2011/11/0026, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

Wie sich aus § 14 FSG-GV ergibt, berührt ein geringfügiger Suchtmittelgenuss die gesundheitliche Eignung (noch) nicht. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht mehr in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) beeinträchtigt ist, liegt ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten – wenn auch verbotenen – Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen (vgl auf hiezu das erwähnte E 2011/11/0026, mwN.)

Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG ist nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (vgl abermals E 2011/11/0026 und die dort zitierte Judikatur).

 

Wie dargestellt ging die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von begründeten Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen aus, weil bei diesem der Verdacht einer Suchtmittelabhängigkeit bzw eines gehäuften Missbrauchs von Suchtmitteln vorliege. Der belangten Behörde ist entsprechend den obigen Ausführungen (Pkt.4.) zuzustimmen, dass im Fall des Vorliegens von Anhalts­punkten für den Verdacht einer Suchtmittelabhängigkeit bzw eines gehäuften Missbrauchs von Suchtmitteln begründete Bedenken iSd § 24 Abs.4 FSG gerechtfertigt sein können.

Im vorliegenden Fall gibt es allerdings keinen nachvollziehbaren Anhaltspunkt für einen solchen Verdacht:

Das von der belangten Behörde ins Treffen geführte „schwach positive“ Ergebnis des Harntests vom 6. April 2012 ist (abgesehen von der ungeklärten Bedeutung der Beifügung „schwach“ und der fraglichen Aktualität des Ergebnisses im Entscheidungszeitpunkt) schon deshalb nicht tragfähig, weil auch die belangte Behörde davon ausgeht, dass es sich dabei möglicherweise um ein falsches Ergebnis („falsch schwach positiv“) handeln könnte. Dass es sich bei diesem immunologischen Untersuchungsergebnis tatsächlich um ein „falsch-positives“ Ergebnis handeln kann, wird sogar ausdrücklich im betreffenden aktenkundigen (Akt Blatt 25) Kurzbefund des Instituts für Gerichtliche Medizin bestätigt. Ohne weitere Erläuterungen seitens des Institutes für Gerichtliche Medizin war dieser Kurzbefund daher nicht verwertbar.

Ebenso wenig ist für die hier entscheidende Frage des Konsums von Cannabis durch den Beschwerdeführer und dessen Häufigkeit (Verdacht einer Abhängigkeit) aus den aktenkundigen Aussagen des SM zu gewinnen, weil diese den (angeblichen) Verkauf von Cannabis an den Beschwerdeführer, nicht aber den Konsum betreffen.

Schließlich sind dem Verwaltungsakt auch keine schlüssigen Aussagen von medizinischen Sachverständigen zu entnehmen, die den Verdacht einer Suchtmittelabhängigkeit des Beschwerdeführers begründen können, sodass lediglich die vom Beschwerdeführer vorgelegten (für ihn und nicht gegen ihn sprechenden) negativen Harntestergebnisse verbleiben.

Bei diesem Ergebnis durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass es eines „Gegenbeweises“ des Beschwerdeführers bedürfe, weil es, wie dargestellt, Aufgabe der Behörde ist, begründete Bedenken iSd § 24 Abs.4 FSG nachvollziehbar darzulegen. Diese unzutreffende Rechtsansicht belastet den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

 

Auf dieser Grundlage war seitens des Landesverwaltungsgerichtes spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger