LVwG-800109/13/WG
Linz, 05.03.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des W H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M M, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 27. Oktober 2014,
GZ. UR96-33-2014-Bd/Dm, betreffend eine Übertretung der Gewerbeordnung (GewO)
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben. Das bekämpfte Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungs-strafverfahren wird gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (im Folgenden: belangte Behörde) verhängte über den Beschwerdeführer (Bf) im Straferkenntnis vom
27. Oktober 2014, GZ: UR96-33-2014, Bd/Dm, wegen einer Übertretung des
„§ 370 Abs. 2, § 366 Abs. 1 Z 3 iVm § 74 Abs. 2 Z 2 und 5 leg.cit der Gewerbe-ordnung 1994 (GewO)“ gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO eine Geldstrafe von 1.500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatz-freiheitsstrafe von 140 Stunden. Als Verfahrenskostenbeitrag wurden 150 Euro vorgeschrieben. Die belangte Behörde nahm im Spruch des Straferkenntnisses folgende Tat als erwiesen an: „Die H F GmbH betreibt auf Grund ihrer Fleischergewerbeberechtigung im Standort x, x, im Rahmen einer weiteren Betriebsstätte eine im Jahr 2005 unter der Geschäftszahl Ge20-3-4-2005 gewerbebehördlich genehmigte Betriebsanlage zum Zerlegen von Fleisch. Mit Bescheid Ge20/-56-6-2006/Hd wurden die Errichtung und der Betrieb einer zentralen Ölfeuerungsanlage gewerbebehördlich genehmigt. Mit Bescheid
Ge20-64-12-2007 vom 11.10.2007 wurden die Aufstellung eines neuen Schrägförderbandes sowie der Ersatz eines Gefrierfleischwolfes zur Kenntnis genommen. Mit rechtskräftigem Bescheid vom 20. Oktober 2009 wurden in dieser Betriebsanlage unter der Geschäftszahl Ge20-100-5-2009-Wg/Hd eine Änderung durch den Ersatz einer bestehenden Separiermaschine sowie die Aufstellung einer neuen Vollkastenstapelungsanlage mit Kippvorrichtung zur Kenntnis genommen. Im Zuge einer am 10. Juli 2014 durchgeführten Genehmigungsverhandlung für beantragte Änderungen wurde festgestellt, dass in der bestehenden Betriebsanlage jedenfalls folgende konsenslose Einbauten zur Aufstellung gebracht wurden, wie zum Beispiel
- eine Thermalöl-Brateinrichtung samt einer Lüftungsanlage
- eine Dampfkesselanlage
- 3 neue Silos
- die Blanchiermaschine
- der Teflonbräter
Die mit Thermalöl beheizte Bratanlage hat eine Heizleistung von 500 kW, eine elektrische Leistung von 3 kW, Spannung von 400V. Der Dampfkessel ist ein großer Dampfkessel gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 ABV. Es handelt sich um einen Dampfkessel mit einer Nennleistung von ca. 875 kW und einer Dampfleistung von 1250 kg/h. 3 Silos: 1 Stück Außensilo FS x Fließbettausführung, Material: AIMg3-Aluminium, Fassung ca. 25 m3, Abmessungen: 2500x2500x5000 mm (bxtxh) 2 Stück Außensilos FS x Fließbettausführung, Material: AIMg3-Alumnium, Fassung: ca. 43 m3, Abmessungen: 2500/2500/8600 mm (bxtxh). Die Befüllung aller Silos soll in der Regel 1 x pro Woche erfolgen. Die Förderung des Mehls von der Siloanlage in die Betriebsanlage soll durch Auflockerung mittels Gebläse und Austragung durch eine Zellradschleuse in die Förderleitung erfolgen. Die Leistung der Blanchieranlage (Spätzlemaschine GL-300) der Marke x Type/Nummer x,
70 dB, 22 kW beträgt 600-1000 kg/h und ist abhängig von Teig und Lochscheibe. Der Teflonbräter (Kontaktbratanlage) hat die Marke x Type/Nummer AGT x, 70dB, 3 kW. Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer zu vertreten, dass die Firma H F GmbH mit Sitz in x, x, im Standort x, x, die mit den angeführten Bescheiden genehmigte Betriebsanlage abgeändert hat, ohne für diese Änderungen die dafür erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung erwirkt zu haben. Durch die angeführten Änderungen ist die genehmigte Betriebsanlage geeignet, eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen sowie die Nachbarn durch Lärm und Geruch zu belästigen. Die nachträglich eingebauten Änderungen waren am 10. Juli 2014 fertiggestellt.“ Bei der Strafbemessung ging die belangte Behörde von folgender Schätzung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse aus: 2.500 Euro, durchschnittliches Vermögen, keine Sorgepflichten. Mildernd wurde das anhängige Genehmigungsverfahren gewertet. Erschwerend wurde gewertet, dass mit rechtskräftigen Straferkenntnissen Ge96-106-2009, Ge96-143-2009,
UR96-3-2010, UR96-4-2010, UR96-8-2010, UR96-22-2010, UR96-9-2010 sowie UR96-42-2011 bereits mehrere einschlägige Übertretungen nach § 366 Abs. 1
Z 3 GewO vorgeworfen worden wären.
2. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 19. November 2014. Der Bf stellt darin den Antrag, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird, falls diesem Antrag nicht stattgegeben wird, der Beschwerde Folge zu geben und das Straferkenntnis aufzuheben und die Angelegenheit an die Behörde zurückzuverweisen oder die Strafe angemessen herabzusetzen. Begründend verwies er auf das zu GZ: UR96-32-2014-Bd/Dm erlassene Straferkenntnis vom 21. Oktober 2014. Das bekämpfte Straferkenntnis verstoße gegen das Doppelbestrafungsverbot und verstoße gegen § 44a Z 1 VStG. Es handle sich nicht um genehmigungs- sondern nur anzeigepflichtige Änderungen iSd § 81 Abs. 2 Z 5 bzw. Z 7 der GewO. Allein der Umstand, dass ein Genehmigungs-antrag gestellt worden sei, heiße noch nicht, dass im Verwaltungsstrafverfahren zwingend und verbindlich von einer Bewilligungspflicht auszugehen sei. Ein Bewilligungsantrag enthalte auch eine Anzeige. Die Zitierung des § 370 Abs. 2 GewO entspreche nicht der Bestimmung des § 44a Z 2 VStG. Mangels Feststellungen, ob tatsächlich die Voraussetzungen für eine Bewilligungspflicht gemäß § 74 Abs. 2 Z 2 und 5 GewO vorliegen, sei auch der Spruch des Straferkenntnisses mit § 44a Z 1 VStG unvereinbar. Das Straferkenntnis sei zudem dem Bf direkt zugestellt worden, obwohl der Bf durch seinen Rechtsanwalt vertreten wurde.
3. Belangte Behörde und Bf erklärten im Beschwerdeverfahren gegenüber dem LVwG einen Verhandlungsverzicht. Das LVwG hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte.
4. Auf Grund der in den Akten befindlichen Beweismittel steht folgender Sachverhalt fest:
4.1. Für die Betriebsanlage der H F GmbH am Standort x, x, liegen die im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses angeführten gewerbebehördlichen Genehmigungen auf. Die nachträglich erfolgten Einbauten (Thermalöl-Brateinrichtung samt einer Lüftungsanlage, eine Dampfkesselanlage, 3 neue Silos, Blanchiermaschine und Teflonbräter) werden im Spruch des Straferkenntnisses zutreffend beschrieben, sind Gegenstand eines bei der belangten Behörde anhängigen Genehmigungsverfahrens und nicht von den vorhandenen Genehmigungen erfasst. Das Genehmigungsverfahren wurde auf Grund eines förmlichen „Ansuchens um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung“ der H F GmbH eingeleitet. Am 10. Juli 2014 fand dazu eine Genehmigungsverhandlung statt. Die angeführten Änderungen der Betriebsanlage waren an diesem Tag bereits in Betrieb. Die Einbauten waren bereits fertiggestellt.
4.2. In einem parallel geführten Verwaltungsstrafverfahren und Straferkenntnis vom 21. Oktober 2014, GZ: Ur96-32-2014, wird dem Bf angelastet, er habe die mit den angeführten Bescheiden genehmigte Betriebsanlage abgeändert und in der Zeit vom 10. Juli 2014 bis zum 14. Juli 2014 ohne die dafür erforderliche Genehmigung nach einer Änderung betrieben. Der Bf erhob auch gegen dieses Straferkenntnis Beschwerde.
4.3. Festzuhalten ist, dass der Bf bereits im Verwaltungsstrafverfahren der belangten Behörde rechtsanwaltlich vertreten war. Die beiden Straferkenntnisse wurden irrtümlich nicht zu Handen des Rechtsanwaltes, sondern direkt dem Bf zugestellt, sind Rechtsanwalt Dr. M aber nachträglich tatsächlich zugekommen.
5. Beweiswürdigung:
Die zu 1. bis 3. getroffenen Feststellungen beschränken sich auf die Wiedergabe des Verfahrensablaufes und des Parteivorbringens. Die Feststellungen in der Sache selbst (4.) ergeben sich aus dem Verfahrensakt. Es steht unbestritten fest, dass die beschriebenen Änderungen am 10. Juli 2014 bereits fertiggestellt waren (vgl. letzter Satz des im Spruch des Straferkenntnisses angelasteten Tatvorwurfes).
6. Rechtliche Beurteilung:
6.1. Der Bf beanstandet, das Straferkenntnis hätte zu Handen seines Rechtsanwaltes zugestellt werden müssen. Mit dem tatsächlichen Zukommen heilte dieser Zustellmangel gemäß § 9 Abs. 3 ZustellG, weshalb die Beschwerde nicht mangels Beschwerdegegenstand zurückzuweisen, sondern inhaltlich zu behandeln ist.
6.2. Infolge des Verhandlungsverzichts und weil das Straferkenntnis zu beheben ist, war gemäß § 44 VwGVG keine Verhandlung erforderlich.
6.3. In der Sache selbst ergeben sich die maßgeblichen Rechtsvorschriften aus folgenden Bestimmungen der Gewerbeordnung (GewO):
§ 366 Abs. 1 Z 3 GewO lautet:
(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, begeht, wer eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§§ 81f);
6.4. Das bekämpfte Straferkenntnis bezieht sich auf die „Abänderung“ der Betriebsanlage, also die Errichtung der beschriebenen Einbauten, das Straferkenntnis zu GZ: UR96-32-2014 dagegen auf den Betrieb der Anlage nach der Änderung. Wie sich aus dem Wortlaut des § 366 Abs. 1 Z 3 GewO – ändert oder nach der Änderung betreibt – ergibt, enthält diese Gesetzesstelle zwei – alternative – Straftatbestände. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Verwaltungsübertretungen, weshalb kein Verstoß gegen das Doppel-bestrafungsverbot vorliegt.
6.5. Der Tatbestand des genehmigungslosen Änderns einer derartigen Betriebsanlage ist mit der Herbeiführung eines solcherart zu qualifizierenden Sachverhaltes abgeschlossen (Zustandsdelikt). Ist im Tatvorwurf kein Zeitraum angegeben, in welchem die Begehung des genehmigungslosen Änderns einer Betriebsanlage stattgefunden hat, so fehlt es an der Feststellung der Tatzeit (vgl. VwGH vom 30.3.1993, GZ 91/04/0220, vom 4.9.2002, 2002/04/0077, st Rsp).
6.6. Der Spruch des Straferkenntnisses enthält lediglich den Zeitpunkt der Verhandlung, in der die vorgenommene Änderung festgestellt wurde, jedoch nicht den Tatzeitpunkt der durchgeführten Änderung. Der verfahrens-gegenständliche Tatvorwurf wird durch den angelasteten Zeitpunkt
(10. Juli 2014) verbindlich vorgegeben. An diesem Tag wurde die angelastete Tathandlung – die Vornahme einer Änderung – aber nicht gesetzt, zumal die Änderungen bereits fertiggestellt waren. Das LVwG ist nicht zur Auswechslung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Tat berechtigt, sondern nur dazu, die Tatzeit auf der Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahme der Behörde erster Instanz näher zu umschreiben. Die Ausdehnung des Tatzeitraums bedeutet jedoch keine Präzisierung, sondern eine Erweiterung des Vorwurfs (vgl. dazu auch VwGH vom 5. November 2014, GZ Ra 2014/09/0018). Aus diesem Grund war das bekämpfte Straferkenntnis zu beheben und hatte hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Tatvorwurfes, der sich auf eine genehmigungslose Änderung am 10. Juli 2014 bezieht, eine Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 VStG zu erfolgen. Bei diesem Verfahrensergebnis hat der Bf keinen Verfahrens-kostenbeitrag zu leisten.
7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
7.1. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
7.2. Die Rechtslage ist durch die angeführte Rechtsprechung des VwGH geklärt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Wolfgang Weigl