LVwG-300256/8/Kü/TO/PP
Linz, 04.12.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Thomas Kühberger über die Beschwerde des Herrn M K, x, x, vom
14. Februar 2014 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13. Jänner 2014, GZ: SV96-48-2012/Gr, betreffend Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2014
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 13. Jänner 2014, GZ: SV96-48-2012/Gr, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG eine Geldstrafe in Höhe von 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 50 Euro vorgeschrieben:
Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
„Sie haben es als Gewerbeinhaber Ihres Unternehmens „P B" mit Sitz in x x, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass Sie als Dienstgeber Herrn E C, geb. x, als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt als Pizzazusteller im Ausmaß von mehreren Stunden zumindest am 28.3.2012 beschäftigt haben, ohne vor Arbeitsantritt (28.3.2012) eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Oö. Gebietskrankenkasse mit Sitz in x, x, als zuständiger Sozialversicherungsträger zu erstatten.
Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamtes L bei einer Kontrolle am 28.3.2012 in x, x, indem die oa. Person bei der Ausübung seiner Tätigkeit als Pizzazusteller in Ihrem Lieferfahrzeug betreten wurde, festgestellt.
Der oa. Dienstnehmer war nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG
ausgenommen. Sie haben somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs. 1 ASVG verstoßen.“
In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt von Organen der Finanzpolizei bei einer Kontrolle
28. März 2012 festgestellt worden sei. Aufgrund der Aktenlage sei der Sachverhalt erwiesen.
Abschließend führt die belangte Behörde ihre für die Strafbemessung herangezogenen Gründe an.
2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, in welcher der Bf bestreitet die Verwaltungsübertretung begangen zu haben, da sein Neffe, der bei ihm zu Besuch war aus Gefälligkeit einige Arbeiten im und für das Lokal erledigt habe. Der Neffe war auch zu dieser Zeit bei ihm gemeldet, hat im Lokal gegessen und sich auch ab und zu den Firmenwagen das Bf für diverse Fahrten ausgeborgt.
3. Mit Schreiben vom 6. März 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Das Landesverwaltungsgericht entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichter.
4. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29. Oktober 2014, an welcher der Bf sowie Vertreter der belangten Behörde und der Finanzverwaltung teilgenommen haben. Der zur Verhandlung geladene Zeuge, Herr E C, war entschuldigt.
4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Bf betreibt seit Februar 2011 an der Adresse x in x das Lokal „P B“, bei dem es sich um einen Imbissstand in der Größe von 38 m2 handelt. Das Lokal ist täglich von 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr geöffnet und es werden Imbisse, Kebab und Pizza angeboten.
Seit November 2011 wird in der Mittagszeit ein Zustellservice angeboten. Für diese Zustellfahrten wurde vom Bf ein Lieferwagen angeschafft, der auch als Privatfahrzeug genutzt wird. Im März 2012 arbeiteten im Lokal der Bf selbst, eine Reinigungsfrau, die geringfügig beschäftigt war und eine teilzeitbeschäftigte Person, die zur Mittagszeit aushalf und die Zustellung übernommen hat.
Am 28. März 2012 führten Organe der Finanzpolizei beim Imbissstand des Bf am Nachmittag eine Kontrolle durch. Anwesend waren der Bf sowie sein Neffe, Herr E C, der aus Deutschland zu Besuch kam und vom Bf nach dem Meldegesetz angemeldet wurde. Der Neffe verbrachte zwei Wochen beim Bf, wurde von diesem beherbergt und verköstigt. Während seines Aufenthalts beim Bf hat Herr C ab und zu Einkaufsfahrten für den Imbissstand durchgeführt. Nach zwei Wochen ist Herr C zu seiner Tante nach N abgereist, blieb aber noch beim Bf gemeldet.
Im Laufe der Kontrolle hat der Bf einen Anruf erhalten, bei dem es um die Bestellung von Pizzen samt deren Lieferung an eine bestimmte Adresse in E ging. Die Kontrollorgane haben diesen Anruf mitgehört, die Adresse notiert und die Kontrolle dann beendet. Der Bf hat nach Zubereitung der bestellten Pizzen seinen Neffen gefragt, ob dieser die Zustellfahrt für ihn erledigen möchte, da er wusste, dass sein Neffe zum Einkaufen nach E fahren wollte.
An der Zustelladresse in E wurde der Neffe des Bf bereits von Kontrollorganen der Finanzpolizei erwartet.
4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Strafantrag sowie dem Vorbringen des Bf in der mündlichen Verhandlung. Die Darstellung der Kontrollsituation im Strafantrag und die Beschreibung der Kontrolle durch den Bf in der mündlichen Verhandlung widersprechen sich nicht. Das Verhältnis des Bf zu seinem Neffen wurde nachvollziehbar dargestellt und nochmals wiederholt, dass Herr C kein Entgelt erhalten hat. Vielmehr ist nachvollziehbar, dass der Bf seinem Neffen, nach dem Tod seiner Mutter und der Beendigung seiner Ausbildung, eine Art „Auszeit“ geboten hat, damit dieser sich wieder neu orientieren kann.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat erwogen:
5.1. Gemäß § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.
Gemäß § 111 Abs. 2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar
- mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,
- bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf
365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.
Nach § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.
Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Gemäß § 539a Abs. 1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (z.B. Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.
Gemäß § 48 VwGVG ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist.
5.2. Dem Einwand des Bf, wonach er seinen Neffen nicht beschäftigt hat und kein Arbeitsverhältnis vorliegt, kommt Berechtigung zu. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können als Gefälligkeits- bzw. Freundschaftsdienste nur kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden, wobei der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des ASVG fließend sein kann. Es ist daher eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können. Eine Dienstnehmereigenschaft iSd § 4 Abs. 2 ASVG wird letztendlich nur dann angenommen werden können, wenn aufgrund der Betrachtung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes und nicht der äußeren Erscheinungsform ein Mindestmaß an wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit der Arbeitskraft besteht.
Im gegenständlichen Fall wird dem Bf vorgeworfen, er habe seinen Neffen, der einige Zeit bei ihm zu Besuch war und in dieser Zeit auch bei ihm nach dem Meldegesetz gemeldet war, in seinem Lokal als Pizzazusteller beschäftigt zu haben. Der Bf gab bereits anlässlich seiner Stellungnahmen an, dass kein Entgelt für die Mithilfe des Neffen vorgesehen war. Dazu weist der Vertreter der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass aufgrund der persönlichen Situation des Neffen des Bf von einer wirtschaftlichen und persönlichen Abhängigkeit auszugehen sei, da dieser nicht selbst in der Lage gewesen sei, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im vorliegenden Fall ist dem jedoch entgegen zu halten, dass die Beherbergung eines zu Besuch aus dem Ausland nach Österreich angereisten näheren Verwandten kein ausreichendes Sachverhaltsmerkmal ist, um zweifelsfrei von einer entgeltlichen Tätigkeit in wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgehen zu können. Vielmehr gehört eine Zurverfügungstellung von Unterkunft und Verpflegung anlässlich eines längeren Besuchs zu den üblichen verwandtschaftlichen Gepflogenheiten unter Verwandten aus diesem Kulturkreis.
Der Bf hat seinen Neffen gebeten, kurzfristig und weil es auf dem Weg lag, die Lieferfahrt von Pizzen zu übernehmen. Dieser hat für den Bf die Fahrt geleistet, hiefür kein Entgelt verlangt und auch keines erwartet. Die ihm Rahmen der Familie vorgenommene kurzfristige Hilfeleistung in Form einer Lieferfahrt ist als Gefälligkeitsdienst dem Bf gegenüber anzusehen. Ein Arbeitsverhältnis, welches durch eine wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit gekennzeichnet ist, war daher zwischen dem Bf und seinem Neffen nicht gegeben. Es bestand somit keine Meldepflicht iSd § 33 Abs. 1 ASVG und hat der Bf daher den ihm im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegten Tatbestand nicht verwirklicht, weshalb seiner Beschwerde Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.
II. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Thomas Kühberger