LVwG-400070/4/Kof/SH/TK
Linz, 02.02.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Josef Kofler über die Beschwerde des Herrn Dr. R.G., geb. x, vertreten durch G. K. L. Rechtsanwälte OG, x, x gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 11. Dezember 2014, GZ 933/10 – 951228, wegen Übertretung des OÖ. Parkgebührengesetzes, nach der am 29. Jänner 2015 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses,
zu Recht e r k a n n t :
I.
Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde betreffend den Schuldspruch als unbegründet abgewiesen.
Hinsichtlich der Strafe wird der Beschwerde insofern stattgegeben, als die Geldstrafe auf 30 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herab- bzw. festgesetzt wird.
Gemäß § 64 Abs.2 VStG beträgt der Kostenbeitrag für das behördliche Verwaltungsstrafverfahren 10 % der neu bemessenen Geldstrafe.
Gemäß § 52 Abs.1 und Abs.2 VwGVG ist für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich kein Verfahrenskostenbeitrag zu entrichten.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig.
Der Beschwerdeführer hat somit insgesamt zu bezahlen:
· Geldstrafe ................................................................................ 30 Euro
· Kosten für das behördliche Verwaltungsstrafverfahren ............. 3 Euro
33 Euro
Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt ........................................... 24 Stunden.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf) das
in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:
§§ 3 Abs.2 und 6 Parkgebührenverordnung der Landeshauptstadt Linz
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bf innerhalb offener Frist eine begründete Beschwerde erhoben.
Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter (Art. 135 Abs.1 1.Satz B-VG) erwogen:
Der Bf ist selbständiger Rechtsanwalt.
Die „Aufforderung zur Lenkerauskunft“ wurde dem Bf nicht an seinen Wohnsitz, sondern an seinen Arbeitsplatz – die Rechtsanwaltskanzlei x – zugestellt und nicht vom Bf selbst, sondern von der Angestellten, Frau M., übernommen.
Der Bf vermeint, diese „Aufforderung zur Lenkerauskunft“ sei nicht rechtswirksam zugestellt worden.
Am 29. Jänner 2015 wurde am Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt, an welcher – unter anderem – die Rechtsvertreterin des Bf teilgenommen und folgende Stellungnahme abgegeben hat:
Ich verweise auf die Beschwerde vom 02.01.2015.
Das Vorbringen auf Seite 4, 3. Absatz, lit.c der Beschwerde wird zurückgezogen.
Im Übrigen wird die Beschwerde aufrechterhalten.
Gemäß § 2 Z4 ZustG ist Abgabestelle u.a. die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers.
Bei der Rechtsanwaltskanzlei x handelt es sich um die Kanzlei bzw.
den Arbeitsplatz des Bf – Gegenteiliges behauptet dieser selbst nicht!
Der Bf vermeint, Frau M. – welche die an den Bf persönlich gerichtete Aufforderung zur Lenkerauskunft übernommen hat – sei Angestellte der Rechtsanwaltskanzlei x, nicht jedoch „seine Angestellte“ und dadurch nicht berechtigt gewesen, die Aufforderung zur Lenkerauskunft zu übernehmen.
Diese Aufforderung zur Lenkerauskunft sei daher nicht rechtwirksam ergangen.
Diesbezüglich ist auf § 13 Abs.4 ZustG zu verweisen, welcher auszugsweise lautet:
„Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person, so ist das Dokument in deren Kanzlei zuzustellen und darf an jeden dort
anwesenden Angestellten des Parteienvertreters zugestellt werden.“
§ 13 Abs.4 ZustG findet auch dann Anwendung, wenn einem Rechtsanwalt ein
an ihn persönlich – und nicht als Parteienvertreter – gerichtetes Schriftstück in seiner Kanzlei zugestellt wird, weshalb es dort auch – selbst bei eigenhändigen Zustellungen – an seinen Angestellten zugestellt werden darf;
siehe die in Walter – Thienel, Verwaltungsverfahren, Band I, 2. Auflage, E 43 zu
§ 13 ZustG (Seite 1959) zitierte Judikatur; VwGH vom 10.11.1995, 95/17/0048.
Grundsätzlich ist jeder/jede in einer Rechtsanwaltskanzlei anwesende Angestellte zur Entgegennahme von Schriftstücken für jeden der in Betracht kommenden Rechtsanwälte befugt;
VwGH vom 24.01.1996, 93/13/0207; vom 19.04.1989, 89/02/0018
Wurde ein Schriftstück von einer in der Kanzlei anwesenden Angestellten
übernommen, so hatte dies die Wirkung der Zustellung an den Rechtsanwalt, sodass es auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Zukommens der Sendung an ihn nicht mehr ankommt; VwGH vom 19.04.1989, 89/02/0018.
Auch nicht als Angestellte iSd AngG zu wertende Arbeitnehmer können als Angestellte im Sinne der Zustellvorschriften angesehen werden, da der Begriff des Angestellten hier nicht im arbeitsvertragsrechtlichen Sinn zu verstehen ist. VwGH vom 19.04.1989, 89/02/0018.
Dass der Bf bzw. die Rechtsanwaltskanzlei x dem Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz bzw. dessen Geschäftsapparat Magistrat der Landes-hauptstadt Linz mitgeteilt hätte, Frau M. sei nicht berechtigt, behördliche Schriftstücke zu übernehmen, wurde im gesamten Verfahren nicht behauptet.
Im Ergebnis ist somit ausdrücklich festzustellen, dass – die bereits mehrfach
erwähnte – Frau M. berechtigt war, die an den Bf persönlich adressierte Aufforderung zur Lenkerauskunft zu übernehmen!
Eine Rechtsanwaltskanzlei hat die Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation zu erfüllen; insbesondere ist die Organisation eines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen gesichert ist.
Liegen Organisationsmängel vor, wodurch die Erreichung dieser Mindesterfordernisse nicht gewährleistet ist, so kann nicht von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden;
siehe die in Walter-Thienel, aaO, E233 zu § 71 AVG (Seite 1588) zitierte Judikatur
sowie VwGH vom 15.10.2009, 2009/07/0143 mit Vorjudikatur.
Insbesondere hat eine Rechtsanwaltskanzlei ein funktionierendes Kontrollsystem einzurichten; stRsp des VwGH, z.B. Erkenntnisse vom 08.10.2014, 2012/10/0100;
vom 22.12.2005, 2002/15/0109; vom 24.04.1998, 97/21/0762
Das Kontrollsystem hat auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen
von Mitarbeitern Platz zu greifen;
VwGH v. 23.7.2004, 2004/02/0002; v. 19.10.2001, 2000/02/0228; v. 22.10.2003, 2000/09/0170; vom 23.05.2006, 2005/02/0248; v. 20.04.2004, 2003/02/0243;
v. 14.12.2007, 2007/02/0277; v. 15.10.2009, 2008/09/0102; vom 28.06.2013, 2010/02/0234 alle mit Vorjudikatur.
Sollte Frau M.
· innerdienstlich nicht berechtigt gewesen sein, das an den Bf persönlich adressierte Schriftstück zu übernehmen und dadurch
· bei Übernahme des an den Bf persönlich gerichteten Schriftstückes eigenmächtig gehandelt haben
dann liegt/liegen in der Rechtsanwaltskanzlei x eine mangelhafte Organisation der Postbearbeitung und damit bedeutende Organisationsmängel vor.
Diese Organisationsmängel hat/hätte der Bf sich selbst zuzuschreiben!
Walter-Thienel, aaO, E232 zu § 71 AVG (Seite 1587f)
Die Beschwerde war daher betreffend den Schuldspruch als unbegründet abzuweisen.
Betreffend die Strafbemessung ist auszuführen:
Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung keine Sorgepflichten angenommen.
Tatsächlich ist der Bf sorgepflichtig für fünf Kinder.
Weiters ist zugunsten des Bf die „lange Verfahrensdauer“ zu werten
(Tatzeit: 18. Februar 2012); VwGH vom 03.11.2008, 2003/10/0002.
Es wird daher die Geldstrafe auf 30 Euro und
die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden herab- bzw. festgesetzt.
Gemäß § 64 Abs. 2 VStG beträgt der Kostenbeitrag für das behördliche
Verwaltungsstrafverfahren 10 % der Geldstrafe, mindestens jedoch 10 Euro.
Die belangte Behörde hat im Straferkenntnis die Verfahrenskosten
„nur“ mit 10 % der damals verhängten Geldstrafe, somit 4 Euro, festgesetzt.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich setzt daher die Verfahrenskosten ebenfalls nur mit 10 % der – nunmehr neu bemessenen – Geldstrafe fest.
Gemäß § 52 Abs. 1 und Abs.2 VwGVG ist für das Verfahren vor dem LVwG OÖ. kein Verfahrenskostenbeitrag zu entrichten.
II. Absolute Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 6 Abs. 1 Oö. Parkgebührengesetz beträgt der Strafrahmen
bis zu 220 Euro und wurde eine Geldstrafe von nunmehr 30 Euro verhängt.
Gemäß § 25a Abs.4 VwGG ist daher eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof absolut unzulässig;
VwGH vom 21.11.2014, Ra 2014/02/0122; vom 10.10.2014, Ra 2014/02/0093;
vom 30.09.2014, Ra 2014/02/0054.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag
der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH).
Eine Beschwerde an den VfGH ist unmittelbar bei diesem einzubringen.
Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde haben durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin zu erfolgen.
Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Josef Kofler