LVwG-350012/39/KLi/TK
Linz, 29.09.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde vom 9.12.2013 der O. S., geb. x, x, vertreten durch das x, x, dieses wiederum vertreten durch x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 22.11.2013, GZ. SO10-12574-2013, wegen Gewährung von Sozialhilfe und Einsatz der eigenen Mittel,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde mit der Maßgabe Folge gegeben, dass im angefochtenen Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 22.11.2013, GZ: SO10-12574-2013 Spruchpunkt 2 wie folgt zu lauten hat:
2) ab 1.12.2013 die Übernahme der Heim- und Pflegeentgelte im Alten- und Pflegeheim W. gegen Rückerstattung der gemäß §§ 45 – 52 des Oö. Sozialhilfegesetzes und §§ 4 und 5 der Oö. Sozialhilfeverordnung 1998 i.d.g.F. zu erbringenden Ersatzleistungen aus den Mitteln der Sozialhilfe übernommen; von der Rückerstattung der Heim- und Pflegeentgelte im Alten- und Pflegeheim W., ab 1.12.2013 ist die von der Beschwerdeführerin bezogene erhöhte Familienbeihilfe zur Gänze vom Einsatz der eigenen Mittel im Sinne des § 9 Oö. SHG ausgenommen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.11.2013, GZ. SO10-12574-2013, wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 9.7.2013 auf Gewährung von Sozialhilfe stattgegeben und wurde ihr, solange sich die Grundlagen dieses Bescheides nicht ändern, 1) ab 24.6.2013 soziale Hilfe in Form von Hilfe in stationärer Einrichtung durch Unterbringung, Verpflegung sowie Betreuung und Hilfe in den individuellen Bedürfnissen im Alten- und Pflegeheim W. gewährt sowie 2) ab 1.12.2013 die Übernahme der Heim- und Pflegeentgelte im Alten- und Pflegeheim W. gegen Rückerstattung der gemäß §§ 45 bis 52 des Oö. Sozialhilfegesetzes und §§ 4 und 5 der Oö. Sozialhilfeverordnung 1998 i.d.g.F. zu erbringenden Ersatzleistungen aus den Mitteln der Sozialhilfe übernommen.
Dieser Bescheid wurde damit begründet, dass sich in einer besonderen sozialen Notlage im Sinne des Oö. SHG 1998 als Voraussetzung für die Gewährung sozialer Hilfe insbesondere Personen befinden, die auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung der Betreuung und Hilfe (Pflege) bedürfen und die ihren Lebensunterhalt, also auch die Kosten für den Aufenthalt in einer stationären Einrichtung nicht decken können. Die Hilfe zur Pflege umfasst u.a. Hilfe in stationären Einrichtungen für Personen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung der Betreuung und Hilfe bedürfen. Ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege, welche in Form der Hilfe in stationären Einrichtungen geleistet wird, sei laut Auskunft des Heimes gegeben.
Die Hilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes erfolge durch Geldleistungen in Form der Bezahlung der Heim- und Pflegeentgelte. Die Leistung sozialer Hilfe habe unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der hilfebedürftigen Person, bei sozialer Hilfe zur Pflege auch unter Berücksichtigung der pflegegeldbezogenen Geldleistungen zu erfolgen. Die Unterbringungskosten im Alten- und Pflegeheim W. würden ab dem Tag der Aufnahme derzeit durchschnittlich 2.675,82 Euro monatlich betragen.
Die Beschwerdeführerin würde über eine Pension der Sozialversicherungsanstalt der Bauern von monatlich 716,39 Euro, Pflegegeld der Stufe 4 minus Erhöhungsbetrag von monatlich 604,30 Euro und Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag von monatlich 349,40 Euro verfügen. Laut den Angaben in der Niederschrift, aufgenommen beim V. – S. am 9.7.2013 und dem Ergebnis der Beweisaufnahme verfüge die Beschwerdeführerin über weniger als 7.300 Euro an Vermögen. Da dieses unter der gemäß Oö. Sozialhilfeverordnung 1998 festgelegten Freigrenze liege, dürfe von ihr nicht verlangt werden, daraus die Differenz zwischen den Heim- und Pflegeentgelten und dem monatlichen Einkommen zu decken. Unter Zugrundelegung der Bestimmung des § 5 Abs. 2 der Oö. Sozialhilfeverordnung 1998 errechne sich derzeit ein Betrag von 1.336,07 Euro aus den monatlichen Einkünften, der als Einsatz der eigenen Mittel verlangt werden könne. Die Beschwerdeführerin sei daher offensichtlich nicht in der Lage, die Unterbringungskosten im Alten- und Pflegeheim W. aus eigenen Mitteln zu tragen. Somit sei Anspruch auf soziale Hilfe in Form einer Geldleistung gegeben. Der Differenzbetrag auf die monatlichen Heim- und Pflegeentgelte werde als soziale Hilfe in Form von Geldleistungen gewährt.
Wenn ein Renten- oder Pensionsberechtigter auf Kosten eines Trägers sozialer Hilfe in einer stationären Einrichtung untergebracht und verpflegt werde, gehe nach den sozialversicherungsrechtlichen und den sozialhilferechtlichen Bestimmungen für die Zeit der Pflege der Anspruch auf Rente bzw. Pension und Pflegegeld bzw. erhöhte Familienbeihilfe bis zur Höhe der Verpflegungskosten, höchstens bis zu einem bestimmten Prozentsatz (im Fall der Beschwerdeführerin 80 %) auf den Träger sozialer Hilfe über. Ab 1.12.2013 würden die gesamten Heim- und Pflegeentgelte direkt zwischen Heimleitung und dem Sozialhilfeverband G. abgerechnet und werde ab diesem Zeitpunkt nur mehr der restliche Teil der Pension angewiesen werden. Geldleistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse als weitere soziale Hilfe stünden nicht zu, da die der Beschwerdeführerin zur freien Verfügung verbleibende Restpension den Richtsatz von 147,50 Euro übersteige.
I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Berufung der Beschwerdeführerin vom 9.12.2013, welche nunmehr als Beschwerde zu werten ist.
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrem Rechtsmittel vor, den angeführten Bescheid insofern anzufechten, als er in seinem Punkt 2. des Spruches anordnet, dass ab 1.12.2013 von der Beschwerdeführerin für die Übernahme der Heim- und Pflegeentgelte im Alten- und Pflegeheim W. auch 80 % der von der Beschwerdeführerin bezogenen erhöhten Familienbeihilfe von monatlich 349,40 Euro zu erstatten seien. Die von der Beschwerdeführerin bezogene erhöhte Familienbeihilfe setze eine erhebliche Behinderung voraus, die vorliegen würde. Zweck der erhöhten Familienbeihilfe sei es, die besonderen, aus der erheblichen Behinderung resultierenden zusätzlichen Bedürfnisse abzudecken, die im Verhältnis zu den Kosten der Lebensführung nicht behinderter Personen einen finanziellen Mehraufwand auslösen würden. Vor diesem Hintergrund könne daher im Rahmen des von § 9 Oö. SHG angeordneten Einsatzes der eigenen Mittel die Bezahlung der erhöhten Familienbeihilfe nur dann gefordert werden, wenn der unter dem Gesichtspunkt der erheblichen Behinderung erweiterte Lebensbedarf durch die Hilfe in stationären Einrichtungen zur Gänze abgedeckt sei. Da diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall im Alten- und Pflegeheim W. hinsichtlich der besonderen behinderungsbedingten Mehrbedürfnisse der Beschwerdeführerin nicht vorliegen würden, sei es nicht zulässig, die Übernahme der Heim- und Pflegeentgelte von der Bezahlung von 80 % der von der Beschwerdeführerin bezogenen erhöhten Familienbeihilfe abhängig zu machen. Der Beschwerdeführerin würde dann von der erhöhten Familienbeihilfe lediglich ein Restbetrag von 69,88 Euro monatlich verbleiben. Damit könne sie aber ihre behinderungsbedingten Sonderbedürfnisse nicht abdecken. Aufgrund ihrer schweren geistigen Behinderung sei sie nicht in der Lage, so wie andere Heimbewohner am sozialen Leben teilzunehmen und zu kommunizieren. Aus diesem Grunde werde für sie seit mittlerweile 4 Jahren ein professioneller Besuchsdienst, der von einer persönlichen Vertrauten der Beschwerdeführerin, Frau E. B., regelmäßig durchgeführt wird, eingesetzt. Dafür habe die Beschwerdeführerin monatlich 250 Euro zu bezahlen. Die Finanzierung dieses Besuchsdienstes sei ihr nur mit Hilfe der erhöhten Familienbeihilfe möglich. Dieser Besuchsdienst stelle eine spezielle Hilfeleistung dar, die ganz auf die individuelle behinderungsbedingte Bedürfnissituation der Beschwerdeführerin eingehe und im Sinne der §§ 9 und 17 Abs. 3 und 4 Oö. SHG zu berücksichtigen sei. Mit den Aufgaben sozialer Hilfe wäre es nicht vereinbar und würde es zu einer besonderen Härte für die Beschwerdeführerin führen, wenn sie diese besondere Hilfestellung durch diesen Besuchsdienst zum Ausgleich ihrer behinderungsbedingten Einschränkungen aufgrund der zu 80 % abzuführenden Familienbeihilfe nicht mehr finanzieren und damit nicht mehr in Anspruch nehmen könnte. Ein ehrenamtlicher oder unentgeltlich bereitgestellter Besuchsdienst seitens des Alten- und Pflegeheimes W. könne hiefür keinen adäquaten Ausgleich für die Beschwerdeführerin schaffen, weil es sich dabei nicht um Vertrauenspersonen der Beschwerdeführerin handle. Durch die bereits seit 4 Jahren von der Vertrauensperson durchgeführten Besuchsdienste habe diese eine einzigartige Vertrauensstellung bei der Beschwerdeführerin. Würde dieser Besuchsdienst durch von Heimseite zur Verfügung gestellte Personen ersetzt werden, wäre aufgrund der Behinderung der Beschwerdeführerin ein jahrelanger Neuaufbau eines Vertrauensverhältnisses notwendig, um dann allenfalls eine vergleichbare Bedürfnisbefriedigung erreichen zu können. Jedenfalls bis dahin wäre eine Befriedigung der behinderungsbedingten speziellen Bedürfnisse der Beschwerdeführerin nicht gegeben.
Es werde daher beantragt, dass der Berufung [nunmehr Beschwerde] gegen den angefochtenen Bescheid des Bezirkshauptmannes von G. vom 22.11.2013, SO10-12574-2013, im Umfang der Anfechtung Folge gegeben werde und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert werde, als in seinem Punkt 2. des Spruches ausgesprochen werde, dass von der Rückerstattung der Heim- und Pflegeentgelte im Alten- und Pflegeentgelte im Alten- und Pflegeheim W., ab 1.12.2013 die von der Berufungswerberin [nunmehr Beschwerdeführerin] bezogene erhöhte Familienbeihilfe zur Gänze ausgenommen sei, der Berufungswerberin [nunmehr Beschwerdeführerin] daher die von ihr bezogene erhöhte Familienbeilhilfe zur Gänze selbst verbleibe und diese nicht vom Einsatz der eigenen Mittel im Sinne von § 9 Oö. SHG umfasst sei.
II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:
II.1. Die Beschwerdeführerin ist am x geboren. Sie lebt im Alten- und Pflegeheim in W. Die Beschwerdeführerin leidet an körperlichen, geistigen und psychischen Behinderungen bzw. Sinneseinschränkungen in Form einer Oligophrenie, Poliarthrosen (Schultern, Knie, Hüfte) mit Einschränkung der Gehleistung, Diabetes mellitus levis, Harnhalteschwäche, Restless legs Syndrom, Euthyreote Knotenstruma, Gefäßsklerose mit Abbausymptomatik.
II.2. Im Zeitpunkt der Bescheiderlassung stellten sich die finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin wie folgt dar:
*Pension der Sozialversicherungsanstalt der Bauern, derzeit monatlich: 716,39 Euro
*Pflegegeldstufe 4 minus Erhöhungsbetrag, derzeit monatlich 604,30 Euro
*Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag, derzeit monatlich 349,40 Euro
Ende Jänner 2014 verfügte die Beschwerdeführerin weiters über einen Bausparvertrag mit einem Vermögensstand von 7.723,74 Euro, ein Sparbuch mit 72,60 Euro und ein Konto mit 1.711 Euro.
II.3. Die Beschwerdeführerin erhält regelmäßig Besuch durch die Zeugin E. B.
Der Sachwalter der Beschwerdeführerin hat mit der Zeugin nachfolgende Besuchsdienstvereinbarung abgeschlossen:
II.4. Die Besuchsdienste durch die Zeugin E. B. werden bereits seit dem Jahr 2007 durchgeführt, fanden also schon vor dem Eintritt ins Alten- und Pflegeheim W. im Jahr 2013 statt. Die Zeugin E. B. kennt die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin bereits seit dieser Zeit. Anfangs waren die Aufgaben der Zeugin putzen, kochen, einkaufen, etc.
Die Beschwerdeführerin teilte schon damals mit der Zeugin auch ihre persönlichen Sorgen, insbesondere berichtete sie ihr über die damals noch bestehenden familiären Probleme. Dadurch entwickelte sich die Zeugin für die Beschwerdeführerin zu einer persönlichen Vertrauten.
Anders als für die Beschwerdeführerin betrachtet allerdings die Zeugin ihre Besuchsdienste als Berufstätigkeit und nicht als Wahrnehmung familiärer Verpflichtungen oder Bindungen.
Wesentliche Tätigkeiten der Zeugin sind nunmehr das Spazierengehen mit der Beschwerdeführerin, gemeinsame Kaffeehausbesuche, Einkäufe in Lebensmittelgeschäften, Begleitung zu Ärzten und sonstige Unterhaltungen und Gespräche.
II.5. Auch im Alten- und Pflegeheim W. ist ein ehrenamtlicher Besuchsdienst eingerichtet. Dieser Besuchsdienst nimmt regelmäßige Besuche bei den Heimbewohnern wahr. Der Besuchsdienst im Alten- und Pflegeheim ist derart ausgestaltet, dass grundsätzlich immer dieselben Personen den Besuchsdienst bei denselben Heimbewohnern durchführen, sodass eine Nahebeziehung entwickelt werden kann. Ein großer Wechsel an Besuchspersonen findet nicht statt.
Darüber hinaus werden im Alten- und Pflegeheim auch Veranstaltungen wie gemeinsames Singen, Ausflüge, etc. angeboten. Die Beschwerdeführerin nimmt diese Angebote wahr. Eine besondere Fachkenntnis im Umgang mit beeinträchtigten Personen oder intensives Bemühen, die Beschwerdeführerin zur Teilnahme am Tagesgeschehen zu bewegen, ist nicht erforderlich. Die Beschwerdeführerin ist in den Heimalltag integriert. Darüber hinaus bewohnt sie ihr Zimmer gemeinsam mit ihrer Schwester. Insgesamt ist daher für die Beschwerdeführerin ein stabiles Umfeld im Alten- und Pflegeheim W. gegeben. Eine Übersiedelung in ein anderes Pflegeheim wäre daher sogar kontraproduktiv.
II.6. Im Rahmen des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wurden zwei Sachverständigengutachten, aus dem Fachgebiet der Heilpädagogik und aus dem Fachgebiet der Pflege eingeholt.
II.6.1. Als heil- und sonderpädagogische Sachverständige hat Frau Mag. P.W. nachfolgendes Gutachten erstattet: