LVwG-000069/2/WEI
Linz, 23.01.2015
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des J. N., W., vertreten durch Dr. B. G., MAS, LL.M, Rechtsanwalt in S., S-straße 8, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Wels-Land vom 10. Oktober 2014, Zl. SanRB96-20-2014, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 90 Abs 1 Z 1 iVm § 5 Abs 1 Z 1 und Abs 5 Z 2 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG)
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 iVm § 27 VwGVG wird das angefochtene Straferkenntnis aus Anlass der Beschwerde wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde über den Beschwerdeführer (Bf) wie folgt abgesprochen:
„Straferkenntnis
Sehr geehrter Herr N.!
Sie sind als der für die Einhaltung aller gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Bestimmungen bezüglich der Inverkehrbringung der gemäß Geschäftseinteilung zentral für den räumlichen Bereich Österreich eingekauften Waren der H. KG S., H. Straße 1 verantwortlicher Beauftragter, gemäß § 9 Absatz 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), hinsichtlich nachstehender Übertretung verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich:
Im Rahmen einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung aufgrund einer Parteienbeschwerde (Kauf am 13.12.2013 in der Filiale der H. KG in E., G. wurde eine Beprobung des Produkts „L. Putenbrust", am 13.12.2013 im Verkaufsraum der genannten Filiale bereitgehalten und somit in Verkehr gebracht, durch die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, Institut für Lebensmittelsicherheit Linz vorgenommen.
Das Produkt wurde insofern beanstandet, als die Überprüfung ergeben hat, dass die Probe eine ekelerregende, abweichende Beschaffenheit (dunkelbraune Einschlüsse und Fettgewebe im Muskelfleisch) aufweist, wodurch die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit nicht gewährleistet wird.
Die Probe wurde nach Angaben der beschwerdeführenden Partei ab dem Einkauf bis zum gewünschten Verzehr (19.12.2013) im Kühlschrank gelagert. Beim Aufschneiden des Fleisches wurden die dunkelbraunen, ekelerregenden Einschlüsse entdeckt, das Fleisch tiefgekühlt und dann als Parteienbeschwerde am 20.12.2013 bei der zuständigen Lebensmittelaufsicht eingereicht.
Bei der organoleptischen Prüfung am Institut wurde eine abweichende Beschaffenheit festgestellt: Das gesamte Muskelstück war mit dunkelbraunen, verkapselten Einschlüssen, die in einem Fettgewebe eingebettet waren, durchzogen. Geruchliche Abweichungen konnten nicht festgestellt werden.
Laut histologischem Befund wurde eine Pseudohypertrophia lipomatosa festgestellt. Dies ist eine Vakatwucherung von Fettgewebe, d.h. dass der Raum von geschwundenem Muskelgewebe durch Fettgewebe ersetzt wurde. Ursachen für diese Zellveränderungen sind z.B. Inaktivität des Tieres oder neurogene Störungen.
Die Probe ist daher gemäß § 5 Abs. 5 Z. 2 LMSVG als für den menschlichen Verzehr ungeeignet und daher als nicht sicher zu beurteilen und unterliegt somit dem Verbot des Inverkehrbringens gemäß § 5 Abs. 1 Z. 1 LMSVG.
Dadurch wurden folgende Verwaltungsvorschriften verletzt:
§ 9 Absatz 2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. I Nr. 52/1991, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 33/2013, in Verbindung mit § 90 Absatz 1 Ziffer 1 und § 5 Absatz 1 Ziffer 1 und Absatz 5 Ziffer 2 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), BGBl. I Nr. 13/2006, in der im Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung.
...“
Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängt die belangte Behörde gemäß § 90 Abs 1 LMSVG iVm § 16 VStG eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden. Als Ersatz der Kosten für die Untersuchung durch das Institut für Lebensmittelsicherheit Linz wurden gemäß § 71 iVm. § 66 LMSVG 36,34 Euro und als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Absatz 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 10 % der Geldstrafe vorgeschrieben.
II. Gegen dieses dem Bf zu Händen seines Rechtsvertreters am 21. Oktober 2014 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitig am 13. November 2014 bei der Strafbehörde eingelangte Beschwerde vom 12. November 2014, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, in eventu ein Absehen von weiterer Verfolgung angestrebt wird.
Die Beschwerde macht mangelhafte Beweiswürdigung geltend und rügt, dass sich die belangte Behörde mit der Rechtfertigung des Bf nicht auseinandergesetzt habe, insbesondere sei ein umfangreiches Sicherheits- und Kontrollsystem eingerichtet und dargelegt worden, das unzureichend gewürdigt worden wäre. Auch fehle ein Kaufbeleg zu der von einer Privatperson beanstandeten Ware, weshalb keine sicheren Feststellungen getroffen werden könnten. Unter dem Gesichtspunkt materieller Rechtswidrigkeit wird weiter ausgeführt, dass der Bf den Lieferanten sorgfältig überprüft hätte. Es handle sich um ein erfolgreiches Unternehmen mit im Rahmen des Qualitätsmanagements eingerichtetem Verfahren, welches eine einwandfreie substantielle Beschaffenheit der Produkte gewährleiste. Zum Beweis für die angewendete Sorgfalt beruft sich der Bf auf insgesamt 7 vorgelegte Prüfberichte und Gutachten von Lebensmittelgutachtern, auf die er sich verlassen können müsse. Die angeblichen Veränderungen (im Fettgewebe verkapselte braune Einschlüsse) seien im Inneren der Putenbrust aufgetreten und äußerlich ohne Aufschneiden der Putenbrust nicht erkennbar gewesen. Der von der Lieferantin eingesetzte Fremdkörperdetektor habe diese nicht erkennen können. Die veränderte Beschaffenheit wäre nur bei Zerstörung des Lebensmittels durch Aufschneiden der Putenbrust aufgefallen, was nicht verlangt werden könne. Den Bf treffe jedenfalls kein Verschulden, weshalb ihm eine Verwaltungsübertretung nicht vorwerfbar sei. Hilfsweise wird auf unbedeutende Folgen und geringes Verschulden abgestellt und für eine Vorgehensweise gemäß § 45 Abs 1 (gemeint: Z 4) VStG plädiert.
III. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt. Daraus ergibt sich, dass ein Aufsichtsorgan gemäß § 24 Abs 3 LMSVG auf Grund der Anzeige einer Privatperson („Parteienbeschwerde“) am 20. Dezember 2013 eine Verdachtsprobe des Produkts „L. Putenbrust“ genommen und an die AGES (Institut für Lebensmitteluntersuchung Linz) zur Untersuchung weitergeleitet hat. In dem zu Auftragsnummer 13136876 erstatteten Amtlichen Untersuchungszeugnis vom 22. Jänner 2014 (Prüfbericht und Gutachten) wurde eine ekelerregende abweichende Beschaffenheit (dunkelbraune Einschlüsse innerhalb von Fettgewebe im Muskelfleisch) festgestellt, wodurch die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit nicht gewährleistet war. Es handelte sich um eine Vakatwucherung von Fettgewebe, wobei geschundenes Muskelgewebe durch Fettgewebe ersetzt wird.
Wie sich aus den Unterlagen der Lebensmittelaufsicht ergibt, wurde die Ware in der Filiale der H. KG in G., E., am 13. Dezember 2013 gekauft und danach im Kühlschrank bis 19. Dezember 2013 aufbewahrt. Beim Aufschneiden wurden die Mängel der Ware entdeckt und diese am nächsten Tag der Lebensmittelaufsicht übergeben.
Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit Schreiben vom 18. März 2014 die Anzeige der Lebensmittelaufsicht samt Untersuchungszeugnis der AGES unter Bezugnahme auf § 27 VStG „im Hinblick auf den Tatort (=Sitz des Unternehmens)“ an die belangte Behörde weitergeleitet. Diese hat das Strafverfahren durchgeführt und das angefochtene Straferkenntnis erlassen.
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
Die belangte Behörde hat dem Bf auf das Wesentliche zusammengefasst angelastet, er habe als verantwortlicher Beauftragter der H. KG gemäß § 9 Abs 2 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass in der Filiale in E., G. 31, das gemäß Art 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nicht sichere Produkt „L. Putenbrust“ im Verkaufsraum bereitgehalten und somit entgegen dem Verbot des § 5 Abs 1 Z 1 LMSVG in Verkehr gebracht wurde, obwohl es eine ekelerregende abweichende Beschaffenheit durch dunkelbraune Einschlüsse und Fettgewebe im Muskelfleisch aufwies, wodurch die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit nicht gewährleistet und das Lebensmittel für den menschlichen Verzehr ungeeignet war. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG in der Tatbildvariante des Inverkehrbringens von für den menschlichen Verzehr ungeeigneten Lebensmitteln begangen.
Demnach wurde dem Bf ein Begehungsdelikt durch Inverkehrbringen eines ungeeigneten Lebensmittels in der Filiale in E. vorgeworfen, bei dem als Tatort der Ort in Betracht kommt, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht wurde. Daran vermag nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand der Verantwortlichkeit nach dem § 9 VStG - egal ob als verantwortliches Organ oder als verantwortlicher Beauftragter - nichts zu ändern, weil dadurch Begehungsdelikte nicht zu Unterlassungsdelikten werden, vielmehr dem gemäß § 9 VStG verantwortlichen Organ oder Beauftragten selbst der Vorwurf des Inverkehrbringens gemacht werde (vgl etwa VwGH 25.02.2003, Zl. 2001/10/0257; VwGH 31.03.2003, Zl. 2000/10/0068; VwGH 21.10.2010, Zl. 2010/10/0144; VwGH 14.06.2012, Zl. 2009/10/0080).
Gemäß § 27 Abs 1 VStG ist jene Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der (allenfalls) zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Nach Ausweis der Aktenlage wurde im vorliegenden Fall angelastet, dass die mangelhafte Ware entgegen dem § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG in der H.-Filiale in E. zum Verkauf angeboten und damit in Verkehr gebracht worden war. Der Vorwurf der Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen kam gegenständlich nicht in Betracht. Nur im Falle eines solchen Unterlassungsdelikts liegt der Tatort nach der Judikatur dort, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße vorzunehmen gewesen wären, was regelmäßig am Sitz der Unternehmensleitung erfolgen müsste (vgl bspw VwGH 24.03.1994, Zl. 94/02/0026; VwGH 26.02.1996, Zl. 95/10/0240). Beim gegenständlichen Begehungsdelikt des Inverkehrbringens von beanstandeter Ware liegt der Tatort in E., weshalb die Bezirksverwaltungsbehörde Eferding die für das Strafverfahren örtlich zuständige Behörde ist.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Eine Unzuständigkeit ist somit jedenfalls von Amts wegen wahrzunehmen, auch wenn sie nicht in der Beschwerde geltend gemacht wurde.
Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit des Bezirkshauptmanns von Wels-Land ersatzlos aufzuheben.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. W e i ß