LVwG-7501746/6/BP/JW
Linz, 14.08.2014
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des Herrn X, geb. X, kosovarischer Staatsangehöriger, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 28. April 2014, GZ: BZ-Auf-7438-2012, mit dem ein Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz abgewiesen wurde, den
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG iVm. §§ 46 Abs. 2 und 11 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014 wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides zurückverwiesen wird.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Bescheid vom 28. April 2014, GZ: BZ-Auf-7438-2012, wies der Bürgermeister der Stadt Wels (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gem. §§ 3, 4, 5, 11, 19, 21, 21a, 23, 46 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 i d g f, ab.
Begründend führt die belangte Behörde zunächst Folgendes aus:
§ 2 Abs. 1 Z. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz NAG Familienangehöriger.
§ 23 Abs. 1 NAG:
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige durch die ausgewiesene Vertreterin eingebrachte Beschwerde der Bf vom 09. März 2014:
Begründet wird die gegenständliche Beschwerde wie folgt:
3.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht übermittelte gem. § 6 Abs 1 AVG iVm
§ 12 VwGVG die unter 2. angeführte, direkt beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingebrachte, Beschwerde an den Magistrat Wels.
3.2. Mit Schreiben vom 16. Juni 2014 übermittelte der Magistrat der Stadt Wels den verfahrensgegenständlichen Akt zur Entscheidung an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Einsicht genommen in den vorgelegten Verwaltungsakt.
Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.
5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von dem unter den Punkten I.1 und
I. 2 dieses Beschlusses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
II.
Der für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt.
III.
1. Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.
2. Gemäß § 46 Abs 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes NAG ist 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014, ist Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des
1. Teiles erfüllen, und
ein Quotenplatz vorhanden ist und
a. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU" innehat (oder),
b. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus", ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1 oder 4 innehat.
Gemäß § 11 Abs. 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder 67 FPG besteht;
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption
(§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.
Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatsstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremden- und Einwanderungswesens;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden in den Behörden zurechenbaren Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 11 Abs. 4 NAG widerspricht der Aufenthalt eines Fremden den öffentlichen Interessen, (Abs. 2 Z. 1), wenn
1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder
2. (...)
3.1. Der Bf stellte am 15. Mai 2013 persönlich einen Erstantrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot -Karte plus" bei der österreichischen Botschaft in Skopje, der am 6. Juni 2013 bei der belangten Behörde einlangte.
Von der belangten Behörde wird im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, dass der Erteilung des beantragten Titels im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm. Abs. 4 Z. 1 NAG seine beharrliche Begehung von Straftaten entgegenstehe.
3.2. Bei den Straftaten handelt es sich kurz zusammengefasst um 2 strafgerichtliche Verurteilungen, die erste aus dem Jahr 2002, die zweite aus dem Jahr 2009, wobei die vorgeworfene Tat der Entwendung im Mai 2008 zur Anzeige gebracht worden war. Der Beschwerde folgend ist anzumerken, dass bloß angezeigte, aber nicht weiter gerichtlich geahndete Sachverhalte in die Erwägungen nicht einbezogen werden können, genau so wenig wie Taten, die durch Diversion bereinigt wurden. Der belangten Behörde ist hingegen grundsätzlich zufolgen, dass – im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur – auch lang zurückliegendes strafrechtsrelevantes Verhalten bei der Erstellung einer Einzelfallprognose von Relevanz sein können, insoweit sie eine gefestigte kriminelle Energie dokumentieren, was aber bei den Verurteilungen aus den frühen 90er-Jahren wohl nicht in letzter Konsequenz angenommen werden kann.
Der belangten Behörde kann durchaus gefolgt werden, wenn sie gegen das Vorgehen des Bf bei der Vorlage seines Sprachzertifikates, dessen Fälschung als solche schon von der österreichischen Botschaft in Skopie erkannt wurde, erhebliche Zweifel hegt; alleine aus rechtlicher Sicht kann – ohne Verurteilung bzw. weitere klare Hinweise betreffend die Schuld des Bf, nicht per se von einer Straftat ausgegangen werden.
3.3. Zu prüfen ist also, ob das bisherige Verhalten des Bf dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Sinne des § 11 Abs. 4 Z. 1 NAG zu gefährden. Aus dem Wort „gefährden“ ist abzuleiten, dass hier eine konkrete und relevante Bedrohung angesprochen wird, von der erwartet werden kann, dass sie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt einer Person mutmaßlich erwachsen wird.
Bei Betrachtung der vorliegenden Verurteilungen ist festzuhalten, dass zwischen ihnen ein 7-jähriger Zeitraum liegt und dazu die letzte Tat im Jahr 2008 begangen wurde. Überdies ist auch relevant, dass beiden Verurteilungen Vergehen zu Grunde lagen, die jeweils nur mit bedingten Geldstrafen geahndet wurden. Auch von den Strafgerichten wurde den Taten sohin kein gravierender Unwert zugemessen.
Dies führt aber dazu, dass – entgegen der Annahme der belangten Behörde – im konkreten Einzelfall nicht vom Vorliegen eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm. Abs. 4 Z. 1 NAG ausgegangen werden kann.
3.4. Die belangte Behörde erkannte zwar die Notwendigkeit eine Abwägung zum Privat- und Familienleben im Sinne des § 11 Abs. 3 NAG iVm. Art. 8 EMRK durchzuführen. Aufgrund des oa. Rechtsirrtums blieb auch die diesbezügliche Sachverhaltsermittlung und Darstellung unberücksichtigt. Dies gilt um so mehr für die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nach dem 1. Teil des NAG.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hatte daher der Beschwerde stattzugeben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und verweist die Sache daher gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an den Bürgermeister der Stadt Wels zur Ermittlung des Sachverhalts und Erlassung eines neuen Bescheids zurück.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree