LVwG-150215/12/VG/WP
Linz, 10.12.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde 1. des Dr. W F und 2. des Dr. F F, beide in Wien, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M F, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde BI vom 14. Jänner 2014, GZ: Bau-10937/4-2014, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt, Verfahrensverlauf:
1. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) sind grundbücherliche Hälfteeigentümer des Grundstücks Nr x, EZ x der KG BI und damit unmittelbar angrenzende Nachbarn der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft Nr x, EZ x, KG BI, das im grundbücherlichen Alleineigentum der Mag. C I (im Folgenden: Konsenswerberin) steht.
2. Mit der am 6. Mai 2013 beim Stadtamt BI eingelangten Eingabe beantragte die Konsenswerberin die Erteilung der Baubewilligung für die „Errichtung von Zu- und Umbauarbeiten beim Wohnhaus E für den Einbau von 3 Wohneinheiten“ auf dem verfahrensgegenständlichen Baugrundstück.
3. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde BI (im Folgenden: Bürgermeister) vom 8. Oktober 2013, GZ: Bau-10937/1-2013, wurde der Konsenswerberin die beantragte Baubewilligung erteilt. Der Bürgermeister setzte sich in der Begründung seines Bescheides ausführlich mit den Einwendungen der Bf, insbesondere hinsichtlich des Nichtvorliegens eines geschlossen bebauten Gebietes und der damit einhergehenden Verletzung von Abstandsvorschriften, auseinander. Im Ergebnis ging der Bürgermeister – auf Basis eines eingeholten Sachverständigengutachtens – vom Vorliegen eines geschlossen bebauten Gebietes aus, weshalb keine unzulässige Unterschreitung der Abstandsvorschriften durch die Balkone, Terrassen (Pergolen) und Vordächer vorliege.
4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2013 Berufung. Der Bescheid des Bürgermeisters wurde darin zur Gänze wegen materieller Rechtswidrigkeit angefochten. Begründend brachten die Bf vor, gem § 6 Oö BauTG 1994 sei unabhängig davon, ob ein geschlossen bebautes Gebiet vorliege, die Unterschreitung eines Mindestabstandes von 2 m gegen die seitlichen und die inneren Bauplatz- und Nachbargrenzen unzulässig. Im Übrigen liege kein geschlossen bebautes Gebiet vor und seien die Feststellungen des Amtssachverständigen diesbezüglich willkürlich. Da kein geschlossen bebautes Gebiet vorliege, sei auch die „verbleibende Grundfläche iSd § 9 Abs 1 Oö BauTG 1994 zu gering“. Abschließend stellten die Bf den Berufungsantrag, die Berufungsbehörde möge der Berufung Folge geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dieser aufgehoben und die Baubewilligung nicht erteilt wird.
5. Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde BI (im Folgenden: belangte Behörde) vom 14. Jänner 2014 (Beschluss vom 12. Dezember 2013) wurde 1. der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters in seinem vollen Inhalt bestätigt und 2. die gegen den Bescheid des Bürgermeisters erhobene Berufung der Bf als „unsachgemäß abgewiesen“. Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Inhalts der Berufung der Bf aus, die Bf seien dem einwandfreien Gutachten des Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Da aufgrund dieser gutachterlichen Feststellung von einem geschlossen bebauten Gebiet auszugehen sei, komme § 6 Abs 2 Oö. BauTG 1994 nicht zur Anwendung, da bereits Abs 1 par cit erfüllt sei. Die Bf unterlägen daher einem „gedankenlogischen Fehlschluss“. Hinsichtlich des Einwandes, die „verbleibende Grundfläche iSd § 9 Abs 1 Oö BauTG 1994 [sei] zu gering“, führt die belangte Behörde aus, in der näheren Umgebung seien – wie auch der bautechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten ausgeführt habe – (ausreichend) Erholungsflächen vorhanden.
6. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf mit Schriftsatz vom 14. Februar 2014 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Bf behaupten darin zusammengefasst, die „Beurteilung bzw. Subsumption, ob ein geschlossen bebautes Gebiet iSd § 2 Z 24 Oö BauTG 1994 vorliegt, [bilde] eine reine Rechtsfrage. Dementsprechend hat sich der Gutachter in seiner ergänzenden fachlichen Stellungnahme auch bloß mit Normtexten und Judikatur des VwGH auseinandergesetzt. Einem Sachverständigen kommt aber keinesfalls die Lösung von Rechtsfragen zu und er darf auch nicht in den Bereich der Beweiswürdigung eindringen [...]. Zur Widerlegung einer unrichtigen Rechtsansicht bedarf es damit auch dann, wenn diese von einem Sachverständigen geäußert wurde, nicht eines ‚gleichwertigen Gutachtens‘. [...] Damit [...] werden subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer verletzt. Insbesondere werden der Brandschutz und der Lichteinfall wesentlich beeinträchtigt“. Abschließend stellen die Bf den Antrag, das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge der Beschwerde Folge geben und den Berufungsbescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde BI aufgehoben und die Baubewilligung nicht erteilt wird. Weiters wird die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
7. Mit Schreiben vom 28. April 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verfahrensakt vor und gab bekannt, von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abzusehen.
8. Mit Schreiben vom 16. Juni 2014 übermittelte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde der Konsenswerberin mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme.
9. Mit Schriftsatz vom 11. September 2014 äußerte sich die Konsenswerberin zur Beschwerde und legte mit einem weiteren Schriftsatz Urkunden (insbesondere Fotos) vor.
II. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und Einholung eines aktuellen Grundbuchsauszuges zur Liegenschaft der Bf. Daraus ergibt sich der unter Punkt I. dargelegte Sachverhalt widerspruchsfrei.
III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und Z 4 VwGVG normierten Prüfungsumfangs durch seine gemäß § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:
1. Die Bf bringen auf das Wesentliche zusammengefasst vor, bei der Beurteilung der Frage, ob ein geschlossen bebautes Gebiet vorliege, handle es sich um eine Rechtsfrage, die im gegenständlichen Verfahren unzulässigerweise vom Amtssachverständigen beantwortet worden sei. Da es sich aber um eine Rechtsfrage handle, müsse ihr gerade nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten werden. Mit dieser Rechtsansicht befinden sich die Bf nicht im Recht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die bei Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht I6 [2007] 506 zitierte Rechtsprechung und jüngst VwGH vom 30.01.2014, 2012/05/0177 bzw vom 05.03.2014, 2013/05/0024) ist die Frage, ob „ein geschlossen bebautes Gebiet in diesem Sinne vorliegt, [...] durch das Gutachten eines Sachverständigen zu belegen“. Die Behörden haben ihre Entscheidungen im vorangegangen Verwaltungsverfahren jeweils auf das schlüssige und nachvollziehbare Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen vom 28. Juni 2013 gestützt. Diesem Gutachten sind die Bf nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. In rechtsrichtiger Anwendung der – aufgrund der Übergangsvorschrift des § 88 Abs 2 Oö. BauTG 2013 idF LGBl 35/2013 anzuwendenden – §§ 2 Z 24 iVm 6 Abs 1 Z 1 Oö. BauTG 1994 kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Abstandsbestimmungen zu den seitlichen und zur inneren (hinteren) Bauplatz- oder Nachbargrundgrenze(n) nicht für Gebäude, die innerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes gelegen sind, gelten. Die Beschwerdeausführungen, die sich auf Verletzungen der Abstandsvorschriften beziehen (Lichteinfall, Brandschutz), gehen daher ins Leere.
2. Im Hinblick auf das übrige – im Wesentlichen unsubstantiierte – Vorbringen der Bf hinsichtlich der Verletzung des § 9 Abs 1 Oö. BauTG 1994 vermag das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich keinerlei Rechtswidrigkeit zu erkennen. Bereits der Gesetzestext des – aufgrund der Übergangsvorschrift des § 88 Abs 2 Oö. BauTG 2013 idF LGBl 35/2013 anzuwendenden – § 9 Abs 1 Oö. BauTG 1994 lässt unzweifelhaft erkennen, dass in jenen Fällen, in denen „in der näheren Umgebung Erholungsflächen zur Verfügung stehen“ keine Pflicht zur Schaffung oder Erhaltung von „Erholungsflächen, wie Gärten oder andere Grünanlagen und Ruheplätze, auf dem Bauplatz oder auf dem zu bebauenden Grundstück oder in dessen unmittelbarer Nähe“ besteht. Auf das Vorliegen derartiger Erholungsflächen in der näheren Umgebung („Bauerpark“) hat die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die Feststellungen des bautechnischen Amtssachverständigen bereits hingewiesen. In diesem Gutachten hat der Amtssachverständige darüber hinaus in schlüssiger Weise dargelegt, dass durch die beantragte Bauführung keine weiteren Freiflächen befestigt werden, da bereits der genehmigte Altbestand der Südfassade vorgelagert eine befestigte Terrassenfläche umfasst. Davon abgesehen begründet eine allfällige Verpflichtung zur Schaffung von Erholungsflächen nach § 9 Abs 1 Oö. BauTG 1994 kein subjektiv öffentliches Nachbarrecht (vgl. VwGH vom 22.12.1981, 81/05/0126 zur insofern vergleichbaren Bestimmung des § 42 Oö. Bauverordnung).
3. Im Ergebnis konnten die Bf mit ihrem Vorbringen keinerlei Rechtswidrigkeit des in Beschwerde gezogenen Bescheides der belangten Behörde darlegen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war und in der vorliegenden Beschwerde ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen wurden, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, konnte gemäß § 24 VwGVG trotz Parteienantrag von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden (vgl VwGH vom 06.11.2013, 2011/05/0007; 15.05.2014, 2012/05/0089).
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl zu III.1. VwGH vom 30.01.2014, 2012/05/0177 bzw vom 05.03.2014, 2013/05/0024 und zu III.2. VwGH vom 22.12.1981, 81/05/0126). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Verena Gubesch
Beachte:
Die Revision wurde zurückgewiesen.
VwGH vom 24. März 2015, Zl.: Ra 2015/05/0008-4