LVwG-700063/16/BP/JW

Linz, 04.11.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des  A. J. J., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K. L., x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmann­schaft Gmunden vom 22. August 2014, GZ: Sich96-150-2014, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes,

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm. § 82 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes 1979, wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.               

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom
22. August 2014, GZ: Sich96-150-2014, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 82 Abs. 1 SPG idgF. eine Geldstrafe in der Höhe von
80 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von
36 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

Sie haben sich am 21.06.2014 um 18:45 Uhr, trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzliche Aufgabe wahr nahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert. Sie haben durch mehrmaliges Anschreien eines Beamten die Amtshandlung behindert und verzögert.

Sie forderten Bezlnsp. K. mehrmals lautstark auf, Ihnen den auf Grund Ihrer Alkoholisierung abgenommenen Fahrzeugschlüssel wieder auszuhändigen. Da dies unterblieb, ignorierten Sie mehrmalige Abmahnungen Ihr Verhalten einzustellen und behandelten den Beamten in aggressivem Befehlston indem Sie Ihren Schlüssel forderten.

 

In ihrer Begründung geht die belangte Behörde zunächst von folgendem Sachverhalt aus:

 

Gemäß der Anzeige der Polizeiinspektion A. vom 22.06.2014 haben Sie sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzliche Aufgabe war nahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert. Sie haben durch mehrmaliges Anschreien eines Beamten die Amtshandlung behindert und verzögert. Sie forderten Bezlnsp. K. mehrmals lautstark auf, Ihnen den auf Grund Ihrer Alkoholisierung abgenommenen Fahrzeugschlüssel wieder auszuhändigen. Da dies unterblieb, ignorierten Sie mehrmalige Abmahnungen Ihr Verhalten einzustellen und behandelten den Beamten in aggressivem Befehlston, indem Sie den Schlüssel forderten.

 

Gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden haben Sie innerhalb offener Frist Einspruch erhoben. Sie wurden in weiterer Folge mit Schreiben der Behörde vom 22. Juli 2014 zur Rechtfertigung aufgefordert.

 

In Ihrer Rechtfertigung, eingebracht durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung am 08.07.2014 gaben Sie im Wesentlichen an, dass Sie die Ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung bestreiten würden. Zum Tatzeitpunkt hätten Sie sich weder aggressiv verhalten, noch die Amtshandlung behindert. Geschrien hätten Sie erst ab jenem Zeitpunkt, nachdem Sie in Begleitung der erhebenden Polizeibeamten aus der Dienstelle geführt worden wären, von hinten einen Stoß erhalten hätten, wodurch Sie über die Stiege gefallen wären und sich schwere Verletzungen am rechten Bein zugezogen hätten. Sie hätten dabei Schmerzen erlitten, wie Sie sie in Ihrem gesamten Leben bisher noch nicht verspürt hätten. Ihre dadurch erlittene Verletzung und die durch Ihr Schreien zum Ausdruck gebrachten Schmerzen hätten auch Herr Inspektor M. L., per Adresse der Polizeiinspektion A. wahrgenommen. Aus den genannten Gründen würden Sie daher beantragen, dass gegen Sie eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren, allenfalls nach Aufnahme der von Ihnen beantragten Beweise, einzustellen.

 

Herr Abteilungsinspektor M. L. wurde daraufhin von der Behörde zur Stellungnahme aufgefordert. Er gab dazu am 18.08.2014 an, dass er am 21.6.2014 zum Sektorstreifendienst bei der PI A. eingeteilt war. Er befand sich gegen 18:30 Uhr in seiner Kanzlei Nummer 110, einen Halbstock über dem Journaldienstraum der PI A. Während er Arbeiten der Dienstführung verrichtete, wurde er durch die lauten Rufe des Herrn J. auf die Amtshandlung vom Bezlnsp. K. und Revlnsp. A. im Journaldienstraum aufmerksam. Er konnte sich an lautstarke Beschwerden von Herrn J. wie: „Geben Sie mir endlich meine Schlüssel wieder" oder „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein" und „Was soll das alles" erinnern. Die Stimme des Herrn J. war sehr laut und im Tonfall als herablassend zu bezeichnen. Es war trotz der Entfernung seiner Kanzlei eindeutig hörbar, dass Herr J. seinen Unmut über die Amtshandlung bereits während der Amtshandlung im Journaldienstraum der PI A. lautstark kund machen wollte und nicht erst wie in seiner Rechtfertigung angeführt beim Verlassen der Dienstelle. Auch Bezlnsp. K. konnte er zwischenzeitlich immer wieder hören, wie er ebenfalls deutlich über normaler Gesprächslautstärke versuchte, Herrn J. zum Verlassen der Dienstelle zu animieren und ihn mehrfach darauf hinwies, dass die Amtshandlung beendet sei. Da die Lautstärke im Verlauf der Amtshandlung zunahm, beschloss er nach einiger Zeit in den Journaldienstraum zu gehen um nach dem Rechten zu sehen. Dabei hörte er durch das Schlagen der Türen, dass die Beamten mit dem immer noch lautstark schimpfenden Herrn J. die Dienstelle verließen. Er ging durch die Sicherheitsschleuse nach und konnte vom Podest im Obergeschoss eindeutig beobachten, wie Herr J. mitten auf der Stiege plötzlich ein Bein um die Füße von Revlnsp. A. schlang und sich nach hinten fallen ließ, wodurch auch Insp. A. niedergerissen wurde. Beide schrien annähernd gleichzeitig, offensichtlich vor Schmerz, laut auf. Herr J. blieb noch eine Weile auf den Stiegen sitzen und beschuldigte seine Kollegen, dass sie Ihn über die Stiege gestoßen hätten. Dann stand er auf und ging selbstständig über die restlichen Stiegen und verließ die Dienstelle.

 

Dazu hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden erwogen:

 

(...)

 

Aufgrund des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens steht für die Behörde eindeutig fest, dass Sie sich gegenüber den einschreitenden Beamten aggressiv verhalten haben. Erschwerend kommt hinzu, dass Ihnen aufgrund ihrer Alkoholisierung ihr Fahrzeugschlüssel abgenommen worden ist. Da Sie offensichtlich diese Maßnahme, die im Übrigen das Gesetz eindeutig vorschreibt, nicht einsehen wollten, haben Sie im Befehlston den erwähnten Beamten aufgefordert, Ihnen den Schlüssel wieder zu übergeben. Der von Ihnen beantragte Zeuge, Abteilungsinspektor M. L. gab an, dass Sie bereits während der Amtshandlung im Journaldienstraum der PI A. ihren Unwillen lautstark kund gemacht haben, und nicht erst wie von Ihnen angeführt, beim Verlassen der Dienstelle. Weiteres gab L. an, dass Sie und Revlnsp. A. beim Verlassen der Dienstelle zu Sturz gekommen sind, weil Sie ihren Fuß um die Beine um Revlnsp. A. geschlungen haben, und sich hinfallen ließen. Der von Ihnen genannte Zeuge gab auch an, dass der einschreitende Beamte mehrfach versucht hat, sie zu beruhigen (abgemahnt hat). Diese Abmahnungen haben Sie nicht wahr haben wollen und haben Ihre Aggressivität noch gesteigert, zumal nach den Angaben des Herrn L. der Tonfall noch lauter wurde.

Zweifelsfrei haben Sie dadurch auch die Amtshandlung behindert und verzögert.

 

Die Behörde verhehlt es nicht auszudrücken, dass Ihre eigenen Angaben wohl nur zum Schutz bzw. zur Rechtfertigung Ihres eigenen Fehlverhaltens dienen. Für die Bezirkshauptmannschaft Gmunden steht zweifelsfrei fest, dass Sie die in der Anzeige umschriebene Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Aufgrund der oben genannten Ermittlungsergebnisse waren Sie der im Spruch umschriebenen Tat für schuldig zu erkennen.

 

(...) Die verhängte Geldstrafe entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt der begangenen strafbaren Handlung. Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse bzw. allfällige Sorgepflichten haben Sie trotz Aufforderung nicht bekanntgegeben. Es musste eine Einschätzung vorgenommen werden. Die Behörde ging bei der Strafbemessung von einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 1.200,00 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten aus.

 

Im Hinblick auf die Tatumstände, die Milderungs- und Erschwernisgründe erscheint die Verhängung der im Spruch angeführten Geldstrafe unter Hinweis auf den gesetzlichen Strafrahmen als angemessen.

 

Die verhängte Strafe befindet sich im unteren Bereich des im Gesetz vorgesehenen Strafrahmens. Dies erscheint ausreichend, um Sie in Zukunft von der Begehung ähnlicher Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, durch die rechtsfreundliche Vertretung des Bf rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 22. September 2014, in welcher begründend wie folgt ausgeführt wird:

 

Ich fechte den genannten Bescheid seinem gesamten Inhalt nach an und mache als Beschwerdegründe Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend. Im einzelnen führe ich aus:

 

1. Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

In meinen Rechtfertigungsangaben habe ich mich als Beweis auf die Einvernahme des Zeugen Inspektor M. L. berufen. Dieser wurde offenbar auch von der belangten Behörde am 18.08.2014 einvernommen, wie sich aus Seite 2 des angefochtenen Straferkenntnisses ergibt. Die belangte Behörde hat es aber in der Folge unterlassen, mich bzw. meinen ausgewiesenen Vertreter über die erfolgte Zeugeneinvernahme zu informieren. Mir wurde weder das Zeugenprotokoll übermittelt, noch Gelegenheit zur Akteneinsicht vor Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses ermöglicht. Ich war somit nicht in der Lage, eine Stellungnahme zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens abzugeben und wurde dadurch in meinem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf Parteiengehör gröblich verletzt. Wäre mir die Zeugeneinvernahme vor Erlassung des Straferkenntnisses zugestellt worden, hätte ich auf diverse Widersprüchlichkeiten des einvernommenen Zeugen verweisen können und wäre der belangten Behörde für die Erlassung des Straferkenntnisses eine andere Grundlage vorgelegen.

 

Nur beispielhaft sei darauf verwiesen, dass der Zeuge Inspektor M. L. in seiner Zeugenvernehmung vom 30.06.2014 zu B 6/6537/2014 angab, er sei erst um 18.45 Uhr auf der Dienststelle gewesen (und nicht erst gegen 18.30 Uhr). Weiters führte er bei dieser Vernehmung am 30.06.2014 an, dass er erstmals durch lautes Schreien im Journaldienstraum auf die Amtshandlung aufmerksam wurde. Seine Frage an die Kollegen Roman K. und Norbert A., ob es ein Problem gebe, verneinten aber die beiden.

 

Der eigentliche Vorfall spielte sich aber erst nach Abschluss der Amtshandlung, nämlich beim Verlassen des Amtsgebäudes ab. Erst hier kam es zu einer Auseinandersetzung, die ohnehin Gegenstand eines gerichtlichen Strafverfahrens ist und zwar zu 12 Hv 87/2014 m des Landesgerichtes Wels.

 

Tatsache ist, dass ich die Amtshandlungen zuvor anstandslos über mich ergehen ließ und der Grund für die Unstimmigkeiten erst nach Abschluss der Amtshandlung entstand, als ich ersuchte, die Beamten mögen mich nach Hause fahren, zumal ich lediglich mit einem Bademantel bekleidet war.

 

Nachdem die Zeugenaussage M. L., welche mir die belangte Behörde nicht zur Kenntnis brachte, auch mehrere weitere Ungereimtheiten aufweist, bin ich in meinem Verteidigungsrechten aufgrund eines Verfahrensmangels des erstbehördlichen Verfahrens erheblich eingeschränkt worden und wurde das Recht auf Parteiengehör gröblich verletzt.

 

2. Inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides:

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 29.01.2009, ZI. 2006/09/0202, das Erkenntnis vom 06.03.2008, ZI. 2004/09/0154, mit Verweis auf die bei Walter/Thienel, aaO, E9 und 10 zu § 44 a referierte Rechtsprechung), dass die bloße Zitierung des Gesetzeswortlautes nicht die zur rechtlichen Subsumtion erforderlichen Tatsachenfeststellungen ersetzt und es nicht genügt, sich bei der Umschreibung der Tat auf den reinen Gesetzeswortlaut zu beschränken, weil das essenzielle Erfordernis der im Spruch eines verurteilenden Straferkenntnisses gemäß § 44 a Z.1 VStG enthaltenen konkreten Bezeichnung der als erwiesen angenommenen Tat durch eine entsprechende Bescheidbegründung nicht ersetzt werden kann.

 

Abgesehen davon, dass ich mich nicht aggressiv verhalten habe, sondern erst schrie, nachdem ich durch einen Stoß des Beamten PI A. über die Stiege fiel und schwere Verletzungen erlitt, geht weder aus der Anzeige noch aus dem Ermittlungsverfahren der belangten Behörde hervor, bei welcher konkreten Amtshandlung der Beamte Inspektor K. behindert worden wäre, ob die gesamte oder nur ein Teil der Amtshandlung behindert wurde, ob diese allenfalls durch mein Verhalten länger dauerte oder überhaupt nicht ausgeführt werden konnte. Diesbezüglich fehlt es an jeglichem Tatsachensubstrat und somit ist es auch unmöglich, den mir angelasteten Tatbestand überprüfbar zu machen. Aus der Anzeige und auch aus dem nachfolgenden Ermittlungsverfahren ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, ob der erhebende Beamte PI K. Anordnungen aufgestellt hätte, welchen Inhalt diese hatten und inwieweit diese von mir nicht befolgt worden wären. Aus diesem Grund ist daher auch die inhaltsleere Behauptung ich hätte trotz vorausgehender Abmahnung mich aggressiv verhalten, nicht nachvollziehbar, sondern gibt lediglich den Gesetzestext wieder.

 

Jedenfalls habe ich damals die Amtshandlung in keiner Weise behindert oder verzögert, selbst der erhebende Beamte PI K. gab in seiner Beschuldigtenver­nehmung vom 23.06.2014 zu B 6/6537/2014 der Polizeiinspektion A. an, dass er meine Angaben betreffend meine Person überprüft habe und diese korrekt waren. Die Amtshandlungen habe ich also anstandslos über mich ergehen lassen und trat erst nach Beendigung der Amtshandlung ein Problem insofern auf, als ich die Beamten ersuchte, mich nach Hause zu fahren, zumal ich nur mit einem Bademantel bekleidet war.

 

Zusammenfassend ergibt sich daher, dass das angefochtene Straferkenntnis inhaltlich rechtswidrig ist, zumal sich sowohl die Anzeige als auch der angefochtene Bescheid auf die Wiedergabe des Gesetzestextes beschränkt, ohne konkret aufzuzeigen, ob und in welcher Form eine vorausgehende Abmahnung erfolgte und ob bzw. in welcher Form konkret ein aggressives Verhalten meinerseits bestand.

 

Ich beantrage daher, das Verwaltungsgericht wolle eine mündliche Verhandlung anberaumen und meiner Beschwerde Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos beheben und das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

 

3. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 legte die Bezirkshauptmannschaft Gmunden den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Zusätzlich wurde für den 12. November 2014 eine öffentliche Verhandlung vor dem Landesgericht Oberösterreich anberaumt.

 

4.2. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 entschuldigte sich der zur Verhandlung geladene Zeuge Abt.Insp. L., legte jedoch dem Schreiben eine Stellungnahme bei, in der er ua. ausführt:  

(...)

Während ich Arbeiten der Dienstführung verrichtete, wurde ich durch die lauten Rufe des Herrn J. auf die Amtshandlung von Bezlnsp K. und Revlnsp A. im Journaldienstraum aufmerksam. Ich kann mich an lautstarke Beschwerden von Herrn J. wie: „Geben sie mir endlich meine Schlüssel wieder!" oder „das kann doch nicht ihr Ernst sein" und „was soll das alles?" erinnern.

 

Die Stimme des Herrn J. war sehr laut und im Tonfall als herablassend zu bezeichnen. Es war trotz der Entfernung meiner Kanzlei eindeutig hörbar, dass Herr J. seinen Unmut über die Amtshandlung bereits während der Amtshandlung im Journaldienstraum der PI A. lautstark kundmachen wollte und nicht erst wie in seiner Rechtfertigung angeführt beim Verlassen der Dienststelle. Auch Bezlnsp K. konnte Ich zwischenzeitlich immer wieder hören, wie er ebenfalls deutlich über normaler Gesprächslautstärke versuchte Herrn J. zum Verlassen der Dienststelle zu animieren und ihn mehrfach darauf hinwies, dass die Amtshandlung beendet sei.

Meine Angaben in dieser Stellungnahme vom 18.08.2014 halte ich vollinhaltlich aufrecht. Ich darf nochmals darauf hinweisen, dass ich erst durch das deutlich über normaler Gesprächslautstärke geführte Verhalten des Herrn J. auf die Amtshandlung im Journaldienstraum aufmerksam wurde und ich es auf Grund der Lautstärke für notwendig hielt, zu schauen ob bei meinen Kollegen alles in Ordnung ist. Als ich mich auf den Weg nach unten in den Journaldienstraum machte, verließen meine Kollegen mit Herrn J. den Journaldienstraum und gingen Richtung Stiege, wo der weitere, bei der Staatsanwaltschaft anhängige Sachverhalt passierte.

4.3. In der Folge wurde die öffentliche Verhandlung mangels Erforderlichkeit zur Klärung des relevanten Sachverhalts am 4. November 2014 abberaumt.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung zunächst von dem unter Punkt I.1. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus, wobei anzumerken ist, dass der Bf seine lautstark vorgebrachte Forderung auf Rückgabe seines Fahrzeugschlüssels und das damit verbundene Verhalten erst nach Beendigung der Amtshandlung (in Form Identitätsfeststellung, Atemluftkontrolle sowie Abnahme der Fahrzeugschlüssel) setzte.

 

 

II.             

 

Aus der erneuten Stellungnahme des Zeugen L. geht eindeutig hervor, dass das lautstarke Verhalten des Bf zur Wiedererlangung seines Fahrzeugschlüssels erst nach deren Abnahme erfolgte, was im Übrigen auch nachvollziehbar ist. Weiters erinnert sich der Beamte, dass sein Kollege den Bf zum Verlassen der Dienststelle aufgefordert hatte, weil die Amtshandlung beendet sei. Auch daraus geht hervor, dass zum fraglichen Zeitpunkt keine Amtshandlung mehr geführt wurde; im Gegenteil ist davon auszugehen, dass der Bf mit der Beendigung der Amtshandlungen selbst nicht einverstanden war.

 

Die weiteren Geschehnisse sind nicht Inhalt dieses Verwaltungsstrafverfahrens, weshalb auch darauf nicht näher einzugehen ist.  

 

 

III.            

 

1. Gemäß § 82 Abs.1 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

 

2.1. Tatbildlich im Sinn des § 82 Abs. 1 SPG ist sohin ein aggressives Verhalten einer Person gegenüber Organen (wie hier) der öffentlichen Aufsicht, während diese eine Amtshandlung durchführen. Dieses Verhalten muss zudem trotz vorangegangener Abmahnung fortgesetzt werden und darüber hinaus die Durchführung der Amtshandlung behindern.

 

2.2. Unbestritten ist nun zunächst, dass es sich bei den einschreitenden Beamten um Organe der öffentlichen Aufsicht handelte. Weiters steht außer Zweifel, dass diese aufgrund einer telefonischen Anzeige den Bf aufgegriffen und zur PI verbracht hatten, um dort dessen Alkoholisierungsgrad festzustellen. Als Folge daraus wurden ihm auch die Fahrzeugschlüssel abgenommen. Es ist sohin grundsätzlich davon auszugehen, dass verschiedene Amtshandlungen durchgeführt wurden.

 

Zu den gesetzlichen Aufgaben eines Organs zählt insbesondere auch der schlichte Streifen- und Überwachungsdienst und jedenfalls auch das Einschreiten nach einer Anzeige wegen einer Verwaltungsübertretung, um den diesbezüglichen Sachverhalt festzustellen.

 

2.3. Weiters erfordert § 82 Abs. 1 SPG das Vorliegen eines aggressiven Verhaltens.

 

"Aggressiv" bedeutet so viel wie "angreifend" oder "angriffslustig". "Aggression" meint einen Überfall, einen Angriff oder feindseliges Verhalten. Unter aggressivem Verhalten ist ein sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten anzusehen. Das Vertreten eines Rechtsstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt eine angemessene Reaktion, nicht aber ein ungestümes Benehmen dar (vgl. Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, A.5.1. f zu § 82).

 

Weiters ist unter einem aggressiven Verhalten ein solches zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organs zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als "aggressives Verhalten" gewertet werden muss. Solches liegt etwa vor, bei "Gebrauch lautstarker Worte verbunden mit heftiger Gestik gegenüber einem Sicherheitswachebeamten". 

 

So kann unter aggressivem Verhalten auch ein "sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten" angesehen werden. In diesem Sinne reicht nach ständiger Rechtsprechung bereits allein das "Schreien mit einem Aufsichtsorgan" auch noch nach erfolgter Abmahnung zur Erfüllung des Tatbestandes aus (VwGH vom 20.12.1990, 90/10/0056; siehe auch Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, Fn. 14 zu § 82  mit weiteren Verweisen). Da das Gesetz lediglich "aggressives Verhalten" verlangt, bedarf es keiner "besonderen" Aggressivität um den Tatbestand zu erfüllen.

 

Dabei ist der Inhalt der schreiend vorgebrachten Äußerungen prinzipiell gleichgültig. Tatbildlich ist sohin Schreien und / oder heftiges Gestikulieren beides als Ausdruck der Aggressivität. Das Vertreten eines Rechtstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt durchaus eine angemessene Reaktion dar und würde den zur Last gelegten Tatbestand nicht verwirklichen. Es sei denn dies geschieht in aggressiver Weise, denn auch das Vorbringen eines Rechtsstandpunktes berechtigt nicht, durch schreiendes und gestikulierendes Verhalten gegenüber einem Amtsorgan, das gesetzliche Aufgaben wahrnimmt, die in § 82 SPG gesetzten Grenzen zu überschreiten. Die Strafbarkeit ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sich ein Verhalten als Reaktion auf die Art des Einschreitens eines behördlichen Organs darstellt, selbst wenn ein Organ ungesetzliche Anordnungen, zu deren Erlassung das Organ nur abstrakt berechtigt ist, trifft.

 

Im vorliegenden Fall kann zwar durchaus davon ausgegangen werden, dass das Verhalten des Bf die Merkmale von Aggressivität aufwies, allerdings ist hier auf die zeitliche Abfolge der Ereignisse zu achten. Relevant wird sein, ob das Verhalten überhaupt eine Amtshandlung behinderte oder störte.

 

2.4. Hinsichtlich der ebenfalls in § 82 Abs. 1 SPG geforderten vorausgegangenen Abmahnung ist zunächst anzumerken, dass für eine solche keine exakte wörtliche Determinierung besteht. Dem Adressaten muss jedenfalls klar gemacht werden, dass er sein strafbares Verhalten einzustellen und damit die Behinderung der Amtshandlung aufzugeben hat. Diese Abmahnung muss grundsätzlich so vorgetragen werden, dass der Adressat sie auch wahrnehmen kann. Der Erfüllung dieser Verpflichtung steht jedoch nicht entgegen, wenn der Adressat zwar akustisch und sprachlich in der Lage ist die "Botschaft" zu erhalten, jedoch dem aussprechenden Organ keinerlei diesbezügliche Aufmerksamkeit schenken will und somit nicht aufnahmebereit ist.

 

2.5. Es ist nach dem Wortlaut des § 82 Abs. 1 SPG nicht erforderlich, dass die Amtshandlung durch das aggressive Verhalten tatsächlich gänzlich verhindert wird. Tatbildmäßig ist hier zweifelsfrei schon, dass ein geordneter Ablauf bzw. Verlauf einer Amtshandlung merklich gestört und verzögert wird.

 

In der Beschwerde wird nun vorgebracht, dass im vorliegenden Fall gar keine Amtshandlung mehr stattfand bzw. dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht anführte, um welche Amtshandlung es sich gehandelt haben soll.

 

Aus dem Sachverhalt (schon im angefochtenen Bescheid) ergeben sich tatsächlich Zweifel daran, dass zum Zeitpunkt der lautstarken Unmutsäußerungen und Forderungen des Bf die vorgenommenen Amtshandlungen noch nicht beendet gewesen wären. Unterlegt wird dies auch dadurch, dass Abt.Insp. L. in seinen beiden Stellungnahmen konstant feststellte, dass sein Kollege den Bf zum Verlassen der PI aufgefordert habe, weil die Amtshandlung beendet sei. Auch bedingt die Forderung, die im Zuge der Amtshandlung abgenommenen Fahrzeugschlüssel wieder herauszugeben, dass diese Amtshandlung beendet war. Eine weitere Verfügung von Seiten der Beamten wurde – nach deren Darstellung – auch nicht getroffen.

 

Daher ist nicht davon auszugehen, dass das Verhalten des Bf  dazu geeignet war eine Amtshandlung zu behindern oder zu verzögern. Ganz im Gegenteil war er mit dem Ergebnis und der Beendigung der Amtshandlung nicht einverstanden, was aber nicht zur Folge hat, dass diese als dadurch fortgesetzt betrachtet werden kann. Allenfalls liegt in diesem Verhalten ein Hinweis auf eine – hier nicht vorgeworfene – Verwaltungsübertretung.

 

3. Nachdem aber als Konsequenz der obigen Feststellungen nicht vom Vorliegen der objektiven Tatseite ausgegangen werden kann, war der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. 

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.

 

4.2. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree