LVwG-150261/4/EW/UD
Linz, 18.12.2014
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Wiesbauer über die Beschwerde der M W und des J W, vertreten durch Anwalt GmbH R T, gegen den Bescheid des Gemeinderats der Stadtgemeinde Enns vom 5. Mai 2014, GZ. BAU 2013/5, betreffend Beseitigungsauftrag
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde gegen den Beseitigungsauftrag als unbegründet abgewiesen, und der Bescheid des Gemeinderats der Stadtgemeinde Enns vom 5. Mai 2014, GZ. BAU 2013/5, mit der Maßgabe bestätigt, dass die Frist zur Erfüllung des baupolizeilichen Auftrages mit sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses festgesetzt wird.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Zur Vorgeschichte:
J W und M W (im Folgenden: Beschwerdeführer, kurz: Bf) sind jeweils zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ x, KG L, bestehend aus den Grundstücken x. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Enns vom 24. Februar 1975 wurde den Beschwerdeführern die Vornahme von Umbauarbeiten am vorhandenen Anwesen E, KG L, und der Einbau von drei Wohnungen und einer PKW-Garage bewilligt. Der Antrag für ein weiteres Gebäude mit drei Garagen wurde von den Bf im Laufe des Verfahrens zurückgezogen. Da im Jahr 1982 die Umbauarbeiten noch nicht beendet waren, wurde mit Bescheid vom 27. Dezember 1982 eine Fristverlängerung für die Baufertigstellung gewährt. Im Antrag auf Fristverlängerung gaben die Beschwerdeführer unter anderem an, dass sich der Plan geändert habe und nur noch zwei statt drei Wohnungen errichtet werden sollten.
Im Jahr 1983 stellte die Behörde fest, dass die Bauarbeiten nicht plangemäß ausgeführt wurden. Nach mehreren Aufforderungen seitens der Baubehörde reichten die Bf einen neuen Antrag auf Bewilligung der Umbauarbeiten ein. Nunmehr sollten fünf Wohnungen errichtet und der komplette Dachstuhl ersetzt werden. Beim Ortsaugenschein der mündlichen Verhandlung wurde festgestellt, dass die neue Dachkonstruktion bereits ausgeführt worden war. Mit Bescheid vom 20. September 1983 wurde die Bewilligung für den geänderten Plan unter Auflagen erteilt.
Am 2. Juni 1986 wurde eine mündliche Verhandlung bezüglich der Benützungsbewilligung durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass die 1975 bewilligte Garage nicht ausgeführt worden war, sondern zur Abstellkammer umfunktioniert worden war. Weiters war der Heizraum vergrößert und ein weiterer Abstellraum errichtet worden, eine geplante Trennwand nicht ausgeführt, der Aufgang in den Dachboden sowie die vorgeschriebenen Brandmauern im Dachboden waren noch nicht errichtet worden. Die Entlüftung eines Badezimmers sowie die lichte Raumhöhe waren nicht gesetzesgemäß ausgeführt. Den Bf wurden als Voraussetzung der Erteilung der Benützungsbewilligung Auflagen vorgeschrieben.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 1990 wurde die Benützungsbewilligung für den Zubau beim Erdgeschoss und den Neubau des 1. Obergeschosses erteilt.
2. Vor dem Landesverwaltungsgericht verfahrensgegenständlicher Sachverhalt:
2.1. Im Zuge der Überarbeitung des Flächenwidmungsplans überprüfte die Baubehörde die Liegenschaften im Gemeindegebiet auf ihre Übereinstimmung mit dem Flächenwidmungsplan. Dabei stellte sie fest, dass auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft laut Meldeamt elf Wohnungen gemeldet seien. Im Rahmen einer baupolizeilichen Überprüfung am 10. Juni 2013 wurde festgestellt, dass die vorhandene Bebauung der Liegenschaft nicht mit dem Baukonsens von 1983 übereinstimmt. Das Dach des Hauptgebäudes wurde gehoben und vier Wohnungen eingebaut. Die Überdachung wurde hierbei asymmetrisch ausgeführt, an den Außenwänden mit einer Übermauerung in Höhe von ca. 1 m und hofseitig in voller Raumhöhe. Der Innenhof wurde im Erdgeschoß mit Bauteilen in Massivbauweise geschlossen, im Obergeschoß wurde eine Überdachung ausgeführt. An der Südseite wurde ein Zubau errichtet. Das gesamte Erdgeschoß wurde beim Hochwasser im Juni 2013 überflutet. Westlich des Hauptgebäudes (Vierkanthof) befindet sich darüber hinaus ein Gebäude von ca. 300 m2 Fläche und einer Traufenhöhe von mehr als 3 m.
2.2. Mit Schreiben vom 5. Juli 2013 wies die Baubehörde erster Instanz die Bf auf die bewilligungslosen Bauten hin und räumte den Bf eine Frist zur Stellungnahme ein. In einer Äußerung vom 22. Juli 2013 brachten die Bf vor, dass davon auszugehen sei, dass der Baubescheid von 20. September 1983 den Baukonsens für das Gebäude darstelle. Falls die diversen Änderungen am Gebäude nicht ohnehin vom Baukonsens gedeckt seien, erwäge man, dafür eine Bewilligung zu beantragen. Die Überdachungen im Innenhof seien „mehr oder weniger“ Flugdächer und könnten auch entfernt werden, außerdem sei fraglich, ob diese bewilligungspflichtig seien. Das Dach des Hauptgebäudes sei insgesamt nicht erhöht worden, sondern nur die Mauerbänke seien gehoben worden und die Neigung des Daches verändert. Weiters wurde vorgebracht, dass die Großfamilie der Bf insgesamt 13 Personen umfasse. Es würden noch nicht alle Enkel eine eigene Wohnung benötigten, diese jedoch in Zukunft brauchen. Deshalb würden zwar jetzt Wohneinheiten an Dritte vermietet, dies sollte jedoch in Zukunft sukzessive weniger werden. Aufgrund der Überflutung des gesamten EG im Juni 2013 sei weiters geplant, das EG aufzulassen und nicht mehr als Wohnraum zu nutzen. Aus diesem Grund würde zukünftig die Anzahl von sechs erlaubten Wohneinheiten nicht überschritten. Weiters wird vorgebracht, dass durch einen Rückbau der Wert der Liegenschaft beeinträchtigt würde, mit negativen Folgen für die Eigentümer. Dann wäre nämlich vom Grünlandpreis auszugehen, was einer Enteignung bzw. einem Grundrechtseingriff gleichkäme.
2.3. Mit Bescheid vom 9. September 2013 erteilte die Baubehörde erster Instanz den Bf einen Beseitigungsauftrag gemäß § 49 Oö. BauO 1994 . Darin wurde den Bf aufgetragen, a) das (näher bezeichnete) Gebäude westlich des Hauptgebäudes abzutragen, sowie b) das Hauptgebäude bis zum 31. Dezember 2013 auf den Stand der Baubewilligung von 1983 zurückzubauen. Dieser Rückbau bedeute insbesondere die Auflassung der vier Wohneinheiten im Dachgeschoß samt Rückbau der Dachkonstruktion, die Entfernung der Decke und Überdachung im Hofbereich, die Entfernung des südseitigen Vorbaus im Eingangsbereich sowie die Entfernung der Dachflächenfenster. Begründend wurde vorgebracht, dass für das ca. 300 m² große Nebengebäude keinerlei Baubewilligung vorliegen würde. Aufgrund der Größe handle es sich um ein bewilligungspflichtiges Gebäude. Das Gebäude werde als Abstellraum, überdeckter Sitzplatz und Einstellräume für Kraftfahrzeuge genutzt, was in keinem Zusammenhang mit einer landwirtschaftlichen Nutzung stehe. Die Umbauten am Hauptgebäude seien ebenfalls bewilligungspflichtig. Die Traufen der neuen Überdachung lägen wesentlich höher als ursprünglich bewilligt. Sowohl der Neubau als auch die Zubauten zum bestehenden Gebäude seien aufgrund der geltenden Rechtslage nicht bewilligungsfähig. Deshalb sei auch die Möglichkeit, nachträglich um Bewilligung für die konsenslosen Bauten anzusuchen, nicht einzuräumen und somit die Beseitigung aufzutragen.
2.4. Mit Schriftsatz vom 25. September 2013 erhoben die Bf Berufung. Diese ist im Wesentlichen wortgleich mit der Stellungnahme vom 22. Juli 2013. Weiter führen die Bf aus, dass beabsichtigt sei, das Erdgeschoß gänzlich aufzulassen und das Obergeschoß so umzubauen, dass es den Wohnbedürfnissen der Familie entspricht. Es sei künftig nicht geplant, die zulässige Zahl von vier Wohneinheiten zu überschreiten. Die Bf bemängeln, dass die Behörde zu diesen künftigen Plänen jede Ermittlung unterlassen habe, weshalb der Bescheid inhaltlich rechtswidrig sei. Weiter wird vorgebracht, dass es sich beim vorliegenden Wohngebäude um ein historisch gesehen land- und forstwirtschaftliches Gebäude handle. Auch, wenn keine Land- und Forstwirtschaft mehr betrieben werde, bliebe dem Gebäude dennoch immer die Eigenschaft eines land- und forstwirtschaftlichen Gebäudes. Deshalb seien die § 30 Abs 6 Z 1 bis 3 sowie § 30 Abs 7 Oö. ROG 1994 maßgeblich. Ein Konsens mit dem Flächenwidmungsplan sei möglich, weshalb die Behörde nach § 49 Oö. BauO 1994 vorgehen hätte müssen. Auf das westliche Lagergebäude sei in der Berufung nicht eingegangen worden.
2.5. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Enns (im Folgenden: belangte Behörde) gab mit Bescheid vom 5. Mai 2014, GZ BAU 2013/05, der Berufung nicht statt. Die Begründung entspricht der Begründung des erstinstanzlichen Bescheids. Zusätzlich weist die Behörde darauf hin, dass auch bei einer zukünftigen Reduktion der Anzahl der Wohneinheiten eine nachträgliche Bewilligung nicht möglich sei. Selbst, wenn man die Beschränkung im Flächenwidmungsplan auf 6 Wohneinheiten außer Acht lasse, seien die Voraussetzungen des § 30 Oö. ROG 1994 nicht gegeben. Beim zweigeschossigen Vierkanthof mit einer Seitenlänge von 16,6 m bzw 15,95 m handle es sich nicht um ein Kleingebäude. Das zeitgemäße Wohnbedürfnis der beiden Liegenschaftseigentümer sei durch ihre Wohnung im Obergeschoss erfüllt. Eine neue Frist für die Beseitigung wurde nicht festgesetzt.
2.6. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Das Beschwerdevorbringen deckt sich inhaltlich mit dem Vorbringen der Berufung. Zusätzlich wurde vorgebracht, dass die Umbauten notwendig seien, um das zeitgemäße Wohnbedürfnis der Familie zu decken. Die Auslegung der Behörde zum Begriff „Kleingebäude“ sei unzutreffend, da dem Oö. ROG 1994 keine flächenmäßige Definition des Begriffs zu entnehmen sei. Der Umbau sei in diesem Umfang notwendig gewesen, um das Bedürfnis der Familie nach Privatsphäre zu decken. Weiters sei vom Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen aktiven und (gegebenenfalls vorübergehend) inaktiven Landwirtschaften ausdrücklich nicht gewollt, was die belangte Behörde genau gegenteilig und sohin unrichtig gewürdigt habe. Es liege somit kein Widerspruch zur Flächenwidmung vor und die Änderungen seien nachträglich genehmigungsfähig.
Nach einem Beschluss des Gemeinderats selbst seien bei Wohngebäuden im Grünland Zubauten erlaubt, sofern die bebaute Fläche und die Wohnnutzfläche insgesamt nicht vergrößert werden. Da das Erdgeschoß künftig nicht mehr bewohnt werde, lägen mit Obergeschoß und ausgebautem Dachgeschoß ohnehin nur zwei, vom Baukonsens aus dem Jahr 1983 erfasste, Vollgeschoße vor. Durch das aufgelassene Erdgeschoß sei auch der künftige Hochwasserschutz gewährleistet.
Auf das westliche Lagergebäude wurde in der Beschwerdebegründung nicht eingegangen.
II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und durch Einholung eines aktuellen Grundbuchsauszugs. Der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, konnte gemäß § 24 VwGVG trotz Parteienantrag von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl VwGH 06.11.2013, 211/05/0007; 15.05.2014, 2012/05/0089).
Gemäß § 2 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in der verfahrensgegenständlichen Sache durch einen Einzelrichter zu entscheiden.
III. 1. Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist, die Verwaltungsgerichte der Länder. Gemäß Art. 132 Abs 6 B-VG kann in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches Beschwerde beim Verwaltungsgericht erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden. Wer durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann gemäß Art. 132 Abs 1 Z 1 B-VG gegen den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben. Die Beschwerde ist daher zulässig.
2. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
3. Der hier maßgebliche Flächenwidmungsplan Nr 4 Blatt West mit dem örtlichen Entwicklungskonzept Nr 1, kundgemacht am 16. Dezember 2002, sieht für die betreffenden Grundstücke die Widmung „Grünland“ vor. Für den eingezeichneten Vierkanthof ist die Sonderausweisung „W 1“ vorgesehen, die maximal sechs Wohneinheiten erlaubt.
Außerdem sind folgende Bestimmungen maßgeblich:
Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) LGBl Nr 66/1994 in der Fassung LGBl 90/2013:
Bewilligungspflichtige Bauvorhaben
Anzeigepflichtige Bauvorhaben
Bewilligungslose bauliche Anlagen
Oö. Bautechnikgesetz 2013 (Oö. BauTG 2013) LGBl 35/2013 in der Fassung LGBl 90/2013:
Begriffsbestimmungen
Oö. Raumordnungsgesetz 1994 (Oö. ROG 1994) LGBl Nr 114/1993 in der Fassung LGBl 90/2013:
Grünland
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG normierten Prüfungsumfangs erwogen:
1. Die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages nach § 49 Abs 1 Oö. BauO 1994 setzt voraus, dass die den Gegenstand des Verfahrens bildende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Auftrages bewilligungspflichtig war bzw ist. Für die Klärung der Frage aber, ob die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung im Zeitpunkt der Erlassung des Abbruchauftrages möglich ist, ist die in diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich (vgl VwGH 30.1.2014, 2013/05/0223).
2. Für das ca. 300 m² große Einstell- und Lagergebäude westlich des Hauptgebäudes mit einer Traufenhöhe von mehr als 3 m (Spruchpunkt „a“) gibt es keinerlei Baukonsens. Ein Gebäude dieses Ausmaßes ist bewilligungspflichtig gemäß § 24 Oö. BauO 1994 und war auch zum Zeitpunkt der Errichtung bewilligungspflichtig gemäß § 41 Oö. BauO 1976 idF LGBl 35/1976. Es wurden keine Beschwerdegründe bezüglich dieses Gebäudes vorgebracht und der diesbezügliche Beseitigungsauftrag ist daher zu bestätigen.
3. Bezüglich des Wohngebäudes (Spruchpunkt „b“) wird zunächst vorgebracht, dass es eine Baubewilligung vom 24. Februar 1975, sowie eine Bewilligung für Änderungen vom 20. September 1983 gibt, und das gesamte Gebäude somit vom Baukonsens erfasst wäre. Dazu ist zu sagen, dass das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist. Das Gebäude wird nicht als solches in jeglicher Form bewilligt, sondern in der Form, wie sie im Einreichplan dargestellt wurde. Die Behörde hat anhand des ursprünglich bewilligten Plans und des dazugehörigen Bauaktes aus dem Jahr 1983, sowie Beschreibungen und Fotos ausführlich und schlüssig dargelegt, dass die vorhandene Form des Gebäudes nicht der bewilligten Form entspricht. Mit Bescheid vom 20. September 1983 wurde eine symmetrische Dachkonstruktion ohne Übermauerung des Fußbodens entsprechend Schnitt A-A der Projektunterlagen genehmigt. Der derzeitige Bestand weist jedoch an der Gebäudeaußenseite eine Übermauerung mit einer Höhe von ca. 1 m und einer hofseitigen Übermauerung in voller Raumhöhe auf.
Insoweit die Bf nun vorbringen, dass zwar die Dachkonstruktion in ihrer Form verändert wurde, die Höhe des Daches jedoch gleich geblieben sei, ist daher zu sagen, dass sich aus dem bewilligten Einreichplan jedenfalls eine deutlich geringere Höhe des Daches ergibt als in der konkret vorhandenen Ausgestaltung. Der ursprüngliche Baukonsens kann somit für die hier gegenständlichen Um- und Zubauten keine Bewilligung darstellen.
4. Die Überdachungen im Innenhof seien nach Angaben der Bf „mehr oder weniger“ Flugdächer und daher nicht bewilligungspflichtig. Gemäß § 25 Abs 1 Z 9b Oö. BauO 1994 ist die Errichtung von freistehenden oder angebauten Schutzdächern mit einer bebauten Fläche bis zu 35 m² anzeigepflichtig. Mehr als 35 m² wären demnach bewilligungspflichtig gemäß § 24 Oö. BauO 1994. Aus den Abmessungen des Innenhofs ergibt sich, dass diese jedenfalls unter der Grenze von 35 m² liegen, somit vom Ausmaß her tatsächlich nicht bewilligungs-, sondern anzeigepflichtig wären. Allerdings ist gemäß § 2 Z 23 Oö. BauTG 2013 ein Schutzdach als ein überdachtes, betretbares, nicht allseits umschlossenes Bauwerk, das vorwiegend dem Schutz vor Witterungseinflüssen dient, wie offene Ständerbauten, Flugdächer, Pavillons und dergleichen, soweit es sich nicht um ein Gebäude handelt. Eine Überdachung eines an vier Seiten umschlossenen Innenhofs ist daher schon definitionsgemäß kein Flugdach, und fällt somit nicht unter § 25 Oö. BauO 1994. Somit unterliegen auch die Überdachungen im Innenhof der Bewilligungspflicht, welcher nicht nachgekommen wurde.
5. Der südseitige Vorbau umfasst einen nicht unwesentlichen Teil der gesamten Gebäudefront, die damit vorverlagert wird, und ist deshalb als bewilligungspflichtiger Zubau iSd § 24 Oö. BauO 1994 anzusehen. Die von der Baubehörde angesprochenen Dachflächenfenster sind als Teil des bewilligungspflichtigen Dachumbaus anzusehen.
Demnach sind alle von der Baubehörde aufgezählten Um- und Zubauten bewilligungspflichtig gemäß § 24 Oö. BauO 1994 und waren auch nach § 41 Oö. BauO 1976 idF LGBl 35/1976 bewilligungspflichtig; alle wurden konsenslos errichtet, womit § 49 Oö. BauO 1994 zur Anwendung kommt. Gemäß § 49 Oö. BauO 1994 hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessenen Frist die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden Frist zu beseitigen und gegebenenfalls den vorigen Zustand wiederherzustellen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann. Die Bf bringen vor, dass alle Um- und Zubauten nachträglich bewilligungsfähig seien und somit eine Frist für einen nachträglichen Antrag auf Bewilligung festzusetzen gewesen wäre. Im Folgenden ist demnach zu überprüfen, ob die Umbauten nach der maßgeblichen Rechtslage bewilligungsfähig sind:
6. Die Bf bringen vor, dass der landwirtschaftliche Betrieb schon seit längerem stillgelegt sei; das Gebäude diene ausschließlich Wohnzwecken. Sie würden allerdings nicht ausschließen, dass in Zukunft auf der Liegenschaft möglicherweise wieder Landwirtschaft betrieben werde. Ein entsprechendes Betriebskonzept wurde nicht vorgelegt. Die Umbauarbeiten seien nötig gewesen, um das zeitgemäße Wohnbedürfnis der Großfamilie zu decken.
Grundsätzlich dürfen im Grünland nur Bauten und Anlagen errichtet werden, die nötig sind, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen (§ 30 Abs 5 Oö ROG 1994).
Darüber hinaus normiert § 30 Abs 6 ROG 1994 Voraussetzungen, unter denen bereits bestehende land- und forstwirtschaftliche Gebäude für Wohnzwecke ua verwendet werden dürfen. Gemäß § 30 Abs 6 Z 4 ROG 1994 dürfen bei Gebäuden, die für Wohnzwecke bestimmt sind, aber nicht mehr dem zeitgemäßen Wohnbedürfnis entsprechen (Kleingebäude) auch Zu- und Umbauten vorgenommen werden, sofern dies ausschließlich zur Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum für den Eigenbedarf des Eigentümers dient und die Wohnbedürfnisse nicht im bestehenden Gebäude gedeckt werden können; diese Zu- und Umbauten dürfen weder die gestalterische Qualität des Bestands mindern noch das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigen. Gemäß § 30 Abs 8 Oö. ROG 1994 kann über Abs 6 hinausgehende Verwendung bestehender land- und forstwirtschaftlicher Gebäude im Einzelfall durch Sonderausweisungen im Flächenwidmungsplan für zulässig erklärt werden. In dieser Sonderausweisung ist die Anzahl der Wohneinheiten und die Art der zulässigen Verwendung zu bestimmen.
Nach den Materialien zur Oö. Raumordnungsgesetz-Novelle 1999 (Blg 462/1999, Bericht des Bauausschusses) sollte durch § 30 Abs 6 Z 4 Oö. ROG 1994 „für bestehende kleinere Anwesen (sogenannte ‚Keuschen‘) die Möglichkeit [eröffnet werden], diese zu erhalten und einer zeitgemäßen Wohnnutzung zuzuführen. Ein Eigenbedarf im Sinne dieser Bestimmung kann nur angenommen werden, wenn die bestehende Bausubstanz zur Deckung der aktuellen Wohnbedürfnisse nicht ausreicht. Die Voraussetzung liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn bestehende Gebäude oder Gebäudeteile durch Nutzungen im Sinn des Abs 6 und 8 belegt sind. Durch den ‚Verbrauch‘ (auch durch Vermietung oder Verpachtung) bestehender Gebäude oder Gebäudeteile durch solche Nutzungen (…) kann kein Eigenbedarf im Sinn dieser Regelung entstehen. (…) Allenfalls über Abs 6 (…) samt allfälligen Einschränkungen hinausgehende gewünschte Verwendungen bedürfen in jedem Fall einer Sonderausweisung.“
Von der Ermächtigung des § 30 Abs 8 Oö. ROG 1994 hat die Gemeinde mit der Sonderausweisung „W 1“ Gebrauch gemacht. Diese bestimmt für das gegenständliche Gebäude eine maximale Anzahl von sechs Wohneinheiten. Dies bedeutet, dass über die Eigennutzung der Eigentümer hinaus weitere Wohneinheiten erlaubt sind, jedoch in Summe maximal sechs Wohneinheiten, ansonsten jedoch die Voraussetzungen des Abs 6 Z 1 bis 3 dieser Bestimmung erfüllt sein müssen.
Die Bf bringen vor, dass ihr Wohngebäude aber unter die Regelung des § 30 Abs 6 Z 4 Oö. ROG 1994 falle. Die Auslegung der Behörde wäre zu eng gefasst, da dem Gesetzestext keine flächenmäßige Auslegung des Begriffs „Kleingebäude“ zu entnehmen sei. Eine flächenmäßige Begrenzung wäre gleichheitswidrig, da eine Großfamilie mehr Platz benötige als eine Kleinfamilie. Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, Gebäude jeglichen Ausmaßes gemeint zu haben, denn sonst wäre wohl nicht der Ausdruck „Kleingebäude“ benutzt worden. Der Ausdruck „Kleingebäude“ ist auslegungsbedürftig und kann als
a) ehemalige Kleinlandwirtschaften (max 300 m² gesamte bebaute Fläche, davon max 200 m² bebaute Fläche Wohnbereich;
b) Kleingebäude sind keine Gebäude von klassischen Hofanlagen (Haufenhof, 3-Seit- oder 4-Seit- Hof, Vierkanthof) mit Ausnahme des Einhofs
definiert werden (Vgl Schreiben der Oö. Landesregierung vom 4. Mai 2011, RO-R-700167/1-2011-Stö/Me). Da es sich bei dem gegenständlichen Gebäude unstrittig um einen Vierkanthof handelt, ist somit nicht von einem Kleingebäude auszugehen und § 30 Abs 6 Z 4 Oö ROG 1994 nicht anwendbar.
7. Für die Frage, ob die Um- und Zubauten nachträglich bewilligungsfähig sind, sind daher § 30 Abs 8 iVm § 30 Abs 6 Z 1-3 Oö. ROG 1994 einschlägig.
Im Ermittlungsverfahren wurde festgestellt, dass das gegenständliche Objekt elf Wohneinheiten umfasst. Dies wurde von den Bf weder in ihrer Berufung noch in ihrer Beschwerde bestritten. Diese elf Wohneinheiten übersteigen die von der Sonderausweisung im Flächenwidmungsplan erlaubten sechs Einheiten deutlich und stellen daher einen Widerspruch zum Flächenwidmungsplan dar. Eine nachträgliche Bewilligung der Umbauten ist daher nicht möglich.
Darüber hinaus sind gemäß § 30 Abs 6 Z 3 Oö. BauO 1994 bauliche Maßnahmen nur erlaubt, wenn dadurch das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes im Wesentlichen erhalten bleibt und das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird. Durch den südseitigen Zubau und den Umbau des Daches wurde das äußere Erscheinungsbild allerdings wesentlich verändert. Zudem liegt der südseitige Zubau nicht mehr in der Sonderwidmung, sondern in der regulären Grünlandwidmung. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Flächenwidmungsplan in Verbindung mit dem Satellitenbild. Somit greift für diesen Teil des Gebäudes auch die Begünstigung der erlaubten sechs Wohneinheiten nicht. Eine Bewilligungsfähigkeit ist auch aus diesen Gründen nicht gegeben.
8. Weiter bringen die Bf vor, das Gebäude sei bloß zweistöckig, da das Erdgeschoß in Zukunft nicht genutzt werden würde. Auf die Anzahl der benutzten Geschoße kommt es letztlich jedoch nicht an. Es kann bau- und raumordnungsrechtlich das Gebäude nur so beurteilt werden, wie es sich im Ermittlungsverfahren dargestellt hat und zwar in seiner konkreten Ausgestaltung. Soweit die Bf der Behörde Ermittlungsmängel vorwerfen, da sie nicht die zukünftigen Pläne der Bf beurteilt hat, ist zu sagen, dass eine mögliche zukünftige Version des Gebäudes eben nicht Gegenstand des Beseitigungsauftrags ist, sondern nur der Ist-Zustand zu beurteilen ist.
Aufgrund des Widerspruchs zum Flächenwidmungsplan sowie zu § 30 Oö ROG 1994 hatte die Behörde im Beseitigungsauftrag keine Frist zur nachträglichen Bewilligung einzuräumen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
9. Abschließend ist festzustellen, dass die erstinstanzliche Behörde den Bf eine Beseitigung bzw Wiederherstellung des vorigen Zustands bis zum 31. Dezember 2013 aufgetragen hat. Die Berufungsentscheidung vom 5. Mai 2014 bestätigte den Bescheid vollinhaltlich, ohne eine neue Frist festzusetzen. Die Erfüllung der Beseitigung bis zum 31. Dezember des Vorjahres war den Bf zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich. Deshalb war eine neue Frist festzusetzen.
V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des VwGH zur Auslegung der § 30 Abs 8 iVm Abs 6 Oö. ROG 1994 fehlt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Elisabeth Wiesbauer