LVwG-750135/13/Gf/Rt

Linz, 24.09.2014

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des Z, vertreten durch die RAe Dr. P u.a., gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 13. Dezember 2013, Zl. Sich50-2013, wegen der Verhängung eines Verbotes nach dem Waffengesetz

 

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

 

I.          Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 13. Dezember 2013, Zl. Sich50-2013, wurde dem Rechtsmittelwerber gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes, BGBl.Nr. I 12/1997 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 161/2013 (im Folgenden: WaffenG), der Besitz von Waffen und Munition mit sofortiger Wirkung verboten.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass am 4. Dezember 2013 von Beamten der Polizeiinspektion H ein Flobertgewehr und zwei Luftdruckgewehre in Beschlag genommen sowie gegen den Beschwerdeführer ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen worden sei(en) (vgl. dazu die entsprechenden Verfügungen der LPD Oberösterreich vom 4. Dezember Zl. B6/10/2013-Hi), weil er am Tag davor ohne entsprechende Berechtigung und ohne mit deren Umgang vertraut gewesen zu sein eine Waffe getragen, damit in Richtung eines Kiosk und auf Wildenten geschossen sowie diese Waffe anschließend geladen und nicht gesichert am Rücksitz seines KFZ abgelegt habe.

 

2. Gegen diesen ihm am 16. Dezember 2013 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 20. Dezember 2013 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde.

 

Darin bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass er das verfahrensgegenständliche Flobertgewehr samt 9 Stück Munition im November 2013 auf einem Flohmarkt in Linz ohne Wissen, dass es sich hierbei um eine halbautomatische und meldepflichtige Waffe handle, erworben habe. Dabei sei er nur unzureichend eingeschult und er insbesondere auch nicht darauf hingewiesen worden, dass das Gewehr geladen und entsichert sei.

 

Am 3. Dezember 2013 habe er die Waffe lediglich ausprobieren wollen und dazu in der Annahme, hierdurch niemand gefährden zu können, einen Schuss auf die Wasseroberfläche des Stausees in L abgegeben. Vom überlauten Knall überrascht habe er danach die Waffe sofort in sein KFZ gelegt und dieses abgesperrt.

 

Da sohin allenfalls bloß fahrlässiges Verhalten vorliege und dem Rechtsmittelwerber insbesondere auf Grund des Umstandes, dass er dieses auf einem Flohmarkt erworben habe, nicht bewusst gewesen sei, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Gewehr um eine meldepflichtige Waffe handle, müsse die nach dem Waffengesetz zu treffende Prognoseentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen, weil ihm auf Grund seines Verhaltens (Abgabe bloß eines Schusses und anschließendes umgehendes Versperren) keinesfalls ein sorgloser Umgang mit Waffen vorgeworfen werden könne.

 

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

 

3. Mit Beschluss vom 17. Februar 2014, LVwG-750135/2/Gf/Rt, hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen.

 

3.1. Begründend wurde dazu zunächst ausgeführt, dass davon ausgehend, dass Schusswaffen generell nur mit einem Waffenpass geführt werden dürfen, sowie den Umstand berücksichtigend, dass der Beschwerdeführer über zwei weitere (Luftdruck‑)Gewehre verfügt habe, keine Rede davon sein könne, dass ihm sein Nichtwissen darum, dass es sich beim Erwerb jener Schusswaffe, die er im gegenständlichen Fall zum Vorfallszeitpunkt verwendete – nämlich bei dem ebenfalls beschlagnahmten Flobertgewehr –, um eine solche handelte, die nur mit einem Waffenpass geführt werden darf, rechtlich nicht zum Vorwurf gemacht werden könnte: Ein entsprechendes grob fahrlässiges Verhalten des Rechtsmittelwerbers liege nämlich dann jedenfalls darin, dass er es bereits seit dem Erwerb der beiden Luftdruckgewehre bis dato unterlassen hat, sich bei der hierfür zuständigen Behörde zu erkundigen, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen diese Waffen auch außerhalb des Hauses benützt werden dürfen, sodass er noch immer weder über eine Waffenbesitzkarte noch über einen Waffenpass verfüge und auch die erforderlichen Registrierungen bislang nicht habe vornehmen lassen.

 

Damit sowie unter Einbeziehung des Umstandes, dass er sich weder beim Erwerb des Flobertgewehrs ausreichend über dessen Funktionsweise unterrichten lassen (sodass er trotz seiner militärischen Ausbildung [Grundwehrdienst und in dessen Rahmen vorgenommene Schulung am Sturmgewehr 58; vgl. die Beschuldigtenvernehmung vom 4. Dezember 2013, Zl. B6/10/2013-Bre, S. 3] nicht wusste, dass es sich hierbei um eine halbautomatische Waffe handelte und diese sowohl geladen als auch entsichert war) noch während des gesamten behördlichen Verfahrens in Abrede gestellt habe, dass er zum Vorfallszeitpunkt „etwas getrunken hatte“ (vgl. den Aktenvermerk der LPD Oberösterreich vom 4. Dezember 2013, Zl. E1/102013-li, S. 2), fehle es dem Rechtsmittelwerber gegenwärtig aber offensichtlich jedenfalls an der erforderlichen Verlässlichkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 Z. 1 und 2 WaffenG.

 

Dennoch erweise sich das von der Behörde ausgesprochene Waffenverbot unter dem Blickwinkel des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, das bei behördlichen Eingriffsakten stets – also auch dann, wenn dies im maßgeblichen Materiengesetz (hier: im WaffenG) nicht ausdrücklich normiert ist – Berücksichtigung finden müsse, insoweit als überschießend, weil es einerseits undifferenziert alle Arten von Waffen (und nicht etwa bloß Schusswaffen [bestimmter Kategorien]) erfasse und andererseits nicht bloß befristet, sondern ohne jede zeitliche Einschränkung ausgesprochen (und damit die Beweislast zum Beleg einer zu einem späteren Zeitpunkt allenfalls wieder erlangten Verlässlichkeit i.S.d. § 8 WaffenG entgegen den in § 12 Abs. 7 WaffenG vorgesehenen Alternativen [arg. „von Amts wegen“] ausschließlich auf den Rechtsmittelwerber verlagert) worden sei.

 

Diese eingriffsintensivste Form der Beschränkung der Eigentumsfreiheit i.S.d. Art. 5 StGG i.V.m. § 12 WaffenG hätte aber einer besonderen Begründung bedurft, für die sich weder im angefochtenen Bescheid noch in dem von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahren entsprechende Anhaltspunkte gefunden hätten.  

 

3.2. Dazu komme in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass die einfachgesetzliche Bestimmung des § 28 Abs. 2 VwGVG vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund zu betrachten sei, dass infolge der mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle BGBl.Nr. I 50/2012 vorgenommenen Umwandlung der früheren, bloß Behördenqualität aufweisenden Unabhängigen Verwaltungssenate in nunmehrige Gerichte i.S.d. B-VG auch das gemäß § 17 VwGVG i.V.m. § 39 Abs. 2 AVG für das Verfahren der Verwaltungsgerichte – jetzt nur mehr subsidiär – maßgebliche Amtswegigkeitsprinzip systembedingt insoweit eine Einschränkung erfahren habe, als sich bei kohärent-systemkonformer Sichtweise ergebe, dass die grundlegende rechtspolitische Entscheidungskompetenz prinzipiell weitestmöglich bei der Verwaltungsbehörde verbleiben solle, während die Verwaltungsgerichte funktionsbedingt in erster Linie auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt seien.

 

3.3. Um daher einerseits der belangten Behörde diese Befugnis zur rechtspolitischen Gestaltung offenzuhalten, andererseits aber auch angesichts der zuvor beanstandeten Unzulänglichkeiten sei daher im gegenständlichen Fall gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides und einer Zurückverweisung der Angelegenheit vorzugehen gewesen.

 

4. Gegen diesen Beschluss hat der Bezirkshauptmann von Grieskirchen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH) erhoben und diese damit begründet, dass nach Ansicht der belangten Behörde gemäß der bisherigen VwGH-Judikatur die Voraussetzungen für die Verhängung eines unbefristeten Waffenverbotes vorlägen. Daher erweise sich die Zurückverweisung als rechtswidrig, weil die damit einhergehende Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich zu einem insgesamt rechtswidrigen Ergebnis führen würde. Davon abgesehen seien die Verwaltungsgerichte gemäß § 28 VwGVG grundsätzlich dazu verhalten, im Interesse der Raschheit jeweils in der Sache selbst zu entscheiden.

 

5. Mit Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063, hat der VwGH der Revision der belangten Behörde stattgegeben und den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 17. Februar 2014, LVwG-750135/2/Gf/Rt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

 

5.1. Begründend wurde dazu zunächst ausgeführt, dass es in den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (vgl. 1618 BlgNR 22. [gemeint wohl: 24.] GP, S. 4 [unter "Hauptgesichtspunkte des Entwurfes"] und S. 14), mit welcher Art. 130 B-VG seine maßgebliche Fassung erhielt, zur Frage der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte heiße:

 

"Die Verwaltungsgerichte erster Instanz sollen grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden. Gegen ihre Erkenntnisse und Beschlüsse soll Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden können, die allerdings an gewisse Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft ist.

 

...

 

Nach dem vorgeschlagenen Art. 130 Abs. 4 haben die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 in Verwaltungsstrafsachen meritorisch ('in der Sache selbst') zu entscheiden, über Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 1 in anderen Rechtssachen dagegen nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zu dieser Bestimmung sei Folgendes ausdrücklich klargestellt:

 

...

 

In Art. 130 Abs. 4 ist abschließend geregelt, in welchen Fällen das Verwaltungsgericht meritorisch zu entscheiden hat; in diesen Fällen darf es daher nicht kassatorisch entscheiden. Einfachgesetzliche Regelungen, wonach das Verwaltungsgericht in bestimmten anderen Fällen meritorisch entscheiden kann oder meritorisch zu entscheiden hat (dies soll der Vermeidung von 'Kassationskaskaden' dienen), sind jedoch zulässig."

 

Als ein "Hauptgesichtspunkt des Entwurfes" (vgl. S. 4 der Erläuterungen) werde zudem insbesondere Folgendes festgehalten:

 

"An sich könnte auch bei Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz der administrative Instanzenzug beibehalten werden. Mit der Schaffung einer zusätzlichen Rechtsmittelinstanz wären jedoch erhebliche finanzielle Mehrausgaben und eine Verlängerung der Verfahrensdauer verbunden. Der Entwurf schlägt daher vor, in der Frage des administrativen Instanzenzuges einen grundsätzlichen Systemwechsel zu vollziehen und diesen mit einer einzigen Ausnahme (diese betrifft den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde) abzuschaffen."

 

Zweck der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sei nach diesen Erläuterungen (vgl. S. 3) "ein Ausbau des Rechtsschutzsystems im Sinne der Verfahrensbeschleunigung und eines verstärkten Bürgerservice sowie die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes", genannt werde ferner als Ziel "die Erfüllung der Anforderungen, die Art. 5, Art. 6 und in jüngster Zeit Art. 13 EMRK und das Unionsrecht (vgl. Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) an den Verwaltungsrechtsschutz stellen".

 

Im Bericht des Verfassungsausschusses zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (vgl. 1771 BlgNR 24. GP, S. 2) würden die Ausführungen zu den Hauptgesichtspunkten des Entwurfes (vgl. S. 3 und 4 der Erläuterungen der Regierungsvorlage) wiederholt.

 

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (vgl. 2009 BlgNR 22. [gemeint wohl: 24.] GP, S. 7), mit dem auch § 28 VwGVG in Geltung trat, heiße es zur meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte überdies:

 

"Der vorgeschlagene § 28 Abs. 2 und 3 regelt, in welchen Fällen das Verwaltungsgericht in der Sache zu entscheiden hat. Gemäß Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG hat das Verwaltungsgericht in Verfahren über Bescheidbeschwerden in Verwaltungsstrafsachen in der Sache selbst zu entscheiden; siehe dazu den vorgeschlagenen § 50. Gemäß § 28 Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist; dies entspricht Art. 130 Abs. 4 B-VG. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 bzw. des Art. 130 Abs. 4 B-VG nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die belangte Behörde dem nicht bei Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht; dies wiederum entspricht § 67h Abs. 1 AVG."

 

5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH erlaube es § 12 Abs. 1 WaffenG, im Interesse der öffentlichen Sicherheit bestimmten Menschen den Besitz von Waffen überhaupt zu verbieten; eine Einschränkung des Waffenverbotes auf eine bestimmte Art von Waffen (etwa genehmigungspflichtige Schusswaffen) komme nicht in Betracht (vgl. etwa VwGH vom 18. September 2013, Zl. 2013/03/0050, und VwGH vom 26. April 2005, Zl. 2005/03/0043, sowie zum Folgenden auch etwa VwGH vom 28. Februar 2014, Zl. Ro 2014/03/0020, und VwGH vom 30. Jänner 2014, Zl. 2013/03/0119). Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffenG setze nämlich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine besonders qualifizierte missbräuchliche Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Entscheidend für die Verhängung eines Waffenverbotes sei es, ob der von der Behörde angenommene Sachverhalt "bestimmte Tatsachen" i.S.d. § 12 Abs. 1 WaffenG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Demgegenüber sei die Versagung bzw. der Entzug waffenrechtlicher Urkunden (vgl. § 21 Abs. 1 bzw. § 25 Abs. 3 WaffenG) schon bei fehlender waffenrechtlicher Verlässlichkeit (vgl. den vom Verwaltungsgericht angesprochenen § 8 WaffenG) gerechtfertigt, die insofern an andere, weniger strenge Anforderungen geknüpft sind (vgl. etwa VwGH vom 28. November 2013, Zl. 2013/03/0084). Entgegen der offenkundigen Auffassung des Verwaltungsgerichtes begründe das Fehlen der i.S.d. § 8 WaffenG erforderlichen Verlässlichkeit aber noch nicht zwangsläufig eine Gefahr i.S.d. § 12 Abs. 1 WaffenG. Die Erlassung eines Waffenverbotes diene somit der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung (d.i. eines gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauches) von Waffen gegenüber Personen oder Sachen bezüglich der genannten Schutzgüter, denen ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Gefahren sei im Hinblick auf den dem WaffenG (allgemein) innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Begriff der "missbräuchlichen Verwendung" einer Waffe sei daher nicht restriktiv auszulegen. Wesentlich sei, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist. Liege diese Voraussetzung vor, so habe die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffenG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen. Die Erlassung eines Waffenverbotes liege somit nicht im Ermessen der Behörde; seien die in § 12 WaffG normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbots gegeben, habe die Behörde nach § 12 Abs. 1 leg. cit. vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen (vgl. auch VwGH vom 18. Mai 2011, Zl. 2008/03/0011, und VwGH vom 27. November 2012, Zl. 2012/03/0134). Bei einem Waffenverbot werde nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH nicht über eine strafrechtliche Anklage (i.S.d. Art. 6 EMRK) entschieden, vielmehr handle es sich dabei um eine administrativrechtliche Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung (vgl. etwa VwGH vom 19. März 2013, Zl. 2012/03/0180). Zur Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Erlassung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffenG vorliegen, sei es auch nicht entscheidend, ob die Strafverfolgungsbehörde wegen des strittigen Vorfalls von einer Verfolgung, allenfalls nach diversionellem Vorgehen, Abstand genommen hat, weil diese Entscheidung für die Waffenbehörde keine Bindungswirkung entfaltet (vgl. etwa VwGH vom 30. Jänner 2014, Zl. 2013/03/0154, und VwGH vom 19. März 2013, Zl. 2012/03/0180).

 

Mit der Erlassung des Waffenverbotes werde die Gefahr, der zu begegnen ist, noch nicht beseitigt, weshalb es erforderlich sei, die im Besitz des betroffenen Menschen befindlichen Waffen unverzüglich (also nicht etwa erst nach Rechtskraft des Waffenverbotsbescheides) sicherzustellen (§ 12 Abs. 2 WaffenG; vgl. dazu VwGH vom 18. September 2013, Zl. 2013/03/0050). Regelmäßige Konsequenz der rechtskräftigen Verhängung eines Waffenverbotes sei der Verfall der sichergestellten Waffen (§ 12 Abs. 3 WaffenG), der zum Eigentumserwerb des Bundes führe. Wenn das Waffenverbot jedoch nicht rechtskräftig wird, seien die sichergestellten Waffen dem Betroffenen wieder auszufolgen (§ 13 Abs. 3 WaffenG). Für die verfallenen Waffen sei dem Betroffenen gemäß § 12 Abs. 4 WaffenG unter näheren Voraussetzungen eine Entschädigung zuzuerkennen. Nur in den in § 12 Abs. 5 WaffenG umschriebenen Fällen würden die sichergestellten Waffen trotz eines (rechtskräftigen) Waffenverbotes nicht als verfallen gelten. Zweck der Sicherstellung der Waffen sei somit die Hintanhaltung der aus dem Waffenbesitz resultierenden Gefährdung und die Sicherung des Verfalls der Waffen (vgl. VwSlg 16.606 A/2005).

 

Der Verwaltungsgerichtshof habe sich in seiner Rechtsprechung wiederholt mit der Frage der Vereinbarkeit der Verhängung eines Waffenverbotes mit dem Schutz des verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentumsrechts befasst. Diesbezüglich sei festgehalten worden, dass ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentumsrecht des Betroffenen durch den in § 12 Abs. 4 WaffenG normierten Rechtsanspruch auf Zuerkennung einer angemessenen Entschädigung (infolge des durch die Rechtskraft des Waffenverbots eintretenden Verfalls der sichergestellten Waffen) nicht gegeben ist (VwGH vom 27. Februar 2013, Zl. 2012/03/0164; VwGH vom 25. Juni 2008, Zl. 2005/03/0099; VwGH vom 3. Juli 2003, Zl. 2000/20/0010). Ferner sei festgehalten worden, dass nicht gesagt werden könne, dass die in § 12 Abs. 4 WaffenG normierte Jahresfrist für die Einbringung eines Entschädigungsantrages angesichts der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie in Art. 5 StGG und Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK zu kurz bemessen wäre (vgl. VwGH vom 31. März 2005, Zl. 2005/03/0033).

 

Bei Vorliegen eines entsprechenden Antrages verpflichte § 12 Abs. 7 WaffenG die Behörde dazu, unter Berücksichtigung der für die Erlassung des Waffenverbotes maßgebenden Gründe, des Verhaltens des Beschwerdeführers seit seiner Anlasstat und der Länge des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraumes zu prüfen, ob die qualifizierte Gefährdungsprognose gemäß § 12 Abs. 1 WaffenG im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch aufrecht ist (vgl. dazu und zum Folgenden etwa VwGH vom 28. November 2013, Zl. 2013/03/0084). Bei der Beurteilung des Weiterbestehens der Gefährdungsprognose habe die Behörde vor allem das Verhalten des Beschwerdeführers seit seiner Anlasstat zu berücksichtigen und allfällige in diesem Zeitraum liegende, für die weiter andauernde Aktualität der Prognose relevante Umstände festzustellen. Bei Fehlen derartiger Umstände, also bei einem Wohlverhalten des Beschwerdeführers in dem zwischen der Anlasstat und dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides liegenden Zeitraum, müsse dieser Beobachtungszeitraum ausreichend lang sein, um vom Wegfall der Voraussetzungen des Waffenverbotes ausgehen zu können. Der relevante Beobachtungszeitraum beginne nicht erst mit der (rechtskräftigen) Verhängung des Waffenverbots, sondern bereits mit dem Abschluss der diesem Waffenverbot zugrundeliegenden Anlasstat zu laufen. Im Hinblick auf den dem WaffenG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Gefahren sei auch hier ein strenger Maßstab anzulegen. Die Rechtsprechung des VwGH, wonach das Verstreichen eines Zeitraums von fünf Jahren regelmäßig als wesentliche Änderung des für die Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes anzusehen ist, betreffe nicht die für ein Waffenverbot entscheidende Gefährdungsprognose. Bei der Wahl des Beobachtungszeitraums seien stets die Umstände des Einzelfalles zu prüfen, wozu die Bedachtnahme auf Art und zeitliches Ausmaß der Anlasstat gehöre. Die Aufhebung eines Waffenverbots gemäß § 12 Abs. 7 WaffenG diene nicht dazu, die Rechtskraft des seinerzeit erlassenen Waffenverbotes zu durchbrechen, wenn keine Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist.

 

Überdies verpflichte § 12 Abs. 7 WaffenG die Behörde, auch von Amts wegen ein Waffenverbot aufzuheben, wenn die Gründe für dessen Erlassung weggefallen sind. Die Wahrnehmung der Zuständigkeit, ein Waffenverbot von Amts wegen aufzuheben, setze voraus, dass für die Behörde entsprechend konkrete Anhaltspunkte für den Wegfall der besagten Gründe gegeben sind, um eine Überprüfung im eben erwähnten Sinn durchzuführen. Für eine intervallmäßige Prüfung von Amts wegen ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte gebe § 12 Abs. 7 WaffenG keinen Raum, auf eine intervallmäßige Prüfung bestehe kein Rechtsanspruch (vgl. VwGH vom 2. Juli 1998, Zl. 98/20/0078).

 

5.3. Auf dem Boden des Gesagten sei zunächst festzuhalten, dass im vorliegenden Fall eine auf § 28 Abs. 4 VwGVG gestützte Kassation des Bescheides der revisionswerbenden Behörde durch das Verwaltungsgericht ohnehin schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die Verhängung eines Waffenverbotes nicht im Ermessen der Verwaltungsbehörde liegt.

 

Ferner komme nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z. 1 VwGVG bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art.130 Abs. 4 Z. 1 B-VG). Dies werde jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z. 1 VwGVG erfüllt, habe das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden. Dies bedeute, dass das Verwaltungsgericht über den Inhalt der vor der Verwaltungsbehörde behandelten Rechtsache abspricht, wobei sie entweder die Beschwerde gegen den Bescheid abweist oder dieser durch seine Entscheidung Rechnung trägt, fallbezogen also etwa das verhängte Waffenverbot bestätigt (gemeint wohl: aufhebt). Das Verwaltungsgericht habe somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. insofern Wiederin, Der Umfang der Bescheidprüfung durch das Verwaltungsgericht im Parteibeschwerdeverfahren, ÖJZ 2014, S. 149 u. 153). Geht das Verwaltungsgericht – in Verkennung der Rechtslage – aber von einer Ergänzungsbedürftigkeit des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes aus, die bei einer zutreffenden Beurteilung der Rechtslage nicht gegeben ist, und hebt dieses Gericht daher den Bescheid der Verwaltungsbehörde gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG infolge Verkennung der Rechtslage auf, verstoße das Verwaltungsgericht gegen seine in § 28 Abs. 2 VwGVG normierte Pflicht, "in der Sache selbst" zu entscheiden. Eine solche den Vorgaben des § 28 Abs. 2 VwGVG nicht entsprechende Entscheidung erweise sich als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Schon nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 3 erster Halbsatz VwGVG trete die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 leg. cit. erst dann in den Blick, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 der genannten Bestimmung nicht vorliegen; weiters sei die Zurückweisungsbestimmung systematisch erst nach dem § 28 Abs. 2 in den zweiten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG eingeordnet, weshalb sich ihre Anwendung auf § 28 Abs. 3 VwGVG beschränkt und nicht auf die von § 28 Abs. 2 VwGVG erfassten Fälle erstreckt (vgl. dazu Martschin – Schmid in: Eder – Martschin – Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, S. 86, K 9, zu § 28 VwGVG; in diesem Sinne auch Fuchs, Die Prüf- und Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, ÖJZ 2013, S. 948 u. 950, und Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts2, 2013, S. 57, Rz 193 u. 196). Auch eine an der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 130 Abs. 4 B‑VG orientierte Auslegung ergebe, dass eine Aufhebung des Bescheides der Verwaltungsbehörde jedenfalls erst dann in Betracht kommt, wenn die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Aus den wiedergegeben Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sei ersichtlich, dass dem Verwaltungsgericht in den in Art 130 Abs. 4 B-VG vorgesehenen und in § 28 Abs. 2 VwGVG angeordneten Fällen eine kassatorische Entscheidung nicht offensteht.

 

Im vorliegenden Fall würden die Voraussetzungen, die dem Verwaltungsgericht eine Aufhebung des Bescheides der Verwaltungsbehörde und die Zurückverweisung der Angelegenheit an diese Behörde gestatten würden, aus folgenden Gründen fehlen:

 

Das von der Amtsrevision betroffene Landesverwaltungsgericht ist im angefochtenen Beschluss zum Ergebnis gelangt, dass das über die mitbeteiligte Partei verhängte, sich auf alle Arten von Waffen erstreckende unbefristete Waffenverbot einer besonderen Begründung bedürfe, für welche die revisionswerbende Verwaltungsbehörde erst entsprechende Anhaltspunkte zu ermitteln habe. Diese Rechtsansicht stehe aber im Widerspruch zu der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der ein auf § 12 WaffenG gestütztes Waffenverbot grundsätzlich unbefristet und nicht eingeschränkt auf einzelne Arten von Waffen zu verhängen und eine solche behördliche Vorgehensweise überdies unter dem Blickwinkel des verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz des Eigentums nicht zu beanstanden ist. Entgegen dem Landesverwaltungsgericht sei die revisionswerbende Verwaltungsbehörde damit nicht gehalten gewesen, eine zeitliche oder auf gewisse Arten von Waffen bezogene Einschränkung des über die mitbeteiligte Partei verhängten Waffenverbotes vorzunehmen. Angesichts des sehr hohen Stellenwerts, der nach den Ausführungen zu § 12 WaffenG dem der Erlassung eines Waffenverbotes zu Grunde liegenden öffentlichen Interesse an der Abwehr von Gefahren für Personen und Sachen zukomme, würden sich entgegen dem Verwaltungsgericht die Regelungen in dieser gesetzlichen Bestimmung zur Erlassung bzw. zur Aufhebung eines Waffenverbotes auch zur Erreichung dieses öffentlichen Interesses als geeignet und erforderlich erweisen, ohne dem vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (wonach insbesondere bei Vorliegen mehrerer geeigneter potentieller Möglichkeiten die Wahl der am wenigsten belastenden Maßnahmen verlangt wird, vgl. dazu etwa VwGH vom 26. März 2014, Zl. 2012/03/0177) zuwiderzulaufen, zumal der mit einem Waffenverbot bewirkte Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen das Gewicht der diesen Eingriff rechtfertigenden Schutzgüter von sehr hohem Rang nicht aufzuwiegen vermöge. Im Übrigen werde die "Beweislast" bezüglich des Wegfalls der Gründe für die Erlassung eines Waffenverbots entgegen dem Verwaltungsgericht schon deshalb nicht ausschließlich auf den Betroffenen verlagert, weil die Bestimmung des § 12 Abs. 7 WaffenG bei Vorliegen entsprechend konkreter Anhaltspunkte für die Aufhebung eines Waffenverbotes die Behörde verpflichte, von Amts wegen den dafür maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, und weiters der Grundsatz der Amtswegigkeit nach § 39 Abs. 2 AVG auch für ein durch einen Antrag eingeleitetes Verfahren nach § 12 Abs. 7 WaffenG zum Tragen komme. Vor diesem Hintergrund erweise sich die im Beschluss des Verwaltungsgerichts geforderte Ergänzung des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens für eine rechtskonforme Beurteilung des gegenständlichen Falles als nicht geboten. Im Übrigen sei das Landesverwaltungsgericht in seinem Beschluss ohnehin offenbar davon ausgegangen, dass sich der entscheidungswesentliche und unstrittige Sachverhalt aus dem Bescheid der revisionswerbenden Behörde in Verbindung mit dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei ergebe. Schon deshalb, weil das Landesverwaltungsgericht eine bei zutreffender Beurteilung der relevanten Rechtslage nach § 12 WaffenG nicht gegebene Ergänzungsbedürftigkeit des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes angenommen hat, erweise sich die in Spruchpunkt I. des angefochtenen Beschlusses erfolgte, auf § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gestützte Aufhebung des Bescheides der revisionswerbenden Behörde als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

 

Daran würden die Ausführungen im angefochtenen Beschluss, wonach die Bestimmung des § 28 VwGVG vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund zu betrachten sei, dass durch die Umwandlung der Unabhängigen Verwaltungssenate in Gerichte i.S.d. B-VG durch die Novelle BGBl I Nr. 51/2012 das Amtswegigkeitsprinzip im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten systembedingt eine Einschränkung erfahren habe und die rechtspolitische Entscheidungskompetenz bei den Verwaltungsbehörden verbleiben solle, nichts zu ändern vermögen. Die im angefochtenen Beschluss vorgenommene und auf die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr. 51/2012, Bezug nehmende Auslegung der in § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG normierten Kassationszuständigkeit der Verwaltungsgerichte lasse nicht nur Wortlaut und Systematik des § 28 VwGVG, sondern auch den aus den Gesetzesmaterialien zu dieser Novelle, insbesondere zu Art. 130 B-VG, klar ersichtlichen Willen des Verfassungsgesetzgebers außer Betracht. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte – auch zur Vermeidung von "Kassationskaskaden" – grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen sei. Ausgehend davon sei, wie aus den Gesetzesmaterialien zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 ersichtlich, die Regelung des § 28 VwGVG getroffen worden. Daraus ergebe sich, dass durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nicht nur die vom Verwaltungsgericht angesprochene Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz erfolgte, sondern damit auch ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte festgelegt wurde, weswegen aus dem "verfassungsrechtlichen Hintergrund" für den Standpunkt des Landesverwaltungsgerichtes nichts zu gewinnen sei.

 

Vor diesem Hintergrund könne entgegen dem von der Revision betroffenen Landesverwaltungsgericht auch nicht gesagt werden, dass das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG für die Verwaltungsgerichte bloß subsidiär (insbesondere unter Aussparung von "Detailfragen") zum Tragen käme, ist doch dieses im Grunde des § 17 VwGVG auch für die Verwaltungsgerichte maßgebliche Prinzip jedenfalls in den der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht unterliegenden Fällen im Rahmen der von diesen Gerichten zu führenden Ermittlungsverfahren zu beachten (vgl. etwa Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2013, S. 46, Rz 67 zu Art 130 B-VG; Fuchs, Die Prüf- und Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, ÖJZ 2013, S. 949 f; und Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis, in: Janko – Leeb [Hrsg], Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2013, S. 85 u. 101 ff, die alle darauf hinweisen, dass mit der Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache selbst eine volle Tatsachenkognition der Verwaltungsgerichte verbunden sei). In diesem Rahmen bestehe für die Verwaltungsgerichte – anders als das Landesverwaltungsgericht meint – auch nicht bloß "höchstens eine ergänzende Sachverhaltsermittlungskompetenz", wobei die Hinweise auf das Erfordernis einer Beschränkung der verwaltungsgerichtlichen Sachverhaltsermittlungskompetenz im Interesse der Hintanhaltung jeglichen Anscheins einer fehlenden Unabhängigkeit schon angesichts der Stellung der Mitglieder der Verwaltungsgerichte als Richter i.S.d. Art 134 Abs. 7 B-VG nicht nachvollziehbar erschienen. Letzteres gelte ebenso für die Hinweise, wonach die bei den Verwaltungsbehörden verbleibenden "politischen Dispositionsbefugnisse" den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungs- und Ermittlungsumfang auch für den Bereich, in welchem die Verwaltungsgerichte in der Sache zu entscheiden haben, limitieren würden, zumal nach Art. 18 B-VG gerade (auch) die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden dürfe und sich derart nicht nur die Entscheidungszuständigkeiten der Verwaltungsgerichte, sondern auch die der Verwaltungsbehörden als rechtliche, in gesetzlicher Bindung handzuhabende Befugnisse darstellen würden. Bezüglich der vom Verwaltungsgericht angesprochenen Frage sensibler Daten sei etwa darauf hinzuweisen, dass das VwGVG ohnehin die Möglichkeit eröffne, die Öffentlichkeit von der vom Verwaltungsgericht durchzuführenden öffentlichen mündlichen Verhandlung bei Vorliegen bestimmter schutzwürdiger Interessen auszuschließen (siehe § 25 VwGVG; vgl. dazu G. Baumgartner, Entspricht die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit den Anforderungen des Grundrechtsschutzes?, in: Österreichische Juristenkommission [Hrsg], Justizstaat: Chance oder Risiko?, 2014, S. 99 u. 106 f). Im Hinblick auf § 52 AVG, insbesondere dessen Abs. 2 und 3, könne im Übrigen auch nicht gesagt werden, dass dem Verwaltungsgericht der für die Führung eines Ermittlungsverfahrens notwendige Zugang zu Sachverständigen grundsätzlich fehlt.

 

Der Vollständigkeit halber sei weiters darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsgerichte nicht nur bei Vorliegen der in den Z. 1 und Z. 2 des § 28 Abs 2 VwGVG genannten Voraussetzungen in der Sache selbst zu entscheiden hätten, sondern nach Maßgabe des § 28 Abs. 3 VwGVG grundsätzlich auch dann, wenn trotz Fehlens dieser Voraussetzungen die Verwaltungsbehörde dem nicht unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Ferner sehe § 28 Abs. 4 VwGVG auch für den Fall der Ermessensübung durch die Verwaltungsbehörde lediglich dann eine bloße Aufhebung des angefochtenen Bescheides samt Zurückverweisung der Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde zur Erlassung eines neuen Bescheides vor, wenn die Voraussetzungen der Z. 1 und Z. 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG nicht vorliegen (vgl. i.d.S. etwa Grabenwarter – Fister, Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit4, 2013, S. 234; Wessely, Das Administrativverfahren des BVwG und der LVwG, in: Larcher [Hrsg], Handbuch Verwaltungsgerichte, 2013, S. 204 u. 224), bzw. wenn die Beschwerde vom Verwaltungsgericht nicht ohnehin zurückzuweisen oder abzuweisen ist, wobei auch die Abweisung offensichtlich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Beschwerdesache verlange. Damit normiere § 28 VwGVG für die überwiegende Anzahl der Fälle die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, in der Sache selbst zu entscheiden. Derart werde (wie erwähnt) der sich schon aus Art 130 Abs. 4 B-VG ergebenden Zielsetzung, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden sollen, Rechnung getragen. Vor dem Hintergrund dieser in § 28 VwGVG weitreichend umgesetzten Zielsetzung seien die nach § 28 VwGVG verbleibenden Ausnahmen von der (meritorischen) Entscheidung in der Sache selbst strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Vergleichbares gelte für die Voraussetzungen der Z. 1 und Z. 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG, die angesichts dieser Zielsetzung so zu verstehen seien, dass einer meritorischen Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte so weitreichend entsprochen wird, als diese Voraussetzungen bei einer der Zielsetzung konformen (nicht restriktiven, sondern weiten) Deutung als gegeben angenommen werden können. Dieses Ergebnis stehe im Einklang mit der Rechtsprechung, nach der Ausnahmebestimmungen grundsätzlich restriktiv zu verstehen sind (vgl. VwGH vom 26. Februar 2014, Zl. Ro 2014/02/0066, und VwGH vom 22. Dezember 2012, Zl. 2008/07/0080). Mit einem solchen Verständnis der Ausnahmen von der den Verwaltungsgerichten grundsätzlich zukommenden Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache selbst werde insbesondere der der Einrichtung der Verwaltungsgerichte zu Grunde gelegten normsetzerischen Zielsetzung entsprochen (vgl. dazu die oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien), einen Ausbau des Rechtsschutzsystems im Sinne der Verfahrensbeschleunigung vorzunehmen, bedeute doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszuges gegen die dann abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt grundsätzlich nicht nur eine Verlängerung des Verfahrens, sondern führe dies im Ergebnis – infolge der neuerlichen Beschwerdemöglichkeit beim Verwaltungsgericht – zur Befassung einer "zusätzlichen" Rechtsmittelinstanz, was aber aus gesetzgeberischer Sicht prinzipiell abgelehnt worden sei, wie die grundsätzliche Beseitigung des administrativen Instanzenzuges zeige. Derart seien es gerade Rechtsschutzerwägungen, die der prinzipiellen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung in der Sache selbst zu Grunde liegen (vgl. etwa Eberhard, Das Zusammenspiel von Landesverwaltungsgerichten und Verwaltungsbehörden, in: Bußjäger – Gamper – Ranacher – Sonntag [Hrsg], Die neuen Landesverwaltungsgerichte, 2013, S. 125 u. 145). Die verwaltungsgerichtliche meritorische Entscheidungszuständigkeit halte grundsätzlich hintan, dass die Erledigung eines vor einer Verwaltungsbehörde eingeleiteten Verfahrens erst nach einem über einen (längeren) Zeitraum hinweg in der Art eines "Pingpongspiels" erfolgenden Wechsels zwischen verwaltungsgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen erfolgen kann (vgl. dazu Lienbacher, Allgemeines zur Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit 1. Instanz, JRP 2011, S. 328 u. 333). Zudem werde nur ein solches Verständnis der mit der Etablierung der Verwaltungsgerichte verfolgten Zielsetzung (vgl. wiederum die oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialen) gerecht, den Anforderungen der EMRK (vgl. insbesondere Art. 5, Art. 6 und Art. 13 EMRK) sowie denen des Rechtes der Europäischen Union (vgl. insbesondere Art. 47 GRC) im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes zu entsprechen. Zum einen sei aufgrund dieser Anforderungen bei der Interpretation der sich aus § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG für die meritorische Entscheidungskompetenz ergebenden Ausnahmen (ohnehin) auch das grundsätzlich zu einer restriktiven Sicht dieser Ausnahmen führende Gebot einer angemessenen Verfahrensdauer zu berücksichtigen (vgl. dazu etwa Pabel, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, in: Fischer – Pabel – N. Raschauer, Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2014, S. 379 u. S. 414, Rz 72; G. Baumgartner, Entspricht die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit den Anforderungen des Grundrechtsschutzes?, in: Österreichische Juristenkommission (Hrsg), Justizstaat: Chance oder Risiko?, 2014, S. 99 u. S. 107 ff). Zum anderen sei nicht zu übersehen, dass auf dem Boden der meritorischen Entscheidungskompetenz getroffene Entscheidungen der Verwaltungsgerichte grundsätzlich eine verlässliche Gewähr dafür bieten, dass den von diesen Vorgaben an die behördliche Entscheidungskompetenz gerichteten Anforderungen entsprochen wird.

 

Vor diesem Hintergrund könne es nicht im Sinn der die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte regelnden Bestimmungen liegen, eine Entscheidung in der Sache selbst dadurch hintanzuhalten, dass die Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen i.S.d. § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zurückverwiesen wird. Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek – Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2013, S. 127 u. S. 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek – Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, S. 65 u. 73 f).

 

Schließlich sei das Vorgesagte auch für die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen maßgeblich. Der Rechtsanspruch eines von einer Entscheidung Betroffenen auf die Beachtung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit erfasse angesichts des in § 28 VwGVG verankerten Systems auch die Frage, ob das Verwaltungsgericht seine Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache selbst dem § 28 VwGVG konform wahrnimmt. Das Verwaltungsgericht habe daher insbesondere nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z. 1 und Z. 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht (vgl. grundsätzlich in diese Richtung Fischer, Die Einführung von Verwaltungsgerichten in den Ländern, ZVR 2012, S. 426 u. S. 430).

 

5.4. Aus den dargelegten Erwägungen erweise sich Spruchpunkt I. des angefochtenen Beschlusses als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Da überdies der über die Frage der Zulässigkeit der Revision absprechende Spruchpunkt II. des angefochtenen Beschlusses für sich alleine nicht zu bestehen vermöge und insofern mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Beschlusses in einem untrennbaren Zusammenhang stehe, sei der angefochtene Beschluss zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben gewesen.

 

6. Soweit sich diese auf die Auslegung des § 28 VwGVG bezieht, ist der Auffassung des VwGH jedoch in rechtlicher Hinsicht entgegenzuhalten, dass sie sich einerseits in ihrem Kern ausschließlich auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage stützt und dabei diesen im Ergebnis nicht nur gesetzesgleiche, sondern sogar eine das Gesetz überragende Wirkkraft zumisst, andererseits aber tragende, die Staatsorganisation determinierende Verfassungsgrundsätze außer Acht zu lassen scheint:

 

6.1. Vorweg kann außer Streit gestellt werden, dass das (allgemeine) Verwaltungsgericht des Bundes und die Verwaltungsgerichte der Länder jedenfalls insoweit eine reformatorische Entscheidungspflicht trifft, als das VwGVG als einfachgesetzliche Ausführungsnorm die Anordnung des Art. 130 Abs. 4 B-VG bloß wiederholt (vgl. § 50 VwGVG [mit Ausnahme der in dessen Einleitungssatz genannten Fallkonstellationen – Zurückweisung und Einstellung] und § 28 Abs. 2 VwGVG).

 

6.2. Soweit jedoch darüber hinaus im VwGVG – nämlich in § 28 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 VwGVG – weitere Fälle einer Befugnis bzw. Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache selbst festgelegt werden, stellt sich bereits an diesem Punkt die Frage, ob die in Art. 130 Abs. 4 B-VG normierten Konstellationen als eine taxative oder bloß als eine demonstrative Aufzählung zu qualifizieren ist. Da mit der Sachentscheidungskompetenz eine inhaltliche Gestaltungsbefugnis wesensgemäß verbunden ist, erweitert sich somit die vordergründige Frage nach der systematischen Struktur dieser Verfassungsbestimmung hin zur erforderlichen Klärung der Grundsatzproblematik, ob mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle BGBl.Nr. I 51/2012 (im Folgenden kurz: Novelle 2012) auch die diesbezüglich zuvor bestanden habende Trennlinie zwischen Verwaltung und (Verwaltungs‑)Gerichtsbarkeit – nämlich: bloße sog. „Kassatorik“ – nicht bloß geringfügig, sondern in einem durchaus essentiellen Ausmaß (und falls ja, wie weit dieses dann konkret reicht) hin zur Gerichtsbarkeit verschoben wurde.

 

6.3. Da diesbezüglich eine grammatische und systematische Auslegung des Verfassungstextes selbst mangels entsprechender Anhaltspunkte zu keinem Ergebnis führt, liegt es zwar nahe, die Gesetzesmaterialien – und unter diesen zunächst jene der gesetzgebenden Organe, also des National- und des Bundesrates, und erst subsidiär die Regierungsvorlage – heranzuziehen; dies jedoch mit dem Vorbehalt, dass den Materialien eine sonstigem, bereits positiviertem Verfassungsrecht derogierende Wirkung nicht beigemessen werden kann (es sei denn, es würde sich aus diesen in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ergeben, dass die anhand der Materialien auszulegende Verfassungsnorm insoweit als eine lex specialis zu stufengleichem Verfassungsrecht anzusehen ist).

 

6.3.1. Davon ausgehend ist zu konstatieren, dass sowohl der Bericht des Verfassungsausschusses des Nationalrates (vgl. 1771 BlgNR, 24. GP) als auch der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus des Bundesrates (vgl. 8731 BlgBR) hinsichtlich der Frage, ob es sich in Art. 130 Abs. 4 B-VG um eine taxative oder um eine demonstrative Aufzählung handelt, unergiebig ist.

 

Hingegen wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl. 1618 BlgNR, 24. GP, S. 14) hierzu „ausdrücklich klargestellt“:

 

„In Art. 130 Abs. 4 ist abschließend geregelt, in welchen Fällen das Verwaltungsgericht meritorisch zu entscheiden hat; in diesen Fällen darf es daher nicht kassatorisch entscheiden. Einfachgesetzliche Regelungen, wonach das Verwaltungsgericht in bestimmten anderen Fällen meritorisch entscheiden kann oder meritorisch zu entscheiden hat (dies soll der Vermeidung von ‚Kassationskaskaden‘ dienen), sind jedoch zulässig.“

 

Jedenfalls soweit es jene Fälle betrifft, in denen die meritorische Entscheidungskompetenz nicht bloß eine Ermessens-, sondern eine Rechtsentscheidung verkörpert, enthält diese ausdrückliche Klarstellung aber offenbar einen inhaltlichen Widerspruch: Denn nach dem ersten Satz soll Art. 130 Abs. 4 B‑VG insoweit eine taxative Aufzählung (arg.: „ist abschließend geregelt“) enthalten – mit der Konsequenz, dass die Festlegung weiterer Fälle einer meritorischen Entscheidungsbefugnis einfachgesetzlich nicht zulässig wäre –, während der zweite Satz dem gegenüber dem einfachen Gesetzgeber auch noch „in bestimmten anderen“ (als den in Art. 130 Abs. 4 B-VG geregelten) „Fällen“ die Normierung einer solchen Kompetenz ermöglicht. Angesichts dessen kann daher jedenfalls nicht mit gutem Grund behauptet werden, dass zweifelsfrei feststeht, dass § 28 VwGVG insoweit, als diese Bestimmung inhaltlich über eine bloße Wiederholung des Art. 130 Abs. 4 B-VG hinausgeht, als verfassungsrechtlich unbedenklich erscheint.

 

Allerdings lassen sich die in der Regierungsvorlage verankerte Zielsetzung, den Anforderungen der EMRK entsprechen zu wollen und jene der Verfahrenseffizienz dafür ins Treffen führen, dass Art. 130 Abs. 4 B-VG prinzipiell keine taxative, sondern bloß eine demonstrative Aufzählung enthält – womit die jeweils in § 28 Abs. 1 VwGVG und im ersten Halbsatz des § 50 VwGVG normierten Fälle (Zurückweisung bzw. Einstellung) als verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen,  sich in der Folge aber unmittelbar die Frage nach dem Umfang dieser Ermächtigung für den einfachen Gesetzgeber anschließt.

 

6.4. Diesbezüglich ist vorweg darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der Grundsatzproblematik, ob mit der Novelle 2012 die diesbezüglich zuvor bestanden habende Trennlinie zwischen Verwaltung und (Verwaltungs‑)Gerichtsbarkeit – nämlich: bloße „Kassatorik“ – nicht bloß geringfügig, sondern in einem durchaus essentiellen Ausmaß (und falls ja, wie weit dieses konkret reicht) hin zur Gerichtsbarkeit verschoben wurde, (aus nachvollziehbaren Gründen, denn anders wäre die Novelle 2012 wohl politisch nicht umsetzbar gewesen) zwar weder im Ausschussbericht des Nationalrates noch im Ausschussbericht des Bundesrates noch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wenigstens eine darauf bezogene Andeutung zu finden ist; im Hinblick auf die einschneidende verfassungsrechtliche Bedeutung der Novelle 2012, die sich schon daran zeigt, dass ihrer Umsetzung eine jahrzehntelange Diskussion vorausgegangen war, kommt gerade diesem Umstand aber insoweit eine gewichtige Bedeutung zu, weil mit diesem „beredten Schweigen“ objektiv betrachtet wohl unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass an eine – erst recht an eine tiefgreifende – Änderung von tragenden, die Staatsorganisation bereits zuvor determiniert habenden Verfassungsgrundsätzen eben nicht gedacht war.

 

Aber auch angesichts dessen, dass 1.) Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG die Verwaltungsgerichte ausdrücklich bloß auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt – was im Hinblick auf die identische Terminologie zur Kontrollbefugnis der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts vor der Novelle 2012 prinzipiell ein auch weiterhin nicht geändertes Begriffsverständnis und damit eine grundsätzlich bloß kassatorische Entscheidungsbefugnis indiziert –, 2.) zumindest zwischen den Staatsfunktionen „Verwaltung“ und „Gerichtsbarkeit“ explizit der Grundsatz der Gewaltentrennung festgelegt ist (vgl. Art. 94 Abs. 1 B-VG) und 3.) Art. 20 Abs. 1 B-VG anordnet, dass die Führung der Verwaltung ausschließlich durch politisch verantwortliche oberste Organe mit Leitungskompetenz samt Weisungsbindung und nicht durch (unabhängige) Gerichte zu erfolgen hat, lässt sich die Annahme einer durch die Novelle 2012 bewirkten weitgehenden Verschiebung der materiellen rechtspolitischen Gestaltungsbefugnis von der Verwaltung hin zur (Verwaltungs‑)Gerichtsbarkeit nicht rechtfertigen.

 

Berücksichtigt man dazu schließlich noch, dass im Ergebnis schon wegen deren bereits oben aufgezeigten Widersprüchlichkeit bzw. fehlenden inhaltlichen Positionierung zur Grundsatzfrage, ob – und wenn ja, inwieweit – mit der Novelle 2012 auch tragende, die Staatsorganisation determinierende Verfassungsgrundsätze modifiziert werden sollten, aber auch deshalb, weil diese Verfassungsänderung unter einem großen, rechtstheoretischen Grundsatzüberlegungen keinerlei Raum gebenden Zeitdruck zustande kam (vgl. z.B. Leeb – Zeinhofer, Verwaltungsgerichtsbarkeit neu – Das Verfahren der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte, in: G. Baumgartner [Hrsg], Öffentliches Recht – Jahrbuch 2014, Wien – Graz 2014, 36), keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar ist, den Gesetzesmaterialien, insbesondere den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, allzu große Bedeutung beizumessen, kann all dies insgesamt nur dazu führen, dass der Anwendungsbereich des § 28 VwGVG vor dem Hintergrund, dass Art. 130 Abs. 4 B‑VG selbst nicht als eine Fundamentalnorm, sondern vielmehr als eine seitens des einfachen Gesetzgebers bloß um „bestimmte andere Fälle“ (vgl. 1618 BlgNR, 24. GP, S. 14) erweiterbare lex specialis zu Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG, zu Art. 94 Abs. 1 B-VG und zu Art. 20 Abs. 1 B-VG anzusehen ist, prinzipiell (und entgegen der vom VwGH vertretenen, im Kern ausschließlich auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage gestützten Rechtsansicht nicht weit, sondern) eng auszulegen ist. Im Hinblick auf die mit der Novelle 2012 nicht fundamental geänderte Trennlinie zwischen Verwaltung und (Verwaltungs‑)Gerichtsbarkeit kommt den Verwaltungsgerichten daher nur bei Vorliegen eines der in § 28 Abs. 2 bis 4 VwGVG genannten, jeweils per se restriktiv zu interpretierenden Tatbestandes die Befugnis bzw. Verpflichtung zu, meritorisch bzw. reformatorisch bzw. in der Sache selbst zu entscheiden; im Übrigen ist hingegen mit Aufhebung und Zurückverweisung vorzugehen. 

 

6.5. Dies gilt jedenfalls, solange eine entsprechende anderslautende Feststellung des Verfassungsgerichtshofes (im Folgenden: VfGH), dem in Bezug auf die Auslegung des Art. 130 Abs. 4 B-VG i.V.m. § 28 VwGVG die verbindliche Letztentscheidungskompetenz zukommt, der sich jedoch in seinem Erkenntnis vom 18.6.2014, G 5/2014, (anlassfallbezogen) zu dieser Frage noch nicht dezidiert geäußert hat, nicht vorliegt.

 

7. Im hier maßgeblichen Beschwerdefall können diese grundsätzlichen Überlegungen jedoch deshalb nicht zum Tragen kommen, weil insoweit vorrangig zu beachten ist, dass das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sowohl hinsichtlich der Sachfrage – nämlich der Auslegung des § 12 WaffenG – als auch in Bezug auf die Interpretation des § 28 Abs. 3 VwGVG an die vom VwGH in dessen Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063, geäußerte Rechtsmeinung gebunden ist.

 

Aus diesem Grund war für das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich auch die Stellung eines Antrages gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG  auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 3 VwGVG gehindert, weil der VfGH auf dem Standpunkt steht, dass bloße Unterschiede in den Auffassungen des VwGH und eines Verwaltungsgerichtes über die Auslegung einer Rechtsvorschrift diese nicht verfassungswidrig machen (vgl. VfGH v. 14. Juni 2012, G 4/12). Daraus resultiert jedoch keine Beeinträchtigung des Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers, weil es diesem – sollte er die unter Pkt. 6 dargelegte Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich teilen – unbenommen bleibt, gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG eine entsprechende Individualbeschwerde an den VfGH zu erheben.

 

8. Im Ergebnis hatte daher das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich die vorliegende Beschwerde im Hinblick auf die zuvor unter Pkt. 5 wiedergegebene Entscheidung des VwGH gemäß § 63 Abs. 1 VwGG i.V.m. § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

 

 

II.

 

 

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG sowie deshalb unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG mehr zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. nunmehr VwGH v. 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063); weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (vgl. dazu auch VwGH vom 27. August 2014, Zl. Ro 2014/05/0062).

 

Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Ver-waltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

 

 

 

LVwG-750135/13/Gf/Rt vom 24. September 2014

Erkenntnis

Rechtssatz

B-VG Art20 Abs1
B-VG Art94 Abs1
B-VG Art130 Abs1 Z1
B-VG Art130 Abs4
VwGVG §28
VwGVG § 50

Soweit sich die im Erkenntnis vom 26.6.2014, Zl. Ro 2014/03/0063, geäußerte Rechtsauffassung des VwGH auf die Auslegung des § 28 VwGVG bezieht, ist dieser jedoch in rechtlicher Hinsicht entgegenzuhalten, dass sie sich einerseits in ihrem Kern ausschließlich auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage stützt und diesen im Ergebnis nicht nur gesetzesgleiche, sondern sogar eine das Gesetz überragende Wirkkraft zumisst und dabei andererseits tragende, die Staatsorganisation determinierende Verfassungsgrundsätze außer Acht zu lassen scheint:

* Vorweg kann außer Streit gestellt werden, dass das (allgemeine) Verwaltungsgericht des Bundes und die Verwaltungsgerichte der Länder jedenfalls insoweit eine reformatorische Entscheidungspflicht trifft, als das VwGVG als einfachgesetzliche Ausführungsnorm die Anordnung des Art. 130 Abs. 4 B-VG bloß wiederholt (vgl. § 50 VwGVG [mit Ausnahme der in dessen Einleitungssatz genannten Fallkonstellationen – Zurückweisung und Einstellung] und § 28 Abs. 2 VwGVG).

* Soweit jedoch darüber hinaus im VwGVG – nämlich in § 28 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 VwGVG – weitere Fälle einer Befugnis bzw. Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache selbst festgelegt werden, stellt sich bereits an diesem Punkt die Frage, ob die in Art. 130 Abs. 4 B-VG normierten Konstellationen als eine taxative oder bloß als eine demonstrative Aufzählung zu qualifizieren ist. Da mit der Sachentscheidungskompetenz eine inhaltliche Gestaltungsbefugnis wesensgemäß verbunden ist, erweitert sich somit die vordergründige Frage danach, ob eine taxative oder bloße eine demonstrative Aufzählung vorliegt, hin zur erforderlichen Klärung der Grundsatzproblematik, ob mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle BGBl.Nr. I 51/2012 (im Folgenden: Novelle 2012) die diesbezüglich zuvor bestanden habende Trennlinie zwischen Verwaltung und (Verwaltungs-)Gerichtsbarkeit – nämlich: bloße sog. „Kassatorik“ – nicht bloß geringfügig, sondern in einem durchaus essentiellen Ausmaß (und falls ja, wie weit dieses konkret reicht) hin zur Gerichtsbarkeit verschoben wurde.

* Da diesbezüglich eine grammatische und systematische Auslegung des Verfassungstextes selbst mangels entsprechender Anhaltspunkte zu keinem Ergebnis führt, liegt es zwar nahe, die Gesetzesmaterialien – und unter diesen zunächst jene der gesetzgebenden Organe, also des National- und des Bundesrates, und erst subsidiär die Regierungsvorlage – heranzuziehen; dies jedoch mit dem Vorbehalt, dass den Materialien nicht eine sonstigem, bereits positiviertem Verfassungsrecht derogierende Wirkung beigemessen werden kann (es sei denn, es würde sich aus diesen in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ergeben, dass die anhand der Materialien auszulegende Verfassungsnorm insoweit als eine lex specialis anzusehen ist). Davon ausgehend ist zu konstatieren, dass sowohl der Bericht des Verfassungsausschusses des Nationalrates (vgl. 1771 BlgNR, 24. GP) als auch der Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus des Bundesrates (vgl. 8731 BlgBR) hinsichtlich der Frage, ob es sich in Art. 130 Abs. 4 B-VG um eine taxative oder um eine demonstrative Aufzählung handelt, unergiebig ist. Hingegen ist in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (vgl. 1618 BlgNR, 24. GP, S. 14) hierzu „ausdrücklich klargestellt“:

„In Art. 130 Abs. 4 ist abschließend geregelt, in welchen Fällen das Verwaltungsgericht meritorisch zu entscheiden hat; in diesen Fällen darf es daher nicht kassatorisch entscheiden. Einfachgesetzliche Regelungen, wonach das Verwaltungsgericht in bestimmten anderen Fällen meritorisch entscheiden kann oder meritorisch zu entscheiden hat (dies soll der Vermeidung von ‚Kassationskaskaden‘ dienen), sind jedoch zulässig.“

Jedenfalls soweit es jene Fälle betrifft, in denen die meritorische Entscheidungskompetenz nicht bloß eine Ermessens-, sondern eine Rechtsentscheidung verkörpert, enthält diese ausdrückliche Klarstellung aber offenbar einen Widerspruch: Denn nach dem ersten Satz soll Art. 130 Abs. 4 B VG insoweit eine taxative Aufzählung (arg.: „ist abschließend geregelt“) enthalten – mit der Konsequenz, dass die Festlegung weiterer Fälle einer meritorischen Entscheidungsbefugnis einfachgesetzlich nicht zulässig wäre –, während der zweite Satz dem gegenüber dem einfachen Gesetzgeber auch noch „in bestimmten anderen“ (als den in Art. 130 Abs. 4 B-VG geregelten) „Fällen“ die Normierung einer solchen Kompetenz ermöglicht. Angesichts dessen kann daher schon nicht mit gutem Grund behauptet werden, dass zweifelsfrei feststeht, dass § 28 VwGVG insoweit, als diese Bestimmung inhaltlich über eine bloße Wiederholung des Art. 130 Abs. 4 B-VG hinausgeht, als verfassungsrechtlich unbedenklich erscheint. Allerdings lassen sich die in der Regierungsvorlage verankerte Zielsetzung, den Anforderungen der EMRK entsprechen zu wollen und jene der Verfahrenseffizienz dafür ins Treffen führen, dass Art. 130 Abs. 4 B-VG prinzipiell keine taxative, sondern bloß eine demonstrative Aufzählung enthält – womit die jeweils in § 28 Abs. 1 VwGVG und im ersten Halbsatz des § 50 VwGVG normierten Fälle (Zurückweisung bzw. Einstellung) als verfassungsrechtlich unbedenklich erscheinen, sich in der Folge aber unmittelbar die Frage nach dem Umfang dieser Ermächtigung für den einfachen Gesetzgeber stellt.

* Diesbezüglich ist vorweg darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der Grundsatzproblematik, ob mit der Novelle 2012 die diesbezüglich zuvor bestanden habende Trennlinie zwischen Verwaltung und (Verwaltungs )Gerichtsbarkeit – nämlich: bloße „Kassatorik“ – nicht bloß geringfügig, sondern in einem durchaus essentiellen Ausmaß (und falls ja, wie weit dieses konkret reicht) hin zur Gerichtsbarkeit verschoben wurde, (aus nachvollziehbaren Gründen, denn anders wäre die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wohl politisch nicht umsetzbar gewesen) zwar weder im Ausschussbericht des Nationalrates noch im Ausschussbericht des Bundesrates noch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage wenigstens eine darauf bezogene Andeutung zu finden ist; im Hinblick auf die einschneidende verfassungsrechtliche Bedeutung der Novelle 2012, die sich schon daran zeigt, dass ihrer Umsetzung eine jahrzehntelange Diskussion vorausgegangen war, kommt diesem Umstand aber insoweit eine gewichtige Bedeutung zu, weil mit diesem „beredten Schweigen“ objektiv betrachtet wohl unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass an eine – erst recht an eine tiefgreifende – Änderung von tragenden, die Staatsorganisation bereits zuvor determiniert habenden Verfassungsgrundsätzen nicht gedacht war. Aber auch angesichts dessen, dass 1.) Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG die Verwaltungsgerichte ausdrücklich bloß zu einer Rechtmäßigkeitskontrolle legitimiert – was im Hinblick auf die identische Terminologie zur Kontrollbefugnis der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts vor der Novelle 2012 prinzipiell ein auch weiterhin nicht geändertes Begriffsverständnis und damit eine grundsätzlich bloß kassatorische Entscheidungsbefugnis indiziert –, 2.) zumindest zwischen den Staatsfunktionen „Verwaltung“ und „Gerichtsbarkeit“ explizit der Grundsatz der Gewaltentrennung festgelegt ist (vgl. Art. 94 Abs. 1 B-VG) und 3.) Art. 20 Abs. 1 B-VG anordnet, dass die Führung der Verwaltung ausschließlich durch politisch verantwortliche oberste Organe mit Leitungskompetenz samt Weisungsbindung und nicht durch (unabhängige) Gerichte zu erfolgen hat, lässt sich die Annahme einer durch die Novelle 2012 bewirkten weitgehenden Verschiebung der rechtspolitischen Dispositionsbefugnis von der Verwaltung hin zur (Verwaltungs )Gerichtsbarkeit nicht rechtfertigen. Berücksichtigt man dazu schließlich noch, dass im Ergebnis schon wegen deren bereits oben aufgezeigten Widersprüchlichkeit bzw. fehlenden inhaltlichen Positionierung zur Grundsatzfrage, ob – und wenn ja, inwieweit – mit der Novelle 2012 auch tragende, die Staatsorganisation determinierende Verfassungsgrundsätze modifiziert werden sollten, aber auch deshalb, weil diese Verfassungsänderung unter einem großen, rechtstheoretischen Grundsatzüberlegungen keinen Raum gebenden Zeitdruck zustande kam (vgl. z.B. Leeb – Zeinhofer, Verwaltungsgerichtsbarkeit neu – Das Verfahren der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte, in: G. Baumgartner [Hrsg], Öffentliches Recht – Jahrbuch 2014, Wien – Graz 2014, 36), keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar ist, den Gesetzesmaterialien, insbesondere den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, allzu große Bedeutung beizumessen, kann all dies insgesamt nur dazu führen, dass der Anwendungsbereich des § 28 VwGVG vor dem Hintergrund, dass Art. 130 Abs. 4 B VG nicht als eine Fundamentalnorm, sondern bloß als eine seitens des einfachen Gesetzgebers um „bestimmte andere Fälle“ (vgl. 1618 BlgNR, 24. GP, S. 14) erweiterbare lex specialis zu Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG, zu Art. 94 Abs. 1 B-VG und zu Art. 20 Abs. 1 B-VG anzusehen ist, prinzipiell (und entgegen der vom VwGH vertretenen, im Kern ausschließlich auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage gestützten Rechtsansicht nicht weit, sondern) eng auszulegen ist. Im Hinblick auf die mit der Novelle 2012 nicht fundamental geänderte Trennlinie zwischen Verwaltung und (Verwaltungs )Gerichtsbarkeit kommt den Verwaltungsgerichten daher nur bei Vorliegen eines der in § 28 Abs. 2 bis 4 VwGVG genannten, jeweils per se restriktiv zu interpretierenden Tatbestandes die Befugnis bzw. Verpflichtung zu, meritorisch bzw. reformatorisch bzw. in der Sache selbst zu entscheiden; im Übrigen ist hingegen mit Aufhebung und Zurückverweisung vorzugehen.

* Dies gilt jedenfalls, solange eine entsprechende anderslautende Feststellung des VfGH, dem in Bezug auf die Auslegung des Art. 130 Abs. 4 B-VG i.V.m. § 28 VwGVG die verbindliche Letztentscheidungskompetenz zukommt, der sich jedoch in seinem Erkenntnis vom 18.6.2014, G 5/2014, (anlassfallbezogen) zu dieser Frage noch nicht dezidiert geäußert hat, nicht vorliegt.

Schlagworte:

Entscheidungsbefugnis: meritorisch – kassatorisch; weite – enge Auslegung; tragende Verfassungsgrundsätze; Art. 130 Abs. 4 B-VG: Keine Fundamentalnorm, sondern bloße lex specialis