LVwG-350103/2/Py/SH

Linz, 04.12.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Drin. Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn D K P, x, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 1. September 2014, GZ: 3.01-ASJF, wegen Zurück­weisung des Antrages auf bedarfsorientierte Mindestsicherung wegen ent­schiedener Sache

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird gemäß § 28 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 1. September 2014 behoben.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom
1. September 2014, GZ: 3.01-ASJF, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) vom 21. August 2014 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs zurückgewiesen. In der Begründung führt die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass mit Bescheid vom 9. Juli 2013 der Antrag des Bf auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs abgewiesen wurde. Dagegen wurde nicht berufen und habe der Bf am 21. August 2014 einen neuerlichen Erstantrag bei der Behörde gestellt. Seit dem letzten Bescheid habe sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht geändert. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, dass der Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Seither habe sich weder die Rechtslage noch der Sachverhalt im Wesentlichen geändert, weshalb entschiedene Sache (res judicata) vorliege und der neuerliche Antrag als unzulässig zurückzuweisen war.

 

2. Dagegen erhob der Bf rechtzeitig mit Schreiben vom 25. September 2014 Beschwerde, in der zusammengefasst vorgebracht wird, dass die belangte Behörde weder im Bescheid vom 9. Juli 2013 noch im bekämpften Bescheid den seiner Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt genau ausführt. Zudem sei der Bescheid nicht ausreichend begründet. Auch könne der Ansicht der belangten Behörde, wonach sich der Sachverhalt nicht geändert habe, nicht gefolgt werden. Schon allein aufgrund des großen Zeitabstandes zwischen dem Bescheid von 2013 und dem neuerlichen Antrag auf Mindestsicherung im August 2014 könne die Behörde nicht automatisch davon ausgehen, dass der Sachverhalt innerhalb eines Jahres gleich geblieben ist, ohne dementsprechende Feststellungen zu treffen. Des Weiteren hat sich die Sachlage insoweit geändert, als der Bf von Oktober bis November 2013 und von Mai bis Juni 2013 sowie von 14. Mai bis
23. Juni 2014 erwerbstätig war. Lediglich in der Zeit von 25. Juni 2014 bis
22. Juli 2014 bestand aufgrund der Kündigung der Arbeit durch den Bf kein An­spruch auf Notstandshilfe und beziehe er diese nunmehr, weshalb er seine An­sprüche im Sinn des § 7 Abs. 2 Z 3 Oö. BMSG ausreichend verfolgt habe. Der Begriff der „entschiedenen Sache“ im Sinn des § 68 AVG ist bei staatlichen Sozial­leistungen eng auszulegen, da eine weite Auslegung des Begriffes zur Folge hätte, dass gerade die Personen, welche staatliche Hilfe am dringendsten benötigen, von einer inhaltlichen Prüfung ihrer Ansprüche abgeschnitten würden.

 

3. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2014 legte die belangte Behörde den gegenständlichen Verfahrensakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor, das gemäß § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzel­richterin zur Entscheidung berufen ist.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akten­einsichtnahme. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine Verhandlung nach § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 20. Juni 2013 stellte der Bf beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs, dem mit Bescheid vom 9. Juli 2013 keine Folge gegeben wurde. Begründend wird darin vorgebracht, dass der Bf seit seinem ersten Antrag vom 24. Juli 2003 immer wieder Sozialhilfe bzw. bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen habe. In den letzten Jahren habe er sehr häufig Dienstverhältnisse begonnen und nach kurzer Zeit wieder aus eigenem Verschulden beendet oder verloren. Er wurde im Laufe seines Sozialhilfebezuges bzw. bedarfsorientiertem Mindestsicherungsbezuges mehrmals eindringlichst über die Rechtsfolgen informiert und aufgeklärt. Da er das letzte Dienstverhältnis am 30. Mai 2013 wieder von sich aus beendet habe, werde die bedarfsorientierte Mindestsicherung gemäß §§ 7 und 11 Oö. BMSG nicht mehr gewährt.

 

Am 17. Jänner 2014 stellte der Bf neuerlich einen Antrag auf Zuerkennung der bedarfsorientierten Mindestsicherung, in dem er ausführt, dass er seit
23. November 2013 arbeitslos ist. Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 wurde dieser Antrag von der belangten Behörde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und begründend auf den Bescheid vom 19. Juli 2013 verwiesen und ausgeführt, dass sich der ent­scheidungsrelevante Sachverhalt seither nicht geändert habe.

 

Am 19. August 2014 stellte der Bf den hier gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung der bedarfsorientierten Mindestsicherung, in dem er keine Angaben zur derzeitigen Erwerbssituation machte. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 1. September 2014 wurde dieser Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist in dieser Form unstrittig.

 

5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 27 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde zu überprüfen.

 

Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtsache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu ent­scheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungs­ gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen
Kostenersparnis verbunden ist.

 

 

Gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG),
BGBl. I Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

5.2. Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist im Fall der Zurückweisung eines Antrages (hier: wegen entschiedener Sache) Sache der Rechtsmittelentscheidung nur die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurück­weisung (vgl. VwGH vom 8.4.2014, Zl. 2011/05/0074).

 

Die Zurückweisung eines Anbringens wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG setzt zweierlei voraus:

 

Zum einen muss sich der Antrag auf eine rechtskräftig entschiedene Sache be­ziehen, die nur dann vorliegt, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid, dessen Abänderung oder Aufhebung begehrt wird, weder am erheblichen Sach­verhalt noch an der maßgeblichen Rechtslage etwas geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.7.1992, Zl. 92/06/0062; 28.10.2003, Zl. 2001/11/0224; 27.5.2004, Zl. 2003/07/0100 ua).

 

Zum anderen muss die Partei einen rechtlichen Anspruch auf neuerliche Ent­scheidung in derselben Sache – sei es unter unzutreffendem Vorbringen (ver­meintlich), geänderter Sach- oder Rechtslage oder unter einfachem Hinwegsetzen über den bereits rechtskräftig gewordenen Bescheid – geltend gemacht haben (VwGH 28.7.1995, Zl. 95/02/0082; 28.3.2000, Zl. 99/08/0284; 24.3.2004, Zl. 99/12/0114), der ihr nicht zusteht. Somit liegt entschiedene Sache dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechts­lage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das Partei­begehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Dabei muss der Begriff der „Identität der Sache“ aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Ent­scheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. dazu VwGH vom 25.4.2003,
Zl. 2000/12/0055).

 

Die Gewährung bedarfsorientierter Mindestsicherung setzt im Regelfall einen Antrag voraus und kann auch befristet zuerkannt werden. Wie der Bf zutreffend ausführt darf die Bestimmung des § 68 AVG bei Anträgen hinsichtlich Sozialleistungen nicht zu Lasten der Antragsteller dahin ausgelegt werden, dass (regelmäßig) hilfesuchenden Personen eine inhaltliche Bearbeitung ihrer Anträge auf Unterstützung unter Hinweis auf eine in der  Vergangenheit liegende (abweisende) Entscheidung wegen entschiedener Sache  verwehrt wird. Der Umstand, dass von hilfsbedürftigen Personen für die Leistung bedarfs­orientierter Mindestsicherung die Bereitschaft vorausgesetzt werden kann, in an­gemessener, ihnen möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen (vgl. § 7 Abs. 1 Oö. BMSG), berechtigt die belangte Behörde nicht, dem Bf eine inhaltliche Entscheidung über den von ihm gestellten Antrag zu verwehren. Die belangte Behörde hätte vielmehr - sofern der Antrag nicht mangels Entscheidungsgrundlage und nach allfälliger Aufforderung zur Mängelbehebung zurückzuweisen gewesen wäre – nach Erhebungen hinsichtlich der aktuellen Notlage des Bf einschließlich einer Beurteilung seiner Bereitschaft, in angemessener Weise - insbesondere durch einen zumutbaren Einsatz seiner Arbeitskraft - an der Überwindung seiner Notlage beizutragen, in der Sache selbst eine Entscheidung zu treffen gehabt.

 

Der Beschwerde war somit Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

 

 

II.                   Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Drin. Andrea Panny