LVwG-700063/16/BP/JW
Linz, 04.11.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des A. J. J., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K. L., x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 22. August 2014, GZ: Sich96-150-2014, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm. § 82 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes 1979, wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom
22. August 2014, GZ: Sich96-150-2014, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 82 Abs. 1 SPG idgF. eine Geldstrafe in der Höhe von
80 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von
36 Stunden verhängt.
Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:
In ihrer Begründung geht die belangte Behörde zunächst von folgendem Sachverhalt aus:
2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, durch die rechtsfreundliche Vertretung des Bf rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 22. September 2014, in welcher begründend wie folgt ausgeführt wird:
3. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 legte die Bezirkshauptmannschaft Gmunden den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.
4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.
Zusätzlich wurde für den 12. November 2014 eine öffentliche Verhandlung vor dem Landesgericht Oberösterreich anberaumt.
4.2. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 entschuldigte sich der zur Verhandlung geladene Zeuge Abt.Insp. L., legte jedoch dem Schreiben eine Stellungnahme bei, in der er ua. ausführt:
4.3. In der Folge wurde die öffentliche Verhandlung mangels Erforderlichkeit zur Klärung des relevanten Sachverhalts am 4. November 2014 abberaumt.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung zunächst von dem unter Punkt I.1. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus, wobei anzumerken ist, dass der Bf seine lautstark vorgebrachte Forderung auf Rückgabe seines Fahrzeugschlüssels und das damit verbundene Verhalten erst nach Beendigung der Amtshandlung (in Form Identitätsfeststellung, Atemluftkontrolle sowie Abnahme der Fahrzeugschlüssel) setzte.
II.
Aus der erneuten Stellungnahme des Zeugen L. geht eindeutig hervor, dass das lautstarke Verhalten des Bf zur Wiedererlangung seines Fahrzeugschlüssels erst nach deren Abnahme erfolgte, was im Übrigen auch nachvollziehbar ist. Weiters erinnert sich der Beamte, dass sein Kollege den Bf zum Verlassen der Dienststelle aufgefordert hatte, weil die Amtshandlung beendet sei. Auch daraus geht hervor, dass zum fraglichen Zeitpunkt keine Amtshandlung mehr geführt wurde; im Gegenteil ist davon auszugehen, dass der Bf mit der Beendigung der Amtshandlungen selbst nicht einverstanden war.
Die weiteren Geschehnisse sind nicht Inhalt dieses Verwaltungsstrafverfahrens, weshalb auch darauf nicht näher einzugehen ist.
III.
1. Gemäß § 82 Abs.1 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.
2.1. Tatbildlich im Sinn des § 82 Abs. 1 SPG ist sohin ein aggressives Verhalten einer Person gegenüber Organen (wie hier) der öffentlichen Aufsicht, während diese eine Amtshandlung durchführen. Dieses Verhalten muss zudem trotz vorangegangener Abmahnung fortgesetzt werden und darüber hinaus die Durchführung der Amtshandlung behindern.
2.2. Unbestritten ist nun zunächst, dass es sich bei den einschreitenden Beamten um Organe der öffentlichen Aufsicht handelte. Weiters steht außer Zweifel, dass diese aufgrund einer telefonischen Anzeige den Bf aufgegriffen und zur PI verbracht hatten, um dort dessen Alkoholisierungsgrad festzustellen. Als Folge daraus wurden ihm auch die Fahrzeugschlüssel abgenommen. Es ist sohin grundsätzlich davon auszugehen, dass verschiedene Amtshandlungen durchgeführt wurden.
Zu den gesetzlichen Aufgaben eines Organs zählt insbesondere auch der schlichte Streifen- und Überwachungsdienst und jedenfalls auch das Einschreiten nach einer Anzeige wegen einer Verwaltungsübertretung, um den diesbezüglichen Sachverhalt festzustellen.
2.3. Weiters erfordert § 82 Abs. 1 SPG das Vorliegen eines aggressiven Verhaltens.
"Aggressiv" bedeutet so viel wie "angreifend" oder "angriffslustig". "Aggression" meint einen Überfall, einen Angriff oder feindseliges Verhalten. Unter aggressivem Verhalten ist ein sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten anzusehen. Das Vertreten eines Rechtsstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt eine angemessene Reaktion, nicht aber ein ungestümes Benehmen dar (vgl. Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, A.5.1. f zu § 82).
Weiters ist unter einem aggressiven Verhalten ein solches zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organs zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als "aggressives Verhalten" gewertet werden muss. Solches liegt etwa vor, bei "Gebrauch lautstarker Worte verbunden mit heftiger Gestik gegenüber einem Sicherheitswachebeamten".
So kann unter aggressivem Verhalten auch ein "sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten" angesehen werden. In diesem Sinne reicht nach ständiger Rechtsprechung bereits allein das "Schreien mit einem Aufsichtsorgan" auch noch nach erfolgter Abmahnung zur Erfüllung des Tatbestandes aus (VwGH vom 20.12.1990, 90/10/0056; siehe auch Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, Fn. 14 zu § 82 mit weiteren Verweisen). Da das Gesetz lediglich "aggressives Verhalten" verlangt, bedarf es keiner "besonderen" Aggressivität um den Tatbestand zu erfüllen.
Dabei ist der Inhalt der schreiend vorgebrachten Äußerungen prinzipiell gleichgültig. Tatbildlich ist sohin Schreien und / oder heftiges Gestikulieren beides als Ausdruck der Aggressivität. Das Vertreten eines Rechtstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt durchaus eine angemessene Reaktion dar und würde den zur Last gelegten Tatbestand nicht verwirklichen. Es sei denn dies geschieht in aggressiver Weise, denn auch das Vorbringen eines Rechtsstandpunktes berechtigt nicht, durch schreiendes und gestikulierendes Verhalten gegenüber einem Amtsorgan, das gesetzliche Aufgaben wahrnimmt, die in § 82 SPG gesetzten Grenzen zu überschreiten. Die Strafbarkeit ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sich ein Verhalten als Reaktion auf die Art des Einschreitens eines behördlichen Organs darstellt, selbst wenn ein Organ ungesetzliche Anordnungen, zu deren Erlassung das Organ nur abstrakt berechtigt ist, trifft.
Im vorliegenden Fall kann zwar durchaus davon ausgegangen werden, dass das Verhalten des Bf die Merkmale von Aggressivität aufwies, allerdings ist hier auf die zeitliche Abfolge der Ereignisse zu achten. Relevant wird sein, ob das Verhalten überhaupt eine Amtshandlung behinderte oder störte.
2.4. Hinsichtlich der ebenfalls in § 82 Abs. 1 SPG geforderten vorausgegangenen Abmahnung ist zunächst anzumerken, dass für eine solche keine exakte wörtliche Determinierung besteht. Dem Adressaten muss jedenfalls klar gemacht werden, dass er sein strafbares Verhalten einzustellen und damit die Behinderung der Amtshandlung aufzugeben hat. Diese Abmahnung muss grundsätzlich so vorgetragen werden, dass der Adressat sie auch wahrnehmen kann. Der Erfüllung dieser Verpflichtung steht jedoch nicht entgegen, wenn der Adressat zwar akustisch und sprachlich in der Lage ist die "Botschaft" zu erhalten, jedoch dem aussprechenden Organ keinerlei diesbezügliche Aufmerksamkeit schenken will und somit nicht aufnahmebereit ist.
2.5. Es ist nach dem Wortlaut des § 82 Abs. 1 SPG nicht erforderlich, dass die Amtshandlung durch das aggressive Verhalten tatsächlich gänzlich verhindert wird. Tatbildmäßig ist hier zweifelsfrei schon, dass ein geordneter Ablauf bzw. Verlauf einer Amtshandlung merklich gestört und verzögert wird.
In der Beschwerde wird nun vorgebracht, dass im vorliegenden Fall gar keine Amtshandlung mehr stattfand bzw. dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht anführte, um welche Amtshandlung es sich gehandelt haben soll.
Aus dem Sachverhalt (schon im angefochtenen Bescheid) ergeben sich tatsächlich Zweifel daran, dass zum Zeitpunkt der lautstarken Unmutsäußerungen und Forderungen des Bf die vorgenommenen Amtshandlungen noch nicht beendet gewesen wären. Unterlegt wird dies auch dadurch, dass Abt.Insp. L. in seinen beiden Stellungnahmen konstant feststellte, dass sein Kollege den Bf zum Verlassen der PI aufgefordert habe, weil die Amtshandlung beendet sei. Auch bedingt die Forderung, die im Zuge der Amtshandlung abgenommenen Fahrzeugschlüssel wieder herauszugeben, dass diese Amtshandlung beendet war. Eine weitere Verfügung von Seiten der Beamten wurde – nach deren Darstellung – auch nicht getroffen.
Daher ist nicht davon auszugehen, dass das Verhalten des Bf dazu geeignet war eine Amtshandlung zu behindern oder zu verzögern. Ganz im Gegenteil war er mit dem Ergebnis und der Beendigung der Amtshandlung nicht einverstanden, was aber nicht zur Folge hat, dass diese als dadurch fortgesetzt betrachtet werden kann. Allenfalls liegt in diesem Verhalten ein Hinweis auf eine – hier nicht vorgeworfene – Verwaltungsübertretung.
3. Nachdem aber als Konsequenz der obigen Feststellungen nicht vom Vorliegen der objektiven Tatseite ausgegangen werden kann, war der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.
4.2. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree