LVwG-550422/5/MZ/BL
Linz, 03.03.2015
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des W P gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22.04.2014, GZ: Wa10-126-3-2014, (mitbeteiligte Partei: F und A S) den
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zurückverwiesen wird.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I.:
1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22.04.2014, GZ: Wa10-126-3-2014, wurde Herrn F S und Frau A S, x, x die wasserrechtliche Weiterbewilligung für die Wasserkraftanlage am M auf dem Grundstück Nr x, KG P, unter Vorschreibung von Auflagen und befristet bis 31.12.2060 erteilt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde vom W P [im Folgenden: Beschwerdeführerin (Bf)] Beschwerde eingebracht, die am 05.01.2015 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) eingelangt ist.
Die Bf führt im Ergebnis unter anderem aus, dass eine Ergänzungsbedürftigkeit im Verfahren bestehe und eine unrichtige rechtliche Beurteilung erfolgt sei. Insbesondere habe die belangte Behörde dem Stand der Technik keine ausreichende Beachtung geschenkt und keine ausreichende Prüfung hinsichtlich der öffentlichen Interessen durchgeführt.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
3.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verfahrensakt. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und im Übrigen auch kein entsprechender Antrag gestellt wurde, konnte gemäß § 24 Abs. 3 und Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Das dem Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 der EU-Charta der Grundrechte entgegenstünde, vermag nicht erkannt zu werden.
3.2. Aufgrund des vorgelegten Verfahrensaktes steht folgender Sachverhalt fest:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.02.1984 wurde Herrn A und Frau A A die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Wasserkraftanlage am M im Standort der früheren „T“ in P erteilt. Mit Antrag vom 22.01.2013 suchten Herr F und Frau A S als Rechtsnachfolger um die Weiterbewilligung dieses Rechtes an.
Am 10.12.2013 führte der von der belangten Behörde mündlich beauftragte Amtssachverständige für Wasserbautechnik einen Lokalaugenschein durch und gab am 07.04.2014 und am 22.04.2014 schriftliche Stellungnahmen ab. Die Stellungnahme vom 07.04.2014 lautet: „Zum ggst. Ansuchen erfolgte gemäß mündlichem Auftrag der BH Linz-Land ein Lokalaugenschein am 10. Dezember 2013. Dabei wurde festgestellt, dass die Anlage entsprechend dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid Wa-126/3-1982 vom 08.02.1984 betrieben wird und keine Änderungen erfolgt sind. Aus wasserbautechnischer Sicht bestehen keine Bedenken für die Weiterbewilligung. Die Auflagen sind wie folgt aus dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid zu übernehmen: 1. Die Wasserkraftanlage ist projektsgemäß zu erhalten und Instand zu halten. 2. – 4.: übernehmen! 8. Dauervorschreibung.“ Der Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 22.04.2014 ist weiters zu entnehmen: „Die wasserrechtliche Bewilligung wird befristet erteilt bis zum 31.12.2060.“
In der Folge ist der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 22.04.2014, GZ: Wa10-126-3-2014, ergangen. Dieser wurde der Bf allerdings erst am 09.12.2014 zugestellt, ohne dass zuvor eine Beiziehung als Partei erfolgt wäre.
3.3. Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig und schlüssig aus dem bezughabenden Verfahrensakt.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass den mitbeteiligten Parteien der Beschwerdeschriftsatz zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt wurde; eine Stellungnahme wurde innerhalb der festgesetzten Frist nicht abgegeben.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
4.1. § 28 VwGVG lautet:
„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist. ...“
§ 21 Abs 3 WRG lautet:
„Ansuchen um Wiederverleihung eines bereits ausgeübten Wasserbenutzungsrechtes können frühestens fünf Jahre, spätestens sechs Monate vor Ablauf der Bewilligungsdauer gestellt werden. Wird das Ansuchen rechtzeitig gestellt, hat der bisher Berechtigte Anspruch auf Wiederverleihung des Rechtes, wenn öffentliche Interessen nicht im Wege stehen und die Wasserbenutzung unter Beachtung des Standes der Technik erfolgt. ...“
4.2. Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, 2014/03/0063, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits ausführlich mit der Frage der Zulässigkeit einer kassatorischen Entscheidung durch ein Landesverwaltungsgericht auseinandergesetzt und festgehalten, dass ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht (Entscheidung in der Sache selbst) durch die Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt ist. Die nach § 28 VwGVG von der meritorischen Entscheidungspflicht verbleibenden Ausnahmen sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung ist daher nur bei krassen bzw gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch zu machen, da das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System eine Verfahrensbeschleunigung bzw Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer zum Ziel hat.
Der Verwaltungsgerichtshof legt im angesprochenen Erkenntnis auch beispielhaft dar wann solche krassen bzw gravierenden Ermittlungslücken vorliegen und eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen in Betracht kommt:
· wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,
· wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat,
· wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
4.3. Im Sinne des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht jedenfalls dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass dies unter anderem dann der Fall ist, wenn sich aus den im Bescheid getroffenen Feststellungen (in Zusammenhang mit dem Verwaltungsakt) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt (VwGH 26.06.2014, 2014/03/0063).
In der hier vorliegenden Beschwerde wird jedoch substantiell bezweifelt, dass sich die Behörde ausreichend mit der Beachtung des Standes der Technik und der Prüfung der öffentlichen Interessen auseinandergesetzt habe, sodass hier jedenfalls von gegenläufigen Anhaltspunkten auszugehen ist.
4.4. Die inhaltlichen Voraussetzungen für die Wiederverleihung eines Wasserbenutzungsrechtes regelt § 21 Abs 3 WRG. Demnach besteht nur dann ein Anspruch auf Wiederverleihung, „wenn öffentliche Interessen nicht im Wege stehen und die Wasserbenutzung unter Beachtung des Standes der Technik erfolgt“.
Im hier vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde bloß ansatzweise ermittelt hat. Es wurde keine ausreichende Ermittlungstätigkeit im Hinblick auf entgegenstehende öffentliche Interessen bzw dem derzeit geltenden Stand der Technik durchgeführt. Die dem Bescheid zugrundeliegenden Stellungnahmen des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik vom 07.04.2014 und 22.04.2014 sind äußerst kurz gehalten und enthalten diesbezüglich keine Angaben. Die unbegründete Behauptung, dass aus „wasserbautechnischer Sicht ... keine Bedenken“ bestehen, reicht nicht aus, um den Anforderungen an ein nachvollziehbares und schlüssiges Sachverständigengutachten zu entsprechen. Die belangte Behörde hätte sich ausführlich mit der Frage nach dem derzeit geltenden Stand der Technik auseinandersetzen, diesbezüglich dem Amtssachverständigen ein Beweisthema vorgeben und zudem mit den unter Umständen entgegenstehenden öffentlichen Interessen auseinandersetzen müssen.
4.5. Die nicht ausreichende Ermittlungstätigkeit zeigt sich letztlich auch darin, dass das W P, welchem nach § 55 Abs 2 WRG eine Formalparteistellung zukommt, nicht am Verfahren beteiligt wurde.
4.6. Letztendlich wird im Vorlageschreiben der belangten Behörde das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch „ersucht der Berufung stattzugeben und das Verfahren an die 1. Instanz zurückzuverweisen.“
Dies kann wohl auch als Widerspruch der Behörde iSd § 28 Abs 3 erster Satz VwGVG verstanden werden, dass das Verwaltungsgericht aus Gründen der Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens nicht in der Sache selbst entscheiden soll, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 VwGVG nicht vorliegen und somit der maßgebliche Sachverhalt – wie hier – nicht (hinreichend) feststeht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung weder von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, noch es an einer Rechtsprechung fehlt. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Frage, ob im konkreten Anlassfall die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an die belangte Behörde vorliegen, über den Einzelfall hinaus wirkt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Markus Zeinhofer