LVwG-600595/3/Py/Bb/BD

Linz, 16.12.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Drin. Andrea Panny über die Beschwerde des Ing. Dipl.-Päd. O. S., geb. 19.., W.straße Nr. 20, S., vom 30. September 2014, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 1. September 2014, GZ VerkR96-10982-2014, betreffend Verwaltungs­übertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene behördliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstraf­verfahren gemäß (§ 38 VwGVG iVm) § 45 Abs. 1    Z 1 VStG eingestellt.

 

II.      Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens (§ 66 Abs. 1 AVG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren zu leisten (§ 52 Abs. 9 VwGVG).

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.1.  Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen (im Folgenden: belangte Behörde) hat Ing. Dipl.-Päd. O. S. (dem nunmehrigen Beschwerdeführer – im Folgenden: Bf) im angefochtenen Straferkenntnis vom 1. September 2014, GZ VerkR96-10982-2014, die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 42 Abs. 8 StVO vorgeworfen und über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 21 Stunden, verhängt. Weiters wurde er von der belangten Behörde gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 10 Euro verpflichtet. 

 

Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde (auszugsweise Wiedergabe):

„Sie haben als Lenker des angeführten Fahrzeuges die für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 15 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Tatort: Gemeinde Aisterhsheim, Bezirk Grieskirchen, Oberösterreich, Innkreisautobahn A 8, Höhe ABkm 33,130, in Fahrtrichtung Wels/Graz

Tatzeit: 04. April 2011 (gemeint wohl: 2014), 02.19 Uhr

Fahrzeuge: Wohnmobil (LKW), Marke Mercedes Benz, Type 1735 AK, behördliches Kennzeichen BB-…… (D) mit dem Anhängewagen, behördliches Probefahrtkennzeichen TU-….. (A).“

 

Begründend stützte die belangte Behörde den Schuldspruch nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges und unter Zitierung der einschlägigen Rechtsnormen auf die durchgeführte Radarmessung mittels geeichter Radaranlage. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass es sich beim Kraftfahrzeug der Marke Mercedes Benz um einen Lastkraftwagen mit zwei Achsen handle. Dieser Lastkraftwagen sei vermutlich wegen seines Verwendungszweckes und aus abgabenrechtlichen Gründen als Wohnmobil über 2,8 t zugelassen, entspreche aber den Baumerkmalen eines Lastkraftwagens hinsichtlich des Fahrgestells und des Antriebsmotors. Die mit 50 Euro bemessene Geldstrafe wurde unter Hinweis auf § 19 VStG, der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Bf und den geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen begründet.   

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis, zugestellt am 5. September 2014, wurde vom Bf frist­gerecht die Beschwerde vom 30. September 2014 erhoben.

Begründend wurde darin ausgeführt, dass es sich beim gelenkten Zugfahrzeug laut Fahrzeugpapieren um ein Sonderkraftfahrzeug (Wohnmobil über 2,8 t) und in keinerlei Hinsicht um ein Lastkraftfahrzeug handle. § 42 Abs. 8 StVO sei ausschließlich auf Lastkraftfahrzeuge, nicht aber auf Pkw, Wohnmobile, Sonderkraftfahrzeuge etc., anzuwenden.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 21. November 2014, GZ VerkR96-10982-2014, ohne Beschwerde­vor­entscheidung dem Landesverwaltungs­­gericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Ent­scheidungs­findung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landes­verwaltungsgericht durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.

 

I.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.  

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels gesonderten Antrages des Bf trotz entsprechender Belehrung in der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses und der Tatsache, dass bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis aufzuheben ist, unterbleiben.

 

I.4.1. Folgender Sachverhalt steht fest und wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

Der Bf lenkte am 04. April 2014 um 02.19 Uhr das Fahrzeug der Marke Mercedes Benz mit dem internationalen Kennzeichen BB-…. (D) samt Anhängewagen mit dem nationalen Probefahrtkennzeichen TU-… (A) im Gemeindegebiet von Aistersheim, auf der Autobahn A 8 (Innkreisautobahn), in Fahrtrichtung Wels/Graz.

 

Eine Geschwindigkeitsmessung bei AutobahnKm 33,130 mit dem stationären Radarmessgerät der Type MUVR 6FA 3064, Messgerät Nr. 04, ergab abzüglich der in Betracht kommenden Messtoleranz eine tatsächliche Fahrgeschwindigkeit der vom Bf gelenkten Fahrzeugkombination von 75 km/h. Die höchste zulässige Geschwindigkeit betrug zum fraglichen Tatzeitpunkt im tatgegenständlichen Straßenabschnitt gemäß § 42 Abs. 8 StVO für Lastkraftfahrzeuge 60 km/h.

 

Laut deutschem Fahrzeugschein (Zulassungsbescheinigung) handelt es sich beim Fahrzeug der Marke Mercedes Benz 1735 AK mit dem Kennzeichen BB-…. um ein „Sonderkraftfahrzeug - Wohnmobil über 2,8 t“, welches ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von 18 t aufweist.

 

I.4.2. Diese Feststellungen ergeben sich aus dem behördlichen Verfahrensakt, insbesondere der polizeilichen Anzeige vom 5. Mai 2014, der durchgeführten Radarmessung samt Radarlichtbild und aus den Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung.

 

Der Bf bestreitet zwar nicht die Geschwindigkeitsüberschreitung an sich, er wendet jedoch ein, es handle sich beim verwendeten Fahrzeug um keinen Lastkraftwagen, sondern um ein Wohnmobil, welches vom Anwendungsbereich der Bestimmung des § 42 Abs. 8 StVO nicht erfasst sei.

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht hierüber erwogen:

 

I.5.1. Gemäß § 42 Abs. 8 erster Satz StVO dürfen ab 1. Jänner 1995 Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t in der Zeit von 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr nicht schneller als 60 km/h fahren.

 

Der Begriff "Lastkraftwagen" ist in § 2 Abs. 1 Z 8 KFG legaldefiniert.

Dort heißt es auszugsweise:

Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als Lastkraftwagen ein Kraftwagen (Z 3), der nach seiner Bauart und Ausrüstung ausschließlich oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern oder zum Ziehen von Anhängern auf für den Fahrzeugverkehr bestimmten Landflächen bestimmt ist, auch wenn er in diesem Fall eine beschränkte Ladefläche aufweist, ausgenommen Sattelzugfahrzeuge.“

 

Gemäß (§ 38 VwGVG iVm) § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erweisen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

I.5.2. Es steht im konkreten Fall bereits aufgrund der Definition in § 2 Abs. 1 Z 8 KFG fest, dass es sich beim gegenständlich verwendeten Fahrzeug der Marke Mercedes Benz mit dem Kennzeichen BB-…… um keinen Lastkraftwagen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 8 KFG gehandelt haben kann. Entscheidend ist aber letztlich, wie die Eintragungen im Fahrzeugschein lauten. Nach dem Inhalt der eingangs erwähnten Zulassungsbescheinigung ist das erwähnte Fahrzeug als "Sonderkraftfahrzeug - Wohnmobil über 2,8 t" zugelassen.

In Zusammenschau der zitierten kraftfahrrechtlichen Begriffsbestimmung und der Eintragung in der Zulassungsbescheinigung ergibt sich damit zweifelsfrei, dass das vom Bf gelenkte und beanstandete Fahrzeug nicht als Lastkraftwagen gemäß § 2 Abs. 1 Z 8 KFG einzustufen und damit von der Regelung des § 42 Abs. 8 StVO nicht erfasst ist.

 

Die Erörterung des Vorganges mit einem technischen Amtssach­verständigen ergab, dass das laut deutscher Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (STVZO) als Sonderkraftfahrzeug zugelassene Fahrzeug Mercedes Benz nach den inländischen kraftfahrrechtlichen Bestimmungen als Spezialkraftwagen einzustufen ist und dieses Fahrzeug nicht als Lastkraftwagen gilt, zumal es keine ausgewiesene Ladefläche aufweist.

 

Im Ergebnis war daher der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß (§ 38 VwGVG iVm) § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

 

 

II. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG die Verpflichtung des Bf zur Leistung eines Kostenbeitrages für das Verfahren vor der belangten Behörde als auch gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG für das Beschwerdeverfahren.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Für den Bf ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ex lege ausgeschlossen.

 

 

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

 

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Drin. Andrea  P a n n y