LVwG-150198/8/VG

Linz, 05.01.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde 1. des G E und 2. der A E, beide wohnhaft in P, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Prambachkirchen vom 3. März 2014, Zl. 030A/343-14-2014 FAKA (3417), betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.     Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde Prambachkirchen vom 5. Dezember 2013, AZ. 030A/343-12-2013 FAKA (3417) nach der Wortfolge „die Baubewilligung“ wie folgt lautet: „für den Umbau und die Aufstockung des Wohnhauses G x auf dem Grundstück Nr x, EZ x, KG G, aufgrund des Ansuchens vom 7.10.2013 entsprechend dem Bauplan des Planungsbüros G, P, vom 12.11.2013, Plannummer: 1203/02A, erteilt.“ Im Übrigen wird der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters bestätigt.

 

II.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Verfahrensgang, Sachverhalt

 

Im Zuge eines im Jahr 2011 durchgeführten Zwangsversteigerungsverfahrens wurde festgestellt, dass bei der Ausführung des Wohnhauses auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft Grundstück Nr. x, EZ x der KG G, die Abstandsbestimmungen nicht eingehalten wurden. Aufgrund eines am 21. Juli 2011 durchgeführten Ortsaugenscheins wurde dem damaligen Eigentümer, M A, mit Bescheid vom 1. August 2011 ein baupolizeilicher Auftrag gemäß § 49 Oö. BauO 1994 zur Herstellung des gesetzmäßigen Bauzustandes erteilt.

 

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Prambachkirchen vom 4. März 2013 wurde den nunmehrigen Eigentümern der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft, D A und K A (in der Folge: Bauwerber), die Baubewilligung für den Umbau und die Aufstockung des in Rede stehenden Wohnhauses nach Maßgabe des eingereichten Bauplans vom 15. Februar 2013, Nr. 1203/01 und unter Vorschreibung diverser Nebenbestimmungen erteilt. Der Bauplan umfasste –soweit hier relevant – auch einen teilweisen Rückbau der südöstlichen Außenwand im Erdgeschoß um die damals geltenden gesetzlichen Abstandsbestimmungen herzustellen.

 

Die Beschwerdeführer sind jeweils zur Hälfte Eigentümer einer im Südosten an das Baugrundstück unmittelbar angrenzenden Liegenschaft.

 

Mit Ansuchen vom 7. Oktober 2013 (am selben Tag beim Marktgemeindeamt Prambachkirchen eingelangt) beantragten die Bauwerber (neuerlich) die Erteilung einer Baubewilligung für ein Bauvorhaben auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft.

 

Mit Erledigung vom 8. Oktober 2013 wurde dazu die Bauverhandlung für den 17. Oktober 2013 anberaumt. Zu dieser Verhandlung wurden auch die Beschwerdeführer jeweils persönlich mit Rückscheinbrief und unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG geladen.

 

Die zur Bauverhandlung beigezogene bautechnische Amtssachverständige führte u.a. aus, das Bauvorhaben stehe nicht in Widerspruch mit den Bestimmungen des Flächenwidmungsplans (Wohngebiet). Das Projekt umfasse im Wesentlichen die Bestandserhaltung der Außenmauer an der Südostseite, das Zumauern von Fenster- bzw. Türöffnungen in diesem Bereich sowie die Herstellung einer Fensteröffnung und eines überdachten Sitzplatzes an der Nordseite. Der Einreichplan zeige, dass die bestehende Außenmauer an der Südostseite großteils einen Abstand von 3 m unterschreite. Im östlichen Bereich (Kochen) würden die derzeit bestehenden Fensteröffnungen einen Abstand von weniger als 2 m aufweisen. Da dies gemäß § 41 Abs. 1 Z 5 lit. b Oö. BauTG 2013 nicht zulässig sei, würden die Fensteröffnungen verschlossen. Zur Herstellung der notwendigen Belichtungsfläche werde an der nordöstlichen Außenmauer eine Fensteröffnung hergestellt. Im Obergeschoß diene ein Bereich mit einer Tiefe von 1,71 m als Balkon. Die Traufenhöhe betrage im 3 m Seitenabstand 3 m. Das Geländer werde so ausgeführt, dass ein Abstand von mindestens 2 m zur südöstlichen Nachbargrundgrenze eingehalten werde. Im Zuge des Lokalaugenscheins sei festgestellt worden, dass aufgrund der Anbringung eines 16 cm Vollwärmeschutzes die im Seitenabstand gelegene Bauwerkslänge inkl. aller Dachvorsprünge ca. 15,50 m betrage. Es sei vereinbart worden, dass die Stärke des Vollwärmeschutzes so reduziert werde, dass die Gebäudelänge 15 m nicht überschreite. Diesbezüglich würden abgeänderte Projektunterlagen nachgereicht.

 

Die Beschwerdeführer brachten in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vor, dass sie den Einwendungsverzicht auf dem Bauplan vom 4. März 2013 [gemeint wohl: 15. Februar 2013] nur unterschrieben hätten, weil dieser die erforderlichen Rückbaumaßnahmen beinhaltet habe. Der zu geringe Abstand vermindere den Verkaufspreis für ihre Immobilie. Der Versteigerungspreis des gegenständlichen Wohnhauses sei so niedrig gewesen, weil allen Interessenten die Abrisskosten bekannt gewesen seien, weshalb andere Interessenten, wie auch die Zweitbeschwerdeführerin, nicht höher gesteigert hätten.

 

In der Folge legten die Bauwerber einen geänderten Einreichplan vom 12. November 2013, Nr. 1203/02A, vor. Mit Stellungnahme vom 19. Dezember 2013 führte die bautechnische Amtssachverständige aus, bei der Prüfung des abgeänderten Einreichplans habe festgestellt werden können, dass infolge der Reduktion des Vollwärmeschutzes auf der Südostseite auf 12 cm die im Seitenabstand gelegene Bauwerkslänge 14,848 m betrage.

 

Mit Schreiben vom 20. November 2013 wurde den Beschwerdeführern Parteiengehör zum geänderten Einreichplan sowie der ergänzenden Stellungnahme der Amtssachverständigen gewährt. Die Beschwerdeführer erstatteten dazu eine Stellungnahme vom 22. November 2014.

 

Mit Bescheid vom 5. Dezember 2013 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde Prambachkirchen die beantragte Baubewilligung für „a) die Projektsabänderungen des mit Bescheid vom 04.03.2013, AZ. 030A/343-3-2013, genehmigten Umbaues und Aufstockung des Wohnhauses G x und b) die Errichtung eines Pavillons und einer Gartenhütte“ auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück nach Maßgabe des Einreichplans vom 12. November 2013, Nr. 1203/02A und unter Vorschreibung diverser Nebenbestimmungen. Gleichzeitig wurde festgehalten, dass der Bescheid vom 1. August 2011, Zl. 040/149-4-2011 und die damit aufgetragenen Vorschreibungen zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes in Hinblick auf die geänderte Gesetzeslage aufgehoben wird.

 

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wies der Gemeinderat der Marktgemeinde Prambachkirchen (in der Folge: belangte Behörde) mit Bescheid vom 3. März 2014 als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, einem Bauwerber stehe es frei, für dasselbe Objekt mehrere Baubewilligungen zu beantragen. So sei von den Bauwerbern aufgrund der geänderten Rechtslage eine neue Baubewilligung für verschiedene Projektabänderungen beantragt worden, worüber die Baubehörde zu entscheiden gehabt habe. Aufgrund der Feststellung der technischen Amtssachverständigen, dass das Einreichprojekt der aktuellen Rechtslage entspreche, war die Baubewilligung zu erteilen. Wesentliches Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob sich ein Sachverhalt nur in unwesentlichen Nebenumständen geändert habe oder ob tatsächlich eine Veränderung der Sache eingetreten sei, sei das Parteienbegehren. Die Entscheidung, ob gemäß § 68 Abs. 1 AVG res iudicata vorliege, stelle eine Rechtsfrage dar, die ausschließlich von der Behörde zu beurteilen sei, wobei die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und rechtlich zu beurteilen habe. Der VwGH gehe stets davon aus, dass res iudicata nur vorliege, wenn die maßgebende Sach- und Rechtslage in den entscheidungsrelevanten Punkten unverändert geblieben sei. Hingegen sei die Behörde im Fall einer veränderten Sach- oder Rechtslage, die die Erfassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides zur Folge habe, mangels Identität der Sache zu einer neuen Sachentscheidung berechtigt. Im gegenständlichen Fall sei mit Ansuchen vom 7. Oktober 2013 ein neuer Baubewilligungsantrag gestellt worden, über den zu entscheiden gewesen sei. Dieser Antrag, der die Bestandserhaltung der Außenmauer an der Südostseite, das Zumauern von Fenster- bzw. Türöffnungen in diesem Bereich, die Herstellung einer Fensteröffnung und eines überdachten Sitzplatzes an der Nordostseite sowie die Errichtung eines Pavillons und einer Gartenhütte beinhalte, hatte die Einleitung eines neuen Baubewilligungsverfahrens zur Folge, das von dem früheren, mit rechtskräftigem Bewilligungsbescheid vom 4. März 2013 abgeschlossenen, Verfahren unabhängig sei. Darüber hinaus liege in casu eine dahingehend veränderte Sach- bzw. Rechtslage vor, die einen inhaltlich anders lautenden Bescheid zur Folge gehabt habe.

 

Zur Aufhebung des Beseitigungsauftrages durch die erstinstanzliche Baubehörde führte die belangte Behörde aus, die Baubehörde habe aufgrund der damals gültigen Rechtslage mit Bescheid vom 1. August 2011 Abbruch- bzw. Umbaumaßnahmen zur Herstellung der damals gesetzlich normierten Abstandsbestimmungen aufgetragen. Die zeitlichen Umstände, das Zwangsversteigerungsverfahren und folglich die vorgenommene völlige Neuplanung des gegenständlichen Objektes hätten zwangsläufig dazu geführt, dass die im Bescheid vom 1. August 2011 vorgeschriebene Frist (31. Juli 2012) für die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes den Erwerbern des Objektes nicht möglich gewesen sei. Da dem Parteienbegehren zur Erteilung der Baubewilligung für die Projektabänderungen im Hinblick auf die geänderte Gesetzeslage habe entsprochen werden können, sei der Bescheid vom 1. August 2011 zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufzuheben gewesen. Baupolizeiliche Aufträge nach § 49 Oö. Bauordnung seien immer an den Eigentümer einer baulichen Anlage zu richten. Die Oö. Bauordnung räume den Nachbarn grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Einleitung eines baubehördlichen Auftragsverfahrens oder Aufrechterhaltung eines baupolizeilichen Auftrages ein (Hinweis auf VwGH 4.10.1983, 83/05/0155). Auch habe der Nachbar keine Parteisteilung in einem baupolizeilichen Auftragsverfahren zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (Hinweis auf VwGH 23.11.1982, 82/05/0150).

 

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde.

 

Mit Schreiben vom 11. Juni 2014 verständigte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Bauwerber vom Einlangen der Beschwerde und räumte die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Von dieser Möglichkeit nahmen die Bauwerber nicht Gebrauch.

 

 

II.            Beweiswürdigung

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten baubehördlichen Verfahrensakt der Marktgemeinde Prambachkirchen und in die von den Beschwerdeführern mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen sowie durch aktuelle Grundbuchsabfragen.

 

 

III.           Maßgebliche Rechtslage

 

Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

Die hier relevanten Bestimmungen des Oö. BauTG 2013 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 35/2013 lauten auszugsweise:

„§ 41

Ausnahmen von den Abstandsbestimmungen

(1) Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt, gelten die Abstandsbestimmungen zu den Bauplatz- oder Nachbargrundgrenzen nicht für:

[…]

5. Gebäude und Schutzdächer sowie Teile davon, auch wenn sie unterkellert sind, unter folgenden Voraussetzungen:

[…]

b) soweit die den Nachbargrundgrenzen zugewandten Außenwände einen Abstand von weniger als 2 m zur Nachbargrundgrenze aufweisen, sind in diesen Türen und Fenster unzulässig; in Außenwänden, die an solche Außenwände anschließen, müssen Türen und Fenster von der Nachbargrundgrenze einen Abstand von mindestens 1 m aufweisen, soweit es sich nicht um Einfahrten, Garagentore, Loggien und dergleichen handelt;

c) die Summe aller im jeweiligen Abstand gelegenen, den Nachbargrundstücken zugewandten Längen der Bauwerke einschließlich allfälliger Dachvorsprünge darf 15 m nicht überschreiten;

d) die Traufenhöhe von im Abstand gelegenen Bauwerksteilen darf 3 m über dem Erdgeschoßfußboden nicht überschreiten; reicht der einzige Fußboden unter das künftige Gelände, ist die Traufenhöhe über dem höchsten angeschnittenen künftigen Gelände zu messen;

[…]

 

§ 88

Schlussbestimmungen

(1) Dieses Landesgesetz tritt mit 1. Juli 2013 in Kraft.

(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Landesgesetzes tritt das Landesgesetz vom 5. Mai 1994 über die Planung und Ausführung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen (Oö. Bautechnikgesetz – Oö. BauTG), LGBl. Nr. 67/1994, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 68/2011, außer Kraft; es ist jedoch auf Sachverhalte, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben, weiterhin anzuwenden.

[…]“

 

Die hier relevante Übergangsbestimmung der Oö. Bauordnungs-Novelle 2013, LGBl. Nr. 34/2013 (Art. II), lautet auszugsweise:

„(1) Dieses Landesgesetz tritt mit 1. Juli 2013 in Kraft.

(2) Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes anhängige individuelle Verwaltungsverfahren sind nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften weiterzuführen.“

 

§ 31 der Oö. BauO 1994, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 34/2013, lautet auszugsweise:

„(1) Nachbarn sind

1. bei Wohngebäuden einschließlich der zugehörigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie der allenfalls vorgeschriebenen Neben- und Gemeinschaftsanlagen: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens zehn Meter entfernt sind;

[...]

Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern oder Grundeigentümerinnen gleichgestellt.

[...]

(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. […]“

 

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat gemäß § 27 VwGVG erwogen:

 

Die Beschwerdeführer sind unstrittig Nachbarn iSd § 31 Abs. 1 Oö. BauO 1994. Die Beschwerdeführer begründen ihre Beschwerde im Wesentlichen damit, dass sich die belangte Behörde nicht mit ihrer begründeten Berufung gegen die Behebung des baupolizeilichen Auftrages vom 1. August 2011 auseinandergesetzt habe. Der Bescheid vom 1. August 2011 sei mit einem Nebensatz ohne nachvollziehbare Begründung mit dem erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 5. Dezember 2013 behoben worden. Es sei nicht erkennbar, dass diesbezüglich ein ordentliches Verfahren geführt worden sei. Die Beschwerdeführer hätten ein rechtliches Interesse daran, dass ihr Recht auf Umsetzung des mit Bescheid vom 1. August 2011 festgelegten Mindestabstandes von 3 m klar gestellt und die mit der rechtswidrigen Behebung dieses Bescheides entstandene Rechtsgefährdung beseitigt werde. Der Bürgermeister sei seiner Amtspflicht nicht nachgekommen, indem er nach Ablauf der Umsetzungsfrist mit 31. Juli 2012 des von ihm selbst mit Bescheid vom 1. August 2011 erlassenen baupolizeilichen Auftrages, keine geeigneten Maßnahmen zur Herstellung des gesetzesmäßigen Zustandes ergriffen habe. Im Nachhinein nun das Argument heranzuziehen, es läge keine entschiedene Sache vor, da sich die Bestimmungen des Oö. BauTG mit 1. Juli 2013 geändert hätten, sei rechtsmissbräuchlich und mutwillig. Zum Zeitpunkt des Ablaufes der Erfüllungsfrist des Beseitigungsauftrages mit 31. Juli 2012 hätten die Bauwerber keine Möglichkeit gehabt, die Abänderung des baupolizeilichen Auftrages bzw. eine neue Baubewilligung zu beantragen um die betreffende Außenmauer zu erhalten, da zu diesem Zeitpunkt noch das Oö. BauTG vor der Novellierung mit 1. Juli 2013 in Kraft gewesen sei, in welchem der Mindestabstand zur Nachbargrundgrenze mindestens 3 m habe betragen müssen. Somit sei jedenfalls zum entscheidungswesentlichen Zeitpunkt (Ablauf der Umsetzungsfrist, Verpflichtung der Baubehörde zur Maßnahmensetzung) vom Vorliegen einer entschiedenen Sache auszugehen. Es führe zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis, wenn nunmehr – nach dem rechtswidrigen Unterlassen der Umsetzung des baupolizeilichen Auftrages offenkundig in Erwartung der gesetzlichen Novellierung des Oö. BauTG sowohl seitens der Bauwerber als auch der Baubehörde – den Beschwerdeführern entgegengehalten werde, dass der mit Bescheid vom 1. August 2011 rechtskräftig festgelegte Mindestabstand obsolet geworden sei und die Außenmauer erhalten werden könne. Gleichheitswidrig deshalb, da diese Beurteilung zu einer Schlechterstellung jenes Bauherrn führen würde, der sich an die baupolizeilichen Aufträge gehalten hätte bzw. bei welchem die Bauaufsichtsbehörde gesetzeskonform eine Ersatzvornahme auf Kosten des Bauherrn im Rahmen der Zwangsvollstreckung durchgeführt hätte. Aufgrund des hohen Kostenaufwandes, der damit verbunden gewesen wäre, sei auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieser Bauherr die Möglichkeit nach Inkrafttreten der Novellierung des Oö. BauTG einen Antrag auf Wiedererrichtung der betroffenen Außenmauer zu stellen, nicht wahrgenommen hätte. Würde man aufgrund der erfolgten Novellierung des Oö. BauTG den Erhalt der Außenmauer genehmigen, würden die Bauwerber letztlich für ihr rechtswidriges Verhalten durch Ersparnis der Mängelbehebungskosten im Ausmaß von rund 100.000 Euro belohnt werden. Bei der Zwangsversteigerung sei mehrmals auf die Rückbaumaßnahmen hingewiesen worden, weshalb der überaus geringe Mindestersteigerungswert in Höhe von 28.000 Euro festgesetzt worden sei.

 

Aus dem Beschwerdevorbringen geht hervor, dass sich die Beschwerdeführer dadurch in ihren Rechten verletzt erachten, weil das nunmehr verfahrensgegenständliche Bauvorhaben – anders als das mit Bescheid vom 4. März 2013 bewilligte Vorhaben – den 3 m Seitenabstand zu ihrem Grundstück teilweise unterschreitet, indem die Außenwand an der Südostseite erhalten bleiben soll, und die Baubehörde das baupolizeiliche Auftragsverfahren im Sinne des Bescheids vom 1. August 2011 gegen die Bauwerber nicht weiter verfolgt. Der belangten Behörde kann jedoch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie unter Bezugnahme auf die Judikatur des VwGH davon ausging, dass die Oö. Bauordnung den Nachbarn keinen Rechtsanspruch auf Einleitung eines baubehördlichen Auftragsverfahrens oder Aufrechterhaltung eines baupolizeilichen Auftrages einräumt (vgl. dazu auch die bei Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I7, auf Seite 406 zitierte Rechtsprechung des VwGH). Da der Oberösterreichische Landesgesetzgeber dem Nachbarn im baupolizeilichen Verfahren keine Parteistellung eingeräumt hat, geht das Vorbringen der Beschwerdeführer zu der ihres Erachtens rechtswidrigen Aufhebung des baupolizeilichen Auftrages vom 1. August 2011 – wie die belangte Behörde richtig erkannt hat – schon aus diesem Grund ins Leere, weshalb darauf nicht näher einzugehen war.

 

Die Beschwerdeführer verkennen mit ihrem Vorbringen auch das Wesen des Baubewilligungsverfahrens. Nach der Judikatur des VwGH ist das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren, bei dem die Zulässigkeit des Bauvorhabens, auch bei nachträglichen Baubewilligungen, aufgrund der eingereichten Pläne zu beurteilen ist (vgl. als Beispiel für viele VwGH 7.3.2000, 96/05/0028 und 10.12.2013, 2012/05/0147). Der Zeitpunkt eines ursprünglich erlassenen Beseitigungsauftrages und die dort auferlegte Erfüllungsfrist oder der Zeitpunkt einer allfälligen Verpflichtung der Baubehörde zur diesbezüglichen Maßnahmensetzung – ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer – im Baubewilligungsverfahren nicht relevant. Das zivilgerichtliche Zwangsversteigerungsverfahren und der dort erzielte Kaufpreis sind für das gegenständliche verwaltungsgerichtliche Baubewilligungsverfahren schon aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht von Bedeutung. Aus dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen ist für die Beschwerdeführer sohin nichts zu gewinnen. Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens ist lediglich, ob das beantragte Bauvorhaben nach den baurechtlichen Bestimmungen in öffentlich-rechtlicher Hinsicht zulässig ist. Der Baubewilligungsbescheid stellt eine öffentlich-rechtliche Zulässigkeitserklärung des vorgelegten Bauvorhabens dar (vgl. die bei Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I7, auf den Seiten 314f zitierte Judikatur des VwGH). Gemäß § 35 Abs. 1 Oö. BauO 1994 hat die Baubehörde über den Antrag gemäß § 28 leg. cit. (Baubewilligungsantrag) einen schriftlichen Bescheid zu erlassen. Das bedeutet mit anderen Worten, dass das Baubewilligungsverfahren ein antragsbedürftiger Akt ist, das erst durch das Einlangen eines Baubewilligungsantrages bei der Baubehörde anhängig wird. Für die Erteilung der Baubewilligung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung der Erlassung des Baubescheides maßgeblich, sofern sich aus den Übergangsbestimmungen nichts anderes ergibt (vgl. die bei Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I7, auf Seite 316 zitierte Judikatur des VwGH sowie etwa VwGH 10.12.2013, 2010/05/0138, mwN). Im gegenständlichen Beschwerdefall ist relevant, dass der Baubewilligungsantrag am 7. Oktober 2013 und damit unzweifelhaft nach Inkrafttreten der Oö. Bauordnungs-Novelle 2013 und nach Inkrafttreten des Oö. BauTG 2013 (das war gemäß Art. II der Oö. Bauordnungs-Novelle 2013 und gemäß § 88 Oö. BauTG 2013 jeweils der 1. Juli 2013) bei der Baubehörde einlangte. Somit wurde das gegenständliche Baubewilligungsverfahren auch erst nach dem 1. Juli 2013 anhängig. Daraus folgt, dass im konkreten Baubewilligungsverfahren sowie im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren die Oö. BauO 1994 idF nach der Oö. Bauordnungs-Novelle 2013 und das Oö. BauTG 2013 anzuwenden sind.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Der Nachbar kann nach der Oö. Rechtslage im Baubewilligungsverfahren daher nur eine Verletzung seiner ihm vom Gesetz eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen (vgl. als Beispiel für viele etwa das Erkenntnis des VwGH vom 12.6.2012, 2009/05/0105, mwN). Der Nachbar behält seine Parteistellung im Baubewilligungsverfahren zudem nur, wenn er (taugliche) Einwendungen im Rechtssinn erhoben hat. Eine Einwendung in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn aus dem Vorbringen des Nachbarn zu erkennen ist, in welchem vom Gesetz geschützten Recht er sich durch die beabsichtigte Bauführung verletzt erachtet. Er muss zwar das Recht, in dem er sich verletzt erachtet, nicht ausdrücklich bezeichnen und auch nicht angeben, auf welche Gesetzesstelle sich seine Einwendung stützt, und er muss seine Einwendung auch nicht begründen, jedoch muss daraus erkennbar sein, welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. VwGH vom 15.11.2011, 2008/05/0146, und vom 27.2.2013, 2010/05/0203, jeweils mwN).

 

Vor dem Hintergrund dieser Judikatur rügten die Beschwerdeführer in der Bauverhandlung erkennbar die Nichtanhaltung des Seitenabstandes zu ihrem südöstlich des Bauvorhabens gelegenen Grundstück. Allerdings behaupten sie nicht, dass das gegenständliche Bauvorhaben den hier maßgeblichen Abstandsbestimmungen des § 41 Abs. 1 Oö. BauTG 2013 widersprechen würde (sondern fordern im Ergebnis die Einhaltung eines 3 m Seitenabstandes nach hier nicht relevanten baurechtlichen Bestimmungen). Auch bieten die vorgelegten Einreichunterlagen keinen Anlass für eine derartige Annahme. Vielmehr ergibt sich aus den Feststellungen der Amtssachverständigen und dem hier relevanten Einreichplan vom 12. November 2013, Nr. 1203/02A, dass jene Fenster- bzw. Türöffnungen in der südöstlichen Außenwand, soweit diese einen Seitenabstand von weniger als 2 m zum Grundstück der Beschwerdeführer einhält (konkret im Bereich Kochen), geschlossen werden. Damit ist aber jedenfalls die Bestimmung des § 41 Abs. 1 Z 5 lit. b Oö. BauTG 2013 erfüllt. Diese Bestimmung ermöglicht ausdrücklich ein Heranbauen an die Nachbargrundgrenze mit einer Außenwand, die einen Abstand von weniger als 2 m zur Nachbargrundgrenze aufweist, wenn in diese Außenwand keine Fenster oder Türen eingebaut sind. Weiters ergibt sich aus dem Einreichplan vom 12. November 2013, dass – wie auch die Amtssachverständige in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 19. Dezember 2013 festgehalten hat – die gesamte, im Seitenabstand zum Grundstück der Beschwerdeführer gelegene, Bauwerkslänge einschließlich allfälliger Dachvorsprünge 15 m nicht überschreitet. Damit ist die Voraussetzung des § 41 Abs. 1 Z 5 lit. c Oö. BauTG 2013 erfüllt. Die Amtssachverständige hat auch festgehalten, dass die Traufenhöhe im Seitenabstand 3 m erreicht. Dies ist auch aus dem Schnitt A-A des Einreichplans vom 12. November 2013 ersichtlich. Somit ist auch die Voraussetzung des § 41 Abs. 1 Z 5 lit. d erfüllt.

 

Die Beschwerdeführer übersehen, dass die Bauwerber – mangels einer gesetzlichen Beschränkung in der Oberösterreichischen Bauordnung – für ein Grundstück auch mehrere Baubewilligungen erwirken können. Es bleibt ihnen damit auch unbenommen im Fall einer geänderten Rechtslage sogar ein inhaltlich gleich lautendes Baugesuch durch eine neue Einreichung dem neuen Rechtsregime zu unterstellen (vgl. VwGH 29.1.2002, 2001/05/0677). Davon abgesehen liegt im gegenständlichen Fall entschiedene Sache auch deshalb nicht vor, weil – worauf die Beschwerdeführer selbst hinweisen – nach dem nunmehr maßgeblichen Einreichplan vom 12. November 2013 der 3 m Seitenabstand zum Grundstück der Beschwerdeführer durch den Erhalt der südöstlichen Außenwand – im Vergleich zum mit Bescheid vom 4. März 2013 bewilligten Bauvorhaben – teilweise nicht eingehalten wird. Damit liegt eine wesentliche Änderung der Sachlage vor.

 

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die von den Beschwerdeführern im Baubewilligungsverfahren behauptete Wertminderung ihres Grundstücks kein Gegenstand subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte ist (vgl. VwGH 10.12.2013, 2012/05/0162, mwN).

 

Im Ergebnis war die Beschwerde daher abzuweisen. Um klarzustellen, dass – wie die belangte Behörde richtig erkannt hat – das gegenständliche Baubewilligungsverfahren nicht auf der mit Bescheid vom 4. März 2013 erteilten Baubewilligung aufbaut, sondern eine neue Baubewilligung aufgrund des Ansuchens vom 7. Oktober 2013 nach Maßgabe des Bauplans vom 12. November 2013 zu erteilen war, war der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides entsprechend zu präzisieren.

 

 


 

V.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die in dieser Entscheidung angeführten Judikaturhinweise insbesondere zum Wesen des Baubewilligungsverfahrens, zur anzuwendenden Rechtslage im Baubewilligungsverfahren, zum beschränkten Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren sowie zur Möglichkeit des Bauwerbers für ein Grundstück mehrere Baubewilligungen zu erwirken). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Verena Gubesch