LVwG-600536/2/Bi/JW

Linz, 10.11.2014

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn H. P., F., S., vom 24. September 2014 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 8. September 2014, VerkR96-3780-2014, wegen Übertretung der StVO 1960 zu Recht  e r k a n n t:

 

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt wird.

 

 

II.

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.6 Z1 B-VG unzulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 17 Abs.4 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 60 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 Euro auferlegt. Zugrundegelegt wurde laut Schuldspruch, er sei am 12. Mai 2014, 8.29 Uhr, als Lenker des Pkw x im Ortsgebiet M., B. Straße bzw L147 bei km 18.196, an Fahrzeugen, die gemäß § 18 Abs.3 StVO angehalten hätten, vorbeigefahren, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorhanden gewesen seien.  

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG anzusehen, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt wurde, das gemäß Art.131 B-VG darüber zu entscheiden hat. Eine (nicht beantragte) mündliche Verhandlung konnte entfallen (§ 24 Abs.3 VwGVG).

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, es sei richtig, dass er von S. kommend in Richtung L.straße gefahren sei. Nachdem sich die Bahn­schranken in M. sehr bald schließen und sehr lange geschlossen seien, habe sich vor dem Bahnschranken ein Rückstau gebildet. Die B147 sei eine 2spurige Straße mit Gegenverkehr, wobei aus Richtung Stadtplatz kein Fahrzeug kommen habe können. Ein Einfahren in die B147 sei in Richtung S. nur von der benachrangten L.straße möglich. Die Reihe der anhaltenden Fahrzeuge vor ihm (8 laut Anzeige) habe nicht bis zu einer Querstraße, einem Schutzweg oder einer die Fahrbahn querenden Gleisanlage zurückgereicht. Er habe in die L.straße einbiegen wollen, sich überzeugt, dass sich im Bereich L.straße/Kreuzung B147 kein Fahrzeug im Gegenverkehr befunden habe und habe den Fahrstreifen nach links gewechselt. Er habe Sicht auf die genannten Kreuzung gehabt, in der L.straße sei kein Fahrzeug gestanden. Er sei an den anhaltenden Fahrzeugen vorbeigefahren und in die L.straße eingebogen. Dabei habe er kein anderes Fahrzeug behindert oder gefährdet, zumal Fahrzeuge aus der L.straße benachrangt seien. Km 18.196 sei etwa 50 bis 60m von der Kreuzung mit der L.straße entfernt, die Kreuzung sei einsehbar und mündet nur diese dort in die B147 ein. Es komme dort zu langen Kolonnen, mehrmals täglich bildeten sich dort Staus. Nach dem Öffnen des Bahnschrankens sei ein Linkseinbiegen schwer möglich und es komme dadurch zu weiteren Staus, weshalb seine geschilderte Vorgangsweise, die täglich mehrmals von anderen Lenkern praktiziert werde, dem Verkehrsfluss diene. Er habe nach seiner Meinung die ihm vorgeworfene Übertretung nicht begangen, zumal auch der VwGH ein allgemeines Verbot des Vorbeifahrens an vor geschlossenen Bahnschranken anhaltenden Fahrzeugen dem § 17 Abs.4 nicht entnehmen könne und der UVS Steiermark ähnlich entschieden habe.

Beantragt wird Verfahrenseinstellung, in eventu Strafherabsetzung, da er keine Verwaltungsübertretung begehen habe wollen. Auf eine mündliche Verhandlung wird ausdrücklich verzichtet.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz und in rechtlicher Hinsicht erwogen:      

Gemäß § 17 Abs.4 StVO darf an Fahrzeugen, die gemäß § 18 Abs. 3 anhalten, nur vorbeigefahren werden, wenn wenigstens zwei Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung vorhanden sind, auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr die Fahrbahnmitte oder eine zur Trennung der Fahrtrichtungen angebrachte Sperrlinie nicht überfahren wird und für den weiteren Fahrstreifen nicht auch schon die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 gegeben sind.

Gemäß § 18 Abs.3 StVO haben, wenn die Lenker hintereinanderfahrender Fahrzeuge anhalten müssen und die Reihe der anhaltenden Fahrzeuge auf dem betreffenden Fahrstreifen bis zu einer Querstraße, einem Schutzweg, einer Radfahrerüberfahrt oder einer die Fahrbahn querenden Gleisanlage zurückreicht,  die Lenker weiterer auf demselben Fahrstreifen herannahender Fahrzeuge so anzuhalten, dass der Verkehr auf der Querstraße, dem Schutzweg, der Radfahrerüberfahrt oder Gleisanlage nicht behindert wird.

 

Aus dem DORIS-Foto ist ersichtlich, dass aus Richtung S. gesehen nur die L.straße links unmittelbar vor dem Bahnübergang in die B147 einmündet, dh von rechts kann kein Fahrzeug kommen. Die B. Straße ist 2spurig, dh sie weist nur einen Fahrstreifen in jede Richtung auf. Damit liegen aber die Voraussetzungen des § 17 Abs.4 StVO – wenigstens 2 Fahrstreifen in jede Richtung und Nichtüberfahren der Fahrbahnmitte – nicht vor, weshalb allein deswegen schon der Tatbestand des § 17 Abs.4 StVO durch die unbestritten gebliebene Vorgangsweise des Bf verwirklicht wurde.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.  

 

Zu bedenken ist aber, dass tatsächlich keine Gefahr von den anhaltenden Fahrzeugen ausgehen konnte, von rechts kommend auf der gesamten Strecke von km 18.196 bis zum Bahnübergang kein Fahrzeug die B147 befahren konnte, aus Richtung Stadtplatz die Straße durch den geschlossen Bahnschranken abgesperrt war und die (auch gemäß der Anzeige glaubhaft damals nicht vorhandenen) aus der L.straße kommenden Fahrzeuge ohnehin dem Querverkehr Vorrang zu geben hatten.

Damit ist aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes das Verschulden des Bf als gering, weil wohl überlegt, anzusehen, wobei die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes („Verkehrssicherheit“) ebenfalls als gering und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch das Verhalten des Bf als tatsächlich nicht vorhanden einzustufen sind, zumal die Übertretung keine Folgen nach sich zog. Damit war der Beschwerde insofern Folge zu geben, als bei einer konkret solchen Verkehrssituation wie der gegenständlich vom Bf geschilderten zwar sein Verhalten in Bezug auf § 17 Abs.4 StVO rechtswidrig ist, aber ein Abhalten des Bf von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art aus den von ihm selbst nachvollziehbar und glaubhaft dargestellten Überlegungen nicht erforderlich scheint. Der Bf wird in Zukunft voraussichtlich wieder in eine derartige Verkehrssituation im dortigen Straßenabschnitt kommen. Er hat aber durch seine Überlegungen gezeigt, dass er sich aller in der konkreten örtlichen Situation drohenden Gefahren wohlbewusst ist. Daher war auch der Ausspruch einer Ermahnung nicht erforderlich und eine Einstellung des Verfahrens gerechtfertigt, wobei naturgemäß keine Verfahrenskosten anfallen.

 

 

zu II.:

 

Der Entfall eines Beitrages zum Beschwerdeverfahren gründet sich auf § 52 Abs.8 VwGVG.   

 

Zu III.:

Die ordentliche Revision des Beschwerdeführers ist auf der Grundlage des § 25a Abs.4 VwGG nicht zulässig – gemäß dieser Bestimmung ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs.6 Z1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Bissenberger