LVwG-650035/47/Sch/Bb
Linz, 23.01.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde des M. H., geb. 19.., vertreten durch Rechtsanwälte H. – N., G.straße 4, B., vom 28. November 2013 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 26. November 2013, GZ VerkR21-356-2013, betreffend Entziehung der tschechischen Lenkberechtigung für die Klassen AM, A1, A2, A und B, in Bindung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2014, Ra 2014/11/0084-7,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene behördliche Bescheid behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1.) Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 2014, Ra 2014/11/0002, wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 21. Jänner 2014, GZ LVwG-650035/5/Sch/Bb/SA, mit welchem die Beschwerde des M. H. (des Beschwerdeführers – im Folgenden kurz: Bf) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen worden war, aufgehoben. Begründend hatte der Verwaltungsgerichtshof zusammengefasst ausgeführt, dass nach Erlöschen einer österreichischen Lenkberechtigung die Entziehung ausländischer Lenkberechtigungen gestützt auf § 30 Abs. 2 vierter und fünfter Satz FSG nicht mehr in Betracht komme. Zur näheren Begründung der Entscheidung wird auf das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.
I.2.) Mit (Ersatz)erkenntnis vom 23. September 2014, GZ LVwG-650035/31/Sch/Bb/HK, wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nach Abhaltung einer weiteren öffentlichen mündlichen Verhandlung die wieder offene Beschwerde neuerlich ab und bestätigte den Entziehungsbescheid der belangten Behörde mit der Maßgabe, dass dem Bf die erteilte tschechische Lenkberechtigung nach der Vorschrift des § 30 Abs. 2 letzter Satz FSG entzogen werde. Eine ordentliche Revision wurde im Wesentlichen unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 2014, Ra 2014/11/0002 und 2013/11/0068, ausgeschlossen.
I.3.) Gegen diese Entscheidung wurde seitens des Bf (wiederum) Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, der das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 23. September 2014 mit Erkenntnis vom 16. Dezember 2014, Ra 2014/11/0084, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob.
In der Begründung des VwGH-Erkenntnisses heißt es im Wesentlichen (auszugweise Wiedergabe):
„1.1. Das FSG lautet (auszugsweise):
Geltungsbereich
§ 1.
...
(3) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt. ...
(4) Eine von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates erteilte Lenkberechtigung ist einer Lenkberechtigung gemäß Abs. 3 gleichgestellt. Das Lenken von Kraftfahrzeugen mit einer solchen Lenkberechtigung ist jedoch nur zulässig, wenn der Lenker das in § 6 Abs. 1 genannte Mindestalter erreicht hat. Für die Anerkennung der Klasse B ist die Vollendung des 17. Lebensjahres ausreichend. Eine von einem EWR-Staat erteilte Lenkberechtigung gilt als österreichische Lenkberechtigung, wenn der Besitzer dieser Lenkberechtigung seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) nach Österreich verlegt oder solange er seinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung ist nur im Rahmen der Bestimmungen des § 23 zulässig.
Verfahren bei der Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 5.
...
(2) Ein Wohnsitz in Österreich gemäß Abs. 1 Z 1 liegt vor, wenn sich die betreffende Person aufgrund ihrer persönlichen und – sofern vorhanden – beruflichen Bindungen innerhalb der letzten zwölf Monate nachweislich während mindestens 185 Tagen in Österreich aufgehalten hat oder glaubhaft macht, dass sie beabsichtigt, sich für mindestens 185 Tage in Österreich aufzuhalten. Als Wohnsitz eines Führerscheinwerbers oder -besitzers, dessen berufliche Bindungen in einem anderen Staat als seine persönlichen Bindungen liegen, gilt unabhängig von der 185-tägigen Frist der Ort der persönlichen Bindungen, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt.
...
Folgen des Entziehungsverfahrens für Besitzer von ausländischen Lenkberechtigungen und Führerscheinen
§ 30. (1) Dem Besitzer einer ausländischen EWR- oder Nicht-EWR-Lenkberechtigung, der keinen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, ist das Recht, von seiner Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, abzuerkennen, wenn Gründe für die Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, von der Lenkberechtigung Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot unter Anwendung der §§ 24 Abs. 1, 25, 26 und 29 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten. Sofern dies möglich ist, hat die Behörde der Ausstellungsbehörde des Führerscheines die Tatsache der Aberkennung des genannten Rechtes mitzuteilen.
(2) Einem Besitzer einer ausländischen Nicht-EWR-Lenkberechtigung oder eines ausländischen EWR-Führerscheines (§ 1 Abs. 4), der einen Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich hat, hat die Behörde die Lenkberechtigung unter Anwendung der §§ 24 bis 29 zu entziehen. Der eingezogene Führerschein ist der Ausstellungsbehörde zusammen mit einer Sachverhaltsdarstellung zu übermitteln. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs. 3 oder, falls die Entziehungsdauer länger als 18 Monate war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung zu stellen. Die Behörde hat auch die Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR- oder eines Nicht-EWR-Staates anzuordnen, wenn eine Person mit Wohnsitz in Österreich eine solche Lenkberechtigung zu einem Zeitpunkt erlangt hat, zu dem in Österreich bereits die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen war. In diesem Fall ist die Lenkberechtigung bis zu jenem Zeitpunkt zu entziehen, zu dem die bereits angeordnete Entziehungsdauer endet. Eine Entziehung der Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates oder eines Nicht-EWR-Staates ist auszusprechen, wenn eine Person eine Lenkberechtigung in diesem Staat zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem die Person ihren Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1) in Österreich und nicht im Ausstellungsstaat des Führerscheines hatte.
1.2. Die Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein idF der Richtlinie 2013/47/EU der Kommission (Führerscheinrichtlinie) lautet (auszugsweise):
Artikel 2
Gegenseitige Anerkennung
1. Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine werden gegenseitig anerkannt.
Artikel 7
Ausstellung, Gültigkeit und Erneuerung
1. Ein Führerschein darf nur an Bewerber ausgestellt werden, die
...
im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaats ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraumes von sechs Monaten dort studiert haben.
Artikel 11
Bestimmungen über den Umtausch, den Entzug, die Ersetzung und die Anerkennung der Führerscheine
1. Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so kann er einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen. Es ist Sache des umtauschenden Mitgliedstaats, zu prüfen, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist.
2. Vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsgrundsatzes kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen.
3. Der umtauschende Mitgliedstaat leitet den abgegebenen Führerschein an die zuständige Stelle des Mitgliedstaats, der ihn ausgestellt hat, zurück und gibt die Gründe dafür an.
4. Ein Mitgliedstaat lehnt es ab, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, einen Führerschein auszustellen.
Ein Mitgliedstaat lehnt die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist.
Ein Mitgliedstaat kann es ferner ablehnen, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat aufgehoben wurde, einen Führerschein auszustellen.
5. Die Ersetzung eines Führerscheins infolge beispielsweise von Verlust oder Diebstahl kann nur bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats erlangt werden, in dem der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz hat; diese nehmen die Ersetzung anhand der ihnen vorliegenden Informationen oder gegebenenfalls anhand einer Bescheinigung der zuständigen Behörden des Mitgliedstaats vor, die den ursprünglichen Führerschein ausgestellt haben.
6. Tauscht ein Mitgliedstaat einen von einem Drittland ausgestellten Führerschein gegen einen EG-Muster-Führerschein um, so wird der Umtausch in dem EG-Muster-Führerschein vermerkt; dies gilt auch für jede spätere Erneuerung oder Ersetzung.
Der Umtausch darf nur dann vorgenommen werden, wenn der von einem Drittland ausgestellte Führerschein den zuständigen Behörden des umtauschenden Mitgliedstaats ausgehändigt worden ist. Verlegt der Inhaber dieses Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat, so braucht dieser Mitgliedstaat den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gemäß Artikel 2 nicht anzuwenden.
Artikel 12
Ordentlicher Wohnsitz
Im Sinne dieser Richtlinie gilt als ordentlicher Wohnsitz der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bedingungen oder – im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehung zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d. h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt.
Als ordentlicher Wohnsitz eines Führerscheininhabers, dessen berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem seiner persönlichen Bindungen liegen und der sich daher abwechselnd an verschiedenen Orten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufhalten muss, gilt jedoch der Ort seiner persönlichen Bindungen, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt. Diese letztgenannte Voraussetzung muss nicht erfüllt sein, wenn sich der Führerscheininhaber in einem Mitgliedstaat zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer aufhält. Der Besuch einer Universität oder einer Schule hat keine Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes zur Folge.
2. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes erweist sich die Revision als zulässig, weil zu grundlegenden Rechtsfrage, ob der Anwendung des § 30 Abs. 2 letzter Satz FSG unmittelbar anwendbares Unionsrecht entgegensteht, keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes existiert. Beide im angefochtenen Erkenntnis zum Beleg dafür, dass sehr wohl Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes vorliege, zitierten hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 2014, Zl. Ra 2014/11/0002 und Zl. 2013/11/0068 – enthalten keine Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 30 Abs. 2 letzter Satz FSG vor dem Hintergrund des Unionrechts, wie sie zur Lösung der vorliegenden Rechtsfragen erforderlich sind.
3. Die Revision ist auch begründet.
3.1.1. [...]
3.2.1. Festzuhalten ist zunächst, dass sich entgegen der Begründung des angefochtenen Erkenntnis dem hg. Erkenntnis Zl. Ra 2014/11/0002 keineswegs entnehmen lässt, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Weiterführung des wieder offenen Beschwerdeverfahrens unter Anwendung des § 30 Abs. 2 letzter Satz FSG für zulässig erklärt hat. Im erwähnten hg. Erkenntnis wurde nur klarstellend betont, dass sich das Verwaltungsgericht nicht auf die genannte Vorschrift des FSG gestützt hat. Ausführungen zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift fehlen im hg. Erkenntnis Zl. Ra 2014/11/0002.
3.2.2. Die rechtlichen Ausführungen der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zeigen, dass das Verwaltungsgericht die einschlägige und hinreichend klare Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH), obwohl sie vom Revisionswerber wiederholt zur Stützung seines Rechtsstandpunktes ins Treffen geführt wurde, außer Acht gelassen hat.
3.2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sieht Art. 1 Abs. 2 der Führerscheinrichtlinie die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor. Diese Bestimmung erlege den Mitgliedstaaten eine klare und unbedingte Verpflichtung auf, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Es sei Aufgabe des Ausstellermitgliedstaates zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere die Voraussetzungen in Art. 7 Abs. 1 der Führerscheinrichtlinie hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist (vgl. das Urteil vom 1. März 2012, Akyüz, C-467/10, Rz 40f, unter Berufung auf die Urteile vom 19. Februar 2009, Schwarz C-321/07, Slg. 2009, I-1113, Rz 75, und vom 19. Mai 2011, Grasser, C-184/10, Slg. 2011, I-4057, Rz 19).
Wenn die Behörden eines Mitgliedstaates einen Führerschein gemäß Art. 1 Abs. 1 der Führerscheinrichtlinie ausgestellt haben, so seien die anderen Mitgliedstaaten nicht befugt, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen nachzuprüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sei nämlich als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inhaber desselben am Tag seiner Ausstellung diese Voraussetzungen erfüllte (vgl. das Urteil Akyüz, Rz 42, unter Bezugnahme erneut auf die Urteile Schwarz, Rz 77, und Grasser, Rz 21).
Aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich weiters, dass Art. 2 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 4 der Führerscheinrichtlinie es einem Aufnahmemitgliedsstaat nicht verwehren, die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu verweigern, wenn nicht anhand von Informationen des Aufnahmemitgliedstaates, sondern aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat nicht beachtet wurde (vgl. das Urteil Akyüz, Rz 62-64, unter Verweis auf das Urteil vom 26. Juni 2008, Wiedemann und Funk, C-329/06 und C-343/06, Slg. 2008, I-4635, Rz 72, und das Urteil Grasser, Rz 33). Diese Ausnahme, die von der Pflicht, in anderen Mitgliedstaaten erteilte Fahrerlaubnisse ohne Formalitäten anzuerkennen, bestehe und mit der ein Gleichgewicht zwischen dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Fahrerlaubnisse und dem Grundsatz der Sicherheit im Straßenverkehr hergestellt werde, dürfe nicht weit verstanden werden, weil sonst der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung völlig ausgehöhlt würde (vgl. das Urteil Akyüz, Rz 65, unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 9. Juli 2009, Wierer, C-445/08, Rz 53).
Die angesprochene Aufzählung der Erkenntnisquellen, auf die sich der Aufnahmemitgliedstaat stützen kann, um die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheines zu verweigern, ohne die gegenseitige Unterstützung oder das Verfahren des Informationsaustauschs nach Art. 15 der Führerscheinrichtlinie in Anspruch zu nehmen – mithin: Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen -, sei daher abschließend und erschöpfend (vgl. das Urteil Akyüz, Rz 66, unter Bezugnahme auf den Beschluss Wierer, Rz 43). Damit eine Information eines Ausstellermitgliedstaates, wonach der Inhaber eines Führerscheines dort bei der Ausstellung nicht wohnhaft war, als unbestreitbar eingestuft werden könne, müsse sie von einer Behörde dieses Staates herrühren. Sollten die Behörden des Aufnahmemitgliedstaates über unbestreitbare, von den Behörden des Austellermitgliedstaates herrührenden Informationen verfügen, dass der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates gehabt habe, wären sie berechtigt, die Anerkennung dieses Führerscheines zu verweigern; hingegen stehe der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung einer auf irgendeine andere Information gestützten Weigerung entgegen (vgl. das Urteil Akyüz, Rz 67f, unter Bezugnahme auf den Beschluss Wierer, Rz 59).
Insoweit sei es nicht ausgeschlossen, dass von den Einwohnermeldebehörden des Ausstellermitgliedstaates erlangte Informationen als solche Informationen angesehen werden können, hingegen können Erläuterungen oder Informationen, die der Inhaber eines Führerscheines im Verwaltungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren in Erfüllung einer ihm nach dem innerstaatlichen Recht des Aufnahmemitgliedstaates obliegenden Mitwirkungspflicht erteilt hat, nicht als solche vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen qualifiziert werden, die beweisen, dass der Inhaber zum Zeitpunkt der Ausstellung seines Führerscheines seinen Wohnsitz nicht in diesem Mitgliedstaat hatte (vgl. das Urteil Akyüz, Rz 69f, unter Bezugnahme auf den Beschluss Wierer, Rz 54).
Allerdings erscheine der Umstand, dass Informationen den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedsstaat des vom Ausstellermitgliedstaat nicht direkt, sondern nur indirekt in Form einer Mitteilung Dritte übermittelt wurden, als solche nicht geeignet, die Einstufung dieser Informationen als von Ausstellermitgliedstaat herrührend auszuschließen, sofern sie von einer Behörde dieses Staates stammen. Demzufolge schließe die bloße Tatsache, dass die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedsstaates ihre Vertretung im Ausstellermitgliedstaat einschalten, um sich derartige Informationen von den zuständigen Behörden des Ausstellermitgliedstaates zu verschaffen, nicht aus, dass die Informationen als von diesem Staat herrührend eingestuft werden. Es sei im Einzelfall Sache des zuständigen Gerichts zu prüfen, ob erlangte Informationen als vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen eingestuft werden können. Solche Informationen müssten vom zuständigen Gericht gegebenenfalls auch dahin bewertet und beurteilt werden, ob es sich um unbestreitbare Informationen handelt, die belegen, dass der Inhaber des Führerscheins zu dem Zeitpunkt, als er diesen erhielt, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Gebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte. Das zuständige Gericht könne im Rahmen seiner Beurteilung der ihm vorliegenden, vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen alle Umstände des bei ihm anhängigen Verfahrens berücksichtigen. Es könne insbesondere den etwaigen Umstand berücksichtigen, dass die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen darauf hinweisen, dass sich der Inhaber des Führerscheins im Gebiet dieses Staates nur für ganz kurze Zeit aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Erlangung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (vgl. das Urteil Akyüz, Rz 71-75).
Hervorzuheben sei jedoch, dass der Inhaber eines Führerscheins von dem den Unionsbürgern durch Art. 21 Abs. 1 AEUV verliehenen und der Führerscheinrichtlinie anerkannten Recht Gebrauch macht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, wenn er seinen Wohnsitz in einem bestimmten Mitgliedstaat zu dem Zweck errichtet, hinsichtlich der Bedingungen für die Ausstellung des Führerscheins von weniger strengen Rechtsvorschriften zu profitieren, so dass diese Tatsache für sich genommen nicht die Feststellung zulasse, dass die in der Führerscheinrichtlinie vorgesehene Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes nicht erfüllt und die Weigerung eines Mitgliedstaates, einen in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein anzuerkennen, daher gerechtfertigt ist (vgl. das Urteil Akyüz, Rz 76, unter Hinweis auf das Urteil vom 9. März 1999, Centris, C-212/97, Slg. I-1459, Rz 27).
3.2.2.2. Für den Revisionsfall ergibt sich daraus Folgendes:
Dem Verwaltungsgericht ist einzuräumen, dass § 30 Abs. 2 letzter Satz FSG vorbehaltlos die Einziehung einer Lenkberechtigung eines anderen EWR-Staates oder eines nicht EWR-Staates anordnet, wenn eine Person eine Lenkberechtigung in diesem Staat zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem die Person ihren Wohnsitz (§ 5 Abs. 1 Z 1 FSG) in Österreich und nicht im Ausstellungsstaat des Führerscheines hatte. Im Lichte der dargestellten Rechtsprechung des EuGH hat jedoch die Anwendung des § 30 Abs. 2 letzter Satz FSG infolge Vorrangs des Unionsrecht in denjenigen Fällen der Entziehung von Lenkberechtigungen eines EWR-Staates zu unterbleiben, in denen nicht aufgrund von unbestreitbaren, von Behörden des Ausstellermitgliedstaates herrührenden Informationen feststeht, dass die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes anlässlich der Erteilung der Lenkberechtigung im Ausstellermitgliedstaat nicht beachtet wurde. Ein solcher Fall liegt im Revisionsfall vor.
Das Verwaltungsgericht gründet seine Sachverhaltsannahme, der Revisionswerber habe im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Lenkberechtigung seinen Wohnsitz nicht im Gebiet der Tschechischen Republik, sondern in Österreich gehabt, auf Informationen die aus österreichischen Informationssystemen (Zentrales Melderegister, Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung) stammen. Zwar wird, vermischt mit rechtlichen Ausführungen, in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses als Indiz für einen fehlenden Wohnsitz des Revisionswerbers in Tschechien ein Schreiben der österreichischen Botschaft in Prag “in einem nahezu gleich gelagerten Fall, in welchem Zweifel am Vorliegen eines Wohnsitzes in Tschechien bestanden“, erwähnt, demzufolge von der der tschechischen Führerscheinbehörde übergeordneten Behörde festgestellt worden sei, dass von der Führerscheinbehörde bei Führerscheinerteilungen an fremde Staatsangehörige der Nachweis über den üblichen Wohnsitz des Antragstellers auf dem Gebiet der Tschechischen Republik nicht ausreichend verlangt worden sei. Von einer derartigen Information, die sich nach der Feststellung des Verwaltungsgerichtes nicht auf den Fall des Revisionswerbers bezieht, kann - und zwar auch nicht unter Berufung auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung -nicht gesagt werden, dass es sich dabei um eine vom Ausstellermitgliedstaat (hier: der Tschechischen Republik) herrührende Information handelt, aus der sich im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung des Gerichtshofes unbestreitbar ergibt, dass der Inhaber des Führerscheins (hier: der Revisionswerber) seine Lenkberechtigung (und damit auch seinen Führerschein) im Jahr 2011 unter Missachtung der in Art. 7 Abs. 1 lit. b der Führerscheinrichtlinie vorgesehenen Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat erlangt hat.
Der Grundsatz der Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Lenkberechtigung (eines Führerscheines), wie er in der unter Pkt. 3.2.2.1. Wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH zu Art. 2 Abs. 1 der Führerscheinrichtlinie zum Ausdruck kommt, stand demnach im Revisionsfall der Anwendung des § 30 Abs. 2 letzter Satz FSG entgegen. Die dennoch - ohne das Vorliegen unbestreitbare, von Behörden der Tschechischen Republik herrührenden Informationen, denen zufolge bei der Erteilung der tschechischen Lenkberechtigung an den Revisionswerber im Jahr 2011 das Wohnsitzerfordernis nicht beachtet worden wäre - mit dem angefochtenen Erkenntnis ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers erweist sich daher als rechtswidrig.
Soweit die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung meint, der aufgezeigten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses § 1 Abs. 4 FSG entgegen halten zu können, übersieht sie Folgendes:
Es trifft zu, dass gemäß § 1 Abs. 4 FSG eine von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates erteilte Lenkberechtigung einer Lenkberechtigung gemäß Abs. 3, mithin einer von einer österreichischen Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung, gleichgestellt ist. Daraus folgt aber nicht, dass mithilfe einer solchen gesetzlichen Gleichstellungsanordnung der dargestellte unionsrechtliche Anerkennungsgrundsatz derart unterlaufen werden dürfte, dass im Wege der gesetzlichen Gleichstellung die dann gleichsam als österreichische Lenkberechtigung geltende ausländische Lenkberechtigung ohne Berücksichtigung des Anwendungsvorranges des Unionsrecht unter ausschließlich im nationalen Recht umschriebenen Voraussetzungen entzogen werden dürfte. [...]“
I.4.) Nach Aufhebung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 23. September 2014, GZ LVwG-650035/31/Sch/Bb/HK, durch den Verwaltungsgerichtshof ist das Beschwerdeverfahren wieder offen und unerledigt und ist vom Landesverwaltungsgericht nunmehr eine neuerliche Entscheidung zu treffen. Das Verwaltungsgericht ist bei der Erlassung des Ersatzerkenntnisses an die im Erkenntnis vom 16. Dezember 2014, Ra 2014/11/0084, geäußerte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden. Im Lichte der dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes war demnach der Beschwerde vom 28. November 2013 stattzugeben und der behördliche Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 26. November 2013, GZ VerkR21-356-2013, betreffend die Entziehung der tschechischen Lenkberechtigung des Bf, zu beheben.
II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung von dem in gegenständlicher Angelegenheit ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes nicht abweicht.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
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