LVwG-700055/2/BP/JW
Linz, 11.08.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der X, vertreten durch X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 04. Juli 2014, GZ: S 1.090/14-2, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm § 82 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom
04. Juli 2014, GZ. S 1.090/14-2, wurde über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) gemäß § 82 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 80 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 40 Stunden verhängt.
Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:
In ihrer Begründung führt die belangte Behörde Folgendes aus:
2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, durch die rechtsfreundliche Vertretung der Bf rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom
11. Juli 2014, in welcher vorerst die Anträge gestellt werden:
Die Anträge begründet die Bf im Einzelnen ua. wie folgt:
§ 82 Abs 1 SPG 1991 der Tatbestand des Art IX Abs 1 Z 2 EGVG einer Einschränkung unterworfen worden. Zunächst sind - ohne inhaltliche Änderung - die Worte „UNGESTÜM BENIMMT" durch die Worte „AGGRESSIV VERHÄLT" ersetzt worden und dann ist als zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das kumulativ vorliegen muss, die Behinderung der Amtshandlung eingefügt worden. Damit ergibt sich, dass ein strafbares Verhalten nur dann vorliegt, wenn zum aggressiven Verhalten die Behinderung der Amtshandlung hinzutritt (vgl dazu 148 BlgNR 18.GP; (VwGH vom 29.5.2000 zu 2000/10/0038).
§ 44a Z. 1 VStG enthaltenen konkreten Bezeichnung der als erwiesen angenommenen Tat durch eine entsprechende Bescheidbegründung nicht ersetzt werden kann (Hinweis E 6. März 2008, 2004/09/0154).
§ 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Erkenntnises soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält
somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.
3. Mit Schreiben vom 17. Juli 2014 legte die Landespolizeidirektion Oberösterreich den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nahm Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde.
Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte entfallen, zumal bereits aus der Aktenlage klar hervorgeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war (vgl. § 44 Abs. 1 VwGVG).
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter dem Punkt I.1. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus:
II.
Hinsichtlich des Verhaltens der Bf ist zunächst auszuführen, dass dieses – auch unter Berücksichtigung des zu diesem Zeitpunkt herrschenden Allgemeinlärms – wohl nicht der gebotenen Ruhe entsprochen haben mag. Das Schreien ansich kann aber durchaus auf diesen Umgebungslärm zurückzuführen sein, da auch die Meldungslegerin angab, sich mit der Bf nur aus einer Entfernung von 15 cm unterhalten haben zu können. Auch das Erfolgen der Abmahnungen um 0:26 Uhr und 0:28 Uhr ist grundsätzlich glaubhaft. Dass die Amtshandlung durch das Verhalten der Bf relevant behindert wurde, behauptet auch die Meldungslegerin nicht, die angab, dass die Überprüfung der Identität aufgrund des Umgebungslärms nicht vor Ort habe stattfinden können. Dass die Bf der Meldungslegerin nicht zur PI gefolgt sei, wird nicht behauptet – nur dass sie dabei geschimpft habe.
Dass die Bf nicht zur Sachverhaltserhebung beigetragen hat, lässt sich nicht voll begründen, da offenbar die Polizisten von dem Umstand ausgingen, dass der Sohn der Bf die Knallkörper von Passanten in die Hand gedrückt bekommen habe, wobei sie diese Information wohl von der Bf bekommen haben, was im Übrigen auch dazu führte, dass die Anzeige nach dem Pyrotechnikgesetz fallen gelassen wurde.
III.
1. Gemäß § 82 Abs.1 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.
2.1. Tatbildlich im Sinn des § 82 Abs. 1 SPG ist sohin ein aggressives Verhalten einer Person gegenüber Organen (wie hier) der öffentlichen Aufsicht, während diese eine Amtshandlung durchführen. Dieses Verhalten muss zudem trotz vorangegangener Abmahnung fortgesetzt werden und darüber hinaus die Durchführung der Amtshandlung behindern.
2.2. Unbestritten ist nun zunächst, dass es sich bei der primär einschreitenden Beamtin um ein Organ der öffentlichen Aufsicht handelte. Weiters steht außer Zweifel, dass diese eine Sachverhaltsfeststellung betreffend eine mutmaßliche Übertretung des Pyrotechnikgesetzes durchzuführen beabsichtigte, also eine Amtshandlung durchführte.
Zu Erhebungen betreffend eine Verwaltungsübertretung zählt ua. die Identitätsfeststellung von verdächtigen Personen. Diese besteht im Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Darüber hinaus ist damit aber auch verbunden, dass eine Befragung zur Erhebung des Sachverhalts durchgeführt wird.
Das Tatbestandselement der laufenden Amtshandlung ist also ebenfalls gegeben.
2.3. Weiters erfordert § 82 Abs. 1 SPG das Vorliegen eines aggressiven Verhaltens.
"Aggressiv" bedeutet so viel wie "angreifend" oder "angriffslustig". "Aggression" meint einen Überfall, einen Angriff oder feindseliges Verhalten. Unter aggressivem Verhalten ist ein sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten anzusehen. Das Vertreten eines Rechtsstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt eine angemessene Reaktion, nicht aber ein ungestümes Benehmen dar (vgl. Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, A.5.1. f zu § 82).
Weiters ist unter einem aggressiven Verhalten ein solches zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organs zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als "aggressives Verhalten" gewertet werden muss. Solches liegt – im Regelfall - etwa vor, bei "Gebrauch lautstarker Worte verbunden mit heftiger Gestik gegenüber einem Sicherheitswachebeamten".
Da das Gesetz lediglich "aggressives Verhalten" verlangt, bedarf es keiner "besonderen" Aggressivität um den Tatbestand zu erfüllen.
Dabei ist der Inhalt der schreiend vorgebrachten Äußerungen prinzipiell gleichgültig. Tatbildlich ist sohin Schreien und/oder heftiges Gestikulieren beides als Ausdruck der Aggressivität. Das Vertreten eines Rechtstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt durchaus eine angemessene Reaktion dar und würde den zur Last gelegten Tatbestand nicht verwirklichen. Es sei denn dies geschieht in aggressiver Weise, denn auch das Vorbringen eines Rechtsstandpunktes berechtigt nicht, durch schreiendes und gestikulierendes Verhalten gegenüber einem Amtsorgan, das gesetzliche Aufgaben wahrnimmt, die in § 82 SPG gesetzten Grenzen zu überschreiten. Die Strafbarkeit ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sich ein Verhalten als Reaktion auf die Art des Einschreitens eines behördlichen Organs darstellt, selbst wenn ein Organ ungesetzliche Anordnungen, zu deren Erlassung das Organ nur abstrakt berechtigt ist, trifft.
Im vorliegenden Fall liegt jedenfalls eine besondere Konstellation vor, da – aufgrund des Umgebungslärms (Silvesterfeier am X) eine Kommunikation nur durch Schreien in einem Abstand von ca. 15 cm möglich war, was auch von der einschreitenden Beamtin bestätigt wurde. Bei entsprechendem Umgebungslärm ist es durchaus nachvollziehbar, dass die verbale Kommunikation durch Gestik verstärkt untermauert wird.
Sohin ist anzuzweifeln, dass das von der Bf an den Tag gelegte Verhalten die Schwelle der Aggressivität im Sinn des § 82 Abs. 1 SPG erreicht hat, wenn auch ihre Aussagen als unpassend und teils obstruktiv erkannt werden müssen.
2.4. Hinsichtlich der ebenfalls in § 82 Abs. 1 SPG geforderten vorausgegangenen Abmahnung ist zunächst anzumerken, dass für eine solche keine exakte wörtliche Determinierung besteht. Dem Adressaten muss jedenfalls klar gemacht werden, dass er sein strafbares Verhalten einzustellen und damit die Behinderung der Amtshandlung aufzugeben hat. Diese Abmahnung muss grundsätzlich so vorgetragen werden, dass der Adressat sie auch wahrnehmen kann. Der Erfüllung dieser Verpflichtung steht jedoch nicht entgegen, wenn der Adressat zwar akustisch und sprachlich in der Lage ist die "Botschaft" zu erhalten, jedoch dem aussprechenden Organ keinerlei diesbezügliche Aufmerksamkeit schenken will und somit nicht aufnahmebereit ist.
Im vorliegenden Fall hat das Amtsorgan zweifach eine Abmahnung ausgesprochen (um 0:26 Uhr und um 0:28 Uhr). Dieses Tatbestandselement wäre daher gegeben.
Allerdings ist hier anzumerken, dass laut Spruch des angefochtenen Bescheides das strafbare Verhalten schon um 0:26 Uhr gesetzt wurde, also zum Zeitpunkt der ersten Abmahnung. Nachdem aber § 82 Abs. 1 SPG fordert, dass das aggressive Verhalten trotz Abmahnung fortgesetzt wird, was eine zeitliche Extension bedingt, scheint der vorgeworfene Tatzeitpunkt fraglich.
2.5. Es ist nach dem Wortlaut des § 82 Abs. 1 SPG nicht erforderlich, dass die Amtshandlung durch das aggressive Verhalten tatsächlich gänzlich verhindert wird. Tatbildmäßig ist hier zweifelsfrei schon, dass ein geordneter Ablauf bzw. Verlauf einer Amtshandlung merklich gestört und verzögert wird.
Hier ist anzumerken, dass eine entsprechende Sachverhaltserhebung aufgrund des Umgebungslärms als nicht durchführbar erkannt wurde, weshalb die Identitätsfeststellung auf der PI durchgeführt werden musste. Die Bf folgte der Beamtin (wenn auch unter beleidigenden Aussagen) dort hin. Die gesamte Amtshandlung dauerte nur von 0:24 Uhr bis 0:40 Uhr. Nachdem offenbar der Gang zur PI schon ab ca. 0:28 Uhr angetreten wurde, bleiben für den Zeitraum davor lediglich 4 Minuten. Von einer merklichen Verzögerung kann hier also keine Rede sein, vor allem deshalb, wenn man in Betracht zieht, dass die Kommunikation auf dem Hauptplatz erschwert war.
Von einem Grad der Behinderung der Amtshandlung, der unter das Tatbestandselement des § 82 Abs. 1 SPG zu subsummieren wäre, kann nicht gesprochen werden.
2.6. Da somit sowohl das aggressive Verhalten in Zweifel steht als auch die Behinderung der Amtshandlung verneint werden muss, mangelt es im vorliegenden Fall schon an der Tatbestandsmäßigkeit des in Rede stehenden Verhaltens.
3. Es war daher im Ergebnis – ohne auf die weiteren Beschwerdegründe einzugehen – der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.
4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.
4.2. In diesem Sinn war der Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree