LVwG-840048/16/KLi/BD
Linz, 09.02.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Lidauer über den Antrag der B C GmbH, x, x, vertreten durch die F P L & P Rechtsanwälte GmbH, x, x vom 18. Dezember 2014 auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung vom 9. Dezember 2014, der Antragstellerin zugegangen am 9. Dezember 2014 im Vergabeverfahren zur Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten der Auftraggeberin Oö. G- und S-AG (g), x, x,
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Antrag vom 18. Dezember 2014 auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung vom 9. Dezember 2014, der Antragstellerin zugestellt am 9. Dezember 2014, wird gemäß §§ 1, 2 und 7 Oö. Vergabrechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, abgewiesen.
II. Der Antrag, der Oö. G- und S-AG (g) den Ersatz der Pauschalgebühr für diesen Antrag zu Handen der ausgewiesenen Rechtsvertreter der Antragstellerin aufzuerlegen, wird abgewiesen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Eingabe vom 17. Dezember 2014, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingelangt am 18. Dezember 2014, hat die B C GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Widerrufsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Widerrufserklärung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 3.000 Euro beantragt.
Begründend führte die Antragstellerin eingangs aus, dass die Auftraggeberin, also die Oö. G- und S-AG (g), vertreten durch die vergebende Stelle Vergabezentrum g bzw. L-N W-J, als öffentlicher Auftraggeber gemäß § 27 BVergG am 19. September 2014 über ihre Internethomepage zur Abgabe von Angeboten für ein offenes Verfahren mit voriger Bekanntmachung betreffend „W-J“ aufgefordert habe. Die Ausschreibung habe betreffend der medizinischen Vorgaben die Ausstattung mit Laborgeräten umfasst, die den Anforderungen betreffend Hämatologie eines jeden Routinelabors mit hämatologischen und neurologischen Schwerpunkt gerecht werden (das umfasst: Blutbilder, Messung von Retikulozyten, Punktaten und Liquor).
Die weiteren Anforderungen der Ausschreibung seien gewesen, dass die Messung von Leukozyten (differenziert) und Retikulozyten in Körperflüssigkeiten
(Gelenks-, Pleura- und Aszitespunktate und Bronchiallavage) angeboten werden müssten. Es habe sich auch ein Verweis auf den Umstand gefunden, dass diese Methoden CE-zertifiziert sein müssten. Der Auftraggeber bzw. die vergebende Stelle habe zur Konkretisierung der technischen Anforderungen eine Parameterliste unter Punkt 3.1. angeführt, wo rot hinterlegte Zeilen Muss-Kriterien und grün hinterlegte Zeilen Soll-Kriterien dargestellt hätten. [Anm.: Diese Tabelle wurde im Vorbringen der Antragstellerin grafisch dargestellt.] Die vergebende Stelle habe explizit darauf hingewiesen, dass nur für drei bestimmte Messungen eine CE-Zertifizierung vorliegen müsse, nämlich von Leukozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor, für die Messung von Erythrozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor und für die Messung von Retikulozyten.
Mit Schreiben vom 29. September 2014, 13.14 Uhr habe die Antragstellerin in Bezug auf die technischen Spezifikationen zur CE-Zertifizierung folgende Frage gestellt:
Auf Seite 73/120 des Ausschreibungs-PDF wird die Aussage getroffen:
- 4. Das Hämatologiesystem muss eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von Retikulozyten, Liquor und Körperflüssigkeiten vorweisen. Die Etablierung einer „In-House-Methode“ gemäß IVD-Richtlinie wird aufgrund des enormen Aufwandes abgelehnt.
- In der anschließenden Tabelle wird nicht explizit auf die CE-Zertifizierung der Körperflüssigkeitsproben in mono- und polymorphkernigen Zellen hingewiesen.
- Der UC DxH 800 bietet die Differenzierung von mono- und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten, als „In-House-Methode“ an, nicht als FDA/IVD-CE-zertifizierte Methode.
Stellen diese Tatsachen ein Ausschlusskriterium dar oder nicht?!
Die vergebende Stelle habe darauf wie folgt geantwortet:
Antwort: „Nein, diese Tatsache stellt kein Ausschlusskriterium dar, da laut technischer Leistungsbeschreibung nicht explizit auf die CE-zertifizierte Methode bei mononukleären und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeit und Liquor hingewiesen wird.“
Zusammengefasst könne daher festgehalten werden, dass in Bezug auf die technischen Parameter die lege artis Messung der angeführten Parameter, die für ein Routinelabor in der Hämatologie benötigt würden, mit der Einschränkung, dass für die Messung von mononukleären Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor bzw. polymorphe Zellen inklusive Differenzierung der Granulozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor keine CE-zertifizierten Methoden vorliegen müssten, geschuldet würden. Die technischen Parameter für die Messungen der einzelnen Körperflüssigkeiten bzw. Zellbestandteile seien daher umfassend wie auch technisch eindeutig beschrieben und daher ausreichend spezifiziert.
Die Antragstellerin habe am 10. Oktober 2014 ihr Angebot an die Ausschreibungsstelle persönlich übergeben. Das Angebot sei daher fristgerecht eingereicht worden, da das Ende der Angebotsfrist mit 10. Oktober 2014,
9.30 Uhr festgelegt worden sei.
Am 9. Dezember 2014 habe die vergebende Stelle der Antragstellerin mitgeteilt, dass sie das Vergabeverfahren zu widerrufen gedenke, und zwar basierend auf
§ 139 Abs. 2 Z 3 BVergG. Sie habe folgenden „sachlichen Grund“ angeführt: „Die Mindestanforderung hinsichtlich der Messung von Leukozyten, Erythrozyten, mononukleären Zellen und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor waren im technischen Leistungsverzeichnis unzureichend spezifiziert. Dieser Sachverhalt wurde dem Auftraggeber erst im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung bekannt und hätte, wären die Umstände vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt.“
Die Stillhaltefrist habe am 19. Dezember 2014 geendet. Gemäß § 2 Z 16 (a) (aa) BVergG sei im offenen Verfahren die Widerrufsentscheidung eine gesondert anfechtbare, nach außen in Erscheinung getretene Entscheidung. Die Antragstellerin sei daher berechtigt, ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 320 BVergG / § 3 Oö. VergRSG einzuleiten. Die Frist für den Nachprüfungsantrag gemäß § 321 BVergG / § 4 Oö. VergRSG gegen Entscheidungen im Rahmen der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sei binnen 10 Tagen einzubringen. Die Antragstellerin würde daher den Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens innerhalb offener Frist stellen.
Zur Rechtswidrigkeit der Widerrufsentscheidung führt die Antragstellerin aus, die Auftraggeberin habe mitgeteilt, den Zuschlag nicht zu erteilen, das Vergabeverfahren zu widerrufen und zwar basierend auf § 139 Abs. 2 Z 3 BVergG. Ein Widerruf wäre dann zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorläge und dieser im Einklang mit den Grundsätzen des Vergabeverfahrens erfolge. Ein Widerruf ohne Bestehen eines sachlichen Grundes oder ein missbräuchlicher sei nicht zulässig. Die Auftraggeberin scheine sich auf den Standpunkt zu stellen, dass der Leistungsumfang nicht hinreichend technisch spezifiziert wäre und somit Mängel in den technischen Grundlagen des Vergabeverfahrens vorliegen würden. Dabei irre sie aber, da der Leistungsumfang in Bezug auf die technischen Merkmale (= Mindestanforderungen) hinreichend bestimmt gewesen sei, somit eine Vergleichbarkeit der Angebote hinsichtlich der technischen Details gegeben gewesen sei. Des Weiteren würde die Neuausschreibung keine anderen wesentlichen Änderungen der Ausschreibung mit sich ziehen und zwar aus folgenden Gründen: Im Labor, für welches die Geräte benötigt würden, würden im Jahr umschlagsmäßig 66.000 Proben verarbeitet. Von diesen 66.000 Proben seien 99% reine Routine und ca. 60 Proben/Monat würden Körperflüssigkeiten betreffen, also nur 1%. Betreffend der Abarbeitung von „Körperflüssigkeitsproben“ seien zwei Systeme am Markt, nämlich ein System, das in der Anfangsphase eine Validierung benötige, wie das der Antragstellerin, und solch ein System, welches keine Validierung benötige.
Die Anfrage der Antragstellerin vom 29. September 2014 stelle genau auf diese Problematik ab, nämlich ob für diese 1% der abzuarbeitenden Körperflüssigkeitsproben auch ein System angeboten werden dürfe, welches eine Validierung erfordere, und zwar in Form einer mikroskopischen Kontrolle, die mit geringem technischen Mehraufwand durchführbar sei. Die Antwort der vergebenden Stelle sei eindeutig gewesen, nämlich dass sich das Vergabeverfahren an beide Systemtypen richte. Dies sei auch konsequent, da beide Verfahren am Markt miteinander konkurrieren. Anfragen zu den technischen Spezifikationen/Parametern habe es von Seiten der Anbieter nicht gegeben, da diese jedem klar gewesen seien.
Basierend auf diesen technischen Angaben hätten die vier wesentlichen Anbieter ihre Angebote fristgerecht gelegt.
Zusammengefasst könne daher festgehalten werden, dass die technische Leistungsbeschreibung derart gestaltet gewesen sei, dass die Parameter eindeutig definiert seien, die notwendigen CE-Zertifizierungen festgelegt worden seien und auch der Probenumfang, bzw. die Zusammensetzung der Testreihen am Markt bekannt seien und somit auch in die Kalkulation eingeflossen seien. Eine neuerliche Ausschreibung würde daher keine neuen technischen Spezifikationen bedingen, da diese durch die jetzige Ausschreibung vollumfänglich für solch ein Labor abgedeckt seien, die am Markt miteinander konkurrierenden Unternehmen ihre Angebote gelegt hätten, der Probenumfang sich auch nicht im Vergabezeitraum drastisch geändert habe und somit auch keine relevante Einsparungsmöglichkeit hervortrete bzw. würden auch keine Zusatzkosten auf den Auftraggeber hinzukommen.
Es könne daher durch die Neuausschreibung keine neue technisch-wirtschaftlich bessere Lösung hervorkommen, da – wie gesagt – die am Markt relevanten Systeme in das Vergabeverfahren eingeflossen seien und auch kein technisch nicht erfüllbares Erfordernis sich aus den Ausschreibungsunterlagen selbst ergeben habe. Dies sei eine der wenigen Ausschreibungen, wo der Leistungsumfang ausreichend konkretisiert worden sei, sodass die Parameter, die angeboten werden müssten, für jeden nachvollziehbar und auf objektiven Gründen gefußt hätten. Auch das Mengengerüst der abzuarbeitenden Proben sei eindeutig am Markt bekannt. Somit hätten auch sämtliche Angebote kalkuliert werden können, dass es zu keinen Überschreitungen des Budgets des Auftraggebers komme. Des Weiteren habe der Auftraggeber bzw. die vergebende Stelle nicht ausreichend präzisiert, welche Mindestanforderungen hinsichtlich der Messung von Leukozyten, Erythrozyten, mononukleären und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor nicht erfüllt gewesen seien. Die Parameter seien klar, die CE-Zertifizierungen seien klar und die „Mindestanforderungen“ würden darin begründet liegen, eine Messung durchzuführen, die einem Routinelabor entspreche und als Ergebnis aufweise, ob die Parameter im „normalen Bereich“ liegen würden bzw. außerhalb des Normbereiches. Es seien somit sämtliche Komponenten, die an solche Messungen zu stellen seien, angeführt. Dies werde auch den Grund darstellen, wieso die vergebende Stelle keine Präzisierung betreffend der Mindestanforderungen angeben habe können und somit auch für jeden Dritten überprüfbar darlegen hätte können, welche Mindestanforderungen nicht angegeben worden wären.
Hierbei handle es sich eigentlich um gar keine Begründung, da aus dem Satz sich eben nicht ergebe, um welche „Mindestanforderungen“ es sich handle. Es scheine wohl eine „Scheinbegründung“ zu sein, um das Vergabeverfahren, aus welchem Grund auch immer, wiederholen zu können. Aus all diesen Gründen betrachte sich die Antragstellerin in ihrem Recht auf gesetzeskonforme Durchführung des Vergabeverfahrens verletzt, da kein sachlicher Grund für die Widerrufsentscheidung vorliege. Das Vorgehen sei daher rechtswidrig.
Die Antragslegitimation der Antragstellerin ergebe sich aus dem erstatteten Vorbringen, da bei Nichtdurchführung des Widerrufes die Chance auf Zuschlagserteilung weiterhin offen gestanden wäre. Hinzu komme noch, dass die Antragstellerin durch ihr Verhalten während des ganzen Verfahrens bekundet habe, am Vergabeverfahren, insbesondere am Zuschlag, Interesse zu haben. Dafür spreche insbesondere, dass sie sich aktiv am Vergabeverfahren beteiligt habe, indem sie Bieteranfragen gestellt habe, ein rechtskonformes Angebot gelegt habe und auch während der Angebotsöffnung persönlich anwesend gewesen sei.
Aufgrund der bisherigen Beteiligung der Antragstellerin am gegenständlichen Verfahren (Angebotserstellungskosten und sonstige mit der Verfahrensteilnahme verbundenen Kosten) drohe der Antragstellerin ein Schaden in Höhe von zumindest 8.000 Euro. Hinzu komme noch der Schaden aus dem entgangenen unternehmerischen Gewinn in Höhe von mindestens 30.000 Euro.
Aus den angeführten Gründen werde daher beantragt, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge die Widerrufsentscheidung der Auftraggeberin vom 9. Dezember 2014 für nichtig erklären, eine mündliche Verhandlung anberaumen und die Auftraggeberin dazu verpflichten, der Antragstellerin die von ihr entrichtete Pauschalgebühr binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der rechtsfreundlichen Vertretung zu ersetzen.
I.2. Die Antragsgegnerin erstattet in Erwiderung dieses Nachprüfungsantrages zunächst eine Stellungnahme vom 19. Jänner 2015 dahingehend, dass das Angebot der Antragstellerin – wie die Antragsgegnerin erst nachträglich bei näherer Betrachtung des Angebotes der Antragstellerin festgestellt habe – gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG auszuscheiden wäre, weil die Antragstellerin ein den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot gelegt habe (unbehebbarer Mangel). Bei Nichtdurchführung des Widerrufes wäre eine Chance auf Zuschlagserteilung zu Gunsten der Antragstellerin daher nicht weiterhin offen gestanden.
Die Ausschreibungsunterlage sehe in Punkt 4.11. spezifische Vertragsbestimmungen für Wartung und Instandhaltung vor, die in einem separaten „Wartungsvertrag“ geregelt seien. Die Antragstellerin lege ihrem Angebot „Service-Vertragsbedingungen“ bei, die dem „Wartungsvertrag“ der Antragsgegnerin (= Auftraggeber) zum Beispiel in folgenden Punkten widersprechen würde:
Im „Wartungsvertrag“ des Auftraggebers werde unter Punkt 7 Abs. 3 (Entgelt) geregelt, dass das „Jahrespauschalentgelt […] vom Auftraggeber jährlich gesondert zum 30. Juni in Rechnung gestellt [wird] und […] binnen einer Zahlungsfrist von 30 Tagen ab Rechnungseingang zur Zahlung fällig“ ist. Dem gegenüber legt Punkt 4 der „Service-Vertragsbedingungen“ der Antragstellerin fest, dass der jährliche Vertragspreis […] innerhalb von 30 Tagen nach Rechnungsstellung für ein Jahr im Voraus und ohne Abzug fällig“ ist;
im „Wartungsvertrag“ des Auftraggebers wird unter Punkt 8 lit.a (Garantie und Haftung) geregelt, dass der Auftragnehmer für „durchgeführte Arbeiten und gelieferte Bauteile (Ersatzteile) […] eine Garantie für die Dauer von 2 Jahren ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Arbeiten bzw. des vollendeten Einbaues des Ersatz(bau)teils“ leiste. Dem gegenüber legt die Antragstellerin in Punkt 8 der „Service-Vertragsbedingungen“ fest, dass sie „[f]ür eingebaute Ersatzteile […] 12 Monate Gewähr“ leistet;
im „Wartungsvertrag“ des Auftraggebers wird unter Punkt 10 Abs. 2 (Vertragsdauer) geregelt, dass der Auftragnehmer „für die Dauer von 8 Jahren ab Vertragsabschluss auf eine Kündigung“ verzichtet;
weiters legt der „Wartungsvertrag“ in Punkt 10 Abs. 6 fest, dass der Auftragnehmer „außer bei Vorliegen der [im Wartungsvertrag] unter lit.h) und i) angeführten wichtigen Gründe – für die Dauer des abgegebenen Kündigungsverzichts – nicht berechtigt [ist], diesen Vertrag zu kündigen“. Dem gegenüber legt die Antragstellerin in Punkt 10 der „Service-Vertragsbedingungen“ von den Bestimmungen des Wartungsvertrages des Auftraggebers abweichende Kündigungsrechte bzw. –bedingungen fest;
im „Wartungsvertrag“ des Auftraggebers wird unter Punkt 12 (Gerichtsstand und anzuwendendes Recht) geregelt, dass „[f]ür die Entscheidung aller Rechtsstreitigkeiten aus dem gegenständlichen Vertrag […] ausschließlich das sachlich in Betracht kommende Gericht in L./O. zuständig“ ist. Dem gegenüber legt die Antragstellerin in Punkt 14 der „Service-Vertragsbedingungen“ fest, dass „Wien als Gerichtsstand vereinbart“ wird.
I.3. Ferner erstattete die Antragsgegnerin eine ergänzende Stellungnahme vom 14. Jänner 2015 mit nachfolgendem Inhalt:
Ohne auf die folgenden, inhaltlichen Ausführungen vorzugreifen, weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass das Angebot der Antragstellerin - wie die Antragsgegnerin erst nachträglich bei näherer Betrachtung des Angebots der Antragstellerin feststellte - gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 auszuscheiden wäre, weil die Antragstellerin ein den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot gelegt hat (unbehebbarer Mangel). Siehe hierzu die näheren Ausführungen unten unter Punkt C („ad Punkt 3.1"). A. Unzureichende Spezifizierung der Mindestanforderungen in der technischen Leistungsbeschreibung Der Auftraggeber benötigt ein Laboranalysegerätesystem für die hämatologische Diagnostik (Hämatologie-Analysegerät). Mit dem System sollen weiße und rote Blutkörperchen (sog. Blutbild, Punktate aus Körperflüssigkeiten, Bronchoalveoläre Lavage - BAL, Rückenmarksflüssigkeit) untersucht werden, und zwar in qualitativer (z.B. Form, Größe, Granularität der Zellen) als auch in quantitativer Hinsicht (Anzahl diverser Blutkörperchen). Das Gerätesystem unterstützt Laborfachärztinnen und -ärzte und Biomedizinische Analytikerinnen und -analytiker bei der Erstellung von Befunden, die von den anfordernden Ärztinnen und Ärzten bei der Diagnose und Therapie von Krankheiten im Blut (z.B. Leukämien und andere Knochenmarkserkrankungen, Blutvergiftungen/Sepsis, virale- und bakterielle Infekte, Blutarmut/Anämien, Erkrankungen des Zentralnervensystem - ZNS, wie etwa Multipler Sklerose -MS) benötigt werden. Das Gerät muss daher hohe qualitative Anforderungen erfüllen. Das Gerätesystem soll im Zentrallabor des Standortes V des S-K, das eine Gesundheitseinrichtung des Auftraggebers ist, zum Einsatz kommen. Beim Krankenhaus am Standort V handelt es sich um ein Schwerpunktkrankenhaus, das unter anderem über eine neurologische Abteilung mit einem MS-Schwerpunkt und eine Kinderabteilung verfügt. Neben den Anforderungen eines Routinelabors muss das Gerät daher auch hohen speziellen medizinischen Anforderungen genügen, wie sie für die medizinische Behandlung in solchen medizinischen Abteilungen erforderlich sind. Der Auftraggeber wählte als Verfahrensart das Offene Verfahren. Es handelt sich um eine Vergabe im Oberschwellenbereich. Die Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union betreffend die „Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten" sendete der Auftraggeber am 17.09.2014 ab. Als Ende der Angebotsfrist wurde der 10,10.2014 festgelegt, weil die Zuschlagserteilung und die Lieferung des Gerätesystems aus Budgetgründen noch im Jahr 2014 hätte erfolgen sollen (für das Jahr 2015 ist dafür kein Budget vorgesehen bzw. bewilligt). Die kurze Angebotsfrist wurde nicht angefochten und ist somit bestandsfest. Die Ausschreibungsunterlage weist im Leistungsverzeichnis (Beilage 710 Technische Leistungsbeschreibung) in einer Tabelle („Parameterliste" unter Punkt 3.1 der technischen Leistungsbeschreibung) rot und grün hinterlegte Zeilen aus. Rote Zeilen stellen MUSS-Kriterien dar, grüne sind SOLL-Kriterien. Wird ein MUSS-Kriterium nicht erfüllt, muss das Angebot ausgeschieden werden. Für erfüllte SOLL-Kriterien erhält der Bieter insgesamt maximal 183 Punkte. Diese Punkte fließen mit 40% in die Gesamtbewertung ein. Vier Bieter haben Angebote abgegeben. Die Öffnung der Angebote erfolgte am 10.10.2014. Im Zuge der in den darauffolgenden Tagen und Wochen erfolgten Prüfung der Angebote stellte sich heraus, dass der Auftraggeber weitere MUSS-Kriterien hätte definieren müssen, um den Erfordernissen des Labors im Krankenhaus am Standort V gerecht zu werden. Die Mindestanforderungen sind in der technischen Leistungsbeschreibung demnach unzureichend spezifiziert. Das Vergabeverfahren musste daher widerrufen werden, damit auf Basis einer korrigierten Leistungsbeschreibung ein neues Vergabeverfahren eingeleitet werden kann. Die Beschaffung ist nun für das Jahr 2016 vorgesehen. B. Konkretisierung der unzureichend spezifizierten Mindestanforderungen (MUSS-Kriterien) Im Folgenden legt der Auftraggeber im Konkreten dar, welche Mindestanforderungen in den Ausschreibungsunterlagen unzureichend spezifiziert sind. Es handelt sich um Mindestanforderungen betreffend (1.) die Messung von Leukozyten (weiße Blutkörperchen), (2.) die Messung von Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und (3.) eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von mononukleären Zellen und polymorphkernigen Zellen sowie eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von Lympho- und Granulozyten im Liquor (Rückenmarksflüssigkeit). 1. Messung von Leukozyten (weiße Blutkörperchen) 1.1. Festlegungen in der Ausschreibungsunterlage Im Hinblick auf die Messung von Leukozyten sieht die Ausschreibungsunterlage auf Seite 6 der technischen Leistungsbeschreibung (Beilage 710 der Ausschreibungsunterlage) u.a. die Erfüllung des folgenden, rot hinterlegten MUSS-Kriteriums vor: CE-zertifizierte Methode für die Messung von Leukozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor | Ja/Nein | |
In Punkt 7.1 der technischen Leistungsbeschreibung (Seite 13 von 23) ist in Bezug auf die Messung von Leukozyten in der Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) eine Punktebewertung vorgesehen (SOLL-Kriterium), wobei laut Ausschreibungsunterlage für die folgenden Wertangaben der niedrigste Wert von allen Anbietern als Bestwert jeweils die maximale Punkteanzahl erhält, der schlechteste erhält 0 Punkte.
| Wertangabe | Max Punkte |
Cutoff für Liquor-Leukozytenzählung | Zellen pro µl | 4 |
Im Rahmen der Angebotsprüfung musste der Auftraggeber feststellen, dass die o.a. Mindestanforderung (MUSS-Kriterium) und die gewählte Punktebewertung (SOLL-Kriterium) nicht ausreichen, um dem Bedarf des Labors, für welches das Gerätesystem angeschafft werden soll, gerecht zu werden. Der Auftraggeber hat seinen Widerruf daher wie folgt begründet: „Die Mindestanforderung hinsichtlich der Messung von Leukozyten [...] in Körperflüssigkeiten und Liquor waren im technischen Leistungsverzeichnis unzureichend spezifiziert. Dieser Sachverhalt wurde dem Auftraggeber erst im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung bekannt, und hätte, wären die Umstände vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt." 1.2. Notwendige Spezifizierung bzw. Anforderungen an die Messung von Leukozyten im Liquor (Rückenmarksflüssigkeit) Im Rahmen des Vergabeverfahrens „Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten" mussten die Bieter den sog. „Cut-off für Liquor-Leukozytenzählung" (Seite 13 von 23 der technischen Leistungsbeschreibung) in „Zellen pro µl" angeben. Eine Anzahl von 0 bis <4 Zellen/µl Rückenmarksflüssigkeit (=Liquor) liegt innerhalb des Referenzbereichs für Erwachsene und stellt ein negatives Analyseergebnis dar (Baumann/ Brezinschek, Labormedizin - Klinik, Praxis, Fallbeispiele [2011] 354; Neumeister/ Besenthal/Liebich/Böhm, Klinikleitfaden Labordiagnostik3 [2003] 310). Ab einer Anzahl von 4 Zellen/µl liegt der Wert außerhalb des Referenzbereichs und damit ein positives Analyseergebnis vor. Laut Literatur dienen Referenzwerte der Gegenüberstellung eines einzelnen klinisch-chemischen Messwertes mit Werten einer „gesunden" Referenzgruppe. Sie tragen damit zur Erstellung eines klinisch-chemischen Befundes bei. (Dörner, Klinische Chemie und Hämato-logie5 [2003] 64f). Geräte mit einem Cut-off-Wert von 0 bis <4 Zellen/µl geben darüber Auskunft, ob das Ergebnis negativ oder positiv ist. Gibt der Hersteller eines Geräts den Cut-off-Wert mit 4 Zellen/µl oder darüber an (z.B. 20 Zellen/µl), so ist zwar eine zuverlässige Aussage dahingehend möglich, dass bei diesem angegebenen Cut-off-Wert (z.B. 20 Zellen/µl) und bei Werten darüber ein positives Ergebnis vorliegt, im Bereich unterhalb des angegebenen Cut-off-Werts lassen sich aber keine validen Aussagen treffen (Graubereich). Das Ergebnis kann in diesem Graubereich entweder positiv oder negativ sein. Um valide Aussagen treffen zu können, ist im Anschluss an die automatische Analyse mittels Gerät eine zusätzliche manuelle (d.h. mikroskopische) Zählung zwingend erforderlich. Die von den Bietern in ihren Angeboten angegebenen Cut-off-Werte („Zellen pro µl") weisen eine große Bandbreite auf (von 0 Zellen/µl bei einem Bieter bis 20 Zellen/µl bei einem anderen Bieter). Die daraus resultierende Auftraggeber intern geführte fachliche Diskussion ergab, dass die abgefragten Cut-off-Werte in der Praxis von wesentlich höherer Bedeutung sind, als der Auftraggeber in der Ausschreibungsunterlage zum Ausdruck gebracht hat. In der Ausschreibungsunterlage werden als SOLL-Kriterium maximal 4 Punkte gewährt. Ein MUSS-Kriterium mit einem bestimmten Cut-off-Wert fehlt. Die Festlegung eines Cut-off-Werts von <4 Zellen/µl als MUSS-Kriterium ist für das Labor am Standort V aber aus folgenden Gründen unverzichtbar: - Das Labor am genannten Standort führt pro Monat im Durchschnitt ca. 60 Messungen an Proben von Rückenmarksflüssigkeit durch, die unter anderem auf die Bestimmung von Leukozyten abzielt. Die Anzahl an Leukozyten kann Aufschluss darüber geben, ob der Patient bzw. die Patientin an einer bestimmten Krankheit leidet. 80 - 90 % der Liquor-Proben betreffen die Abteilung für Neurologie; aber auch die Kinderabteilung fordert Befunde an. Indikation für die Entnahme von Rückenmarks-flüssigkeit sind z.B. entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS), neurologische Auffälligkeiten, Verdacht auf Multiple Sklerose, unklare Kopfschmerzen, Verdacht auf Hirnblutung (z.B. Subarachnoidalblutung), Tumorinfiltration des ZNS. - Ein Wert zwischen 0 und <4 Zellen/µl bedeutet, dass die Rückenmarksflüssigkeit normal bzw. unauffällig ist. Laut Literatur ist das Ergebnis der Messung bei einem Wert innerhalb der genannten Bandbreite eindeutig negativ; es stellt den Normwert (Referenzbereich) eines gesunden erwachsenen Menschen dar (vgl. Haiwachs-Baumann/ Brezinschek, Labormedizin - Klinik, Praxis, Fallbeispiele [2011] 354). Ein Wert zwischen 4 Zellen/µl und 20 Zellen/µl kann unter anderem eine virale Meningitis, eine beginnende Meningitis, apurulente bakterielle Meningitis, Multiple Sklerose, Borreliose, HIV-Enzephalitis, Guillain-Barre-Syndrom, Hirntumore, Hirnabszesse, tuberkulöse Meningitis bedeuten. Über 4 Zellen/µl im Liquor können demnach bereits ein Hinweis für Krankheiten sein. Etwa kann eine Diagnose für virale Meningitis ab 10 Zellen/µl vorliegen (Haiwachs-Baumann/ Brezinschek, Labormedizin - Klinik, Praxis, Fallbeispiele [2011] 354). - Bei einem Cut-off-Wert von beispielsweise 20 Zellen/[jl würde das bedeuten, dass keine eindeutige Befundung (positiv oder negativ) möglich ist. Ohne manuelle, d.h. mikroskopische Überprüfung kann die tatsächliche Anzahl an Zellen/µl nicht festgestellt werden. Ohne Vorliegen eines zuverlässigen Messwertes kann daher das Laborergebnis nicht zum Erkennen von Krankheiten bzw. zum Erstellen von Diagnosen und Befunden beitragen. - Erfolgt keine zuverlässige Feststellung der Anzahl an Leukozyten im Liquor im Bereich zwischen 4 Zellen/µl und beispielsweise 20 Zellen/µl, kann das unter Umständen zu einer Verschlimmerung des klinischen Bildes führen. Fehlinterpretationen können dazu führen, dass Therapien unterlassen werden oder der Therapiebeginn verzögert wird. Durch verzögerte oder falsche Diagnosen oder verzögerte oder falsche Therapien kann es zu langfristigen Folgeschäden an der Gesundheit des Patienten bzw. der Patientin kommen. Bei Gerätesystemen, deren Cut-off-Wert über 4 Zellen/µl Hegt, ist zur sicheren Ermittlung der Leukozytenzahl eine zusätzliche mikroskopische Überprüfung und Zählung der Leukozyten in der Fuchs-Rosenthal-Zählkammer notwendig. Die Kontrolle bzw. Zählung mit dem Mikroskop und der damit zusammenhängende Prozess weisen folgende Nachteile auf bzw. bergen folgende Risiken in sich: - Proben von Rückenmarksflüssigkeit sind oft sehr infektiös. Bei gewissen Krankheiten (beispielsweise bakterielle Meningitis, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung) können sich die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter bei Kontakt mit der Probe infizieren. - Risikofaktor Mensch: Die Zählgenauigkeit ist abhängig von der Übung (fachliches Know-how) des Personals. Die Zählung erfordert Ruhe und Konzentration. Nicht jede mit der Zählung betraute Person verfügt über die gleiche Routine. Manuelle Untersuchungen von Rückenmarksflüssigkeit werden von den damit betrauten Personen mehrheitlich als belastend empfunden und erfolgen so unter einer gewissen Anspannung. Abhängig von der zählenden Person und von der Zählsituation weisen die Ergebnisse demnach eine gewisse Streubreite auf. - Zeitliche Bindung: Die Liquorgewinnung erfolgt durch Lumbalpunktion. Dabei wird eine Hohlnadel in den Lumbalkanal auf Höhe der Lende eingeführt und Rückenmarksflüssigkeit entnommen. Die Untersuchung der Rückenmarksflüssigkeit muss umgehend erfolgen, spätestens innerhalb einer Stunde nach der Punktion, da die Zellen (Leukozyten) instabil sind. Nach einer Stunde sind etwa um 20% weniger Leukozyten vorhanden. Die Untersuchung von Rückenmarksflüssigkeit ist Bestandteil jeder Diagnostik von Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS). Das Labor muss daher permanent und besonders auch in Akutfällen rund um die Uhr (24 Stunden) sicherstellen, dass die Probe binnen einer Stunde abgearbeitet wird. Gelingt das nicht, muss von der Patientin bzw. vom Patienten, darunter auch Kinder, neuerlich eine Probe abgenommen werden. Dies ist für die betroffene Person ein sehr schmerzhafter und unangenehmer Vorgang. Die Gewinnung von Rückenmarksflüssigkeit kann daher nicht beliebig häufig wiederholt werden. - Weiters ist mit der Punktion eine längere Liegezeit des Patienten auf dem Bauch verbunden. Nach der Punktion können sogenannte „postpunktionelle Kopfschmerzen" auftreten. Weitere Nebenwirkungen der Abnahme können z.B. Nacken- und Rückenschmerzen, Hörminderung, Tinnitus, Übelkeit, Erbrechen und/oder Sehstörungen sein. - Aufwändiger Prozess: Für die zusätzlich manuelle Überprüfung einer Probe benötigt die Mitarbeiterin ca. 45 Minuten. Bei einer manuellen Prüfung sind gemäß dem
Standardprozess folgende Schritte erforderlich (SOP - Standard operating procedure): · Nur sterile Spitzen verwenden. · Liquormenge messen. · LIKOMM (Liquorkommentar): Prüfung der Farbe (xanthochrom?) und Prüfung der Trübung. · Liquor mischen. · 100uL Liquor und 10uL Türk'sche Lösung in ein Eppendorfcup pipettieren. · Ca. 5 min auf den Rollenmischer. · In der Fuchs-Rosenthal-Kammer einfüllen und kurz sedimentieren lassen. Gesamte Fuchs-Rosenthal-Kammer am Mikroskop auszählen und bei LIZZ (Liquorzellzahl) eintragen. [Anm: wenn hier unterbrochen werden muss oder etwa beim Zählen ein Fehler passiert, dann muss mit dem Zählen neuerlich begonnen werden; dabei ist zu beachten, dass dafür nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht, weil sich die Zellen - wie bereits erwähnt - mit der Zeit auflösen.] · Ab 5 Zellen/µl Beimpfung eines Nährmediums für die Pathologie (im Dienst außerhalb ihrer Annahmezeiten) zum Keimnachweis. Bei durchschnittlich 60 Proben/Monat betreffend Liquor wären bei Systemen mit notwendiger zusätzlicher manueller Prüfung durchschnittlich 40 Proben/Monat per Mikroskop zu zählen. Das bedeutet einen zeitlichen Aufwand von insgesamt 2.880 Stun-den (0,75 Stunden x 40 Proben x 12 Monate x 8 Jahre) wenn diese Vorgehensweise während der gesamten Nutzungsdauer (8 Jahre) des zu beschaffenden Gerätes beibehalten würde. Der zusätzliche interne Kostenaufwand wäre nicht unbeträchtlich und würde ca. EUR 95.000 betragen. Derzeit wird ein vollautomatisches System verwendet, welches keine manuelle Nachzählung erfordert. - Darüber hinaus stellt sich insbesondere in der Nacht das Problem, dass generell nur eine Mitarbeiterin im Nachtdienst (von 18.30 - 6.30 Uhr) anwesend ist. Das Labor muss insbesondere in Akutfällen rund um die Uhr (24 Stunden) sicherstellen, dass die Liquorprobe binnen einer Stunde abgearbeitet wird. Eine zeitgerechte Abarbeitung der Liquorprobe ist aufgrund von zahlreichen unplanbaren sonstigen Aufgabenerledigungen während des Nachtdienstes nicht sicher gestellt. Um eine zeitgerechte Abarbeitung sicherstellen zu können, müsste eine zweite Person im Nachtdienst beschäftigt werden, was zu höheren Kosten führen würde. Abgesehen davon bleibt das Risiko „Mensch" als mögliche Fehlerquelle erhalten. Bei Systemen mit einem Cut-off von 0 bis <4 Zellen/µl sowie einer CE-zertifizierten Methode sind derartige Nachteile und Risiken nicht gegeben und es besteht kein zusätzlicher interner Kostenaufwand für manuelle Messungen. Zusammenfassend wird Folgendes festgehalten: Die Erhaltung des momentanen qualitativen Standards bezüglich Leukozytenmessung im Liquor ist zwingend erforderlich. Um die genannten Risiken für die Patientinnen und Patienten auszuschließen und um Qualitätsverluste - insbesondere in der Liquordiagnostik - hintanzuhalten sowie aus den anderen genannten Gründen hätte daher der Cut-off-Wert des für das Labor am Standort V zu beschaffenden Gerätesystems für Leukozyten mit <4 Zellen/µl als MUSS-Kriterium definiert werden müssen. 2. Messung von Erythrozyten (rote Blutkörperchen) 2.1. Festlegungen in der Ausschreibungsunterlage Im Hinblick auf die Messung von Erythrozyten im Liquor sieht die Ausschreibungsunterlage auf Seite 6 der technischen Leistungsbeschreibung (Beilage ./10 der Ausschreibungsunterlage) u.a. die Erfüllung des folgenden, rot hinterlegten MUSS-Kriteriums vor: CE-zertifizierte Methode für die Messung von Erythrozyten in Körperflüssigkeiten und Liquor | Ja/Nein | |
In Punkt 7.1 der technischen Leistungsbeschreibung (Seite 13 von 23) ist in Bezug auf die Messung von Erythrozyten eine Punktebewertung vorgesehen (SOLL-Kriterium), wobei laut Ausschreibungsunterlage für die folgenden Wertangaben der niedrigste Wert von allen Anbietern als Bestwert jeweils die maximale Punkteanzahl | Wertangabe | Max Punkte |
Cutoff für Liquor-Leukozytenzählung | Zellen pro µl | 4 |
Im Rahmen der Angebotsprüfung musste der Auftraggeber feststellen, dass die o.a. Mindestanforderung (MUSS-Kriterium) und die gewählte Punktebewertung (SOLL-Kriterium) nicht ausreichen, um dem Bedarf des oben genannten Labors gerecht zu werden. Der Auftraggeber hat seinen Widerruf daher wie folgt begründet: „Die Mindestanforderung hinsichtlich der Messung von Erythrozyten [...] in Körperflüssigkeiten und Liquor waren im technischen Leistungsverzeichnis unzureichend spezifiziert. Dieser Sachverhalt wurde dem Auftraggeber erst im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung bekannt, und hätte, wären die Umstände vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt." 2.2. Notwendige Spezifizierung bzw. Anforderungen an die Messung von Erythrozyten im Liquor (Rückenmarksflüssigkeit) Eingangs wird festgehalten, dass beim gesunden Menschen in der Rückenmarksflüssigkeit keine Erythrozyten vorhanden sein dürfen. Eine Anzahl von >0 Zellen/u! Rückenmarksflüssigkeit (=Liquor) liegt außerhalb des Referenzbereichs; es liegt ein positives Analyseergebnis vor. Im Rahmen des Vergabe Verfahrens „Lieferung und Installation von Hämatologiegeräten" mussten die Bieter den sog. „Cut-off für Liquor-Erythrozytenzählung" (Seite 13 von 23 der technischen Leistungsbeschreibung) in „Zellen pro µl" angeben. Die von den Bietern angegebenen „Zellen pro µl" weisen eine große Bandbreite auf (von 0 Zellen/µl bei einem Bieter bis 1000 Zellen/µl bei einem anderen Bieter). Die daraus resultierende, Auftraggeber intern geführte fachliche Diskussion ergab, dass die abgefragten Cut-off-Werte in der Praxis von wesentlich höherer Bedeutung sind, als der Auftraggeber in der Ausschreibungsunterlage zum Ausdruck gebracht hat. In der Ausschreibungsunterlage werden als SOLL-Kriterium maximal 4 Punkte gewährt. Ein MUSS-Kriterium mit einem bestimmten Cut-off-Wert fehlt. Die Festlegung eines Cut-off-Werts von 0 Zellen/µl als MUSS-Kriterium ist für das Labor am Standort V aus folgenden Gründen unverzichtbar: - Laut Literatur sind Erythrozyten im Liquor „nicht nachweisbar" (Neumeister/Besenthal/Liebich/Böhm, Klinikleitfaden Labordiagnostik3 [2003] 310). Das bedeutet, dass das Auftreten von Erythrozyten im Liquor als ein nicht normaler Befund gilt (Ausnahme: artifizielle Blutbeimengung durch die Liquorpunktion). Der Normbereich/Referenzbereich für Erythrozyten im Liquor ist daher 0 Zellen/µl. Es ist wichtig zu unterscheiden, ob das Vorkommen von Erythrozyten im Liquor durch eine Gehirnblutung (Subarachnoidalblutung - SAB) assoziiert ist oder durch die Punktion selbst. Im ersten Fall ist das Vorkommen von Erythrozyten krankheitsspezifisch, im zweiten Fall durch die Liquor-Abnahme bedingt. Daher kann der Wert eine Hilfestellung in der Diagnostik bieten. Zur Unterscheidung kann man die Erythrozytenanzahl in drei aufeinanderfolgenden Liquorabnahmeröhrchen messen. Bleibt die Zellzahl gleich, handelt sich um eine Gehirnblutung. Nimmt die Zellzahl ab, ist eine artifizielle Blutung wahrscheinlich. - Eine länger zurückliegende Gehirnblutung kann im Bereich zwischen 0 und 1000 Zellen/µl liegen. Ein Gerätesystem mit einem Cut-off-Wert von beispielsweise 1000 kann in Bereich <1000 Zellen/µl keine zuverlässigen Ergebnisse liefern. Ein zuverlässiger, rascher Ausschluss einer Gehirnblutung ist nicht möglich. Bei Vorhandensein von Erythrozyten sind jedenfalls Nachfolgeuntersuchungen erforderlich. Nur bei einem zuverlässig negativen Wert kann darauf verzichtet werden. - Im Labor am Standort V gab es im Jahr 2014 rd. 60 Verdachtsfälle für Gehirnblutungen. Im Übrigen ist eine genaue Erythrozytenzählung auch für die Interpretation der Proteinkonzentration im Liquor oder die Bestimmung der Leukozytenzellzahl im Liquor von Bedeutung. Blut beinhaltet Proteine und Leukozyten. Aufgrund der Kenntnis einer Blutbeimengung (durch die Bestimmung von Erythrozyten) im Liquor sind daher bestimmte Werte, wie z.B. Proteinkonzentration im Liquor oder Leukozytenzellzahl, anders zu interpretieren. Bei Geräten mit einem Cut-off-Wert von beispielsweise 1000 ist bei einem Messergebnis von unter 1000 Erythrozyten /jjI jedenfalls eine manuelle (mikroskopische) Zählung erforderlich. Die Kontrolle bzw. Zählung mit dem Mikroskop und der damit zusammenhängende Prozess weisen folgende Nachteile auf bzw. bergen folgende Risiken in sich: - Proben von Rückenmarksflüssigkeit sind oft sehr infektiös. Bei gewissen Krankheiten (beispielsweise bakterielle Meningitis, Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung) können sich die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter bei Kontakt mit der Probe infizieren. - Für die zusätzlich manuelle Zählung einer Probe benötigt die Mitarbeiterin ca. 45 Minuten. Bei einer manuellen Prüfung sind gemäß dem Standardprozess folgende Schritte erforderlich (SOP - Standard operating procedure): · Nur sterile Spitzen verwenden. · Liquormenge messen. · LIKOMM (Liquorkommentar): Prüfung der Farbe (xanthochrom?) und Prüfung der Trübung. · Liquor mischen. · 100 uL Liquor und 10|uL Türk'sche Lösung in ein Eppendorfcup pipettieren. · Ca. 5 min auf den Rollenmischer. · In der Fuchs-Rosenthal-Kammer einfüllen und kurz sedimentieren lassen. · Gesamte Fuchs-Rosenthal-Kammer am Mikroskop auszählen und bei LIZZ (Liquorzellzahl) eintragen. [Anm: wenn hier unterbrochen werden muss oder etwa beim Zählen ein Fehler passiert, dann muss mit dem Zählen neuerlich begonnen werden; dabei ist zu beachten, dass dafür nur ein begrenzter Zeitraum zur Verfügung steht, weil sich die Zellen - wie bereits erwähnt - mit der Zeit auflösen.] · Ab 5 Zellen/µl Beimpfung eines Nährmediums für die Pathologie (im Dienst außerhalb ihrer Annahmezeiten) zum Keimnachweis. Bei durchschnittlich 5 Proben/Monat betreffend Liquor wären bei Systemen mit notwendiger zusätzlicher manueller Prüfung durchschnittlich 5 Proben/Monat per Mikroskop zu zählen. Das bedeutet einen zeitlichen Aufwand von insgesamt 360 Stunden (0,75 Stunden x 5 Proben x 12 Monate x 8 Jahre), wenn diese Vorgehensweise während der gesamten Nutzungsdauer (8 Jahre) des zu beschaffenden Gerätes beibehalten würde. Der zusätzliche interne Kostenaufwand wäre nicht unbeträchtlich und würde ca. EUR 12.000 betragen. Derzeit wird ein vollautomatisches System verwendet, welches keine manuelle Nachzählung erfordert. Hingewiesen wird, dass die o.a. Zählung häufig gemeinsam mit der Leukozytenzählung durchgeführt werden kann. - Darüber hinaus stellt sich insbesondere in der Nacht das Problem, dass generell nur eine Mitarbeiterin im Nachtdienst (von 18.30 - 6.30 Uhr) anwesend ist. Das Labor muss insbesondere in Akutfällen rund um die Uhr (24 Stunden) sicherstellen, dass die Liquorprobe binnen einer Stunde abgearbeitet wird. Eine zeitgerechte Abarbeitung der Liquorprobe ist aufgrund von zahlreichen unplanbaren sonstigen Aufgabenerledigungen während des Nachtdienstes nicht sicher gestellt. Um eine zeitgerechte Abarbeitung sicherstellen zu können, müsste eine zweite Person im Nachtdienst beschäftigt werden, was zu höheren Kosten führen würde. Abgesehen davon bleibt das Risiko „Mensch" als mögliche Fehlerquelle erhalten. Zusammenfassend wird folgendes festgehalten: Die Erhaltung des momentanen qualitativen Standards bezüglich Erythrozytenmessung im Liquor ist zwingend erforderlich. Um die genannten Risiken für die Patientinnen und Patienten auszuschließen (etwa durch zuverlässigen, raschen Ausschluss einer Gehirnblutung) und um Qualitätsverluste - insbesondere in der Liquordiagnostik - hintanzuhalten sowie aus den anderen genannten Gründen (z.B. kein Erfordernis einer manuellen Nachbearbeitung) hätte daher der Cut-off-Wert des für das Labor am Standort V zu beschaffenden Gerätesystems für Erythrozyten mit 0 Zellen/µl als MUSS-Kriterium definiert werden müssen.
3. CE-zertifizierte Methode für die Messung von mononukleären Zellen und polymorphkernigen Zellen sowie CE-zertifizierte Methode für die Messung von Lympho- und Granulozyten im Liguor (Rückenmarksflüssigkeit) 3.1. Festlegungen in der Ausschreibungsunterlage Als Mindestanforderung sieht die Ausschreibungsunterlage in der technischen Leistungsbeschreibung (Seite 6 von 23) u.a. die Erfüllung der folgenden rot hinterlegten MUSS-Kriterien vor:
Mononukleäre Zellen (inklusive Differenzierung in Lymphozyten und Monozyten) (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor | Ja/Nein | |
Polymorphkernige Zellen inklusive Differenzierung der Granulozyten (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor | Ja/Nein | |
Im Rahmen der Angebotsprüfung musste der Auftraggeber feststellen, dass die o.a. Mindestanforderungen nicht ausreichen, um dem Bedarf des oben genannten Labors gerecht zu werden. Der Auftraggeber hat seinen Widerruf daher wie folgt begründet: „Die Mindestanforderung hinsichtlich der Messung von [...] mononukleären Zellen und polymorph kernige Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor waren im technischen Leistungsverzeichnis unzureichend spezifiziert. Dieser Sachverhalt wurde dem Auftraggeber erst im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung bekannt, und hätte, wären die Umstände vor Einleitung des Vergabeverfahrens bekannt gewesen, zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt."
3.2. Notwendige Spezifizierung bzw. Anforderungen an die Messung von mononukleären Zellen und polymorphkernigen Zellen Laut Punkt 3 (Seite 5 von 23) der technischen Leistungsbeschreibung muss das W-Jsystem „eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von Retikulozyten, Liquor und Körperflüssigkeiten vorweisen" und wird die „Etablierung einer ‚Inhouse-Methode' gemäß IVD-Richtlinien {...] aufgrund des enormen Aufwands abgelehnt." Dem gegenüber wird unter Punkt 3.1 der technischen Leistungsbeschreibung (Seite 6 von 23) Folgendes als MUSS-Kriterium festgelegt:
Mononukleäre Zellen (inklusive Differenzierung in Lymphozyten und Monozyten) (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor | Ja/Nein | |
Polymorphkernige Zellen inklusive Differenzierung der Granulozyten (proz., abs.) in Körperflüssigkeiten und Liquor | Ja/Nein | |
In dieser Tabelle der technischen Leistungsbeschreibung wird daher im Widerspruch zu Punkt 3 der technischen Leistungsbeschreibung keine CE-zertifizierte Methode für mono-und polymorphkernigen Zellen gefordert. Die Bieteranfrage, ob diese Tatsache ein Ausschlusskriterium darstellt, wurde vom Auftraggeber am 02.10.2014 wie folgt beantwortet: Frage: Beim Punkt 3 - Medizinische Vorgaben der technischen Leistungsbeschreibung Seite 73/120 der Ausschreibungsunterlage muss eine CE-zertifizierte Methode für die Messung von Retikulozyten, Liquor und Körperflüssigkeiten vorgewiesen werden. Die Etablierung einer „Inhouse- Methode" gemäß IVD- Richtlinien wird aufgrund des enormen Aufwands abgelehnt. In der anschließenden Tabelle wird nicht explizit auf die CE-Zertifizierung der Körperflüssigkeitsproben in mono- und polymorphkernige Zellen hingewiesen. Unser System bietet die Differenzierung von mono- und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten als „Inhouse-Methode" an, nicht als FDA/IVD-CE zertifizierte Methode. Stellt diese Tatsache ein Ausschlusskriterium dar? Antwort: Nein, diese Tatsache steift kein Ausschlusskriterium dar, da laut technischer Leistungsbeschreibung nicht explizit auf die CE-zertifizierte Methode bei mononukleäre und polymorphkernigen Zellen in Körperflüssigkeiten und Liquor hingewiesen wird. Diese Antwort erfolgte irrtümlich und hätte in dieser Form nicht an die Bieter ergehen dürfen. Der Auftraggeber hätte eine Berichtigung der Ausschreibungsunterlage bzw. der technischen Leistungsbeschreibung wie folgt vornehmen müssen: