LVwG-600385/5/ZO/CG/BD

Linz, 10.11.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde der Frau U. O., geb. 1969, vertreten durch RA Dr. N., G., vom 17.6.2014, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden, vom 15.5.2014, GZ: VerkR96-12599-2013, wegen einer Übertretung der StVO,  

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

I.          Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof  nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 

 

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

zu I.

1.           Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat der Beschwerdeführerin im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass sie am 19.05.2013 um 17.00 Uhr mit dem Motorrad mit dem Kennzeichen WUN-….. im Gemeindegebiet von St. K. – Ortsgebiet K. – auf der B120 bei StrKm. 9,505 in Fahrtrichtung G. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 18 km/h überschritten habe. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO begangen, weshalb über sie gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 10 Euro verpflichtet.

 

2.           In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, dass der Tatzeitpunkt unrichtig sei. Weiters sei im Gegenverkehr ein Fahrzeug ersichtlich, weshalb eine Fehlmessung indiziert sei. Sie sei am gegenständlichen Tag in einer Motorradgruppe von 10 Personen gefahren, wobei die ganze Gruppe mit gleicher Geschwindigkeit den Messbereich des Radargerätes durchfahren habe. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen seien 7 Motorradfahrer mit Strafen belangt worden, 3 seien nicht verfolgt worden. Dies sei ein offensichtliches Indiz dafür, dass im gegenständlichen Fall die Geschwindigkeitsmessung unkorrekt sei. Die Tatzeit sei mit der Angabe „17.00 Uhr“ nicht genau genug. In der Kanzlei des Rechtsvertreters seien insgesamt drei verschiedene Verfahren gegen drei verschiedene Personen anhängig, wobei diesen Verfahren Radarfotos von 17.00.08 Uhr, 17.00.10 Uhr und 17.00.20 Uhr zu Grunde liege. Auf dem gegenständlichen Radarlichtbild sei aber kein vorausfahrendes Motorrad ersichtlich, weshalb eine falsche Auswertung oder ein falscher Tatzeitpunkt vorliegen müsse. 

 

In der Beschwerde werden weiters Ausführungen zur Eichung des verwendeten Radarmessgerätes und zu den Verwendungsbestimmungen gemacht und die Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend die Radarmessung beantragt. Weiters werden Bedenken an der Verordnung des gegenständlichen Ortsgebietes geltend gemacht.

 

3.           Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat die Beschwerde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergab sich dessen Zuständigkeit, wobei es durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 2 VwGVG).

 

4.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung eines Sachverständigengutachtens. Bereits daraus ergibt sich, dass das Straferkenntnis aufzuheben war, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Die Beschwerdeführerin lenkte zur Vorfallszeit das im Spruch angeführte Motorrad auf der B120 im Ortsgebiet von K.. Die Geschwindigkeitsmessung mit dem stationären Radarmessgerät der Marke MUVR 6FA 1075 mit der Nummer 4 ergab eine Geschwindigkeit von 73 km/h vor Abzug der Messtoleranz. Von dieser Geschwindigkeitsmessung wurden 2 Fotos im Abstand von einer halben Sekunde angefertigt (sogenanntes „A“-Foto und „B“-Foto).

 

Der Sachverständige Dipl.-HTL.Ing. R. H. führte in seinem Gutachten betreffend die Nachvollziehbarkeit der gegenständlichen Radarmessung vom 25.10.2014 zusammengefasst aus, dass es sich um ein Motorrad mit einem deutschen Kennzeichen handelt. Für eine computergestützte fotogrammetrische Nachrechnung der Radarmessung muss die Originalabmessung der Kennzeichentafel bekannt sein. Seine Recherchen haben ergeben, dass in Deutschland folgende Kennzeichenbreiten für Motorräder zulässig sind: 280 mm, 220 mm, 180 mm und im Sonderfall 200 mm. Da im konkreten Fall die tatsächliche Breite der Kennzeichentafel nicht eruiert werden konnte, bestand keine Möglichkeit, die gegenständliche Radarmessung über eine fotogrammetrische Auswertung nachzuprüfen.

 

Unabhängig von dieser computergestützten Auswertung führte der Sachverständige eine Auswertung der Radarfotos mit Hilfe des „Möbius Netzes“ durch. Diese Auswertemöglichkeit, welche wegen der relativ schlechten Qualität der Radarbilder ungenau war, ergab keine Bestätigung der Fahrgeschwindigkeit im Rahmen einer Auswertetoleranz von +/- 10 % des Radarmesswertes. Der Sachverständige konnte daher mit den verfügbaren Mitteln das Messergebnis der Radarmessung nicht mit der erforderlichen Genauigkeit überprüfen.

 

Weiters führte der Sachverständige aus, dass bei Radarmessungen eine „Knickstrahlreflexion“ technisch grundsätzlich möglich ist, wobei diese zu einem falschen Messergebnis führen kann. Ob es zu einer solchen „Knickstrahlreflexion“ gekommen ist, kann bei stationären Radargeräten üblicherweise durch die fotogrammetrische Auswertung der beiden Radarfotos überprüft werden. Im gegenständlichen Fall war diese Auswertung jedoch aus den oben angeführten Gründen nicht möglich, weshalb eine aus technischer Sicht mögliche Knickstrahlreflexion nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte.

 

5.           Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 20 km/h fahren.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z.6 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

 

5.2. Im gegenständlichen Fall kann aufgrund des Sachverständigengutachtens nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis der Radarmessung nicht durch eine Knickstrahlreflexion verfälscht wurde. Derartige Messfehler kommen zwar erfahrungsgemäß nur selten vor, können aber nicht zur Gänze ausgeschlossen werden, wobei im konkreten Fall eine Überprüfung durch den Sachverständigen nicht möglich war. Es steht daher nicht der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit fest, dass die Beschuldigte tatsächlich die im Ortsgebiet erlaubte Geschwindigkeit überschritten hat.

 

Eine Überprüfung der Messung durch einen Sachverständigen wäre im konkreten Fall allenfalls dann möglich, wenn die tatsächlichen Maße der Kennzeichentafel bekannt wären. Dies würde jedoch Erhebungen im Ausland (das Abmessen der tatsächlichen Kennzeichenbreite) erfordern, welche im Hinblick auf die relativ geringfügige Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit unverhältnismäßig wären. Auch aus der von der Behörde verhängten geringen Geldstrafe ist ersichtlich, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgut und die Intensität seiner Beeinträchtigung im gegenständlichen Fall gering waren. Der Beschwerde war daher im Ergebnis stattzugeben.

 

 

Zu II.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Für den Beschwerdeführer ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG keine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine  Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gottfried Zöbl