LVwG-650140/13/ZO/CG
Linz, 18.11.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des Herrn D O, geb. X, vertreten durch Rechtsanwälte K & K OG, F, vom 22.5.2014 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Urfahr-Umgebung vom 17.4.2014, Zl: VerkR21-194-2013, wegen Entziehung der Lenkberechtigung,
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer von 7 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, das ist bis 24.11.2014, entzogen wird.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
zu I.
1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer von 8 Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, entzogen. Weiters wurde ihm das Recht aberkannt, während der Dauer der Entziehung von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen und einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Dieser Bescheid wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Beschwerdeführer im April und Mai 2013 in zumindest drei Angriffen geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen habe, indem er ein im Jahr 2001 geborenes Mädchen mehrmals an den unbekleideten Brüsten und im Bereich der Scheide berührt und gestreichelt habe. Er habe dadurch das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs.1 StGB begangen. Wegen dieses Vorfalles sei er nicht mehr verkehrszuverlässig.
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass gegen ihn zwar eine Anklage erhoben worden sei, über diese jedoch vom zuständigen Gericht noch nicht entschieden worden sei. Er gelte daher bis zu einer (eventuellen) rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung als unschuldig, weshalb auch die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nicht zulässig sei.
Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung habe er die bestimmte Tatsache (das Gerichtsdelikt) noch nicht begangen im Sinne des § 7 Abs.3 FSG, weil die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft noch keine Deliktsverwirklichung darstelle.
Auch die gemäß § 7 Abs.4 FSG vorgeschriebene Wertung der bestimmten Tatsache, insbesondere deren Verwerflichkeit und die Gefährlichkeit der Verhältnisse könnten nur in einem gerichtlichen Hauptverfahren objektiviert und erst danach von der Verkehrsbehörde gewertet werden. Insbesondere müsse auch eine allenfalls bedingte Strafnachsicht für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit berücksichtigt werden.
3. Der Beschwerdeführer hatte auch den Antrag gestellt, den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung aufzuheben. Dieser Antrag wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit rechtskräftigem Erkenntnis vom 16.06.2014, Zl. LVwG-650140/2, abgewiesen. In weiterer Folge hat die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung den Verwaltungsakt mit Schreiben vom 16.07.2014 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ohne Beschwerdevorentscheidung vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich, welches durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter entscheidet.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der Behörde vorgelegten sowie in den beim LG Linz zu Zl. 22 Hv 27/14g anhängigen Akt, insbesondere die Hauptverhandlung vom 03.06.2014 sowie das Sachverständigengutachten vom 26.08.2014 und die Protokolls- und Urteilsausfertigung vom 4.11.2014.
4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hat in der Zeit zwischen April und Mai 2013 in O in zumindest 3 Angriffen geschlechtliche Handlungen an einem damals noch nicht ganz 12-jährigen Mädchen vorgenommen, in dem er dieses mehrmals an den unbekleideten Brüsten und im Bereich der Scheide berührte und streichelte. Beim Opfer dieser Handlungen handelte es sich um die jüngere Schwester der Freundin des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer wohnte im Tatzeitraum gemeinsam mit seiner Freundin und deren jüngerer Schwester im elterlichen Haushalt der Freundin.
In der ersten Hauptverhandlung vom 3. Juni 2014 bekannte sich der Beschwerdeführer grundsätzlich schuldig.
Entsprechend dem Gutachten Dr. S - P vom 26.08.2014 leidet das Opfer des Beschwerdeführers an einer posttraumatischen Belastungsstörung leichten Grades, welche einer leichten Körperverletzung gleichzustellen wäre. Die Sachverständige wies jedoch zusätzlich auf eine eventuell länger andauernde Symptomatik sowie mögliche Beeinträchtigungen der psychosexuellen sowie der Persönlichkeitsentwicklung als Langzeitfolgen hin.
Der Beschwerdeführer wurde wegen dieses Vorfalles vom LG Linz mit Urteil vom 4.11.2014 zu einer unbedingten Geldstrafe in Höhe von 200 Tagessätzen sowie zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs.1 StGB verurteilt.
Der Beschwerdeführer war bislang strafrechtlich und – soweit aus dem Akt ersichtlich – auch verwaltungsbehördlich unbescholten. Es handelt sich um die erste führerscheinrechtliche Maßnahme zu seinem Nachteil.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:
Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich
1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder
2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG die Verkehrszuverlässigkeit.
Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 hat gemäß § 7 Abs.3 Z.8 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat.
Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs. 3 Z. 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.
5.1. Der Beschwerdeführer wurde mit dem oben angeführten rechtskräftigen Urteil des LG Linz wegen eines Verbrechens gemäß § 207 StGB verurteilt. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist an dieses Urteil gebunden, weshalb als erwiesen anzusehen ist, dass der Beschwerdeführer das oben beschriebene dem Urteil zu Grunde liegende Verhalten gesetzt hat. Im Übrigen hat er sich bereits in der Hauptverhandlung vom 03.06.2014 grundsätzlich geständig verantwortet. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kommt es für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit entscheidend darauf an, ob der Bf. die ihm vorgeworfenen Delikte begangen (also tatsächlich verwirklicht) hat, nicht aber darauf, ob er deswegen verurteilt wurde oder nicht.
Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung stellen eine besonders verwerfliche Form der Kriminalität dar. Im konkreten Fall ist zum Nachteil des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass sein Opfer zur Tatzeit noch nicht einmal 12 Jahre alt war und er die strafbaren Handlungen dreimal gesetzt hat. Zu seinen Gunsten ist zu berücksichtigen, dass die Taten in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Verwendung eines Kraftfahrzeuges standen, allerdings darf nicht übersehen werden, dass derartige Übertretungen durch die mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges verbundene erhöhte Mobilität grundsätzlich erleichtert werden (VwGH vom 28.06.2001, 2001/11/0173). Die Vorgänge liegen bereits längere Zeit zurück, wobei sich der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit wohlverhalten hat.
Das Strafgericht hat die Geldstrafe unbedingt, die Freiheitsstrafe hingegen bedingt verhängt. Offenbar ist auch das Gericht der Ansicht, dass es der Vollstreckung einer empfindlichen Geldstrafe bedarf, um den Bf. in Zukunft von weiteren ähnlichen strafbaren Handlungen abzuhalten.
Aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers und der oben angeführten Wertung ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls zum Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlungen, aber auch noch zum Zeitpunkt der Erlassung des behördlichen Bescheides (und auch jetzt noch) verkehrsunzuverlässig war (bzw. ist). Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Verhaltens des Bf. bei den strafbaren Handlungen einerseits sowie seines ansonsten unauffälligen Verhaltens ist von einer Verkehrsunzuverlässigkeit von insgesamt 18 Monaten – gerechnet ab Beendigung der strafbaren Handlungen - auszugehen. Dieser Zeitraum – verbunden mit der strafgerichtlichen Verurteilung – erscheint nach hs. Ansicht ausreichend, damit der Beschwerdeführer seine Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangt. Es war daher die Dauer des Führerscheinentzuges geringfügig herabzusetzen.
zu II.:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entziehung der Lenkberechtigung bei Sittlichkeitsdelikten ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Gottfried Zöbl