LVwG-300399/2/Kl/IH

Linz, 28.07.2014

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des Herrn Ing. E. A., x, vertreten durch x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 05. Juni 2014, Ge96-33-2014, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz

 

 

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde aufgehoben.

 

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 05. Juni 2014, Ge96–33-2014, wurde über den Beschwerdeführer (kurz: BF) eine Geldstrafe von 1.500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitnehmer­innenschutzgesetz - ASchG verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen gemäß § 9 Abs. 1 VStG berufenes Organ, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH, x, der Arbeitgeberin zu verantworten hat, dass wie im Zuge einer Baustellenüberprüfung auf der Baustelle x am 17. März 2014 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Linz festgestellt wurde, mehrere Arbeitnehmer der Firma x GmbH auf dem südseitig, ca. 30° geneigten Dach und einer Absturzhöhe von ca. 9 m mit Zimmereiarbeiten beschäftigt waren, wobei das als Dachfanggerüste ausgebildete, 4 bis 5 etagige Metallgerüst (Ringgerüst) keine geeignete Schutzeinrichtung darstellte, die den Absturz von Menschen in sicherer Weise verhindert hätte. Es war das Gerüst in der oberen Gerüstetage zusätzlich zu den Anforderungen an ein Arbeitsgerüst in keiner Weise verankert, um es nach den Inverkehrbringerangaben als ein Dachfanggerüst benützen zu können.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass richtig sei, dass der Beschuldigte der handelsrechtliche Geschäftsführer sei, und dass auf der genannten Baustelle Arbeitnehmer der Firma mit Zimmereiarbeiten beschäftigt gewesen seien, wobei diese auf einem Metallgerüst (Ringgerüst) südseitig des Gebäudes gearbeitet hätten. Das als Dachfanggerüste ausgebildete Metallgerüst sei jedoch nicht von der x GmbH aufgestellt worden, sondern vielmehr vom Bauherrn bzw. von der Generalunternehmerin zur Verfügung gestellt und vor Ort errichtet worden. Da im Betrieb eine größere Anzahl an Arbeitnehmern beschäftigt sei, sei es erforderlich, Aufgaben zu delegieren. Auf jeder Baustelle sei daher ein Arbeitnehmer der Firma für die Sicherheit verantwortlich und habe dieser die nötigen Kontrollen durchzuführen und Missstände zu melden. Es fänden in der Firma regelmäßig Besprechungen statt, wer auf der jeweiligen Baustelle die Verantwortung für die Sicherheit der Arbeitnehmer trage und worauf es bei den Sicherheitsbestimmungen besonders ankomme. Diese Besprechungen führe der Beschuldigte mit den Arbeitnehmern und erteile die entsprechenden Anweisungen. Die Aufgaben seien jeweils nur an erfahrene Arbeitnehmer delegiert worden und der Beschuldigte führte regelmäßig und unangekündigt Stichproben durch. Die gegenständliche Baustelle sei durch den Beschuldigten vor Aufnahme der Tätigkeit noch nicht kontrolliert worden. Es sei  ein wirksames Kontrollsystem errichtet worden und es  liege daher kein Verschulden vor. In eventu sei von geringfügigem Verschulden auszugehen und eine Ermahnung zu erteilen, in eventu die Strafe entsprechend herabzusetzen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesverwaltungs-gericht vorgelegt.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung (§ 44 Abs. 2 VwGVG).

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss zur Auslegung des im Sinne des § 27 Abs. 1 VStG maßgebenden Begriffes des “Ortes der Begehung“ die Bestimmung des § 2 Abs. 2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen, wobei es nach § 27 Abs. 1 VStG gleichgültig ist, wo der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Anm. 1 mit Judikaturnach­weisen).

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist vielmehr nach der Rechtsprechung des VwGH zum Arbeitnehmerschutz, zur Ausländerbeschäftigung, zum Arbeitsrecht und zur LM KV 1993 sowie auch zum ÖffnungszeitenG der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG (bzw. der verantwortliche Beauftragte) gehandelt hat.

Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugtes Organ gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen, so ist im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutz­bestimmungen zu treffen gewesen wären (Hauer/Leukauf, s.o., RN 9a und 11c mit Judikaturnachweisen).

 

5.2. Aus dem gesamten Verwaltungsstrafverfahren (Aufforderung zur Rechtfertigung und Straferkenntnis) sowie aus dem Firmenbuchauszug ergibt sich der Firmensitz der x GmbH mit x. Hier ist somit der Sitz des Unternehmens bzw. der Unternehmensleitung. Gemäß § 27 Abs. 1 VStG und der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist daher dieser Unternehmenssitz als Tatort ausschlaggebend für die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde 1. Instanz. Dies ist bei einem Unternehmenssitz in x die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land. Die das angefochtene Straferkenntnis erlassende Bezirkshauptmannschaft Perg war daher zur Erlassung des Straferkenntnisses unzuständig. Da die Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens aufzugreifen ist (§ 27 VwGVG), war spruchgemäß das angefochtene Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die in der Anzeige angeführte Anschrift x, ist lediglich eine Betriebsstätte bzw. Produktionsstätte des Unternehmens, nicht jedoch der Firmensitz. Es konnte daher diese Ortsangabe nicht eine Zuständigkeit der belangten Behörde begründen.

Angemerkt wird, dass das Strafverfahren - nach Weiterleitung - bei der zuständigen Behörde fortgesetzt werden kann.

 

6. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, war gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht festzusetzen.

 

7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu be­urteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Dr. Klempt