LVwG-600468/6/Br/MSt

Linz, 15.09.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier, über die Beschwerde des Herrn I K, geb. x, c/o Mag. S W, X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, vom 30.7.2014, GZ: VStV/914300046034/2014, nach der am 15.9.2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung,

 

zu Recht  e r k a n n t:

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben; das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

 

II. Gemäß § 52 Abs.9 VwGVG entfällt jeglicher Verfahrens-kostenbeitrag.

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschwerdeführer wegen einer Übertretung nach § 24 Abs.1 lit.i StVO 1960 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 40 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 18 Stunden  und 30 Minuten verhängt.

Es wurde ihm sinngemäß zur Last gelegt, er habe am 08.03.2014 um 04:10 Uhr in Linz, B, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen x dieses Fahrzeug in einer Fußgängerzone abgestellt, obwohl die Ausnahmen nach § 24 Abs. 1 lit.i Ziffer 1 bis 3 StVO 1960 auf ihn nicht zutrafen.

 

 

I.1. Die Behörde begründete ihre Entscheidung unter Hinweis auf die Anzeige vom 13.3.2014 und die Niederschrift vom 13.6.2014.

 

 

II.

In der dagegen fristgerecht seitens der ausgewiesenen Rechtsvertreterschaft erhobenen Beschwerde wird dem mit folgenden Ausführungen entgegen getreten:

 

Gegen das umseits bezeichnete Straferkenntnis der LPD , welche mir am 30.07.2014 zugestellt wurde, erhebe ich in offener Frist

 

 

Beschwerde

 

 

und begründe diese wie folgt:

 

Vorweg möchte ich ausführen, dass es in den Jahren zuvor nie größere Probleme zwischen Taxilenkern und Polizei gegeben hat. Leider hat sich diese Situation seit einigen Monaten (ca. seit Jahreswechsel 2013/14) massiv verschlechtert. Diese Verschlechterung ist uns Taxilenkern nicht erklärlich, zumal wir uns immer gleich gut oder manchmal vielleicht auch weniger gut verhalten.

 

Angeführt sei auch, dass die Taxistandplätze seit sehr langer Zeit (Jahrzehnten) nicht mehr den Bedürfnissen der Kunden entsprechen und damit auch nicht der Taxilenker.

 

Wie auch immer hatte ich an jenem Abend einen Auftrag eines Fahrgastes aus der R (B). Deswegen habe ich die mir zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen.

 

Aufgrund der leider sehr angespannten Situation mit der Polizei verließ ich bei Ansicht des Polizeifahrzeuges meine Warteposition und drehte lieber noch eine Runde.

 

Zusammenfassend stelle ich den

Antrag

 

das gegen mich eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren mangels Tatbild einzustellen.

 

L, am 14.08.2014 I K“

 

 

 

III.

Die Behörde hat den Verfahrensakt mit Vorlageschreiben vom 21.08.2014 dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Ergänzend wurde im Vorlageschreiben darauf hingewiesen, dass seit etwa November 2013 im Stadtgebiet von L, insbesondere in den Nachtstunden Taxifahrzeuge verstärkt kontrolliert würden. Dabei würden die prima vista festgestellten Übertretungen insbesondere nach der Straßenverkehrsordnung sowie nach der oberösterreichischen Taxi- und Mietwagen-Betriebsordnung ausnahmslos zur Anzeige gebracht, größtenteils würde den Taxilenkern vor Ort mangels Kontaktaufnahme auch keine Gelegenheit zur Rechtfertigung gegeben werden.

Mangels einschlägiger Erkenntnisse des Oö. LVwG (bzw. des UVS Oö.), betreffend den Großteil der den Taxilenkern zur Last gelegten Delikte, stelle die Landespolizeidirektion Oberösterreich das Ersuchen an das Oö. LVwG für das vorliegende Verfahren eine richtungsweisende Entscheidung zu treffen.

 

 

III.1. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war gemäß § 44 Abs.1 VwGVG und hier insbesondere in Wahrung der durch Art.6 EMRK indizierten Rechte durchzuführen. Beweis erhoben wurde durch auszugweise Verlesung des Akteninhaltes, sowie der Anhörung der Rechtsvertreterin in der Sache, sowie durch die und zeugenschaftliche Vernehmung des Meldungslegers Insp. K über die näheren Umstände zur Verkehrssituation und  der  unterbliebenen Konfrontation des Angezeigten mit dem Tatvorwurf. Die Behörde wurde durch zwei Sachbearbeiter vertreten.

 

 

III.2. In der vorgängigen Erklärung wurde seitens der Behörde abermals auf die in der Aktenvorlage zum Ausdruck gebrachte Problematik auf Grund der zahlreichen, seit November 2013 erfolgten Anzeigen gegen Taxilenker verwiesen. In diesem Zusammenhang bedürfte es im Hinblick auf das weitere behördliche Vollzugspraxis und Rechtsbeurteilung vom Oö. Landesverwaltungsgericht einer richtungsweisenden Entscheidung.

 

 

IV. Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Die Beschwerdeführervertreterin verdeutlichte abermals auch anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung, dass in den frühen Morgenstunden über sogenannte Sammelaufrufe die Taxifahrer zur genannten Örtlichkeit beordert werden, um dort die um diese Zeit in größerer Zahl zu erwartenden Fahrgäste abzuholen. Aus diesem Grunde würden gleichzeitig mehrere Taxis diese in der Fußgängerzone liegende Zieladresse anfahren, um von dort Fahrgäste – offenbar anlässlich der Sperrstunde – zwecks Beförderung aufzunehmen. Mit dem Befahren der Fußgängerzone, obwohl die Voraussetzungen nach § 24 Abs.1 lit.i Z2 StVO (noch) nicht zugetroffen habe, wurden einerseits keine nachteiligen Folgen und andererseits änderte sich zumindest empirisch nichts, ob nun ein Taxi zu einem von diesem gerufenen Fahrgast in die Fußgängerzone einfährt, oder – so wie hier - das Einfahren oder Anfahren dieser Örtlichkeit über einen Sammelaufruf in der Erwartung einer größeren Fahrgastzahl durch mehrere Taxis gleichzeitig erfolgt. Vielmehr werden dadurch Leerfahrten eher erspart, was wiederum zur Nachtzeit im Sinne des Lärm- und Umweltschutzes zur Wirkung kommt.

Der Meldungsleger räumte grundsätzlich ein, dass die Taxilenker dort zwecks Abholung einzelner Fahrgäste in die Fußgängerzone einfahren dürfen, jedoch nicht pauschal wie es in diesem Fall in den frühen Morgenstunden angesichts der Sperrstunde dieses Lokals geschehen ist. Üblicherweise würden für derartige Regelverstöße sehr wohl die Rechtsnorm des § 50 Abs. 5a VStG zur Anwendung gebracht. Aber vor dem Hintergrund einer größeren Anzahl sich in gleichem Umfang rechtswidrig verhaltender Taxilenker wäre das nicht möglich gewesen, sodass die(se) Anzeige(n) nach dem Kennzeichen erfolgte(n), wobei diese im Zuge der Vorbeifahrt mit dem Funkwagen erfasst worden sind. Die Taxilenker würden in Erwartung einer bevorstehenden Amtshandlung im Wissen der Rechtswidrigkeit des Halteverbotes in einer Fußgängerzone üblicherweise sofort wegfahren.

Nachteilige Auswirkungen für andere Verkehrsteilnehmer vermochte der Zeuge im Rahmen seiner Zeugenaussage nicht aufzuzeigen bzw. erblickte er solche offenbar auch nicht.

 

 

V. Rechtlich folgt demnach für das Oö. Landesverwaltungsgericht:

Ein Straßenaufsichtsorgan (Abs. 1 [von der Behörde besonders geschulte und ermächtigte Organe der öffentlichen Aufsicht Organstrafverfügungen Geldstrafen einzuheben]) kann von der Einhebung einer Geldstrafe mit Organstrafverfügung absehen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beanstandeten gering ist; eine Anzeige an die Behörde ist in diesem Fall nicht zu erstatten. Das Organ kann jedoch den Beanstandeten in einem solchen Fall in geeigneter Weise auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens aufmerksam machen.

Nun besteht unter sachlicher Betrachtung wohl grundsätzlich kein Zweifel daran, dass diese Bestimmung typischer Weise auf Sachzwänge anzuwenden ist, wie hier etwa der Beschwerdeführer, aber auch die ebenfalls dort kurzzeitig haltenden Taxilenker ausgesetzt gewesen ist (sind), wenn entweder an der Zieladresse auf einen Fahrgast noch kurzzeitig gewartet werden muss, ehe dieser aus dem Haus oder dem Lokal kommt oder wie hier auf Fahrgäste vor dem Lokal gewartet wurde, wohin der Beschwerdeführer via Taxifunk beordert wurde. Der Gesetzgeber hat diese Regelung wohl dafür geschaffen, um Organen der öffentlichen Aufsicht eine praxisgerechte und mit dem oft mit Augenmaß bezeichneten Ordnungsfunktion rechtskonform ausüben zu können. Das mit dem kurzzeitigen Verweilen in einem Bereich, der etwa tagsüber stark von Fahrzeugen frequentiert ist, jedoch zur nahezu völlig verkehrsleeren Nachtzeit bzw. in den frühen Morgenstunden keine Schutzziele beeinträchtigt werden, rechtfertigt nicht nur die Anwendung der hierfür geschaffenen Rechtsnormen, sondern gebietet deren Anwendung geradezu mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot. 

In der täglichen Straßenverkehrspraxis sind geringfügige Abweichungen von Regeln oft unausweichlich. Anzeigen bloß nach dem Kennzeichen, ohne von der Möglichkeit ein sogenanntes Organmandat zu verhängen Gebrauch zu machen, wird darüber hinaus nicht nur dem Gebot zu einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwaltungsführung entgegengewirkt, sondern würde auch der Sinn des § 50 Abs.5a VStG verkannt bzw. diesem nicht Rechnung getragen.

Gemäß § 45 Abs.1 hat schließlich auch die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn …

Z4.) die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind ….

Z6.) die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an… der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Dies hätte hier bereits im Vorfeld vom Organ der Straßenaufsicht durch die Anwendung des § 50 Abs.5a VStG zu geschehen gehabt.

 

 

 

 

 

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. B l e i e r