LVwG-700059/17/BP/JW
Linz, 22.09.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des B. H., geb. x, P., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 30. Juli 2014, GZ: Sich96-573-2013, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm. §§ 1 Abs. 1 und 10 ABs. 1 lit a des
Oö. Polizeistrafgesetzes 1979, LGBl. Nr. 36/1979, wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom
30. Juli 2014, GZ. Sich96-573-2013, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 1 ABs. 1 iVm. § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden verhängt.
Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:
In ihrer Begründung führt die belangte Behörde Folgendes aus:
Herrn M., in Verbindung gesetzt, die Ihnen versichert hätten, dass Sie nichts zu befürchten hätten, weil sie wissen würden, dass es nicht Ihre Art sei, gegen die Polizei Äußerungen zu machen oder sogar Fans mit negativen Äußerungen einzupeitschen.
2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 12. August 2014, in welcher der Bf vorerst angibt, inhaltlich die Ausführungen der Rechtfertigung vom 25. September 2013 zu wiederholen.
Weiters führt der Bf begründend aus:
3. Mit Schreiben vom 25. August 2014 legte die Landespolizeidirektion Oberösterreich den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.
Zusätzlich wurde am 22. September 2014 eine öffentliche Verhandlung vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht durchgeführt.
5.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:
In der zweiten Halbzeit des in Rede stehenden Fußballspiels fungierte der Bf als „Faneinpeitscher“ und begab sich deshalb zum Abgrenzungszaun beim Fansektor der Heimmannschaft. Aus den Rängen der Fans von Vöcklamarkt wurde der Ruf „ACAB – all cops are bastards“ laut und sowohl von den Fans der Heimmannschaft als auch von Blau-Weiß-Linz-Fans aufgenommen und ca. 5 x geschrien. Es kann abschließend nicht festgestellt werden, ob der Bf in den Ruf einstimmte oder einen Fanslogan schrie, den er mit Gestik untermauerte.
II.
Im Rahmen der öffentlichen Verhandlung war zunächst unbestritten, dass sich der Bf zum Zaun vor dem Fanbereich hinter dem Tor der Heimmannschaft begab und dort als „Einpeitscher“ fungierte. Weiters ist nach allen Zeugenaussagen unbestritten, dass der Ruf „ACAB – all cops are bastards“ geschrien wurde, wobei insbesondere vom Bf und den von ihm nominierten Zeugen glaubhaft geschildert wurde, dass der Ruf von den Rängen der Heimmannschaft ausgegangen war und dann sowohl von den Sektor der Heimmannschaft als auch von dem der Auswärtsmannschaft aufgegriffen wurde. Auch die Polizeibeamten konnten nicht gesichert angeben, dass der Bf Auslöser des Spruches war.
Strittig ist, ob der Bf in den Ruf einstimmte oder nicht. Die Beamten gaben an ihn sowohl gesehen als auch gehört zu haben. Es ist nun zwar glaubhaft, dass sie in der Lage waren aus rund 30 m Entfernung die Gestik wahrzunehmen, was sie auch betonten. Weniger gesichert scheint, dass sie akustisch in der Lage gewesen wären, in Anbetracht von Hunderten brüllenden Fans die Worte des Bf auch zu verstehen. Es ist keinesfalls verwunderlich, dass sie aus dem Zusammentreffen des Schlachtrufes und der Tatsache, dass der Bf sich isoliert – von allen gut sichtbar – am Zaun befand, den Schluss zogen, er sei Initiator des Rufes gewesen. Weiters spricht für diese Annahme der Umstand, dass durch die Gruppendynamik bei derartigen Situationen es leicht vorstellbar ist, dass der Bf einen Ruf, den er originär nicht intendiert hatte, mitschrie.
Hingegen schilderte der Bf aber glaubhaft, dass er anstelle des in Rede stehenden Spruchs einen üblichen Fanslogan: „Auf geht´s Moarker – kämpfen und siegen!“ zu initiieren intendierte. Faktum ist, dass der Spruch „ACAB – all cops are bastards“ danach nicht wieder aufgegriffen wurde.
Es kann sohin nicht abschließend festgestellt werden, dass der Bf den in Rede stehenden Slogan mitschrie.
Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass nach Ende des Spiels der Bf angesichts des Erhebungsversuchs der Polizeibeamten zunächst wieder in den Fansektor zurückkehrte und in der Folge mit dem Sektionsleiter des Vereins zur Vernehmung erschien. Wie sich aus der Verhandlung ergab, war ihm durch das Verhalten mehrerer Polizisten in Folge des in Rede stehenden Schlachtrufes bewusst gewesen, dass Erhebungen erfolgen würden.
III.
1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 begeht, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.
Gemäß § 1 Abs. 2 Oö. Polizeistrafgesetz 1979 ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.
Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz 1979 sind Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 1 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.
2.1. Strafbar im Sinn des § 1 Abs. 1 PolStG ist sohin ein Verhalten, das den Anstand verletzt und nicht durch eine andere Verwaltungsstrafnorm oder durch einen gerichtlichen Straftatbestand sanktioniert wird. Nach § 1 Abs. 2
Oö. PolStG ist unter Anstandsverletzung jenes Verhalten zu verstehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet und zudem in der Öffentlichkeit gesetzt wird.
2.2. Es ist nun unbestritten, dass der Fanbereich in einem Fußballstadion als Öffentlichkeit anzusehen ist, zumal hier eine Vielzahl von Personen Zugang hat und im vorliegenden Fall auch tatsächlich anwesend war.
Die Parole „A.C.A.B." wird häufig in Jugendsubkulturen bzw. in der Neonaziszene verwendet und steht für den englischen Satz „All Cops Are Bastards".
Wie bereits der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des Landes Oberösterreich am 21.03.2011 festgestellt hat, erfüllt ein öffentliches Zur-Schau-Stellen eines Transparentes mit der Aufschrift „all cops are bastards" den Tatbestand des
§ 1 Abs. 1 Oö. PolstG. Der Inhalt dieser Botschaft hat demnach eindeutig einen beleidigenden Charakter, der wenn geäußert - in seiner Intensität den Tatbestand eines groben Verstoßes gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet.
Eine Bestrafung wegen Anstandsverletzung ist durch die in § 1 Abs. 1 Oö. PolStG normierte Subsidiaritätsklausel dann nicht gehindert, wenn sich die Beleidigung nicht gegen einzelne konkrete Polizeibeamte - womit eine Heranziehung des
§ 115 StGB ausscheidet -, sondern gegen die Polizei als solches (die als bloßes Hilfsorgan nicht unter den Behördenbegriff des § 116 StGB fällt; vgl zB OGH 21.7.1981, 10 Os 133/80; sa Leukauf/Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch 3 1992 Rz 7 zu §116 StGB) richtete. (UVS Oberösterreich vom 21.03.2011, VwSen-301015/2/Gf/Mu).
2.3. Im vorliegenden Fall war zunächst unstrittig, dass der oa. Ruf von einer Vielzahl von Fans beim betreffenden Fußballspiel gerufen wurde. Allerdings konnte in der Verhandlung nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass der Bf in diesen Ruf einstimmte. Dass er ihn nicht initiierte, kam in der Verhandlung klar hervor.
Sohin ist mit Bedacht auf den Rechtsgrundsatz: „in dubio pro reo“ nicht vom Vorliegen der objektiven Tatseite auszugehen, da begründete Zweifel bestehen, dass der Bf – trotz gruppendynamischer Aspekte – in den Ruf mit einfiel.
3. Nachdem aber als Konsequenz der obigen Feststellungen nicht vom Vorliegen der objektiven Tatseite ausgegangen werden kann, war der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.
4.2. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree