LVwG-600754/2/BR
Linz, 09.03.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier, über die gegen das Strafausmaß gerichtete Beschwerde der S.B., geb. x, x, gegen den Bescheid (Straferkenntnis) der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 29.1.2015, Zl: VerkR96-12472-2014/Wi,
zu Recht:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der gegen das Strafausmaß gerichteten Beschwerde mit der Maßgabe statt gegeben, als unter Anwendung des § 20 VStG 1) die Geldstrafe auf 1.000 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 9 (neun) Tage und 2) auf 181,50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 72 Stunden ermäßigt wird.
II. Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu leisten. Gemäß § 64 Abs.1 VStG ermäßigen sich demnach die erstinstanzlichen Verfahrens-kosten auf 1) 100 Euro und 2) 18,15 Euro.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oa. Bescheid die im Straferkenntnis vom 01.12.2014 im Punkt 1) mit 1.800 Euro verhängte Geldstrafe auf die Mindeststrafe von 1.600 Euro ermäßigt, wobei der Beschwerdeführerin zur Last liegt, vorsätzlich Beihilfe dazu geleistet zu haben, dass sie M.B. einen PKW zum Lenken überlassen hatte, obwohl dieser sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, wobei der Alkoholgehalt seiner Atemluft 1,3 mg/Liter betragen habe und dieser gemäß Punkt 2) nicht im Besitz einer Lenkberechtigung gewesen sei, wobei in diesem Punkt bereits mit dem Straferkenntnis die mit 363 Euro vorgesehene Mindeststrafe ausgesprochen wurde. Als verletzte Rechtsnormen wurden unter 1) § 7 VStG iVm § 99 Abs.1 lit.a iVm § 5 Abs.1 und 2) § 7 VStG iVm 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.3 Z.1 FSG angezogen.
II. Begründet wurde die Strafzumessung bzw. die Reduzierung auf Grund des Strafminderungs- u. Ratenzahlungsersuchens, eine Vorstrafe bei der Bezirks-hauptmannschaft Braunau unter VerkR96-1113-2014 wegen Übertretung nach § 5 StVO gewertet. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Beschwerde (gemeint deren Ersuchen vom 10.1.2015) wurde der Sachverhalt nochmals überprüft und aufgrund der Einkommenssituation (914 Euro Invalidenrente, 2.500 Euro Kredit) die Geldstrafe nunmehr unter Punkt 1) auf die gesetzliche Mindeststrafe herabgesetzt. Eine niedrigere Strafe wurde als gesetzlich nicht möglich bezeichnet.
III. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde verweist die Beschwerdeführerin auf ihre schwere Krankheit und ihre finanziellen Schwierigkeiten. Sie legt ihrer Beschwerde einen medizinischen Fragebogen bei, worin sie auf einen Verkehrsunfall mit einem Lkw im März 1990 verweist, wobei sie sich, soweit diese handschriftlichen Anmerkungen lesbar sind, einer Operation an der Halswirbelsäule zu unterziehen gehabt hat. Ebenfalls wird auf eine Operation, welche in medizinischem Fachvokabular zitiert ist, im Dezember 2011 und auf weitere nicht näher definierte Geschehen medizinischer Art aus den Jahren 1993 und 1997 verwiesen.
Sie habe viele Krankenhauskosten zu tragen und benötige viele Medikamente. Sie wäre alleinerziehende Mutter, wobei sie eine Tochter mit ihrem Ehemann adoptiert habe, von dem sie jedoch seit 5 Jahren geschieden sei und alles alleine bewältigen müsse. Ihr Ehemann habe immer gegen sie Gewalt ausgeübt. Nach der Trennung habe sie von ihrem Krebsleiden erfahren, was für sie und ihre Tochter ein gewaltiger Schock gewesen wäre. Trotz Operation müsse sie immer damit rechnen, dass der Krebs wieder ausbrechen könnte. Sie bete jeden Tag, dass es so bleibe, weil sie sonst für ihre Tochter niemanden in Österreich habe. Sie ersuche ihren Ausnahmezustand im Hinblick auf ihre Krankheiten zu berücksichtigen. Sie müsse jeden Euro zweimal umdrehen, habe eine kleine Rente wovon sie Miete, Betriebskosten, Versicherungsleistungen und Kredit zu bestreiten habe. Abschließend vermeint die Beschwerdeführerin um Gnade und Milde zu bitten.
III.1. Die Behörde hat den Verfahrensakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht unter Anschluss eines Inhaltsverzeichnisses zur Entscheidung über die Beschwerde nach § 15 VwGVG vorgelegt.
IV. Die Beschwerdeführerin legt mit ihren Ausführungen, an denen das Landesverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte für Zweifel findet, eine äußerst dramatische Lebenssituation dar. Da letztlich der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist, geht das Landesverwaltungsgericht von der Annahme aus, dass die Beschwerdeführerin möglicherweise die Alkofahrt durch ihren Begleiter in Unkenntnis der objektiven Rechtslage nicht verhindert hat und ihr vor diesem Hintergrund lediglich ein auf Unwissenheit basierendes Verschulden zur Last fällt, wobei die Behörde von der billigenden Inkaufnahme dieser Alkofahrt ausgegangen ist. Das Wissen um den höchsten Grad der Alkoholisierung für einen Beitragstäter oder eine Beitragstäterin dürfte in aller Regel wohl nur schwer von deren Vorsatz mitgetragen nachweisbar sein.
Um zu einem sachgerechten und auch noch mit dem rechtsethischen Grundsatz der Gerechtigkeit in Einklang stehenden Ergebnis einer Bestrafung gelangen zu können, werden die in der Person der Beschwerdeführerin gelegenen Umstände als überwiegend strafmildernd gewertet. Laut fachärztlicher Stellungnahme vom 18.12.2014, leidet die Beschwerdeführerin auch an einer posttraumatischen Belastungsstörung und im Vorfeld auch an Alkohol- und Benzodiazepinabuses. Die Behörde hat im gegenständlichen Fall die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe verhängt, zumal der Gesetzgeber für die bloße Beitragstäterschaft keinen differenzierten Strafrahmen vorsieht, was zu einem im Grunde unsachlichen Ergebnis führt, indem eine Person die lediglich eine im Vorsatzbereich nachzuweisende Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ermöglicht, mit der an sich schon hohen Mindeststrafdrohung, wie der Täter selbst belastet wird. Von der Behörde wurde letztlich auch nicht festgestellt, ob sich der Vorsatz der Beschwerdeführerin nun tatsächlich auf die Inkaufnahme eines Alkoholisierungsgrades richtete, der letztlich den höchsten Strafsatz für den Lenker bedingte.
IV.1. Zur Strafzumessung hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:
Für den Fall des beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kann nach § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100). Die Beschwerdeführerin ist wohl verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten, sie verfügt aber einerseits nur über ein deutlich unterdurchschnittliches Einkommen und ihre wirtschaftlichen und gesundheitlichen Verhältnisse sind ungünstig, vor allem ist hier – wie oben schon ausgeführt - sowohl der Tatunwert als auch die Tatschuld unvergleichlich geringer anzunehmen als dies etwa für den Alkolenker selbst zutrifft.
Damit wird einem am Sachlichkeitsgebot orientierte verfassungs-konforme Rechtsvollzugspraxis Rechnung getragen um damit unsachliche Ergebnisse in entsprechender Wertung ungleicher Ausgangslagen zu vermeiden (vgl. UVS-Erk. 19.06.1995, VwSen-102913/2/Gu/Atz).
Die Bestimmung des § 20 VStG ist nach Aufhebung des § 100 Abs.5 StVO 1960 durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 9.10.1997, G 216/96) auch für Alkoholdelikte wieder anwendbar geworden. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht darauf ein Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH vom 31.1.1990, 89/03/0027, VwGH 21.5.1992, 92/09/0015 und VwGH 2.9.1992, 92/02/0150).
Von einer Anfechtung wegen Unsachlichkeit dieser sich ohne jegliche Differenzierung einerseits auf die Lenker jeglicher Fahrzeuge und selbst für bloße „Beitragstäter“ (§ 7 VStG: „Wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht ….“) beziehenden Rechtsnorm mit einer Mindeststrafe von 1.600 Euro wird von der Anwendbarkeit des § 20 VStG abgesehen.
Bereits mehrfach wurde auch schon vom Unabhängigen Verwaltungssenat ausgesprochen, dass der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) bei rechtsrichtiger Auslegung auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen hat und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen darf. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zur Ungleichbehandlung, indem Ungleiches (hier die erwiesen erachtete vorsätzliche Beihilfe zu einer mit der höchsten Strafbarkeit bedrohten Alkofahrt) in den Sanktionsfolgen mit dem unmittelbaren Täter gleich behandelt wurde (vgl. unter vielen h. Erk. v. 21.2.1997, VwSen-104374).
Angesichts der hier vorliegenden Tatumstände schien daher auch in diesem Fall das Vorgehen mit dem außerordentlichen Strafmilderungsrecht rechtlich geboten, um zu einem sachlich vertretbaren Strafausmaß gelangen zu können. Der Beschwerdeführerin konnte daher in deren Ausführungen dem Grunde nach gefolgt werden.
Ebenfalls stehen der nunmehrigen Strafzumessung keine Aspekte der Prävention entgegen.
Eine volle Ausschöpfung des auf die Hälfte reduzierbaren Strafsatzes im Punkt 1) war jedoch angesichts der bestehenden einschlägigen Vormerkung dennoch nicht vertretbar. Unter Bedachtnahme auf das geringe Einkommen, die Sorgepflicht der Beschwerdeführerin für ein Kind und insbesondere auch deren Krankheit ist selbst die hier auszusprechen gewesene Geldstrafe für die Beschwerdeführerin immer noch als sehr hart zu bezeichnen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. B l e i e r