LVwG-700059/17/BP/JW

Linz, 22.09.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des B. H., geb. x, P., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 30. Juli 2014, GZ: Sich96-573-2013, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG iVm. §§ 1 Abs. 1 und 10 ABs. 1 lit a des
Oö. Polizeistrafgesetzes 1979, LGBl. Nr. 36/1979,
wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.               

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom
30. Juli 2014, GZ. Sich96-573-2013, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 1 ABs. 1 iVm. § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

Sie haben den öffentlichen Anstand verletzt und damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte verstoßen, indem Sie am 06.09.2013 um 20:20 Uhr beim Fußballspiel „UVB Vöcklamarkt" - „Blau Weiß Linz" auf der Westtribüne im Waldstadion V., S., x V., als „Fan-Einpeitscher" den Wortlaut „A.C.A.B." schrien.

 

In ihrer Begründung führt die belangte Behörde Folgendes aus:

 

Sie wurden von der Polizeiinspektion V. am 18.09.2013 wegen des Verdachts der öffentlichen Anstandsverletzung zur Anzeige gebracht. Der Anzeige zufolge hätten Sie am 06.09.2013 um 20:20 auf der Westtribüne im Waldstadion V. als „Fan-Einpeitscher" den Wortlaut „A.C.A.B." geschrien.

Sie wurden deshalb mit Strafverfügung vom 25.09.2014 wegen öffentlicher Anstandsverletzung iSd. § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz mit einer Geldstrafe in der Höhe von 100,00 Euro bzw. 60 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe bedacht.

Dagegen erhoben Sie am 07.10.2014 in offener Frist Einspruch und begründeten diesen wie folgt (sinngemäß):

„Wie ich schon kurz nach dem Spiel mehreren Beamten mitgeteilt hatte, habe ich diese Laute „ACAB" nicht von mir gegeben.

Wie auch mit dem Einsatzleiter K. M. besprochen, sind wir die 5 Jahre (2007-2012), als ich die W. x führte, hervorragend ausgekommen, ebenfalls bestätigte dies der damalige Szene Polizist F. A., welchen ich kurz nach dem Spiel bei der Vernehmung sofort telefonisch um Rat fragte.

Wenn ich dies mache, warum sollte ich dann gegen Beamte diesen Schmähgesang schreien oder gar wie mir vorgeworfen „vorschreien".

Nun kurz zu meiner Darstellung: zweite Halbzeit, kurz nach Wiederanpfiff entschlossen wir uns, angesichts der mageren Leistung gegen BW Linz die Mannschaft anzufeuern. Um dies besser zu koordinieren, stellte ich mich vor die Leute auf der Hintertortribüne. Beim Hinuntersteigen der Treppen ertönte meiner Meinung aus dem hinteren Bereich der Menschenmenge der Wortruf, welcher von einigen Personen aufgenommen wurde und schließlich zu dem Vorwurf gegen meine Person führte. Ich hatte aber mit der Sache rein gar nichts zu tun.

Wir hatten die letzten Jahre diesen Spruch nie „gesungen" und machen das auch jetzt nicht. Ich führte diese Gruppe 5 Jahre an und wir arbeiten sehr gut und eng mit der Polizei zusammen, dies können mehrere Beamte bestätigen..."

 

 

Mit Schreiben vom 24.10.2013 nahm Insp. C. W. / Polizeiinspektion V. zum Sachverhalt Stellung und teilte mit, dass er die angezeigte Übertretung im Zuge des Dienstes bei der Einsatzeinheit (EE) Oberösterreich, Z. L. x, Gruppe x, ohne Sichtbehinderung wahrgenommen habe. Weiters vermutete Insp. W. bei Ihnen eine Alkoholisierung, da deutliche Anzeichen - wie Alkoholgeruch aus dem Mund, gerötete Augenbindehäute, veränderte Aussprache, etc. - wahrnehmbar gewesen seien. Die Anzeige bleibe daher vollinhaltlich aufrecht.

 

Über die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme nahmen Sie anlässlich einer persönlichen Vorsprache bei der Behörde erneut zum Tatvorwurf Stellung und verwiesen erneut darauf, dass Sie als ehemaliger Fanbetreuer mit der Polizei stets gute Kontakte gepflegt hätten. Anlässlich des Spiels am 06.09.2013 seien die Fans von Vöcklamarkt vor allem in der ersten Halbzeit sehr ruhig gewesen und es sei keine besondere Stimmung aufgekommen. In der zweiten Halbzeit seien Sie auf den Zaun geklettert, um die Fans einzupeitschen. Dabei hätten Sie wahrgenommen, dass einige der Fans „A.C.A.B." geschrien hätten. Nachdem die Polizeibeamten Sie beschuldigt hätten, diese Äußerungen getätigt zu haben, hätten Sie sich mit den Fanbegleitern der Polizei, Herrn A. und
Herrn M., in Verbindung gesetzt, die Ihnen versichert hätten, dass Sie nichts zu befürchten hätten, weil sie wissen würden, dass es nicht Ihre Art sei, gegen die Polizei Äußerungen zu machen oder sogar Fans mit negativen Äußerungen einzupeitschen.

Sie gestanden jedoch ein, aufgrund des aus Ihrer Sicht unberechtigten Vorwurfs bei der anschließenden Befragung durch die Polizei vor der Tribüne und beim Bus aufgrund der Vorwürfe nicht sehr höflich mit den Beamten diskutiert zu haben.

Der Vereinspräsident G. P. sowie der Sektionsleiter R. H. - letzterer sei auch in Ihrer Nähe gewesen - könnten Ihre Angaben bestätigen.

 

Weiters gaben Sie an, ein Haus zu besitzen, monatlich über ein Einkommen in der Höhe von 1.700 Euro zu verfügen und für zwei Kinder sorgepflichtig zu sein.

 

Am 25.11.2013 wurde Insp. C. W. / Polizeiinspektion V. zeugenschaftlich einvernommen und sagte aus, dass er bei seiner in der Anzeige angeführten Darstellung bleibe und - wie auch weitere Kollegen - visuell und akustisch wahrnehmen konnte, wie der Beschuldigte die Äußerungen „A.C.A.B." einpeitschend und auf dem Zaun sitzend seinen Fankollegen von Vöcklamarkt zugerufen hätte.

 

Am 14.05.2014 wurde Insp. M. H. / Polizeiinspektion P. (SPK W.) zeugenschaftlich einvernommen. Er sagte aus, sich mit Kollegen B. am Spielfeldrand befunden zu haben und sowohl visuell als auch akustisch wahrgenommen zu haben, wie der Beschuldigte die Äußerungen „A.C.A.B." einpeitschend und beim Zaun befindlich seinen Fankollegen von Vöcklamarkt zugerufen habe.

Nach Spielende hätten sich er und sein Kollege zum Ausgangsbereich der Fans begeben und auf den Beschuldigten zur Identitätsfeststellung gewartet. H. hätte jedoch vorerst zu flüchten versucht, um eine Identitätsfeststellung hintanzuhalten.

 

Am 14.05.2014 wurde Insp. S. B. / Polizeiinspektion D.  (SPK W.) zeugenschaftlich einvernommen, wobei sich dessen Aussagen mit jenen des Insp. H. gleichen.

 

Mit Schreiben vom 04.06.2014 wurden Sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und Ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme sowie neuerl. Bekanntgabe Ihrer Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse gegeben, worauf Sie nicht reagierten.

 

(...)

 

Die Parole „A.C.A.B." wird häufig in Jugendsubkulturen bzw. in der Neonaziszene verwendet und steht diese Abkürzung für den englischen Satz „All Cops Are Bastards".

 

Wie bereits der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des Landes Oberösterreich am 21.03.2011 festgestellt hat, erfüllt ein öffentliches Zur-Schau-Stellen eines Transparentes mit der Aufschrift „All Cops are Bastards" den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Oö. PolstG.

Eine Bestrafung wegen Anstandsverletzung ist durch die in § 1 Abs1 Oö. PolStG normierte Subsidiaritätsklausel dann nicht gehindert, wenn sich die Beleidigung nicht gegen einzelne konkrete Polizeibeamte - womit eine Heranziehung des § 115 StGB ausscheidet -, sondern gegen die Polizei als solches (die als bloßes Hilfsorgan nicht unter den Behördenbegriff des § 116 StGB fällt; vgl zB OGH 21.7.1981, 10 Os 133/80; sa Leukauf/Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 1992 Rz 7 zu §116 StGB) richtete. (UVS Oberösterreich vom 21.03.2011, VwSen-301015/2/Gf/Mu).

 

Der UVS Niederösterreich hat festgestellt, dass die individuelle Bezeichnung eines Polizeibeamten bzw. mehrerer bestimmter Polizeibeamten als Bastard(e) sehr wohl eine strafbare Beleidigung darstellt und kann dies darüber hinaus bei entsprechendem Vorliegen in der Öffentlichkeit auch eine Anstandsverletzung darstellen (vgl. UVS NÖ vom 02.10.2012, Senat-MD-11-0116).

 

Im Sinne dieser Judikatur - die angeführten Unabhängigen Verwaltungssenate waren bis 31.12.2013 Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen - steht somit außer Zweifel, dass die Ihnen angelastete Tathandlung (einpeitschendes Schreien des Wortlautes „A.C.A.B." während eines öffentlichen Fußballspiels - gerichtet an die Polizei als solche und nicht an einzelne Polizeibeamte) als Anstandsverletzung zu bewerten ist.

 

Aufgrund der eindeutigen Zeugenaussagen der drei Polizeibeamten, die unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht und den Diensteid ausgesagt haben, ist für die Behörde als erwiesen anzusehen, dass Sie den Wortlaut „A.C.A.B." geschrien haben, um die Fans einzupeitschen (zu animieren).

 

Auf die Einvernahme der von Ihnen angeführten Zeugen konnte aufgrund der Eindeutigkeit der Aussagen der drei Polizeibeamten abgesehen werden. Darüber hinaus muss davon ausgegangen werden, dass sowohl der Vereinspräsident als auch der Sektionsleiter während des Spiels wohl das Augenmerk auf das Fußballspiel selbst und nicht auf Sie gerichtet haben. Die von Ihnen angeführten Polizeibeamten M. (BPK V.) und A. (PI G.) konnten den Vorfall nicht persönlich wahrnehmen, weshalb auch deren Einvernahme entbehrlich war.

 

Zum Strafausmaß ist auszuführen, dass trotz des Strafmilderungsgrundes der Unbescholtenheit aus generalpräventiven Gründen angeführte Strafhöhe erforderlich ist, zumal ua. aufgrund der von Ihnen gesetzten Verhaltensweise die Stimmung in Fußballstadien enorm aufgeheizt wird, was zu einer Erhöhung des Aggressionspotentials der Fans und Ausschreitungen führen kann und somit -wie auch bei diesem Fußballspiel - ein enorm großes Polizeiaufgebot notwendig ist, um Fußballspiele dieser Art überhaupt noch sicher abhalten zu können.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 12. August 2014, in welcher der Bf vorerst angibt, inhaltlich die Ausführungen der Rechtfertigung vom 25. September 2013 zu wiederholen.

 

Weiters führt der Bf begründend aus:

Erneut wurde mir ein Schreiben zugestellt in welchem ich beschuldigt werde als Einpeitscher von Vöcklamarkt die Worte „ACAB" „geschrien" zu haben.

Wäre ich schuldig würde ich die Strafe bezahlen, da wie ich aber meine wir in einem Rechtsstaat leben und ich (und mehrere Zeugen) von meiner Unschuld überzeugt sind muss ich erneut dagegen Beschwerde / Einspruch einlegen, und tue das hiermit.

 

Wie schon in meiner mündlichen Aussage bei der BH Vöcklabruck verweise ich auf diese.

Falls es nötig ist Zeugen einzuvernehmen, und von dem bin ich überzeugt, warum sollte nur die Polizei dazu befragt werden- ist dies jederzeit möglich!

Ich gebe ihnen dann gerne die Namen der Anwesenden. Leider ist seit dem Vorfall jede Menge Zeit vergangen nur ich finde es nicht in Ordnung wenn hier einfach drüber gefahren wird.

Wie gesagt die Polizisten waren sicher nicht gut auf mich zu sprechen da ich nicht freundlich zu ihnen war dies kann man mir vorwerfen jedoch nicht, den Laut „ACAB" zu ihnen gesagt zu haben.

Ich möchte weiters noch einmal darauf hinweisen das die Polizisten mindestens 25 m von mir weg standen, man kann aus dieser Entfernung nur sicher nicht genau feststellen wo diese Laute her kamen wenn wir auf der Tribüne das nicht mal feststellen konnten.

Dass dann die Polizei bei einer Aussage bleibt ist mir auch klar, warum sollten sie sich die „Blöße" geben und dann „umfallen".

 

Meiner Meinung nach kann ich dafür garantieren diesen Wortlaut nicht „geschrien" zu haben und verweise auf die Beweislage welche sehr einseitig ist, da nicht ein von mir genannter Zeuge befragt wurde.

 

Zu Hr. P., ich gab ja nicht an das dieser dabei war, ich sagte lediglich man könnte ihn zu meiner Person befragen und dem Verhältnis Polizei - Fans-Verein in der Vergangenheit!

Hr. H. war aber dabei bzw. näher als die Polizei, zu diesem bin ich auch kurz vor der Vernehmung noch einmal hin, dieser verlies mit mir sogar den Sektor (geflüchtet J , man kann schon alles übertreiben, wo sollte ich den hin in einem Sektor) !

Weiters denke ich würde eine Befragung von Zeugen auf der Heimtribüne Klarheit ergeben.

 

Eines noch dazu, keiner von den Leuten im Stadion ist von der Polizeipräsens in Vöcklamarkt begeistert. Jetzt zu schreiben wegen Leuten wie mir sei diese nötig finde ich mehr als verwerflich, da in unserem Stadion noch kein einziger Einsatz auf Vöcklamarkter Seite nötig war wir klärten Kleinigkeiten immer in der Gruppe und dies konnten die früheren Szenebeamten sehr gut feststellen, eine Frage sei nämlich zum Schluss schon noch erlaubt, warum gab es jahrelang kein Problem und auf einmal kommen junge völlig übermotivierte Polizisten zum Einsatz und müssen auf sich aufmerksam machen.

Falls ich falsch liege berichtigen sie mich aber diese Anzeige gegen mich ist erst die zweite auf Vöcklamarkter Seite, Richtig ? die andere ist Jahre zurück im Spiel gegen Wacker Innsbruck, wie immer geht es um Geld nur finde ich es auf diese Weiße eizutreiben nicht richtig!

 

3. Mit Schreiben vom 25. August 2014 legte die Landespolizeidirektion Oberösterreich den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Zusätzlich wurde am 22. September 2014 eine öffentliche Verhandlung vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht durchgeführt.

 

5.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

In der zweiten Halbzeit des in Rede stehenden Fußballspiels fungierte der Bf als „Faneinpeitscher“ und begab sich deshalb zum Abgrenzungszaun beim Fansektor der Heimmannschaft. Aus den Rängen der Fans von Vöcklamarkt wurde der Ruf „ACAB – all cops are bastards“ laut und sowohl von den Fans der Heimmannschaft als auch von Blau-Weiß-Linz-Fans aufgenommen und ca. 5 x geschrien. Es kann abschließend nicht festgestellt werden, ob der Bf in den Ruf einstimmte oder einen Fanslogan schrie, den er mit Gestik untermauerte.

 

 

II.             

 

Im Rahmen der öffentlichen Verhandlung war zunächst unbestritten, dass sich der Bf zum Zaun vor dem Fanbereich hinter dem Tor der Heimmannschaft begab und dort als „Einpeitscher“ fungierte. Weiters ist nach allen Zeugenaussagen unbestritten, dass der Ruf „ACAB – all cops are bastards“ geschrien wurde, wobei insbesondere vom Bf und den von ihm nominierten Zeugen glaubhaft geschildert wurde, dass der Ruf von den Rängen der Heimmannschaft ausgegangen war und dann sowohl von den Sektor der Heimmannschaft als auch von dem der Auswärtsmannschaft aufgegriffen wurde. Auch die Polizeibeamten konnten nicht gesichert angeben, dass der Bf Auslöser des Spruches war.

 

Strittig ist, ob der Bf in den Ruf einstimmte oder nicht. Die Beamten gaben an ihn sowohl gesehen als auch gehört zu haben. Es ist nun zwar glaubhaft, dass sie in der Lage waren aus rund 30 m Entfernung die Gestik wahrzunehmen, was sie auch betonten. Weniger gesichert scheint, dass sie akustisch in der Lage gewesen wären, in Anbetracht von Hunderten brüllenden Fans die Worte des Bf auch zu verstehen. Es ist keinesfalls verwunderlich, dass sie aus dem Zusammentreffen des Schlachtrufes und der Tatsache, dass der Bf sich isoliert – von allen gut sichtbar – am Zaun befand, den Schluss zogen, er sei Initiator des Rufes gewesen. Weiters spricht für diese Annahme der Umstand, dass durch die Gruppendynamik bei derartigen Situationen es leicht vorstellbar ist, dass der Bf einen Ruf, den er originär nicht intendiert hatte, mitschrie.

 

Hingegen schilderte der Bf aber glaubhaft, dass er anstelle des in Rede stehenden Spruchs einen üblichen Fanslogan: „Auf geht´s Moarker – kämpfen und siegen!“ zu initiieren intendierte. Faktum ist, dass der Spruch „ACAB – all cops are bastards“ danach nicht wieder aufgegriffen wurde.

 

Es kann sohin nicht abschließend festgestellt werden, dass der Bf den in Rede stehenden Slogan mitschrie.

 

Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass nach Ende des Spiels der Bf angesichts des Erhebungsversuchs der Polizeibeamten zunächst wieder in den Fansektor zurückkehrte und in der Folge mit dem Sektionsleiter des Vereins zur Vernehmung erschien. Wie sich aus der Verhandlung ergab, war ihm durch das Verhalten mehrerer Polizisten in Folge des in Rede stehenden Schlachtrufes bewusst gewesen, dass Erhebungen erfolgen würden.   

 

 

III.            

 

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 sind Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 1 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.

 

2.1. Strafbar im Sinn des § 1 Abs. 1 PolStG ist sohin ein Verhalten, das den Anstand verletzt und nicht durch eine andere Verwaltungsstrafnorm oder durch einen gerichtlichen Straftatbestand sanktioniert wird.  Nach § 1 Abs. 2
Oö. PolStG ist unter Anstandsverletzung jenes Verhalten zu verstehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet und zudem in der Öffentlichkeit gesetzt wird.

 

2.2. Es ist nun unbestritten, dass der Fanbereich in einem Fußballstadion als Öffentlichkeit anzusehen ist, zumal hier eine Vielzahl von Personen Zugang hat und im vorliegenden Fall auch tatsächlich anwesend war.

 

Die Parole „A.C.A.B." wird häufig in Jugendsubkulturen bzw. in der Neonaziszene verwendet und steht für den englischen Satz „All Cops Are Bastards".

 

Wie bereits der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des Landes Oberösterreich am 21.03.2011 festgestellt hat, erfüllt ein öffentliches Zur-Schau-Stellen eines Transparentes mit der Aufschrift „all cops are bastards" den Tatbestand des
§ 1 Abs. 1 Oö. PolstG. Der Inhalt dieser Botschaft hat demnach eindeutig einen beleidigenden Charakter, der  wenn geäußert - in seiner Intensität den Tatbestand eines groben Verstoßes gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet.

 

Eine Bestrafung wegen Anstandsverletzung ist durch die in § 1 Abs. 1 Oö. PolStG normierte Subsidiaritätsklausel dann nicht gehindert, wenn sich die Beleidigung nicht gegen einzelne konkrete Polizeibeamte - womit eine Heranziehung des
§ 115 StGB ausscheidet -, sondern gegen die Polizei als solches (die als bloßes Hilfsorgan nicht unter den Behördenbegriff des § 116 StGB fällt; vgl zB OGH 21.7.1981, 10 Os 133/80; sa Leukauf/Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 1992 Rz 7 zu §116 StGB) richtete. (UVS Oberösterreich vom 21.03.2011, VwSen-301015/2/Gf/Mu).

 

2.3. Im vorliegenden Fall war zunächst unstrittig, dass der oa. Ruf von einer Vielzahl von Fans beim betreffenden Fußballspiel gerufen wurde. Allerdings konnte in der Verhandlung nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass der Bf in diesen Ruf einstimmte. Dass er ihn nicht initiierte, kam in der Verhandlung klar hervor.

 

Sohin ist mit Bedacht auf den Rechtsgrundsatz: „in dubio pro reo“ nicht vom Vorliegen der objektiven Tatseite auszugehen, da begründete Zweifel bestehen, dass der Bf – trotz gruppendynamischer Aspekte – in den Ruf mit einfiel. 

 

3. Nachdem aber als Konsequenz der obigen Feststellungen nicht vom Vorliegen der objektiven Tatseite ausgegangen werden kann, war der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. 

 

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.

 

4.2. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.

 

 

IV.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree