LVwG-750151/11/ER /JB

Linz, 12.09.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des Prof. Mag. K. S., x R., R., wegen

Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in Form von

1.   Gewaltandrohung und

2.   Hausfriedensbruch

sowie wegen Richtlinienverletzung aufgrund von

 3. Nicht-Bekanntgabe der Dienstnummer

sowie wegen

4. behaupteter Be- und Verhinderung der fachlich kompetenten Akut-Betreuung einer schutzbedürftigen psychisch kranken Person

und

5. behaupteter Verletzung der besonderen Rechte eines Psychotherapeuten, besonders die Respektierung einer Gesundheitseinrichtung durch dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurechenbare Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

  1. Gemäß § 28 Abs 1 und 6 VwGVG werden die Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als unbegründet abgewiesen.

 

  1. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG iVm § 89 Abs 4 SPG wird der Beschwerde wegen Verletzung der Pflicht zur Bekanntgabe der Dienstnummer gemäß § 9 Richtlinien-Verordnung stattgegeben und festgestellt, dass § 9 Abs 1 der Richtlinien-Verordnung verletzt wurde.

 

III. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG iVm § 88 Abs 2 SPG werden die Beschwerden wegen behaupteter Be- und Verhinderung der fachlich kompetenten Akut-Betreuung einer schutzbedürftigen psychisch kranken Person und behaupteter Verletzung der besonderen Rechte eines Psychotherapeuten, besonders die Respektierung einer Gesundheitseinrichtung als unbegründet abgewiesen.

 

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.1. Mit Schriftsatz vom 17. März 2014, eingelangt beim
Oö. Landesverwaltungsgericht am 21. März 2014, erhob der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) Maßnahmenbeschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am
23. Februar 2014 um ca. 16:00 Uhr in Form von Gewaltandrohung und Hausfriedensbruch durch dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zurechenbare Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

Unter Einem begehrte der Bf aufgrund der am 13. März 2014 an ihn von der Landespolizeidirektion Oberösterreich/Bezirkspolizeikommando Vöcklabruck ergangenen Mitteilung betreffend Beschwerden wegen Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hinsichtlich der Verweigerung des Dienstnummer/des Dienstausweises seitens der Exekutive gemäß § 89 Abs 4 SPG die Feststellung, ob eine Richtlinie verletzt worden ist. Ferner erhob der Bf Beschwerde gemäß § 88 Abs 2 SPG wegen Be- und Verhinderung der fachlich kompetenten Akutbetreuung schutzbedürftiger psychisch kranker Personen und Verletzung der besonderen Rechte eines Psychotherapeuten, besonders die Respektierung einer Gesundheitseinrichtung.

 

In der Beschwerde – unter Verweis auf die Beschwerde an die Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 24. Februar 2014 – wird wie folgt ausgeführt:

 

„Ich bin Universitätslehrer an der S. o. E., Universität S., und Psychotherapeut und Supervisor in freier Praxis in  R. .

Am Sonntag läutete eine Klientin, betrunken, dekompensiert an unserer Tür. Ohne Schuhe, im T-Shirt, Blutflecken, blaue Flecken. Ich habe sie hereingelassen, mit ihr gesprochen über die vergangenen Stunden und über die weitere Vorgangsweise.

Dann kam die Polizei: Es war mir aus den Gesprächen klar, dass der Vater der Klientin aus verständlicher Sorge um seine Tochter die Polizei verständigt haben könnte. Daher habe ich den Polizisten mitgeteilt, dass die Klientin hier und in Betreuung sei. Das dürfte ich eigentlich gar nicht wegen absoluter Verschwiegenheitspflicht nach dem Psychotherapiegesetz. Ich dachte mir, der Polizei zu helfen, dass ein weiterer Sucheinsatz nicht mehr notwendig sei.

Weit gefehlt: Es wurde mir nicht zugehört, meine rechtlichen und praktischen Vorhaltungen ignoriert. Ich wurde mit lächerlichen Bedrohungen (Staatsanwaltschaft, Kobra, Stürmung des Hauses) unter Druck gesetzt. Jetzt kann ich zwar damit ganz gut umgehen (Einsätze mit Ärzte ohne Grenzen in Bürgerkriegsgebieten, Training mit der WEGA an der Friedensuniversität S.), aber ich habe eine Verantwortung für meine Klientin. Wenn die Polizisten in ihrer Einsatzeuphorie doch stürmen, springt die Klientin vielleicht aus dem Fenster und verletzt sich schwer. Die Klientin lag nämlich friedlich in einem Gästebett, betreut von meiner Frau, während ich mich um die Polizei kümmern musste, statt mich um die Klientin zu kümmern.

Daher die „Vereinbarung": Ich muss die Klientin in 5 Minuten überreden freiwillig mitzukommen, sonst gewaltsamer Zugang ins Haus. Klar ist: Es war keine Fremdgefährdung gegeben, auch keine Selbstgefährdung, weil sie unter Betreuung war. Was ist die Rechtsgrundlage für so ein Ultimatum der Exekutive?

Ich habe es mit dem Zeitdruck geschafft, die Klientin zu überzeugen, dass es besser sei, jetzt gleich einer Zwangseinweisung zuzustimmen. Ich hätte ihr lieber gern ein Bad, Wundversorgung und frisches Gewand gegönnt, und dann eine gemeinsame Fahrt ins Krankenhaus. Das hat der Polizeieinsatz verhindert, der auf jeden Fall beim Einsatzleiter(?) unter Missachtung rechtlicher Rahmenbedingungen durchgezogen wurde. Die besonderen rechtlichen Verpflichtungen und Rechte eines Psychotherapeuten waren ihm unbekannt, bzw. er wollte sie nicht hören oder überprüfen.

Die amtshandelnden Personen kann ich nicht identifizieren, weil mir trotz mehrfacher Nachfrage kein Amtsausweis gezeigt wurde. Stattdessen wurde ich aufgefordert, auf meinem eigenen Grundstück einen Ausweis zur Identitätsfeststellung vorzuzeigen. Dann könnte ich einen Amtsausweis sehen.“

Ergänzend führt der Bf Folgendes aus:

 

„R. ist die kleinste Gemeinde in x, eine Streusiedlung, in unserem Ortsteil stehen 13 Häuser, Bauernhäuser und Einfamilienhäuser, umgeben von Feldern und Wiesen. D.h. kein unwegsames Gelände, auch kein Großstadtdschungel, in dem man untertauchen könnte. Fazit: Bei 4 Beamten rund ums Haus bestand keine Fluchtgefahr. Außerdem kein Straftatbestand gegen die Klientin, sondern Suche wegen Selbstgefährdung.

Unser L-förmiges Haus, komplett umzäunt, hat eine Hoftür in den Gartenbereich, von dort die Haustür in den Wohn-/Praxisbereich. Ich habe die 2 ersten Beamten in den Gartenbereich hereingebeten, wollte dort die Sache besprechen, verweigerte aber den Zutritt ins Haus, weil mich die Klientin darum gebeten hatte. Die nachfolgenden beiden Beamten haben den Garten ohne meine Erlaubnis betreten.

Bei der Klientin handelt es sich um eine erwachsene Frau, nicht minderjährig, nicht besachwaltet. Man konnte mit ihr in Grenzen vernünftig reden. Ganz klar war ihre Aussage gegenüber uns und auch den Polizisten bei der Übergabe: Sie sei hier in Sicherheit, wolle dableiben und später mit uns in die Klinik. Warum wird das nicht respektiert? Sondern Gewalt angedroht und Zwang exekutiert?

Bei der Identitätsfeststellung habe ich dem Einsatzleiter nicht nur meinen Pass, sondern auch meine Visitenkarte übergeben, aus der eindeutig hervorgeht, dass ich Psychotherapeut bin, d.h. die gesuchte Person ist in kompetenter Betreuung.

Zudem nestelte der Einsatzleiter seit der Androhung der Stürmung des Hauses auffällig am Pistolenhalfter herum: öffnen, ein bisschen Herausziehen, wieder schließen, wieder öffnen, ...So ein Verhalten ist nach meinen Erfahrungen in bewaffneten Konflikten sehr gefährlich, weil nicht einzuschätzen ist, ob die bewaffnete Person nervös/überfordert ist, das als weitere Drohgeste einsetzt, oder beides. Ich habe ohnehin nie einen Schritt in Richtung Polizisten gemacht. Nach dieser Beobachtung waren meine Hände immer mit offenen Handflächen nach außen oder oben. Ich fühlte mich bedroht, im eigenen Haus, ohne strafbare Handlung, ohne Grund. Damit habe ich in Österreich nicht gerechnet.

Es geht mir darum, dass so etwas nicht mehr vorkommt, durch Evaluierung, Schulungen. Ich hoffe doch, dass die Polizei in einer Arztpraxis nicht so vorgegangen wäre. In einer psychotherapeutischen Praxis darf es auch nicht sein.“

 

Aufgrund der Beschwerde des Bf vom 24. Februar 2014 erstellte die Landespolizeidirektion Oberösterreich/Bezirkspolizeikommando Vöcklabruck folgende, der Beschwerde des Bf beiliegende, Mitteilung:

 

„Ihre Beschwerde wurde eingehend überprüft. Die Angelegenheit wird in solchen Fällen ‚ex ante‘ geprüft.

Demnach war am 23.2.2014 eine Amtshandlung gegen eine Klientin von ihren vorzunehmen, welche als Rechtsgrundlage das Unterbringungsgesetz. (UbG) und das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) und zwar konkret im Wesentlichen den § 46 SPG (Vorführung) hatten.

Dabei ist zu sagen, dass die Polizei hier gesetzlich ermächtigt ist, selbst das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen abzuwägen. Als Ergebnis dieser Abwägung ist dann die Vorführung durchzuführen, wobei da der Polizei entsprechend weitreichende Befugnisse zukommen.

Zu ihrer Position im gegenständlichen Fall ist festzustellen, dass unabhängig ihrer allfällig persönlichen beruflichen Qualifizierung, Sie jedenfalls konkret keine Parteienstellung hatten. Demzufolge wäre die Polizei durchaus berechtigt gewesen - sofern die Umstände dies notwendig gemacht hätten - sie auch festzunehmen, um den Zweck ihrer Amtshandlung erfüllen zu können.

Ebenso wäre die Polizei gesetzlich durchaus bei entsprechender Verhinderung durch Sie berechtigt gewesen, auch mit entsprechenden Zwangsmaßnahmen sich Zutritt zu verschaffen, mit dem Ziel die gesetzlich gebotene Vorführung durchsetzen zu können.

Ferner wird mitgeteilt, dass die Polizei tatsächlich berechtigt ist, von einem allfälligen Störer einer Amtshandlung (dies würde nämlich durchaus zumindest eine Verwaltungsübertretung darstellen) zur Identifizierung einen Ausweis zu verlangen.

Die Polizei ist allerdings entsprechend der Richtlinienverordnung (RLV) nicht verpflichtet, sich Ihnen gegenüber auszuweisen.

Es konnte kein Fehlverhalten der einschreitenden Beamten festgestellt werden.“

 

Zu dieser Mitteilung führte der Bf wie folgt aus:

 

„Mit keinem Wort wird darauf eingegangen, dass sich die Amtshandlung in einer psychotherapeutischen Praxis, d.h. einer Gesundheitseinrichtung mit einer nachweislich (vgl. Visitenkarte) kompetenten und befugten Person abspielte.

Prüfung ‚ex ante‘: Ist es einschreitenden Beamten nicht zumutbar, ‚in situ‘ eine Neubewertung der Lage vorzunehmen (s. oben)? Man hätte nur zuhören müssen, dann ‚Abwägen‘. De-Eskalierung sollte auch kein Fremdwort sein; und vor allem nicht die Rechte einer schutzbedürftigen kranken Person einfach ignorieren.

Dass ich ‚konkret keine Parteienstellung‘ gehabt hätte, finde ich sehr seltsam, wenn die Polizei droht, unser Haus mit Waffengewalt zu stürmen, um eine Klientin ‚vorzuführen‘, für die ich nach dem Psychotherapiegesetz verantwortlich bin.

Wenn in diesem Fall ‚kein Fehlverhalten der einschreitenden Beamten festgestellt werden‘ kann, muss ich leider lernen, dass ich in meiner Berufsausübung als Psychotherapeut selbst in Bürgerkriegsgebieten mehr respektiert und beschützt wurde

 

I.2. Mit Schreiben vom 25. Juni 2014 wurde die belangte Behörde zur Aktenvorlage aufgefordert und ihr die Möglichkeit eingeräumt eine Gegenschrift zu erstatten.

 

I.3. Mit Schreiben vom 1. August 2014 übermittelte die belangte Behörde die in Rede stehenden Verwaltungsakte und erstattete folgende Gegenschrift:

 

1. Die einschreitenden Polizeibeamten mussten zu recht von einer Eigengefährdung der Frau N. (Patientin) ausgehen, da eine Selbstgefährdung durch diese Person selbst angekündigt wurde.

2. Die folgende Vorführung gem. § 46 SPG in das LKH Vöcklabruck war daher aus unserer Sicht erforderlich und zulässig.

3. Das Verhalten des Beschwerdeführers machte es erforderlich, dass zusätzliche Polizeibeamte gerufen werden mussten, um die notwendige Vorführung durchführen zu können.

4. Der Beschwerdeführer hat offensichtlich verkannt, dass eine Situation vorgelegen hat, die die zwangsweise Vorführung zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt... oder einer Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie im Sinne des § 46 Abs. 1 SPG erforderlich machte und gemäß § 9 UbG vorzugehen war (§ 46 Abs. 3 SPG).

5. Der Polizeieinsatz hat also nicht eine Versorgung der Patientin durch den Beschwerdeführer verhindert, wie er das angeführt hat, sondern hat vielmehr durch die Vorführung in das LKH Vöcklabruck eine rasche und richtige Behandlung der Patientin sichergestellt, die zu dem gesetzlich geregelt ist.

 

Abschließend wird daher aus Sicht der Sicherheitsbehörde festgestellt, dass die Vorgehensweise der Polizeibeamten sowohl in rechtlicher Sicht korrekt, als auch zum Wohle der Patientin die einzig richtige Maßnahme war, die gesetzt werden musste, um eine Eigengefährdung der Patientin auszuschließen, die sie ja angekündigt hatte.

Frau N. ist der Behörde bekannt und es musste schon oftmals gegen sie eingeschritten werden. Aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit ist sie derzeit auch in einer Entwöhnungsanstalt in B. untergebracht.“

 

I.4. Mit Schriftsatz vom 12. August 2014 nahm der Bf – nach Wahrung des Parteiengehörs – zu den Äußerungen der belangten Behörde wie folgt Stellung:

 

Zur Gegenschrift der BH Vöcklabruck LVwG-750151/2/ER:

Es wird mit keinem Wort darauf eingegangen, dass sich die Klientin zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes in professioneller Betreuung einer Gesundheitseinrichtung, eines Psychotherapeuten befand, was die Gesetzeslage eindeutig ändert. Es ist auch nicht erlaubt, Patienten aus einem Rettungsauto abzuführen,

ad 1) Der Einsatzgrund Selbstgefährdung ist korrekt, ab Eintreffen in meiner Praxis und meiner mitgeteilten professionellen Lagebeurteilung nicht mehr,

ad 3) Dass mein Verhalten zusätzliche Polizeibeamte erforderlich gemacht hätte, weise ich zurück. Ich habe nur auf die Gesetzeslage verwiesen, die vom leitenden Polizeibeamten ignoriert wurde, und die mir gesetzlich vorgeschriebene Fürsorgepflicht für eine schutzbedürftige psychisch kranke Person erfüllt. (Mehr dazu in meiner Stellungnahme zur Zeugenaussage Grinsp. H.)

ad 4) Diese Situation hat eben aufgrund meiner professionellen Einschätzung nicht mehr vorgelegen. Ganz unbescheiden glaube ich, dass ich das besser medizinisch und psychiatrisch beurteilen kann als ein Gruppeninspektor. In einer vernünftigen Kooperation würde man sich eben zuhören und nicht mit Gewaltmaßnahmen drohen. Dass ich durchaus kooperativ und gesetzeskonform agiere, belegt eine weitere Situation mit derselben Klientin ein paar Wochen später: Da habe ich den Amtsarzt gerufen, und wir haben gemeinsam beschlossen, eine Zwangseinweisung anzufordern, weil die Klientin nicht zu einem Klinikaufenthalt bereit war. (Das hatte allerdings mit dem traumatischen Ereignis vom 23.2.2014 lt. Angaben der Klientin zu tun!)

ad 5) Natürlich hat die Art des Polizeieinsatzes die Erstversorgung der Klientin behindert. Sie war ja schon beruhigt, bereit in die Klinik zu gehen. Durch den Polizeieinsatz war ich verhindert, mich in erster Linie um die Klientin zu kümmern, dann, um eine weitere Eskalation zu vermeiden, die Klientin zu überzeugen, dass alles andere als eine ‚freiwillige‘ Mitfahrt mit der Polizei ein gewaltsames Eindringen der Polizei ins Haus bedeuten würde. Das war zusätzlicher, vermeidbarer Stress für die Klientin. Aufs Schärfste weise ich die implizite Unterstellung zurück, dass ich keine ‚rasche und richtige Behandlung der Patientin‘ sicherstellen hätte können. Das kann OAR K. D. sicher nicht professionell beurteilen.

 

Verwundert bin ich über den letzten Satz der Gegenschrift: ‚Aufgrund ihrer Alkoholabhängigkeit ist sie derzeit auch in einer Entwöhnungsanstalt in B. untergebracht.‘ Das hat nichts mit der Maßnahmenbeschwerde zu tun, geht die Behörde nichts an und ist inhaltlich falsch: Keine Unterbringung, sondern freiwilliger Aufenthalt, übrigens aufgrund meiner Beratung. Wie so ein Satz in einen amtlichen Schriftsatz kommt, ist mir unverständlich.

 

Weiters ist sehr unwahrscheinlich, dass die Klientin und deren Vorgeschichte dem Gruppeninspektor bekannt war. ‚der Behörde bekannt‘ sehr wohl, aber in einer anderen Polizeistation, A., ihrem Wohnort. Es ist also wahrscheinlich, dass Informationen bezüglich der Klientin erst nach dem Einsatz, nach meiner Beschwerde eingeholt wurden, was für die Bewertung meiner Stellungnahme zur Zeugenaussage Grlnsp. H. vom
1. August relevant sein könnte.

In der Zeugenaussage finden sich Erinnerungen, die aufgrund geographischer Gegebenheiten unrichtig sind, andere Angaben, die durch Zeugen widerlegt werden können, und Wahrnehmungen, die sich von meinen unterscheiden. Die Schwester der Klientin kann man nicht in der Nähe unseres Hauses antreffen, weil sie wohnt 3 km entfernt in B. (Gem. R.).

Die Beamten sind nicht ‚in den Garten gegangen‘, weil das nicht möglich ist: Die Hoftüre zum Innenhof mit Garten ist versperrt. Ich kann die Beamten also nicht ‚sofort zum Verschwinden aufgefordert‘ haben, weil ich ihnen ja das Hoftor aufgesperrt habe, sie hereingebeten habe, um ihnen mitzuteilen, dass die von ihnen offensichtlich gesuchte Person in Sicherheit und nicht mehr gefährdet ist. Das mit dem ‚Jugoslawienkrieg‘ ist eine gute Erfindung bzw. Erinnerungsverschiebung. Mit dem ‚Jugoslawienkrieg‘ habe ich professionell nur durch Betreuung traumatisierter Kriegsopfer zu tun gehabt. Es gab auch keinen Grund das zu thematisieren.

Zur ‚Ablenkung‘ der Beamten hatte ich gar keine Zeit. Ich war vollauf damit beschäftigt, mein Hausrecht und die Fürsorgepflicht zu wahren. Ich habe nicht nur einmal, sondern mehrfach nach der Dienstnummer gefragt, immer dann, wann eine Amtshandlung angekündigt, angedroht wurde. Es ist unrichtig, dass ich erst am Ende der Amtshandlung meinen Reisepass vorweisen musste. Das war ziemlich am Anfang, nachdem ich zum ersten Mal nach der Dienstnummer gefragt hatte. Ich habe den Pass mit der Visitenkarte (auf der Beruf und Gesundheitseinrichtung aufscheinen) dem Beamten gegeben. Es hat allerdings nichts am Umgangston des Beamten geändert. Meine Frau kann das bezeugen, weil sie die ganze Zeit statt mir die Klientin beruhigen musste, die aufgrund des Polizeieinsatzes wieder in Panik geraten war.

Wenn ich nicht die ‚berechtigten Sorgen‘ der Beamten anerkannt hätte, hätte ich überhaupt nicht die Tür geöffnet und keine Auskunft erteilt. Als Psychotherapeut bin ich an die Verschwiegenheitspflicht mehr gebunden als zur behördlichen Auskunft verpflichtet (vgl. Psychotherapiegesetz). Das hat der Beamte nicht gewusst, wollte es nicht hören, nicht zuhören. Dass auch die BH Vöcklabruck sich diesbezüglich nicht informiert, finde ich rechtsstaatlich bedenklich. Dazu passt, dass man mir im letzten Dokument ‚Kurzinformation‘ gez. Abtlnsp. S. vom 25.2.2014 ‚eigenwilliges Verhalten‘ attribuiert, wenn ich nur auf die Respektierung der Rechtslage insistiere. Unrichtig ist auch, dass es dem Gruppeninspektor gelungen wäre, mich auf die Vernunftebene zu bringen, um die Klientin in den Garten zu geleiten. Das habe ich mit seinem jungen Kollegen, samt Zeitfenster 5 Minuten, ausgehandelt, der sich während des Einsatzes korrekt verhalten hat. Ich habe die Klientin ihm persönlich anvertraut. Dass er die Dienstnummer nicht herzeigt, wenn es der Einsatzleiter verweigert, kann ich verstehen. Er war höflich und bestimmt, professionell. Die Entscheidungen, Drohungen kamen vom Einsatzleiter.“

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erhob Beweis durch Einsichtnahme in die Beschwerde und die vorgelegten ergänzenden Unterlagen und Schriftsätze.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 1 VwGVG abgesehen werden, zumal der entscheidungsrelevante Sachverhalt unbestritten geklärt und bloß Rechtsfragen zu erörtern waren. Darüber hinaus besteht kein darauf gerichteter Parteiantrag.

 

Es steht folgender entscheidungsrelevanter  S a c h v e r h a l t  fest:

 

Der Bf ist Psychotherapeut mit Praxis in  R.

Am 23. Februar 2014, einem Sonntag, läutete eine Klientin des Bf betrunken und dekompensiert, ohne Schuhe, im T-Shirt, mit Blutflecken und Blutergüssen an die Türe des Bf, der sie daraufhin betreute.

 

Gegen 16:00 trafen Gruppeninspektor H. und Revierinspektor O. als zuständige Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der Adresse des Bf ein, um die notorisch schwer alkoholabhängige Klientin des Bf gemäß § 46 Abs 1 SPG bzw § 9 UbG wegen ernstlicher und erheblicher Selbstgefährdung vorzuführen, da sie vom Vater der Klientin benachrichtigt wurden, dass die Klientin in leichter Bekleidung und ohne Schuhe dessen Wohnung im Streit verlassen habe und betrunken eine Selbstmordankündigung deponiert habe, nachdem sie zuvor von ihrem Lebensgefährten der gemeinsamen Wohnung verwiesen worden sei und sich daher in einem depressiven Zustand befinde.

Die Sicherheitsorgane betraten den Garten des Bf, nachdem ihnen der Bf das Gartentor aufgesperrt und sie hereingebeten hatte. Der Bf teilte den einschreitenden Organen mit, dass sich die Klientin in seiner Obhut befinde und keine Notwendigkeit zur Vorführung vorliege.

 

Der Bf gestattete den einschreitenden Organen keinen Zutritt zur Klientin.

Der Bf forderte die Sicherheitsorgane – unter Hinweis auf seinen Beruf und der Absichtserklärung, die Klientin selbst zu behandeln – auf, das Grundstück zu verlassen. Die einschreitenden Organe forderten zur Unterstützung eine Streife der Polizeiinspektion A. an.

 

Die Sicherheitsorgane beriefen sich auf Gefahr im Verzug und erläuterten dem Bf die Notwendigkeit der Vorführung, da die Sicherheitsorgane von akuter Selbstgefährdung einer psychisch kranken Person ausgingen. Der Bf verweigerte aber weiterhin den Zutritt zur Klientin unter Hinweis auf seine Kompetenz als Psychotherapeut.

 

In Folge dessen erläuterten die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erneut den rechtlichen Auftrag zur Vorführung und drohten – nach insgesamt rund zwanzigminütiger Gesprächsdauer mit dem Bf – an, sich gewaltsam Zugang zum Haus des Bf zu verschaffen, wenn der Bf nicht binnen fünf Minuten die Klientin in die Obhut der einschreitenden Organe übergebe. Daraufhin übergab der Bf die Klientin an die einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

 

Während des Gesprächs des Bf mit den Sicherheitsorganen befand sich die Klientin im Haus des Bf.

 

Der Bf forderte die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes mehrmals im Rahmen des zwanzigminütigen Gesprächs auf, die Dienstnummer bekannt zu geben. Dieser Aufforderung wurde nicht nachgekommen.

 

 

II. Dass der Bf den einschreitenden Sicherheitsorganen den Zutritt zu seiner Klientin verweigert hat, bestätigte dieser in seiner Beschwerde.

 

Dass dem Bf das zwangsweise Betreten seines Hauses angedroht wurde, ergibt sich einerseits glaubwürdig aus der Beschwerde und der Stellungnahme des Bf und andererseits schlüssig aus der Aussage des Einsatzleiters, wonach der Bf mehrmals – unter Hinweis auf Gefahr im Verzug – deutlich über den rechtlichen Auftrag der einschreitenden Sicherheitsorgane belehrt worden sei.

 

Sowohl aus der Aussage des Einsatzleiters, GrInsp. H., als auch aus dem Beschwerdeschriftsatz des Bf und seiner Stellungnahme ergibt sich widerspruchsfrei, dass dem Bf die Dienstnummern der einschreitenden Organe der öffentlichen Sicherheit nicht bekannt gegeben wurden.

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt konnte demnach widerspruchsfrei aufgrund der Beschwerde und der ergänzend vorgelegten Unterlagen und Schriftsätze festgestellt werden.

 

 

III.1. Gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

 

Nach Art 132 Abs 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

 

Gemäß Art 130 Abs 2 Z 1 B-VG können durch Bundes- oder Landesgesetze sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze vorgesehen werden.

 

Gemäß Art 132 Abs 5 B-VG bestimmen die Bundes- oder Landesgesetze, wer in den Fällen, in denen ein Gesetz gemäß Art 130 Abs 2 B-VG eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vorsieht, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben kann.

 

Gemäß § 3 Abs 1 VwGVG ist, sofern die Rechtssache nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehört, in Rechtsachen in den Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Landessache ist, das Verwaltungsgericht im Land zuständig.

 

Nach Abs 2 Z 2 richtet sich im Übrigen die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören, in den Fällen des Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG nach dem Ort, an dem die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt begonnen wurde, wenn diese jedoch im Ausland ausgeübt wurde, danach, wo das ausübende Organ die Bundesgrenze überschritten hat.

 

Nach § 7 Abs 4 Z 3 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art 132 Abs 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung.

 

Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1.    die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2.    die Bezeichnung der belangten Behörde,

3.    die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4.    das Begehren und

5.    die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

 

Nach Abs 2 Z 2 leg. cit. ist belangte Behörde in den Fällen des Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG jene Behörde, der die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen ist.

 

Gemäß Abs 4 tritt bei Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG an die Stelle der Bezeichnung der belangten Behörde, soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ die Maßnahme gesetzt hat.

 

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Nach Abs 6 hat das Verwaltungsgericht, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

 

Gemäß § 89 Abs 4 SPG hat jeder, dem gemäß Abs 2 mitgeteilt wurde, dass die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, das Recht, binnen
14 Tagen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; (...). Das Landesverwaltungsgericht hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.

 

Gemäß § 88 Abs 2 SPG erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2014 beschwerte sich der Bf bei der Landespolizeidirektion Oberösterreich über die Vorgehensweise der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23. Februar 2014, wobei ihm von Organen der öffentlichen Sicherheit angedroht worden sei, sein Haus unter Zwang zu betreten, um eine Patientin gemäß § 46 Abs 1 SPG bzw § 9 UbG vorzuführen. Ferner wurde dem Bf die Dienstnummer der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht mitgeteilt.

 

Mit Schriftsatz vom 17. März 2014 erhob der Bf rechtzeitig Beschwerde beim Oö. Landesverwaltungsgericht. Nachdem der Bf behauptet, in seinen Rechten verletzt worden zu sein, ist die Beschwerde auch als zulässig zu erachten.

 

IV.2.1. Nach Art 9 Abs 1 StGG ist das Hausrecht unverletzlich.

 

Gemäß Art 8 Abs 1 EMKR hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Abs 2 ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

§ 3 des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts enthält den Gesetzesvorbehalt, dass die zuständigen Verwaltungsorgane für Zwecke der polizeilichen Aufsicht vom Materiengesetzgeber zu Hausdurchsuchungen ermächtigt werden. Dieser formelle Gesetzesvorbehalt wird durch den materiellen Gesetzesvorbehalt des Art 8 Abs 2 EMRK ergänzt, wonach die Ermächtigung in einer demokratischen Gesellschaft zur Erreichung bestimmter Zwecke erforderlich sein muss (vgl Öhlinger, Verfassungsrecht5, RZ 862).

 

Die Ermächtigung gemäß § 3 des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts ist auf Maßnahmen der Sicherheitsverwaltung zu beziehen (vgl Weber/Schlag, Sicherheitspolizei und Föderalismus, 124).

 

Gemäß § 39 Abs 3 Z 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Grundstücke, Räume und Fahrzeuge zu durchsuchen, soweit dies der Suche nach einem Menschen dient, dessen Leben oder Gesundheit unmittelbar gefährdet erscheint.

 

Die sowohl nach dem formellen Gesetzesvorbehalt des § 3 des Gesetzes zum Schutz des Hausrechts als auch nach dem materiellen Gesetzesvorbehalt des Art 8 Abs 2 EMRK erforderliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit ergibt keine verfassungsrechtlichen Bedenken von § 39 Abs 3 SPG, weil die Eingriffsfälle, die legitime Ziele verfolgen, detailliert umschrieben werden und verhältnismäßig gehalten werden (vgl Weber/Schlag, Sicherheitspolizei und Föderalismus, 124).

 

IV.2.2. Unter den Voraussetzungen des § 39 Abs 3 Z 1 SPG darf eine Durchsuchung von Grundstücken und Räumen gegen widerstrebende Personen – insbesondere den Verfügungsberechtigten – auch mit Mitteln der Befehls- und Zwangsgewalt (§ 50 SPG) durchgesetzt werden. § 39 Abs 3 Z 1 SPG erfasst dabei auch Fälle der ersten allgemeinen Hilfeleistung (§ 19 SPG), gleichgültig, auf welche Ursache die Gefährdung zurückzuführen ist. Demnach ist eine Durchsuchung auch zulässig, wenn zu befürchten ist, dass der Betroffene Selbstmord verüben werde (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, 426).

 

Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).

 

Im vorliegenden Fall wurden die Organe der öffentlichen Sicherheit aufgrund einer Anzeige des Vaters der – notorisch schwer alkoholabhängigen – Klientin des Bf darüber informiert, dass die Klientin des Bf in leichter Bekleidung, ohne Schuhe (im Februar) im angetrunkenen Zustand das Haus der Eltern mit der Ankündigung, sich umzubringen, verlassen habe.

Daraufhin konnte die Klientin des Bf beim Bf angetroffen werden. Die Organe der öffentlichen Sicherheit, die aufgrund der Schilderung des Vaters der Klientin von einer psychischen Krankheit und ernstlicher und erheblicher Eigengefährdung ausgingen, beabsichtigten, die Klientin gemäß § 9 UbG bzw § 46 Abs 1 SPG zur Untersuchung zu einem gemäß § 8 UbG im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder Polizeiarzt zu bringen.

Daran wurden sie durch den Bf über eine Zeitspanne von etwa 20 Minuten gehindert, weshalb diesem die zwangsweise Betretung seines Hauses angedroht wurde, um die Klientin, deren Leben unmittelbar gefährdet schien, zu suchen und fachärztlicher Betreuung zuzuführen.

 

Bei den einschreitenden Beamten handelt es sich zweifelsfrei um Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Rahmen des UbG bzw des SPG einschritten, ohne dass gegen die Bf ein Bescheid erlassen worden wäre.

 

Es war von den Beamten beabsichtigt und wurde auch vom Bf so verstanden, dass die Betretung des Hauses zwangsweise durchgeführt werden würde, um die Klientin des Bf zu suchen und gemäß § 46 Abs 1 SPG bzw § 9 UbG vorzuführen, weshalb hier eine unmittelbare Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt.

 

Fraglich ist allerdings, ob diese Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt in der vorgenommenen Form Deckung in der österreichischen Rechtsordnung findet.

 

IV.2.2.1. Dazu ist zunächst zu prüfen, ob die Vorführung der Klientin, ohne die die vom Bf in Beschwerde gezogenen Handlungen der Sicherheitsorgane nicht stattgefunden hätten, dem Grunde nach gerechtfertigt war.

 

Gemäß § 46 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz – SPG idgF BGBl I Nr 12/1997 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Menschen, von denen sie aus besonderen Gründen annehmen, dass sie an einer psychischen Krankheit leiden und im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährden, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen, sofern dies notwendig ist, um eine Untersuchung des Betroffenen durch diesen Arzt zu ermöglichen. Weiters sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, solche Menschen einer Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie vorzuführen, sofern der Arzt die Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt.

 

Gemäß § 9 Abs 1 Unterbringungsgesetz – UbG idgF BGBl I Nr 18/2010 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine psychiatrische Abteilung zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

 

Gemäß § 8 UbG darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine psychiatrische Abteilung gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, dass die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im Einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.

 

§ 3 UbG regelt die Voraussetzungen für eine Unterbringung. Demnach darf in einer psychiatrischen Abteilung nur untergebracht werden, wer

1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und

2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer psychiatrischen Abteilung, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

 

Die Vorführung nach § 46 Abs 1 SPG bzw § 9 UbG setzt eine bestimmte Gefahrensituation voraus und umschreibt den erforderlichen Verdachtsgrad mit den Worten „aus besonderen Gründen“ annehmen bzw erachten. Dies bedeutet, dass ein Verdacht vorliegen muss, nicht aber sicheres Wissen. Der Verdacht muss aber – objektivierbar – begründet sein.

Dabei verlangt § 46 Abs 1 SPG bzw § 9 UbG – mangels medizinischer Fachkenntnisse der Sicherheitsorgane – keine abschließende Beurteilung, sondern eine ex-ante-Abschätzung eines durchschnittlich verständigen medizinischen Laien (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, 470, mHa VwGH 26.7.2005, 2004/11/0070; Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts², Rz 157/1).

Die Beurteilung der Gefährdungssituation ist eine Rechtsfrage (vgl Kopetzki, Grundriss des Unterbringungsrechts², Rz 96).

 

Aufgrund der Anzeige des Vaters der Klientin, wonach sie sich in einem depressiven Zustand befinde und ihren Selbstmord angedroht habe, sowie aufgrund ihrer notorischen schweren Alkoholsucht ist bei den Organen der öffentlichen Sicherheit ein ausreichender Verdacht einer psychischen Krankheit entstanden.

 

Ferner muss die Geisteskrankheit in ursächlichem Zusammenhang mit einer Sicherheitsgefahr stehen. Die Sicherheitsgefahr muss konkret vorliegen. Die vage Möglichkeit einer Selbst- oder Fremdgefährdung reicht nicht aus, es muss ein hohes Maß der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts vorliegen (vgl VwGH 26.7.2005, 2004/11/0070).

Die Gefahr muss ernstlich und erheblich sein, wobei Ernstlichkeit ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit des Schadenseitritts bedeutet, Erheblichkeit meint die Schwere der potenziellen Gesundheitsgefährdung (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, 471).

 

Wie die Sicherheitsorgane aufgrund der Anzeige des Vaters der Klientin wussten, war diese alkoholisiert, leicht bekleidet und ohne Schuhe im Februar im Freien unterwegs, nachdem sie von ihrem Lebensgefährten der gemeinsamen Wohnung verwiesen wurde und sich deshalb in einem depressiven Zustand befand. Ferner kündigte sie gegenüber ihrem Vater Suizidabsichten an.

Die Sicherheitsorgane hatten daher von einer ernstlichen und erheblichen Selbstgefährdung der Klientin auszugehen.

 

Diese Einschätzung der Sicherheitsorgane ist im Übrigen auch „ex post“ betrachtet nicht zu beanstanden. So ergibt sich aus der Beschwerde des Bf, in der er die „Be- und Verhinderung der fachlich kompetenten Akut-Betreuung einer schutzbedürftigen psychisch kranken Person“ einwendet, die psychische Erkrankung seiner Klientin.

Die ernstliche und erhebliche Selbstgefährdung ergibt sich schlüssig aus den Sachverhaltsdarstellungen des Bf, wonach die Klientin betrunken, dekompensiert, ohne Schuhe, im T-Shirt, mit Blutflecken und Blutergüssen versehen zu ihm gekommen sei. Schließlich bestätigte der Bf in seiner Stellungnahme vom 12. August 2014 ausdrücklich den Einsatzgrund der Selbstgefährdung.

Darüber hinaus wurde vom letztlich konsultierten Arzt die Unterbringung in eine psychiatrische Anstalt verfügt.

 

Wenn der Bf nun vorbringt, die Sicherheitsorgane hätten „in situ“ aufgrund seiner psychotherapeutischen Einschätzung von einer Vorführung absehen müssen, ist ihm entgegen zu halten, dass von den einschreitenden Sicherheitsorganen aufgrund der Verweigerung des Zutritts zur Klientin durch den Bf die Situation „in situ“ nicht beurteilt werden konnte. Den Verweisen auf seine professionelle psychotherapeutische Beurteilung ist entgegenzuhalten, dass die abschließende Beurteilung, ob sich der begründete Verdacht tatsächlich bestätigt und eine Unterbringung in eine Anstalt erforderlich ist, von einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt durchzuführen ist (vgl § 46 Abs 1 SPG und §§ 8 und 9 iVm § 3 Z 1 UbG).

 

Gemäß § 41 Abs 1 ÄrzteG sind Amtsärzte die bei den Sanitätsbehörden hauptberuflich tätigen Ärzte, die behördliche Aufgaben zu vollziehen haben.

Gemäß § 41 Abs 2 Ärztegesetz 1998 idgF BGBl I Nr 156/2005 sind Polizeiärzte Amtsärzte, die für eine Landespolizeidirektion oder das Bundesministerium für Inneres auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung oder eines öffentlichen rechtlichen Dienstverhältnisses tätig werden.

Zu den im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Ärzten zählen neben Amtsärzten auch Ärzte des Gemeindesanitätsdienstes (je nach landesrechtlicher Begriffsbestimmung Gemeinde-, Kreis-, Sprengel- oder Distriktsärzte). Nicht zum Kreis der Amtsärzte gehören Notärzte, niedergelassene Fachärzte, Militärärzte, Krankenhausärzte und Ärzte für Allgemeinmedizin (vgl Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM 2013/79).

Gemäß § 197 Abs 1 ÄrzteG sind Distrikts-, Gemeinde-, Kreis- und Sprengelärzte verpflichtet, als nichtamtliche Sachverständige Untersuchungen zwecks Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 8 Unterbringungsgesetz vorzunehmen, wenn hierfür ein anderer im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt nicht zur Verfügung steht.

Andere Ärzte sind für die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 8 UbG bzw § 46 Abs 1 SPG nicht berechtigt( vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, 472).

 

Ein Arzt iSd zitierten gesetzlichen Bestimmungen war allerdings bei der in Rede stehenden Amtshandlung nicht anwesend.

 

Die Sicherheitsorgane mussten demnach aufgrund der Anzeige des Vaters der Klientin, wonach diese alkoholisiert und depressiv war und Suizidabsichten geäußert hatte, von einer aktuellen ernstlichen und erheblichen Selbstgefährdung der Klientin des Bf ausgehen.

 

Der mehrmalige Hinweis des Bf auf seine Verschwiegenheitspflicht nach dem Psychotherapiegesetz ist im gegebenen Zusammenhang ohne Relevanz, da gemäß § 15 Psychotherapiegesetz der Psychotherapeut sowie seine Hilfspersonen ausschließlich zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet sind. Zumal die einschreitenden Sicherheitsorgane ex ante aufgrund der Anzeige des Vaters der Klientin deren psychische Erkrankung und ernstliche und erhebliche Selbstgefährdung zu beurteilen hatten, war die Preisgabe von allfälligen Geheimnissen iSd § 15 Psychotherapiegesetz nicht erforderlich.

 

Die Sicherheitsorgane waren aufgrund des besonders begründeten Verdachts, dass die Klientin des Bf psychisch krank und ihr Leben im Zusammenhang mit ihrer Krankheit ernstlich und erheblich gefährdet sei, ermächtigt bzw verpflichtet, sie gemäß § 46 Abs 1 SPG bzw § 9 UbG einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen.

 

IV.2.2.2. Im Folgenden ist auf die Recht- und Verhältnismäßigkeit der in Beschwerde gezogenen Maßnahmen, die von den einschreitenden Sicherheitsorganen im Rahmen der Durchsetzung der erforderlichen Vorführung der Klientin des Bf angedroht wurden, einzugehen.

 

Gemäß § 39 Abs 3 Z 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Grundstücke, Räume und Fahrzeuge zu durchsuchen, soweit dies der Suche nach einem Menschen dient, dessen Leben oder Gesundheit unmittelbar gefährdet erscheint.

 

Der Begriff „Räume“ ist dabei in einem weiten Sinn zu verstehen. Es sind davon alle Räumlichkeiten erfasst, die durch Art 8 EMRK, Art 9 StGG und das Hausrechtsgesetz geschützt sind. Dies sind nicht nur Wohnungen, sondern auch Betriebsräume (VfSlg 6328/1970) oder Privatordinationen von Ärzten (VfSlg 1747/1949) (vgl Hauer/Keplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz, 210).

 

Die Sicherheitsorgane wussten aufgrund des Gesprächs mit dem Bf, dass sich dessen suizidgefährdete Klientin im Haus des Bf aufhielt.

 

Die Organe der öffentlichen Sicherheit waren befugt, gemäß § 39 Abs 3 Z 1 SPG das Grundstück und die Räume des Bf zu durchsuchen, um nach einem Menschen zu suchen, dessen Leben unmittelbar gefährdet erschein.

 

Aufgrund dieser Befugnis fand im verfahrensgegenständlichen Fall keine Verletzung des Hausrechts statt, da die Voraussetzungen für die (angedrohte) Durchsuchung des Hauses des Bf gemäß § 39 Abs 3 Z 1 SPG ohne Zweifel vorlagen (Suche nach einem Menschen, dessen Leben oder Gesundheit unmittelbar gefährdet erscheint) und die Maßnahme – zumal die bloße Androhung der Durchsuchung letztlich zum Erfolg geführt hat – jedenfalls verhältnismäßig war.

 

IV.2.2.3. Durch die Weigerung des Bf, den Sicherheitsorganen Zutritt ins Haus zu gewähren, waren diese daran gehindert, die suizidgefährdete Patientin zu suchen und in weiterer Folge einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder Polizeiarzt vorzuführen.

 

Die Befugnis gemäß § 39 Abs 3 Z 1 SPG darf gemäß § 50 Abs 1 SPG mit Mitteln der Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzt werden, wovon auch die Durchsuchung von Grundstücken und Räumen widerstrebender Personen – insbesondere der Verfügungsberechtigten – erfasst ist (vgl Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4, 422, 426, 469).

 

§ 50 Abs 2 erster Satz SPG bestimmt, dass Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes anwesenden Betroffenen die Ausübung von unmittelbarer Zwangsgewalt anzudrohen und anzukündigen haben.

 

Die vom Bf in Beschwerde gezogene Gewaltandrohung war aufgrund von § 50 Abs 2 SPG im vorliegenden Fall demnach nicht nur berechtigt, die Organe der öffentlichen Sicherheit waren dazu sogar verpflichtet.

 

IV.2.3. Die Beschwerde des Bf hinsichtlich des „Hausfriedensbruchs“ war im Ergebnis als unbegründet abzuweisen, da die Organe der öffentlichen Sicherheit berechtigt gewesen wären, die Vorführung der Klientin des Bf mit den Mitteln des § 39 Abs 3 Z 1 SPG durchzusetzen. Allerdings übten die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes diese Befugnis nicht aus, sondern drohten die Ausübung der Befugnis lediglich an.

Die Beschwerde des Bf hinsichtlich der „Gewaltandrohung“ war ebenso als unbegründet abzuweisen, zumal die einschreitenden Sicherheitsorgane gemäß § 50 Abs 2 SPG sogar verpflichtet waren, die allfällig bevorstehende Ausübung von unmittelbarer Zwangsgewalt anzudrohen.

Das Vorgehen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes war zur Erreichung des Ziels, die Klientin des Bf, die im hinreichend begründeten Verdacht stand, psychisch krank und im Zusammenhang mit dieser Erkrankung ernstlich und erheblich selbstgefährdet zu sein, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorzuführen, daher recht- und verhältnismäßig.

 

IV.3.1. Ferner bringt der Bf die Rechtswidrigkeit der Nicht-Bekanntgabe der Dienstnummer der amtshandelnden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, sohin eine Richtlinienverletzung gemäß § 9 der Richtlinien-Verordnung - RLV, BGBl II Nr 266/1993 idF BGBl II Nr 155/2012, vor.

 

Gemäß § 31 Abs 1 SPG hat der Bundesminister für Inneres zur Sicherstellung wirkungsvollen einheitlichen Vorgehens und zur Minderung der Gefahr eines Konfliktes mit Betroffenen durch Verordnung Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu erlassen. In diesen Richtlinien ist gemäß Abs 2 zur näheren Ausführung gesetzlicher Anordnungen insbesondere vorzusehen, dass

1. ...

2. die Bekanntgabe der Dienstnummern der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in einer der jeweiligen Amtshandlung angemessenen Weise, in der Regel durch Aushändigung einer mit der Dienstnummer, der Bezeichnung der Dienststelle und deren Telefonnummer versehenen Karte zu erfolgen hat;

...

 

Gemäß § 9 Abs 1 der aufgrund von § 31 SPG erlassenen Richlinien-Verordnung haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von einer Amtshandlung Betroffenen auf deren Verlangen ihre Dienstnummer bekanntzugeben. Dies gilt nicht, solange dadurch die Erfüllung der Aufgabe gefährdet wäre. Die Bekanntgabe der Dienstnummer aus anderen Anlässen ist dem Organ freigestellt.

 

Wie oben festgestellt, ergibt sich aus den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen widerspruchsfrei, dass die einschreitenden Organe der öffentlichen Sicherheit dem Bf ihre Dienstnummern nicht bekannt gegeben haben. Der Bf gab in seiner Stellungnahme vom 12. August 2014 an, während der Amtshandlung mehrfach nach der Dienstnummer gefragt zu haben. Der Leiter der Amtshandlung, GrInsp. H. , gab dazu an, dass der Bf während des – der Herausgabe seiner Klientin vorangegangenen – zwanzigminütigen Gesprächs nach der Dienstnummer gefragt habe. Da Gefahr im Verzug bestanden habe, sei dem Bf die Dienstnummer nicht bekannt gegeben worden. Der Auftrag, die Klientin des Bf einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorzuführen sei aufgrund der vorgelegenen akuten Selbstgefährdungssituation vorrangig zu behandeln gewesen.

 

Da der Herausgabe der Patientin ein etwa zwanzigminütiges, intensives Gespräch vorangegangen ist, während dessen sich der Bf beharrlich geweigert hatte, den Sicherheitsorganen Zutritt zu seiner Klientin zu gewähren und in dem die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes – letztendlich erfolgreich – den Bf von der Notwendigkeit der Amtshandlung zu überzeugen versuchten, ist davon auszugehen, dass die Bekanntgabe der Dienstnummern während dieses Gesprächs die Erfüllung der Aufgabe der Organe der öffentlichen Sicherheit iSd zweiten Satzes des § 9 Abs 1 RLV gefährdet hätte. Dies ergibt sich auch schlüssig daraus, dass es die einschreitenden Sicherheitsorgane für notwendig erachteten, Verstärkung anzufordern. Es ist somit schlüssig nachvollziehbar, dass jede Ablenkung, und somit auch die Bekanntgabe der Dienstnummer, während der laufenden Amtshandlung die Erfüllung der Aufgabe – nämlich die Vorführung der Klientin des Bf – gefährdet hätte.

 

Ab dem Zeitpunkt, zu dem der Bf seine Klientin an die Organe der öffentlichen Sicherheit übergeben hatte, bestand diese Gefährdungssituation allerdings nicht mehr. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die Organe der öffentlichen Sicherheit ihre Pflicht zur Bekanntgabe der Dienstnummer nachholen müssen, zumal diese Pflicht entsprechend dem Wortlaut des § 9 Abs 1 RLV nur solange suspendiert ist, wie die Gefährdung der Erfüllung der Aufgabe anhält.

 

IV.3.2. Durch die Nicht-Bekanntgabe der Dienstnummer wurde demnach die Richtlinie gemäß § 9 Abs 1 der Richtlinien-Verordnung verletzt.

 

IV.4. Des Weiteren bringt der Bf vor, dass durch den Einsatz der Sicherheitsorgane die fachlich kompetente Akut-Betreuung einer schutzbedürftigen Person be- und verhindert, sowie dass der Bf in seinen Rechten als Psychotherapeut und insbesondere die Respektierung einer Gesundheitseinrichtung verletzt worden sei.

Mit diesem Vorbringen macht der Bf die Verletzung von Rechten iSd § 88 Abs 2 SPG geltend.

 

IV.4.1.1. Im Sinne des § 46 Abs 1 SPG bzw der §§ 8 und 9 UbG sind die Organe der öffentlichen Sicherheit berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen annehmen, dass sie an einer psychischen Krankheit leidet und in Zusammenhang damit ihr Leben (...) ernstlich und erheblich gefährdet, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen oder diesen beizuziehen. Bestätigt der Arzt die Voraussetzungen für die Unterbringung, ist die betroffene Person in eine psychiatrische Abteilung zu bringen.

 

Gemäß § 3 Z 2 UbG darf eine unter dem og Verdacht stehende Person nur dann in eine psychiatrische Abteilung untergebracht werden, die nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer psychiatrischen Abteilung ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

 

Gemäß § 37 Abs 1 des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes idgF BGBl I Nr 157/1990 sind Abteilungen und Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie zur Aufnahme psychisch Kranker bestimmt.

Gemäß § 37 Abs 2 leg. cit. ist Zweck der Aufnahme

1. die Feststellung des Gesundheitszustandes durch Untersuchung,

2. die Behandlung zur Heilung, Besserung oder Rehabilitation,

3. die Behandlung zur Hintanhaltung einer Verschlechterung oder

4. die erforderliche Betreuung und besondere Pflege, sofern diese nur in der Krankenanstalt gewährleistet werden können;

in den Fällen der Z 2, 3 und 4 einschließlich der allenfalls nötigen Abwehr von ernstlichen und erheblichen Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Kranken oder anderer Personen, wenn diese Gefahren im Zusammenhang mit der psychischen Krankheit stehen.

 

IV.4.1.2. Aus § 46 Abs 1 SPG und §§ 8 und 9 UbG geht dem Wortlaut nach hervor, dass in Situationen, in denen Organe der öffentlichen Sicherheit aus besonderen Gründen annehmen, dass eine Person an einer psychischen Krankheit leidet und in Zusammenhang damit ihr Leben ernstlich und erheblich gefährdet, die fachlich kompetente Akut-Betreuung durch gesetzlich bestimmte Ärzte bzw in gesetzlich bestimmten Krankenanstalten vorzunehmen ist. Dies wird gemäß § 3 Z 2 UbG ausschließlich durch eine ausreichende alternative ärztliche Betreuung eingeschränkt (vgl VwGH 26.7.2005, 2004/11/0070 uHa VwGH 26.6.1997, 94/11/0340).

 

Der Bf, der eine psychotherapeutische Praxis führt, jedoch kein Arzt ist, war somit in einer Situation, in der Organe der öffentlichen Sicherheit aus besonderen Gründen annehmen mussten, dass eine Person an einer psychischen Krankheit leidet und in Zusammenhang damit ihr Leben ernstlich und erheblich gefährdet, iSd zitierten Rechtsvorschriften nicht zur fachlich kompetenten Akut-Betreuung einer schutzbedürftigen psychisch kranken Person berufen. Die Beschwerde betreffend die Be- und Verhinderung der fachlich kompetenten Akut-Betreuung einer schutzbedürftigen psychisch kranken Person geht daher ins Leere. Die Organe der öffentlichen Sicherheit haben gerade durch ihr Vorgehen die Klientin des Bf der gesetzlich vorgesehenen fachlich kompetenten Akut-Betreuung schnellstmöglich zugeführt, indem sie sie einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorgeführt haben, der im Anschluss die Voraussetzungen für die Unterbringung in eine psychiatrische Abteilung bescheinigt hat.

 

IV.4.2. Auch die Beschwerde hinsichtlich der Verletzung der besonderen Rechte eines Psychotherapeuten ist in diesem Zusammenhang nicht gerechtfertigt, zumal in derartigen Situationen aufgrund der zitierten gesetzlichen Grundlagen ausschließlich ärztliche Betreuung vorgesehen ist.

 

IV.4.3. Ferner erfasst die Beschwerde die Verletzung der besonderen Respektierung einer Gesundheitseinrichtung. Wie bereits unter IV.2.2.2 festgehalten, waren die Organe der öffentlichen Sicherheit befugt, aufgrund des begründeten Verdachts, dass sich im Haus des Bf eine psychisch kranke Person aufhält, deren Leben im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung ernstlich und erheblich gefährdet ist, gemäß § 39 Abs 3 Z 1 SPG das Grundstück und die Räume des Bf zu durchsuchen. § 39 Abs 3 Z 1 SPG differenziert dabei nicht zwischen Privaträumen und Betriebsräumen, sondern umfasst ebenso Betriebsräume oder Privatordinationen von Ärzten. Somit sind davon ebenfalls die Praxisräume des Bf und damit seiner Gesundheitseinrichtung umfasst.

Welche konkreten Rechte eines Psychotherapeuten bzw einer Gesundheitseinrichtung der Bf als verletzt erachtet, geht im Übrigen aus der Beschwerde nicht hervor.

Die Beschwerde geht daher auch diesbezüglich ins Leere.

 

IV.5. Gemäß § 35 Abs 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG) sowie die im Verfahren über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß § 53 VwGVG (Art 130 Abs 2 Z 1 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Die Bestimmungen des § 35 VwGVG sind gemäß § 53 VwGVG auf Verfahren über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze sinngemäß anzuwenden.

 

Nach § 35 Abs 2 VwGVG ist der Beschwerdeführer die obsiegende Partei und die Behörde die unterlegene Partei, wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird.

 

Nach Abs 6 ist die Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird.

 

Gemäß Abs 7 ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Die Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandsersätze im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze (VwG-Aufwandsersatzverordnung) idF BGBl I Nr 122/2013 regelt die Höhe der zu leistenden Aufwandsersätze.

 

Im vorliegenden Fall kann die belangte Behörde hinsichtlich der Beschwerdepunkte 1, 2, 4 und 5 als obsiegende Partei angesehen werden, da die Beschwerden, die den Kostenersatz gemäß § 35 bzw § 53 VwGVG begründen würden, als unbegründet abgewiesen wurden. Hinsichtlich des Beschwerdepunkts 3 ist jedoch der Bf als obsiegende Partei anzusehen.

 

Jedoch mangelt es für einen Aufwandersatz am diesbezüglichen Antrag der Parteien, die ein derartiges Begehren nicht gestellt haben.

Ein Ausspruch über den Aufwandersatz konnte daher entfallen.

 

 

V. Die vorliegenden Maßnahmenbeschwerden waren im Ergebnis als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Richtlinienbeschwerde betreffend die Nicht-Bekanntgabe der Dienstnummer war stattzugeben und festzustellen, dass die Richtlinie gemäß § 9 Abs 1 RLV verletzt wurde.

Die Beschwerden wegen behaupteter Be- und Verhinderung der fachlich kompetenten Akut-Betreuung einer schutzbedürftigen psychisch kranken Person und behaupteter Verletzung der besonderen Rechte eines Psychotherapeuten, besonders die Respektierung einer Gesundheitseinrichtung waren im Ergebnis als unbegründet abzuweisen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. R e i t t e r