LVwG-150142/2/AL
Linz, 29.08.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde des Ing. MZ, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. RM, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 7. Oktober 2013, Z BauR96-7-2012, betreffend Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 7. Oktober 2013, Z BauR96-7-2012 ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1.1. Mit behördlichem Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Wimsbach-Neydharting vom 6.5.2011 wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) als Eigentümer der Liegenschaft B, aufgrund konsensloser Baumaßnahmen gem § 49 Oö. Bauordnung – Oö. BauO ein Beseitigungsauftrag mit einer Frist zur Beseitigung und Wiederherstellung des vorigen Zustandes von zwei Monaten verhängt.
Der Versuch, dem Bf dieses Schreiben mittels RSb zuzustellen, scheiterte. Eine Hinterlegung des Schriftstückes wurde – wie sich aus dem vorliegenden Akt ergibt – nach Auskunft der Post nicht vorgenommen, da der Bf der Post seine „Ortsabwesenheit“ gemeldet habe. Nach Auskunft eines Mitarbeiters der Post solle die Gemeinde daher eine „Hinterlegung ohne Zustellungsversuch“, was rechts oben am RSb-Kopf zu vermerken sei, anordnen. Dies ist laut Aktenvermerk am 5.7.2011 tatsächlich so erfolgt; der Briefträger nahm das mit entsprechendem Vermerk versehene RSb-Schreiben von der belangten Behörde mit und wies darauf hin, dass er dem Bf, so er ihn einmal sehen würde, ausrichten würde, dass das Schreiben für ihn hinterlegt sei. (Vgl den im Akt einliegenden Aktenvermerk vom 5.7.2011, ON 24 des Verwaltungsaktes.) Dieses RSb-Schreiben wurde laut Vermerk auf dem Rückschein bei der Postservicestelle „PS Wögerer“ hinterlegt und am 2.8.2011 mit dem Vermerk „Nicht behoben“ an die Gemeinde zurückgesendet.
Wie aus dem vorliegenden Verwaltungsakt ersichtlich, teilte die Postzustellbasis Lambach mit, dass der Bf bei der Post dauerhaft als „ortsabwesend“ gemeldet sei, obgleich davon ausgegangen werde, dass der Bf an der bezogenen Hauptwohnsitzadresse als wohnhaft anzutreffen sein müsste.
Mit Schreiben vom 15.3.2012 ersuchte die belangte Behörde die Polizeiinspektion Lambach um Überprüfung, ob der Bf an der genannten Adresse tatsächlich anzutreffen sei und gegebenenfalls um Ausforschung und Mitteilung des tatsächlichen Wohnsitzes sowie um nachweisliche Zustellung eines beigefügte behördlichen Schreibens. Mit Kurzbrief vom 26.3.2012 wurde der belangten Behörde seitens der Polizei mitgeteilt, dass der Bf am 26.3.2012 bei der Polizeiinspektion Lambach gewesen und ihm die behördlichen Schreiben persönlich ausgehändigt worden seien. Weiters habe der Bf angegeben, dass die genannte Adresse „sein tatsächlicher Wohnsitz sei“.
Laut Aktenvermerk vom 27.6.2011 sowie vom 5.7.2011 (ohne Unterschrift und Namen; im Akt einliegend unter ON 18 und ON 27) wurde das gemeindebehördliche Schreiben vom 6.5.2011 über den Beseitigungsauftrag in weiterer Folge am 31.5.2011 per E-Mail an den Bf übermittelt, wenngleich keine Reaktion seitens des Bf darauf erfolgte.
Weiters habe ein Gemeindebediensteter den Bf am 27.6.2011 am Marktplatz der Gemeinde angetroffen und „ihn gefragt, ob er diesen Bescheid erhalten habe. Denn sonst hätte [der Gemeindebedienstete] ihm nochmals eine Ausfertigung nachweislich zugestellt. In unfreundlicher Art und Weise erwiderte er ‚dass ihn dies nicht interessiere‘. Er stieg hastig in sein Auto und fuhr davon.“ (Vgl den im Verwaltungsakt zu ON 18 einliegenden Aktenvermerk des Gemeindebediensteten vom 27.6.2011.)
Mit Schreiben vom 7.11.2011 ersuchte der Bürgermeister der Gemeinde Bad Wimsbach-Neydharting die belangte Behörde um Durchführung der Ersatzvornahme. Mit Schreiben vom 12.3.2012, dem Bf im Übrigen erfolgreich an seiner Wohnanschrift zugestellt per RSb am 26.3.2012 (!), erging seitens der belangten Behörde die Androhung der Ersatzvornahme mit einer Frist von zwei Monaten.
1.2. Mit Eingabe vom 10.4.2012 gab die rechtsfreundliche Vertretung des Bf das Vertretungsverhältnis hinsichtlich des vollstreckungsbehördlichen Ersatzvornahmeverfahrens bekannt und stellte den Antrag auf Bescheidzustellung. Hinsichtlich des angeblichen Zustellversuchs am Marktplatz vom 27.6.2011 wird darin ausgeführt, dass damit kein „rechtsgültiger Zustellversuch durch die Behörde vorgenommen wurde.“
Mit Schreiben vom 12.4.2012 wurde der Bf durch die Gemeinde auf eine erfolgte Zustellung durch Hinterlegung hingewiesen und festgehalten: „Ihrem Antrag auf abermalige Zustellung des Bescheides kann somit aus oben genannten Gründen nicht entsprochen werden.“
Gegen dieses Schreiben wurde mit Eingabe der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf vom 27.4.2012 Berufung eingebracht, über die dem vorliegenden Verwaltungsakt zufolge noch nicht entschieden wurde.
Mit Schreiben der Gemeinde an die belangte Behörde vom 18.6.2012 wurden die unter Punkt 1.2. genannten Schriftstücke der belangten Behörde zur Kenntnis übermittelt und Folgendes festgehalten: „Aus unserer Sicht ist der Bescheid in Rechtskraft erwachsen und werden unverzüglich entsprechende Maßnahmen der Bezirkshauptmannschaft erwartet.“
1.3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 7.10.2013 erging schließlich der gegenständlich bekämpfte Bescheid über die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme. Dieser Bescheid wurde dem Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung am 10.10.2013 zugestellt.
Der Spruch dieses Bescheides lautet wörtlich wie folgt:
„Sie haben die Ihnen mit rechtskräftigem Bescheid der Marktgemeinde Bad Wimsbach-Neydharting vom 6.5.2011, Zahl 131-1-Z/2011/St, auferlegte Verpflichtung, welche darin besteht, auf Ihrer Liegenschaft konsenslos errichtete bauliche Anlagen … innerhalb von zwei Monaten zu beseitigen und den vorigen Zustand wieder hierzustellen nicht erfüllt.
Als Vorauszahlung für die Kosten der Ihnen mit Schreiben vom 12.3.2012, Zahl BauR1-4-2012 … angedrohten Ersatzvornahme haben Sie
624 Euro bei uns zu hinterlegen.
Rechtsgrundlage: § 4 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes“.
Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass es zutreffe, dass es keine Verpflichtung gebe, das persönlich auf dem Marktplatz übergebene Schreiben anzunehmen. Da aber bekannt geworden sei, dass der Bf bei der Post beständig als „ortsabwesend“ gelte, sei bisher die Zustellung behördlicher Schreiben nicht möglich gewesen, da diese Schreiben regelmäßig wieder an die absendende Behörde zurückzustellen wären und als unzustellbar gelten, obwohl der Bf seit 5.1.2007 durchgehend an dieser Wohnadresse gemeldet sei. Die Gemeinde habe sich zuletzt zu Recht mit der Hinterlegung des Schriftstückes am Gemeindeamt ohne Zustellversuch beholfen, da die Verleugnung der Anwesenheit des Empfängers als Verweigerung der Annahme gelte. Der Bescheid sei daher rechtmäßig zugestellt.
1.4. Mit Eingabe vom 23.10.2013, eingebracht per Fax vom 24.10.2013, wurde Berufung gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhoben und insbesondere die Argumentation wiederholt, dass der Titelbescheid über den Beseitigungsauftrag mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht rechtskräftig sei.
2.1. Mit Schreiben vom 24.10.2013 legte die belangte Behörde der Landesregierung die Berufung gegen den Bescheid über die Vorauszahlung der Ersatzvornahme zur Entscheidung vor.
2.2. Mit Schreiben vom 16.12.2013, eingelangt am 2.1.2014, wurde die Berufung schließlich seitens der Landesregierung dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung weitergeleitet.
II.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt. Der unter Punkt I. dargelegte Sachverhalt und Verfahrensverlauf ergibt sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Verwaltungsakten.
Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits nach der Aktenlage hinreichend geklärt war, sohin lediglich Rechtsfragen zu beantworten waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
III.
1. Gem § 10 Abs 3 Z 3 VVG, BGBl 1991/53 idF BGBl I 2012/50 ging die vorliegende Berufung im Vollstreckungsverfahren in einer Angelegenheit der Landesverwaltung an die Landesregierung. Da die Berufungsfrist vor Ablauf des 31. Dezember 2013 endete, war die gegenständliche Berufung nicht gem § 3 Abs 1 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz zu behandeln. Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich ergibt sich vielmehr aus der Übergangsbestimmung des Art 151 Abs 51 Z 8 letzter Satz B-VG idF der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, wonach die bei sonstigen Behörden als im Instanzenzug übergeordneten Behörden anhängigen Verfahren mit Ablauf des 31. Dezember 2013 auf die Verwaltungsgerichte übergehen. Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich ergibt sich abschließend aus Art 131 Abs 1 B-VG und dem Nichtvorliegen von abweichenden Regelungen in den Absätzen 2 und 3 leg cit.
Die nunmehr als Beschwerde zu wertende Berufung des Bf ist daher zulässig.
2. Gem § 10 Abs 1 VVG, BGBl 1991/53 idF BGBl I 2012/50 iVm § 63 Abs 5 AVG war die nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung binnen zwei Wochen ab Zustellung bei der belangten Behörde einzubringen. Der Bescheid der belangten Behörde wurde dem Bf am 10.10.2013 zugestellt. Die dagegen erhobene als Beschwerde zu wertende Berufung ist am 24.10.2013 per Fax bei der belangten Behörde eingelangt.
Die Beschwerde ist daher auch rechtzeitig.
3. Das Zustellgesetz – ZustG, BGBl 1982/200 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2010/111, lautet auszugsweise:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeuten die Begriffe:
…
4. ‚Abgabestelle‘: die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort;…“
„Durchführung der Zustellung
§ 3. Soweit die für das Verfahren geltenden Vorschriften nicht eine andere Form der Zustellung vorsehen, hat die Zustellung durch einen Zustelldienst, durch Bedienstete der Behörde oder, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Raschheit gelegen ist, durch Organe der Gemeinden zu erfolgen.“
„Hinterlegung
§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen. …“
„Zurückstellung an die Behörde
§ 19. (1) Dokumente, die weder zugestellt werden können noch nachzusenden sind oder die zwar durch Hinterlegung zugestellt, aber nicht abgeholt worden sind, sind der Behörde zurückzustellen.
(2) Auf dem Dokument ist der Grund der Zurückstellung zu vermerken.
„Verweigerung der Annahme
§ 20. (1) Verweigert der Empfänger oder ein im gemeinsamen Haushalt mit dem Empfänger lebender Ersatzempfänger die Annahme ohne Vorliegen eines gesetzlichen Grundes, so ist das Dokument an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, nach § 17 ohne die dort vorgesehene schriftliche Verständigung zu hinterlegen.
(2) Zurückgelassene Dokumente gelten damit als zugestellt.
(3) Wird dem Zusteller der Zugang zur Abgabestelle verwehrt, verleugnet der Empfänger seine Anwesenheit, oder läßt er sich verleugnen, so gilt dies als Verweigerung der Annahme.“
„Hinterlegung ohne Zustellversuch
§ 23. (1) Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, daß ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.
…
(4) Das so hinterlegte Dokument gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.“
„Zustellung am Ort des Antreffens
§ 24a. Dem Empfänger kann an jedem Ort zugestellt werden, an dem er angetroffen wird, wenn er
1. zur Annahme bereit ist oder
2. über keine inländische Abgabestelle verfügt.“
IV.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat im Rahmen des durch §§ 27 und 9 Abs 1 Z 3 und Z 4 VwGVG normierten Prüfungsumfangs durch seine gem § 2 VwGVG zuständige Einzelrichterin erwogen:
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Vollstreckung die Herstellung des im Bescheid einer Verwaltungsbehörde geforderten Zustandes mit behördlichem Zwang. Voraussetzung für jede Vollstreckung ist daher ein (rechtskräftiger) Leistungsbescheid einer Verwaltungsbehörde als Vollstreckungstitel. (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht – Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten5 [2014] Rz 972 f mN aus der Rechtsprechung.)
§ 4 VVG sieht die Durchsetzbarkeit vertretbarer Leistungen – nach vorausgehender Androhung – durch Anordnung der Ersatzvornahme vor, wobei eine Kostenvorauszahlung mittels eigenständigen verfahrensrechtlichen, sofort vollstreckbaren Bescheides aufgetragen werden kann. Voraussetzung für die Ersatzvornahme – und damit auch für die Anordnung einer Kostenvorauszahlung – ist das Vorliegen eines vollstreckbaren Vollstreckungstitels (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht – Verfahren vor den Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten5 [2014] Rz 986 mN aus der Rechtsprechung.)
Im vorliegenden Fall wurde seitens der belangten Behörde die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme aufgetragen, da der Bf die ihm durch den gemeindebehördlichen Beseitigungsauftrag vom 6.5.2011 auferlegte Verpflichtung nicht fristgerecht erfüllt habe.
Es ist daher in weitere Folge zu prüfen, ob das bezogene behördliche Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Wimsbach-Neydharting über die Beseitigung baulicher Anlagen und die Wiederherstellung des vorigen Zustandes vom 6.5.2011, Z 131-1-Z/2011/St, einen vollstreckbaren Vollstreckungstitel darstellt.
2. Es stellt sich daher die Frage, ob der gemeindebehördliche Beseitigungsauftrag als Bescheid erlassen wurde, da nur ein solcher einen tauglichen Vollstreckungstitel bilden kann. Dabei ist zu bedenken, dass ein Bescheid erst durch seine Zustellung als erlassen gilt. Im vorliegenden Fall ist gerade diese Frage einer rechtmäßigen Zustellung fraglich. Nur wenn der Beseitigungsauftrag der Gemeinde dem Bf auch rechtmäßig zugestellt wurde, kann er als tauglicher Vollstreckungstitel im anhängigen Vollstreckungsverfahren qualifiziert werden.
3. Wie unter Punkt I. dargelegt, scheiterte der ursprüngliche Zustellversuch mit RSb, da die zuständige Poststelle eine Hinterlegung aufgrund der Ortsabwesenheitsmeldung des Bf nicht vornahm. Daraufhin wurde nach Anraten eines Postberaters seitens der Gemeinde eine „Hinterlegung ohne Zustellversuch“ angeordnet, was dazu führte, dass das RSb-Schreiben bei der örtlichen Postservicestelle ohne vorangehenden Zustellversuch hinterlegt wurde.
Nach § 2 ZustG in der hier anzuwendenden Fassung ist als „Abgabestelle“ ua die Wohnung oder sonstige Unterkunft des Empfängers zu verstehen. Dies setzt voraus, dass der Empfänger diese tatsächlich benützt, dass er dort gewöhnlich nächtigt und sich aufhält (mN aus Lehre und Rspr Raschauer/Sander/Wessely [Hrsg], Österreichisches Zustellrecht – Kommentar [2007], Rz 7 zu § 2 ZustG).
Nach § 17 Abs 1 ZustG ist das zuzustellende Dokument, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, zu hinterlegen.
Zwar hat der Bf eine dauerhafte „Ortsabwesenheit“ bei der Post gemeldet. Eine derartige Meldung hat aber freilich keine bindende Wirkung und ist daher sehr wohl eine Hinterlegung vorzunehmen, wenn ein regelmäßiger Aufenthalt an der Abgabestelle anzunehmen ist. Eben dies trifft aber im vorliegenden Fall zu. So ist dem vorliegenden Verfahrensakt – wie unter Punkt I. dargelegt – eindeutig zu entnehmen, dass sowohl die Gemeindebehörde als auch die Post selbst von einem regelmäßigen Aufenthalt des Bf an seiner Meldeadresse ausgingen. Dies wurde im Übrigen auch vom Bf selbst mit seinen eindeutigen Angaben bei der Polizei bestätigt. Allein die Tatsache des Vorliegens einer - im Übrigen nicht verifizierbaren – Ortsabwesenheitsmeldung des Bf bei der Post lässt daher (mag ihr auch eine gewisse Indizwirkung zukommen) nicht den Schluss zu, der Empfänger sei nicht regelmäßig an seiner Wohnanschrift aufhältig. Dies wird im Übrigen auch dadurch bestätigt, dass dem Bf – wie sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt ebenfalls eindeutig ergibt – immer wieder auch behördliche Schriftstücke an seiner Meldeadresse postalisch zugestellt werden konnten, dass der zuständige Briefträger ihn immer wieder an seiner Meldeadresse antraf und schließlich auch dass der Bf einem Behördenvertreter am hiesigen Marktplatz begegnete.
Eine andere Sichtweise würde gerade dem im gegenständlichen Fall im Raum stehenden Vorwurf eines Missbrauchs Tür und Tor öffnen. Eine Hinterlegung wäre daher nach Auffassung der erkennenden Richterin wohl durchaus zulässig gewesen. Dass die zuständige Poststelle eine solche Vorgehensweise zu Unrecht verweigerte, kann dabei freilich nicht zu Lasten des Bf gehen.
Darüberhinaus stellte die missbräuchlich verwendete Ortsabwesenheitsmeldung bei der Post – wie die Gemeindebehörde richtiger Weise annahm – einen Verweigerungsgrund nach § 20 ZustG dar. Nach dieser Bestimmung ist im Falle einer Annahmeverweigerung – die im Falle einer missbräuchlich verwendeten dauerhaften (!) Ortsabwesenheitsmeldung trotz regelmäßigen Aufenthalts an der in Rede stehenden Meldeadresse jedenfalls vorliegt – die Sendung an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, nach § 17 ohne die dort vorgesehene schriftliche Verständigung zu hinterlegen. Wird die Annahme daher – wie im vorliegenden Fall – ungerechtfertigt verweigert, ist die Sendung „primär an der Abgabestelle zurückzulassen“; sie gilt mit dem Zurücklassen als zugestellt. Nur für den Fall, dass das Zurücklassen an der Abgabestelle faktisch nicht möglich ist, ist das Schriftstück zu hinterlegen. „Erfolgt die Hinterlegung jedoch, obwohl ein Zurücklassen möglich gewesen wäre, treten die genannten Folgen nicht ein; es liegt ein Zustellmangel vor“ (mN aus Rspr und Lehre Raschauer/Sander/Wessely [Hrsg], Österreichisches Zustellrecht – Kommentar [2007], Rz 5 zu § 20 ZustG). Faktisch nicht möglich wäre ein Zurücklassen etwa, „wenn die Abgabestelle der Ort der Amtshandlung ist“ (Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht³ [2005] Rz 238). Im vorliegenden Verfahrensakt finden sich aber keinerlei Hinweise, weshalb ein Zurücklassen des behördlichen Schreibens an der Meldeadresse des Bf als seiner Abgabestelle faktisch nicht möglich gewesen sein sollte; vielmehr ist davon auszugehen, dass selbst für den Fall, dass ein Briefkasten nicht vorhanden gewesen sein sollte, ein Zurücklassen an der Wohnungs-/Garten- oder Eingangstür jedenfalls faktisch möglich gewesen wäre.
Im vorliegenden Fall hätte daher eine Zustellung durch Zurücklassen an der Abgabestelle bewirkt werden können; entgegen dem behördlichen Vorbringen wäre eine Hinterlegung in diesem Fall jedenfalls unzulässig gewesen und hätte einen entsprechenden Zustellmangel bewirkt.
4. Weiters erfolgte eine Mitteilung der Post gegenüber der Gemeinde, dass eine Vorgehensweise mit „Hinterlegung ohne Zustellversuch“ notwendig sei. Eine solche „Rechtsauskunft“ der Post kann aber freilich allein nicht zu deren Rechtmäßigkeit führen. Nach § 23 ZustG in der hier anzuwendenden Fassung ist eine Hinterlegung ohne Zustellversuch zulässig, wenn die Behörde aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift dies entsprechend angeordnet hat. Für eine solche Vorgehensweise ist demnach eine entsprechende „gesetzliche Vorschrift“ notwendig. „§ 23 ermächtigt nicht selbst zur Hinterlegung ohne Zustellversuch, sondern knüpft an solche Bestimmungen an, die entsprechende Ermächtigungen enthalten.“ Zu nennen ist dabei etwa § 8 Abs 2 leg cit (Änderung der Abgabestelle). (MN aus Rspr und Lehre Raschauer/Sander/Wessely [Hrsg], Österreichisches Zustellrecht – Kommentar [2007], Rz 2 zu § 23 ZustG.)
Das Vorliegen einer solchen „gesetzliche Vorschrift“ zur Hinterlegung ohne Zustellversuch ist für die zur Entscheidung berufene Richterin des Oö. Landesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Fall aber nicht erkennbar und wurde auch von Seiten der Behörde nicht dargelegt. In Ermangelung einer diesbezüglichen gesetzlichen Ermächtigung war daher eine Hinterlegung ohne Zustellversuch – entgegen den Ausführungen der Post – nicht zulässig und konnte damit eine rechtswirksame Zustellung nicht bewirkt werden.
5. Weiters finden sich im vorliegenden Verwaltungsakt Hinweise auf einen möglichen Zustellversuch durch einen Gemeindemitarbeiter am 27.6.2011 am Gemeindemarktplatz. Zwar scheint der unter Punkt I. erwähnte Aktenvermerk des Gemeindemitarbeiters (ON 18 des vorgelegten Verwaltungsaktes) darauf hinzudeuten, dass ein Zustellversuch seitens des Mitarbeiters gar nicht erfolgt sein dürfte (Arg.: „sonst hätte ich ihm eine Ausfertigung … nochmals nachweislich zugestellt“.). In diesem Zusammenhang scheint auch fraglich, ob der Gemeindemitarbeiter im in Rede stehenden Zeitpunkt tatsächlich eine weitere Ausfertigung des behördlichen Beseitigungsauftrages an Ort und Stelle bei sich gehabt hätte. Selbst für den Fall aber, dass der Behördenvertreter eine erneute Zustellung tatsächlich versucht hätte, kann dies – wie auch die belangte Behörde in ihrem bekämpften Bescheid richtig ausführt – keine rechtswirksame Zustellung des gemeindlichen Bescheides bewirken.
§ 24a ZustG in der hier anzuwendenden Fassung sieht vor, dass einem Empfänger an jedem Ort zugestellt werden kann, an dem er angetroffen wird, wenn er zur Annahme bereit ist oder über keine inländische Abgabestelle verfügt. Wie bereits dargelegt, stellte die Meldeadresse des Bf aufgrund seines dortigen gewöhnlichen Aufenthalts jedenfalls eine Abgabestelle iSd § 2 ZustG dar. Eine Zustellung am Ort des Antreffens nach § 24a leg cit wäre daher gegenständlich nur dann möglich gewesen, wenn der Bf zur Annahme bereit gewesen wäre. Dass der Bf diesbezüglich keine Bereitschaft zeigte, wird aber sowohl von der Gemeindebehörde selbst als auch durch die Ausführungen in der als Beschwerde zu wertenden Berufung unzweifelhaft bestätigt. Auch nach § 24a ZustG erfolgte daher keine rechtswirksame Zustellung des gemeindebehördlichen Beseitigungsauftrages.
6. Dass aber eine rechtswirksame Zustellung durch die Übermittlung des behördlichen Schriftstückes via E-Mail vom 31.5.2011 bewirkt worden sein könnte, wird selbst von Behördenseite nicht behauptet und war im ZustG in der hier anzuwendenden Fassung in dieser Form auch nicht vorgesehen.
7. Der gemeindebehördliche Beseitigungsauftrag vom 6.5.2011, Z 131-1-Z/2011/St, wurde dem Bf daher durch die dargelegten Zustellversuche nicht rechtswirksam zugestellt. Mangels Zustellung gilt dieser Beseitigungsauftrag somit auch nicht als erlassen und kann daher auch keinen tauglichen Vollstreckungstitel für das gegenständliche Vollstreckungsverfahren bilden.
Mangels vollstreckbaren Vollstreckungstitels erging der im vorliegenden Verfahren bekämpfte Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme daher nicht rechtmäßig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
8. Abschließend darf ergänzend darauf hingewiesen werden, dass der erkennenden Richterin sehr wohl bewusst ist, dass eine rechtswirksame Zustellung bei unkooperativer und sogar missbräuchlicher Verhaltensweise eines Empfängers aufgrund des im Detail sehr komplizierten Zustellrechts äußerst schwierige Rechtsprobleme aufwirft. Da allerdings erst die Zustellung eines Bescheides dessen Erlassung und sohin Rechtswirksamkeit bewirkt, ist an diese nichts desto trotz ein besonders strenger Prüfungsmaßstab anzulegen.
Für den vorliegenden Fall scheint allerdings nunmehr eine rechtswirksame Zustellung des gemeindebehördlichen Beseitigungsauftrages im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung des Bf komplikationslos möglich.
V.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Die Abfassung und Einbringung der Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder durch einen bevollmächtigten Wirtschaftstreuhänder bzw eine bevollmächtigte Wirtschaftstreuhänderin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Astrid Lukas