LVwG-750016/8/SR
Linz, 26.01.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde der S. G., geboren am x, slowenische Staatsangehörige, vertreten durch Rechtsanwalt DDr. H. S gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 1. April 2011, AZ.: 1033526/FRB, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von sieben Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz, im zweiten Rechtsgang nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am
23. Jänner 2015
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. den §§ 66 Abs. 1 und 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 1. April 2011,
AZ.: 1033526/FRB, wurde über die Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf) gemäß § 86 Abs. 1 iVm. § 66 FPG idgF. ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt. Gemäß § 86 Abs. 3 FPG wurde von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.
Begründend hat die belangte Behörde wie folgt ausgeführt:
A) Sachverhalt:
Über Sie scheinen folgende Verurteilungen auf:
1) BG Linz am 10.11.2006 (rk 14.11.2006), 18 U 407/2006 k, wegen Vergehens nach
§ 27 Abs. 1 1. und 2. Fall SMG, Geldstrafe € 300,-;
2) LG Linz am 25.03.2010 (rk 25.03.2010) wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall und Abs. 4 Z. 3 SMG, des Verbrechens des
Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z. 3 SMG, teilweise als Beitragstäterin gem. § 12 3. Fall StGB und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall 2 SMG, Freiheitsstrafe 20 Monate bedingt auf 3 Jahre, Geldstrafe € 1.200,-.
Den Verurteilungen liegen nachstehende Sachverhalte zu Grunde:
1) Sie haben im Zeitraum von März 2006 bis Anfang Mai 2006 Suchtgift in Form von insgesamt ca. 5g Amphetamin konsumiert, sohin den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift erworben und besessen;
2) Sie haben vorschriftswidrig in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit D. V. Suchtgift in einer die Grenzmenge (§28b) mehrfach übersteigenden Menge von Slowenien aus- und nach Österreich eingeführt, nämlich D. V. in vier Schmuggelfahrten insgesamt 130 Gramm Heroin und 6 Gramm Kokain, und Sie haben in zwei Schmuggelfahrten insgesamt 70 Gramm Heroin und 1 Gramm Kokain jeweils nach L. transportiert;
ferner haben Sie in L. Suchtgift in einer die Grenzmenge (§28b) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 301,3 bis 332,4 Gramm Heroin, anderen Personen überlassen, wobei Sie die Straftat nach Abs. 1 in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (großen Menge) begingen; weiters haben Sie in L. und andernorts Suchtgift - nicht ausschließlich zum persönlichen Gebrauch - erworben und besessen.
Um Wiederholung zu vermeiden, wird im Einzelnen auf die schriftliche Urteilsausfertigung verwiesen, die an dieser Stelle zum integrierenden Bestandteil des Bescheides erhoben wird.
B) Rechtslage:
Gemäß § 86 Abs. 1 FPG 2005 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige rechtfertigt, kann nach ständiger Rechtssprechung des VwGH auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG 2005 als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden. § 60 Abs. 2 FPG 2005 enthält eine demonstrative Aufzählung solcher bestimmter Tatsachen, welche die Annahme des Vorliegens eines Grundes für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Sinne des
§ 60 Abs. 1 FPG 2005 rechtfertigen.
Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG 2005 hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG 2005 ist eine Ausweisung trotz eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben des Fremden zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 66 Abs. 2 FPG 2005 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
der Grad der Integration;
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.
Gemäß § 66 Abs. 3 FPG 2005 ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht
(§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß § 60 Abs. 6 FPG 2005 ist vorgenannte Bestimmung auch auf Aufenthaltsverbote anzuwenden, wobei diese Verweisung im § 86 FPG 2005 dezidiert nicht vorgenommen wird - aus der Systematik des FPG 2005 jedoch auch auf Aufenthaltsverbote gem.
§ 86 FPG 2005 anzuwenden ist.
Gem. § 86 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
C) Rechtliche Beurteilung:
Mit Schriftsatz vom 21.02.2011 erstattet Ihr Rechtsvertreter zur beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes folgende Stellungnahme:
„Richtig ist, dass die Einschreiterin mit Urteil des BG Linz vom 10.11.2006, 18 U 407/06k wegen § 27 Abs. 1 SMG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen a' € 5,00 verurteilt wurde. Diese Geldstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25.03.2010, 27 Hv 13/1 Od wurde die Einschreiterin wegen der Delikte nach § 28a Abs. 1, 2., 3. und 5. Fall, Abs. 2 Ziffer 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten und einer Geldstrafe von 240 Tagesätzen
a' 5,00 verurteilt. Die durch dieses Urteil verhängte Freiheitsstrafe von 20 Monaten wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.
Richtig ist weiters, dass die Einschreiterin slowenische Staatsbürgerin ist und sohin als Fremde im Sinne des § 2 FPG gilt.
Ebenso entspricht es den Tatsachen, dass gem. § 60 Abs. 1 FPG gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann, wenn aufgrund bestimmter Tatsache die Annahme gerechtfertigt ist, dass der weitere Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, oder den Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Gem. § 60 Abs. 2 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten , zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist. Trotz der gegen die Einschreiterin ausgesprochenen Verurteilung zu 27 Hv 13/1 Od des LG Linz kann dies die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen die Einschreiterin nicht rechtfertigen.
Aus § 60 FPG geht zwar hervor, dass im Falle einer Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten ein Aufenthaltsverbot gegen einen Fremden verhängt werden kann. Eine zwingende Folge ist dies jedoch nicht. Die Einschreiterin hält sich bereits mehrere Jahre in Österreich auf und steht insbesondere die Verurteilung vom 25.03.2010 im krassen Widerspruch zum sonstigen Lebenswandel der Einschreiterin. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wird die erkennende Behörde zum Schluss kommen müssen, dass es sich bei der gegenständlichen Verurteilung zwar um eine grobe Fehlleistung der Einschreiterin handelte, diese jedoch nur aufgrund der spezifischen persönlichen Umstände ereignet handelte und nunmehr ausgeschlossen ist, dass sich eine solche Handlung wiederholen wird. Die Einschreierin ist durchaus in der Lage, sich an die in Österreich geltenden Gesetze zu halten. Durch den weiteren Aufenthalt der Einschreiterin im Bundesgebiet wird weder die öffentliche Ordnung noch die Sicherheit gefährdet.
Bei Beurteilung des Gesamtverhaltens der Einschreiterin seit sich diese in Österreich aufhält zeigt, dass ihr Aufenthalt keine erhebliche Gefahr begründet, die den Grundinteressen der Gesellschaft widersprechen würde. Nach Rechtsprechung des VwGH ist hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Prognosebeurteilung immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten eines Fremden abzustellen. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden allein abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild. Auf Grundlage dieses Gesichtspunktes muss eine Prognoseentscheidung über das künftige Verhalten der Einschreiterin getroffen werden.
Die Einschreiterin lebt bereits seit dem 2. Quartal 2003 in Österreich. Die Einschreiterin ist in dieser Zeit beinahe durchgehend einer voll sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Auch leben sämtliche nahen Angehörigen der Einschreiterin in Österreich. Sowohl ihre Mutter S. G., als auch ihr Bruder S. G., leben in der x-Straße x, x L. Der Vater der Einschreiterin ist im Jahr 2010 verstorben. Der gesamte Freundeskreis der Einschreiterin ist ebenso in Österreich aufhältig.
Zur gegenständlichen Verurteilung der Einschreiterin ist auszuführen, dass dieses Fehlverhalten durch den ehemaligen Lebensgefährten der Einschreiterin, Herrn D. V. verursacht wurde. Die Einschreiterin hat die Lebensgemeinschaft mit Herrn V. umgehend nach der Verurteilung aufgelöst. Der ehemalige Lebensgefährte der Einschreiterin wurde bereits mehrfach wegen Suchtmitteldelikten verurteilt. Ohne die Beeinflussung ihres ehemaligen Lebensgefährten, zu der es künftig aufgrund einer Haftstrafe nicht mehr kommen kann, ist eine neuerliche strafrechtliche Delinquenz der Einschreiterin auszuschließen. Allein auf Basis dieses Gesichtspunktes muss eine Prognoseentscheidung jedenfalls zu Gunsten der Einschreiterin ausfallen. Zudem absolviert die Einschreiterin eine psychosoziale Beratung bei der Drogentherapiesteile Point."
Die Bundespolizeidirektion Linz hat erwogen:
Nachdem Sie seit 8 Jahren in Österreich leben, bis 15.05.2010
(laut Versicherungsdatenauszug vom 31.03.2011) einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind, Ihre Mutter und Ihr Bruder hier leben, wird durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zweifellos in erheblicher Weise in Ihr Privat- und Familienleben eingegriffen.
Auch ist Ihnen eine der Dauer des Aufenthaltes entsprechende Integration zuzubilligen. Allerdings ist im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, die Erfassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse (an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit) in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt, als das private Interesse des Fremden.
Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte, ganz gleich in welcher Form, ist schon deshalb dringend geboten, da der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft und hier wiederum vor allem bei Jugendlichen, führt.
Außerdem nimmt die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Suchtgiftkriminalität bereits Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen.
Nicht zuletzt bezeichnet auch der EuGH Suchtgifte als „Geisel der Menschheit". Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft, und hier vor allem wiederum der Jugendlichen, die diesen Gefahren auf Grund ihrer mangelnden Reife vermehrt ausgesetzt sind, ist eine derartige Maßnahme dringend erforderlich.
Durch den Handel mit Suchtgift in einer die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Menge, die als solche geeignet ist, eine große Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, wird gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, bei der es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität mit erfahrungsgemäß innewohnender Wiederholungsgefahr handelt, verstoßen.
Der missbräuchliche Umgang mit Rauschgift stellt eine enorme Gefahr für die Volksgesundheit und die innere Sicherheit dar. Da es sich bei der gefährdeten Zielgruppe häufig um junge Menschen und Minderjährige handelt, denen eine wichtige Rolle in einem geordneten Gemeinwesen zukommt, muss der Staat alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die Allgemeinheit vor den Folgen des Suchtgiftmissbrauches und der Begleitkriminalität zu schützen.
Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen straffällige Fremde nach dem Suchtmittelgesetz ist eine solche Maßnahme.
Die schwerwiegenden sozialen, psychischen und körperlichen Folgen des Konsums von Rauschgiften sind oft nicht mehr abzusehen.
Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass Ihr oben näher geschildertes persönliche kriminelle Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, nämlich das Grundinteresse an der Verhinderung und Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität und der Kriminalität überhaupt.
Zusammenfassend gelangt die Behörde daher zur Ansicht, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund der oben näher geschilderten Umstände nicht nur zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 66 Abs. 2 FPG zulässig ist.
1.2. Dagegen hat der Rechtsvertreter der Bf fristgerecht Beschwerde (vormals Berufung) eingebracht.
Einleitend verweist der Rechtsvertreter auf die Stellungnahme vom
21. Februar 2011 und hält diese Angaben vollinhaltlich aufrecht.
Anschließend setzt sich der Rechtsvertreter mit der Begründung der belangten Behörde auseinander und kommt zum Ergebnis, dass sich diese ausschließlich von generalpräventiven Erwägungen leiten habe lassen. Individuelle Gründe, weshalb die Erlassung eines siebenjährigen Aufenthaltsverbotes gegen die Bf geboten sei, habe die belangte Behörde nicht vorgebracht. Daher sei der angefochtene Bescheid grob rechtswidrig.
Weiters habe die belangte Behörde keine Prognose erstellt, wie sich die Bf in Zukunft in die österreichische Gesellschaft integrieren könne.
Die Kernfamilie der Bf lebe in Österreich, im Herkunftsstaat habe die Bf keine weitere Bezugsperson. Sämtliche Verwandte und Bekannte würden in Österreich aufhältig sein, die Bf habe in Slowenien keine beruflichen Erfahrungen sammeln können und daher wäre eine berufliche Integration im Herkunftsstaat unmöglich.
Beide Vorstrafen würden in direktem Zusammenhang mit dem ehemaligen Lebensgefährten D. V. stehen. Nur durch ihn habe die Bf Kontakt mit Suchtgift gehabt. Nach dem letzten Vorfall habe sie die Lebensgemeinschaft gelöst. Seit der Auflösung der Lebensgemeinschaft habe sie kein Suchtgift mehr konsumiert und sei in ständiger Beratung bei der Beratungsstelle Point. Dadurch werde die Bf keine Suchtgiftdelikte mehr setzen. Wäre dies von der belangten Behörde berücksichtigt worden, hätte sie kein Aufenthaltsverbot erlassen dürfen. Weiters sei die Interessensabwägung anhand der konkreten Situation zwingend erforderlich gewesen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde gehe die Bf seit 23. März 2011 einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach.
Abschließend wurde die ersatzlose Aufhebung des Aufenthaltsverbotes beantragt.
1.3. Mit Erkenntnis vom 18. Juni 2012, VwSen-730329/6/SR/Wu, hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich der Berufung mit der Maßgabe stattgegeben, als dass gegen die Bf auf sieben Jahre befristet erlassene Aufenthaltsverbot auf eine Befristung von drei Jahren herabgesetzt wurde.
Dagegen hat die Bf Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.
1.4. Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2012, Zl. 2012/21/0181-8, zugestellt am 29. Jänner 2013, hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof wie folgt aus:
Die belangte Behörde hat grundsätzlich zutreffend § 67 FPG als Rechtsgrundlage für das Aufenthaltsverbot gegenüber der Beschwerdeführerin, einer Unionsbürgerin, herangezogen. Richtigerweise ist sie auch davon ausgegangen, dass für die Gefährdungsprognose nicht der Maßstab des fünften Satzes dieser Bestimmung - der eine nachhaltige und maßgebliche Gefahrdung der öffentlichen Sicherheit der Republik verlangt - anzuwenden war, weil die Beschwerdeführerin ihren Aufenthalt noch nicht seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte.
Dennoch erweist es sich als rechtswidrig, dass die belangte Behörde den Maßstab der ersten beiden Sätze des § 67 Abs. 1 FPG - die (bloße) Gefahrdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch ein Verhalten, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt - für maßgeblich erachtete. Auf Basis der Feststellungen der belangten Behörde, wonach die Beschwerdeführerin seit 2003 - also zum Bescheiderlassungszeitpunkt seit rund neun Jahren - (offenbar rechtmäßig) in Österreich aufhältig und bis Mai 2010 fast durchgehend erwerbstätig war, war nämlich davon auszugehen, dass sie das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben hatte (vgl. Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie sowie § 53a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG). Für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die das Recht auf Daueraufenthalt genießen, bestimmt aber Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie, dass eine Ausweisung nur aus "schwerwiegenden" Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt werden darf, wobei zwar auch hier gemäß Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie auf das persönliche Verhalten abzustellen ist, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, insgesamt aber ein größeres Ausmaß an Gefährdung verlangt wird. Diese Vorgaben der Unionsbürgerrichtlinie wurden im FPG insofern umgesetzt, als nach dessen § 66 Abs. 1 die Ausweisung von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die bereits das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nur dann zulässig ist, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. § 67 Abs. 1 FPG enthält zwar nur zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefahrdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die nachhaltige und maßgebliche Gefahrdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet (bzw. im Fall von Minderjährigen). Es muss aber angenommen werden, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern (arg. a minori ad maius) auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in Art. 28 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie und § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen ist. Dies gebietet im Anwendungsbereich der Unionsbürgerrichtlinie eine unionsrechtskonforme Interpretation, weil das Aufenthaltsverbot eine Ausweisungsentscheidung im Sinn der Richtlinie beinhaltet. Zum gleichen Ergebnis führt eine verfassungskonforme Interpretation, weil die Anwendung eines weniger strengen Maßstabes für Aufenthaltsverbote als für bloße Ausweisungen sachlich nicht zu rechtfertigen wäre.
Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, indem sie ihre Gefährdungsprognose auf § 67 Abs. 1 erster (und zweiter) Satz FPG gestützt hat. Richtigerweise hätte sie prüfen müssen, ob im weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im dargestellten Sinn läge.
2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat für den 23. Jänner 2015 eine öffentliche Verhandlung anberaumt und hiezu die Verfahrensparteien geladen.
Die belangte Behörde ist entschuldigt der Verhandlung ferngeblieben.
3. Auf Grund der öffentlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt fest:
Die Bf hält sich seit dem 22. Juli 2003 durchgehend in Österreich auf. Abgesehen von den Therapiezeiten und den Haftzeiten stand die Bf überwiegend in Beschäftigungsverhältnissen. Im Anschluss an die letzte Therapie war die Bf bis ca. 10. Jänner 2015 in einem Angestelltenverhältnis. Derzeit hat sie eine neue Stelle an einer Schule in Aussicht. Die Bf lebt alleine in einer Wohnung und ist selbsterhaltungsfähig. Die Mutter lebt in Österreich und der Vater ist 2010 verstorben.
Der Bf kommt ein Daueraufenthaltsrecht zu.
Neben den bereits im ersten Rechtsgang festgestellten Verurteilungen (siehe Punkt 1.1.) wurde die Bf vom Landesgericht Linz am 10. Juni 2013,
GZ: 20 Hv 37/13m, rechtskräftig wegen des Verbrechens (Ankauf von Suchtgift um 3.500 Euro in Slowenien und Einfuhr am 9. März 2013 nach Österreich, versteckt im Wagen des weiteren Verurteilten) und der Vergehen (1. Besitz der am 9. März 2013 nach Österreich geschmuggelten Menge Suchtgift [Vorsatz der in Verkehr Setzung], 2. Besitz und Eigenkonsum von Suchtgiften im Zeitraum Oktober 2012 bis März 2013) nach dem SMG zu einer Freiheitsstrafe von
18. Monaten (davon 12 Monate bedingt) verurteilt. Erschwerend wurden zwei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen und mildernd das überwiegend reumütige Geständnis gewertet.
Auf Grund des Beschlusses des Landesgerichtes Linz vom 19. Juni 2013,
GZ: 20 Hv 37/13m-46, hat der gerichtlich beeidete Sachverständige für Psychiatrie und Neurologie HR MR Prim. Dr. F. F. auftragsgemäß ein Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen des § 39 SMG erstattet.
Auszug aus dem Gutachten:
1. Die Verurteilte war zum Tatzeitpunkt heroinabhängig. Diese Heroinabhängigkeit war sicherlich Mitmotivator gegen das SMG zu verstoßen.
2. Die Abhängigkeitserkrankung vom Opiattyp besteht derzeit noch, auch wenn – wohl aber eher durch die Zwangssituation in der JA – derzeit der Zugang zu Suchtmittel versperrt ist.
3. Soweit explorierbar, besteht jederzeit eine gute Therapiemotivation, sodass tatsächlich eine, bereits in die Wege geleitete Therapiemaßnahme einer stationären Drogenentwöhnungsbehandlung in dem Institut der Zukunftsschmiede in W. als sinnvoll erscheint, nachdem eine derartige Maßnahme noch nie durchgeführt wurde, außer bisher nur ambulante Betreuungen, die aufgrund der Intensität der Erkrankung nicht zielführend gewesen sein konnten, ist es sinnvoll diese Maßnahme ehest durchzuführen.
Sollte diese Maßnahme jedoch durch einen Motivationszusammenbruch, oder durch eine disziplinäre Entlassung unterbrochen werden, so war die derzeit explorierende Motivation zur Therapie nur eine Scheinmotivation und es müsste die Entscheidung Therapie statt Strafe revidiert werden.
Eine erhebliche neurologische Schädigung durch den Drogenkonsum liegt zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht vor.
Die Bf hat zahlreiche Therapien absolviert (November 2013 bis 16. Dezember 2013 und 16. Jänner 2014 bis 22. April 2014 in der Zukunftsschmiede in P. und vom 24. April 2014 bis 13. Juni 2014 in Klagenfurt
[Oikos Therapie]).
Im Ermittlungsverfahren hat die Bf eine Gehaltsbestätigung (Oktober 2014, Beschäftigung als Küchenhilfe) und einen Untersuchungsbefund (16. Dezember 2014, Opiate negativ) vorgelegt. Während der Verhandlung wies die Bf mehrere Schreiben (POINT – Nachweis über regelmäßige Therapien) vor, die vierteljährlich dem Strafgericht vorzulegen sind. Der gerichtlichen Auflage ist die Bf nachgekommen.
Seit Anfang März 2013 ist die Bf in strafrechtlicher Hinsicht nicht mehr in Erscheinung getreten.
Die Bf hat keinen Kontakt mehr zum Suchtgiftmilieu. Freunde und Bekannte entstammen dem beruflichen Umfeld.
II.
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig. Die Bf ist in der öffentlichen Verhandlung äußerst glaubwürdig aufgetreten und wirkte geläutert. Nachvollziehbar hat sie sich von der Suchtgiftszene losgesagt.
III.
1.1.1. Gemäß § 125 Abs. 22 leg. cit. sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei einem Unabhängigen Verwaltungssenat der Länder anhängigen Berufungsverfahren und Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.
1.1.2. Es ist sohin gemäß § 125 Abs. 22 FPG zur Beurteilung des vorliegenden Falles das Fremdenpolizeigesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012 heranzuziehen.
1.1.3. Die anzuwendenden Bestimmungen nach dem FPG und NAG lauten:
§ 66 FPG (Ausweisung):
(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
§ 67 FPG (Aufenthaltsverbot):
(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom
20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
§ 53a. NAG
(1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt
(§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.
§ 51 NAG (Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate)
(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der
Z 2 erfüllen.
2. Bei der Bf handelt es sich um eine slowenische Staatsangehörige, also um eine dem Adressatenkreis der §§ 66 und 67 FPG zurechenbare Person, weshalb diese Bestimmungen auch zur Überprüfung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes heranzuziehen ist.
Unbestritten hält sich die Bf seit Mitte 2003 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie überschreitet einerseits die im § 53a NAG (fünf Jahre durchgehender rechtmäßiger Aufenthalt) iVm § 66 FPG und im vorletzten Satzes des § 67 Abs. 1 FPG (seit zehn Jahren Aufenthalt im Bundesgebiet) relevanten Fristen. Die §§ 66 und 67 FPG sind somit bei der Prognoseentscheidung zur Anwendung zu bringen ist.
2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmungen – nun zu prüfen, ob das Verhalten der Bf aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die Sicherheit der Republik Österreich nachhaltig und maßgeblich zu gefährden (§ 67 Abs. 1 vorletzter Satz) bzw. ob ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für Sicherheit der Republik Österreich darstellt (§ 66 Abs. 1).
Maßgeblich ist dabei aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bf hinkünftig rechtskonform verhalten wird.
2.2. Es ist wohl unbestreitbar, dass das mehrfach deliktische Verhalten, wie es die Bf an den Tag legte, absolut geeignet ist die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden.
Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2012, das die Entscheidung im ersten Rechtsgang betrifft, geht eindeutig hervor, dass auf Grund des (damals) festgestellten Sachverhaltes auf eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung (§ 66 Abs. 1) nicht geschlossen werden konnte. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung, in dem die Frist des § 67 Abs. 1 FPG (vorletzter Satz) noch nicht verstrichen war, hat der Verwaltungsgerichtshof dafür einen Maßstab angelegt, der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG angesiedelt ist.
Bei dieser Beurteilung hat der Verwaltungsgerichtshof Bezug auf das Urteil des EuGH vom 23. November 2010 in der Rechtssache C-145/09 (Panagiotis Tsakouridis) genommen. Darin hat der EuGH ausgesprochen, dass die Bekämpfung der mit dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität unter den Ausdruck schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit fällt.
Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, wurde die Bf nach Erlassung der nunmehr aufgehobenen Entscheidung (VwSen-730329/6/SR/Wu) neuerlich einschlägig straffällig und rechtskräftig verurteilt.
Auch wenn über die Bf eine teilbedingt Freiheitsstrafe verhängt worden ist, erfolgten auch diese Tathandlungen weder gewerbsmäßig noch in Form einer kriminellen Vereinigung. Entgegen der früheren Verurteilung erfolgte die letztmalige zwar als unmittelbare Täterin, aber dem Urteil und dem anschließend im Gerichtsauftrag erstellten Gutachten ist zu entnehmen, dass die Bf bei der Suchtgiftverbringung nach Österreich im Auto des weiteren Täters mitgefahren und „Mitmotivator“ für die Tat ihre Heroinabhängigkeit gewesen ist. Bezogen auf die Grenzmengenüberschreitung lag bei der letzten Verurteilung eine 2-fache Überschreitung (zuvor eine 15-fache) vor.
Selbst wenn man trotz der (nicht gravierend) veränderten Sachlage durch das neuerlich deliktische Verhalten der Bf im März 2013 eine Prognoseentscheidung dahingehend andenken würde, dass ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für Sicherheit der Republik Österreich darstelle, darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass seit diesem Verhalten bereits knapp zwei Jahre des Wohlverhaltens verstrichen sind, die Bf einsichtig und geläutert aufgetreten ist, sie sich erfolgreich mehreren Therapien unterzogen hat und der Ende Dezember 2014 vorgelegte klinische Befund (Drogentest negativ) ein für die Bf positives Ergebnis erbracht hat.
Zusammengefasst ist daher nicht davon auszugehen, dass der Aufenthalt der Bf eine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt.
2.3. Beurteilte man den Sachverhalt dahingehend, dass der Aufenthalt der Bf eine schwerwiegende Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, müsste die Prognosebeurteilung im Hinblick auf die mehr als zehnjährige Aufenthaltsdauer auf § 67 Abs. 1 5. Satz FPG bezogen werden.
Wie bereits oben ausgeführt, hat der Verwaltungsgerichtshof im Anwendungsbereich des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG einen deutlich strengeren Maßstab als bei jenem des § 66 Abs. 1 FPG angelegt.
Aus der neuerlichen Straftat der Bf im Jahr 2013 und der Mitte 2013 erfolgten rechtskräftigen Verurteilung in Zusammensicht mit dem anschließenden rechtstreuen und einsichtigen Verhalten der Bf kann keinesfalls eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung für die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich ableitet werden. In ständiger Rechtsprechung ist auch der Verwaltungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen zu diesem Ergebnis gekommen und hat keine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit erkannt.
Die in § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sind nicht einmal ansatzweise erfüllt.
3. Der angefochtene Bescheid war spruchgemäß aufzuheben.
IV.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Stierschneider