LVwG-700064/2/MZ
Linz, 04.11.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des K. O., geb. x, B. 15, P., D., gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 2.10.2014, GZ: VStV/914300800787/2014,
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.) a) Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 2.10.2014, GZ. VStV/914300800787/2014, wurde über den Beschwerdeführer (in Folge: Bf) wie folgt abgesprochen:
„Wie am 05.08.2014 in Wels, Autobahn 25, 17, Ausfahrt Wels Nord Richtung Passau, von Polizeibeamten festgestellt wurde, haben Sie am 05.08.2014, gegen 19:00 Uhr, wissentlich die rechtswidrige Einreise von 4 Fremden (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG) gefördert, indem Sie diese aus Ungarn über den Grenzübergang Nickelsdorf in Ihrem PKW nach Österreich brachten, obwohl die Fremden nicht zur Einreise nach Österreich bzw. Durchreise durch Österreich berechtigt waren.“
Der Bf habe daher § 120 Abs 3 Z 1 FPG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 1000,- Euro verhängt wurde. Eine Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Uneinbringlichkeit wurde nicht festgesetzt.
Ihre Entscheidung begründend führt die Landespolizeidirektion Oberösterreich, ohne Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften oder Bezugnahme auf diese, wörtlich aus:
„In Ihrer Rechtfertigung vom 24.09.2014 geben Sie an, dass Ihnen die Personen völlig fremd waren. Nur eine Person hat Sie angesprochen und um Mitfahrgelegenheit für sich und drei weitere Personen gebeten. Die Kosten für das Benzin wollten Sie dann in Deutschland teilen. Sie hatten weder Kenntnis über den Aufenthalt noch über die genaue Herkunft der Personen.
Dazu wird von der Behörde festgehalten, dass Sie sich vor Verbringung der 4 Fremden nach Österreich davon überzeugen hätten müssen, ob diese auch tatsächlich zur Einreise berechtigt sind, zumal Ihnen die Personen, wie Sie angeben, völlig unbekannt waren. Es ist daher davon auszugehen, dass Sie die rechtswidrige Einreise der Fremden wissentlich gefördert haben.“
b) Gegen das ggst Straferkenntnis erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.
In seiner Beschwerdefrist führt der die Aufhebung des Bescheides beantragende Bf aus:
„Hiermit muss ich ihnen nochmal ausführlich mitteilen, dass es sich bei den mitfahrenden Personen um mir völlig Fremde gehandelt hat. Einer sprach mich an und bat mich um Mitfahrgelegenheit für seine drei Bekannten. Es kam mir nicht in den Sinn mich nach den Papieren oder de[m] jeweiligen Aufenthalt zu erkundigen. In Deutschland wollten wir den Tankbetrag teilen.
Ich wollte diesen Personen nur helfen und wäre für den Zuschuss zum Benzin dankbar gewesen.“
Die weiteren Ausführungen des Bf betreffen seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse.
II. a) Die belangte Behörde legte die rechtzeitig erhobene Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsstrafaktes dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen; damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte schon deshalb abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Im Übrigen hat keine der Verfahrensparteien die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt.
c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt aus, der vom Bf unwidersprochen geblieben ist.
Demnach wurde der Bf am 5.8.2014 in Budapest von einer ihm unbekannten Person angesprochen, ob er ihn und drei Mitreisende mit seinem KFZ nach Deutschland mitnehmen könne. Der Bf willigte ein, ohne die Papiere der vier – nicht zur Einreise in bzw zur Durchreise durch Österreich befugten – Fremden zu überprüfen.
III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
a) § 120 Abs 3 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl I 2005/100, in der im Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung BGBl I 2012/87, normiert:
„Wer wissentlich die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs fördert … begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen.“
Dass der Bf durch die Mitnahme der vier Fremden aus Ungarn nach Österreich in seinem PKW die rechtswidrige Ein/Durchreise nach/durch Österreich gefördert hat, steht außer Zweifel, und wird von diesem auch nicht substantiell bestritten.
Der objektive Tatbestand ist somit verwirklicht und in Folge daher die subjektive Tatseite zu prüfen.
b) § 5 Abs 1 VStG legt fest, dass, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, fahrlässiges Verhalten zur Strafbarkeit genügt. Bei § 120 Abs 3 Z 1 FPG handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift im Sinne der zitierten Bestimmung. Es reicht daher nicht aus, wenn der Bf den ihm angelasteten Tatbestand der Förderung der rechtswidrigen Ein- oder Durchreise von Fremden nach Österreich in irgendeiner Form der Fahrlässigkeit verwirklicht hat, sondern er muss die Tat in der Vorsatzform der Wissentlichkeit begangen haben.
c) Das VStG enthält keine ausdrückliche Regelung des Vorsatzes. Das Gesetz setzt aber in den Bestimmungen über die Tatbeteiligung (§ 7 VStG) und den Versuch (§ 8 VStG) die Strafbarkeit vorsätzlichen Handelns voraus. Ebenso geht § 5 leg cit selbst in Hinblick auf die Anordnung, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, ersichtlich von einem Stufenverhältnis zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz aus. Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge gilt in diesem Zusammenhang die Regelung des Vorsatzes in § 5 StGB der Sache nach auch für das VStG (VwSlg 11.940 A/1985; VwGH 15.5.1991, 90/10/0152).
d) Der unter der Überschrift „Vorsatz“ stehende § 5 StGB lautet:
„(1) Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichem Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
(2) Der Täter handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.
(3) Der Täter handelt wissentlich, wenn er den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiss hält“.
Auch für das VStG bedeutet vorsätzliches Verhalten sohin das Wissen und Wollen der Tatbildverwirklichung (vgl VwGH 23.1.1970, 0094/69; 17.2.1954, 1656/51: „Bedenken und Beschließen des Tatbestands“). Bezugspunkt des Vorsatzes sind jeweils alle Elemente des äußeren Tatbestandes (zB VwSlg 7766 A/1970): Bei Handlungsdelikten hat der Tätervorsatz die gesamte – gesetzlich vertypte – Tathandlung zu umfassen; bei Erfolgsdelikten hat sich der Tatvorsatz auch auf den tatbildlichen Erfolg zu erstrecken.
In Einklang mit § 5 Abs 1 StGB gilt: Soweit die Verwaltungsgesetze keine besondere Vorsatzart voraussetzen, reicht eventualvorsätzliches Handeln. Der Täter handelt dolo eventuali, wenn er die Tatbildverwirklichung ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet. Der Täter muss also nicht nur das Risiko einer Tatbestandsverwirklichung ernstlich als möglich veranschlagen, er muss sich auch mit dem Umschlagen dieser Möglichkeit in die Wirklichkeit abfinden, also auf das Risiko der tatsächlichen Tatbildverwirklichung hinauf handeln (zB VwGH 20. 9. 2000, 2000/03/0239).
Für das Vorliegen von Eventualvorsatz ist es nicht erforderlich, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung positiv bewertet; es reicht, dass der Täter eingedenk der von ihm bedachten Tatbestandsverwirklichung handelt. Wissentlichkeit bedeutet – so wie im StGB – dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung für gewiss hält (VwGH 23. 4. 1996, 94/11/0006). Bloßes Hätte-Wissen-Müssen bedeutet daher weder Wissentlichkeit noch Eventualvorsätzlichkeit, sondern bloße Nachlässigkeit.
e) Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob der Bf den Eintritt des in § 120 Abs 3 Z 1 FPG verpönten Erfolges für gewiss gehalten hat.
Die belangte Behörde hat dem Bf in ihrer Bescheidbegründung vorgeworfen, er hätte sich davon überzeugen müssen, ob die vier Fremden auch tatsächlich zur Einreise nach Österreich berechtigt gewesen sind. Damit stellt die belangte Behörde aber lediglich ein – unzweifelhaft grob – fahrlässiges Verhalten des Bf fest. Oder anders gewendet: Die belangte Behörde hat völlig Recht, wenn sie von einem objektiven, maßgerechten Menschen fordert, sich im Hinblick auf die geplante Mitnahme von vier Fremden über die Grenze hinsichtlich deren Reisebefugnis zu erkundigen. Sie verkennt allerdings, dass der Gesetzgeber in § 120 Abs 3 Z 1 FPG ein strafbares Verhalten noch nicht darin erkennt, wenn eine Person dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Selbst wenn der Bf nämlich, was naheliegt, die Verwirklichung des Tatbestandes ernstlich für möglich halten musste und sich damit abgefunden hat, er also vorsätzlich im Sinne des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB gehandelt hat, reicht dies im vorliegenden Fall nicht aus, um ein wissentlich strafbares Verhalten zu begründen.
Das angefochtene Straferkenntnis ist daher mangels wissentlicher Tatbestandsverwirklichung zu beheben und das Verfahren einzustellen. Gleichzeitig ist auszusprechen, dass der Bf keinen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu leisten hat.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die gegenständliche Entscheidung vollinhaltlich im Einklang mit der oben zitierten, nicht uneinheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur wissentlichen Tatbegehung steht, und die Frage, ob konkret der Bf wissentlich gehandelt hat, keine über den Anlassfall hinausgehende Wirkung zeitigt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Markus Zeinhofer
Hinweis:
Dieses Dokument wurde amtssigniert. Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur und des Ausdrucks finden Sie unter: „https://www.lvwg-ooe.gv.at/Das Gericht/Amtssignatur des OÖ. LVWG“.