LVwG-750166/2/BP/JW

Linz, 29.07.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des Herrn X, geb. X, gegen den Bescheid des Magistrat der Landeshauptstadt Linz vom
19. Februar 2014, GZ: 304-3-AEG/49218, mit dem ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ abgewiesen worden war, den

 

 

B E S C H L U S S

 

 

gefasst:

 

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG iVm. §§ 47 Abs. 2 und 11 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014 wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines  neuerlichen Bescheides zurückverwiesen wird.

 

I.          Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. 1. Mit Bescheid vom 19. Februar 2014, GZ: 304-3-AEG/49218, wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß §§ 11 und 47 ab.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst Folgendes aus:

I. Sachverhalt

Am 16.11.2012 haben Sie, Herr X (geb. X) X, geb. X in Raus-hiq/Kosovo, StA. Kosovo, bei der österreichischen Vertretungsbehörde in Skopje einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Familienangehöriger" gem. §47 Abs.2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) 2005, gestellt. Dieser Antrag wurde zuständigkeitshalber an den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Einwohner­und Standesamt, Abteilung Fremdenrecht gesandt (eingelangt am 16.11.2012). Als Zu­sammenführende haben Sie Frau X, geb. X, StA. Öster­reich, mit der Sie seit 03.08.2012 nachweislich verehelicht sind, angegeben. Bei der durchgeführten Abfrage im Strafregister der Republik Österreich wurde festge­stellt, dass bei Ihnen eine Verurteilung wegen §27 Abs.1 Fall 8 (Überlassung von Suchtmittel) SMG iVm §27 Abs.3 SMG (gewerbsmäßig) vorliegt. Mit Schreiben vom 18.06.2013, welches Sie am selben Tag persönlich (hier war Antrag­steller mit einem C Visum in Österreich) übernahmen, wurde Ihnen im Wege des schrift­lichen Parteiengehörs mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, Ihren Antrag mittels Bescheid ab­zuweisen. Mit Ihrem Schreiben vom 26.06.2013, eingelangt am 27.06.2013, nahmen Sie hierzu Stellung und gaben an, dass es aufgrund eines Missverständnisses (Verwechs­lung mit dem optisch sehr ähnlichen ausschauenden Bruder) zur Verurteilung durch das Landesgericht Wels kam. Das LG Wels hat bei der Überprüfung der Angelegenheit keine Verurteilung nach §28a SMG ausgesprochen; das Urteil nach §27 Abs.1 iVm Abs.3 SMG wurde rechtskräftig. Von einer Probezeit wurde abgesehen. Die erlittene Vorhaft wurde auf Freiheitsstrafe von 4 Monaten angerechnet. Am 12.06.2012 endete die Freiheitsstra­fe.

 

(...)

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

§11 Abs.1 und 2 NAG legen die absoluten Versagungsgründe für Erteilung eines Auf­enthaltstitels fest. Nach Abs.2 Z.1 leg.cit darf ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Nach Abs.4 Z.1 leg.cit widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Die Formulierung stellt auf eine Prognose ab; der VwGH hat im Judikat vom 28.02.2008, 2006/21/0218, festgehal­ten, dass "bei der Auslegung der unbestimmten Gesetzesbegriffe "sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde" im §11 Abs4 Z.1 NAG 2005 eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten" ist. Nach der Entscheidung des VwGH vom 30.11.2004, 2002/18/0036 wird Suchtmittel­vergehen sehr hohe Bedeutung im Rahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit beigemessen; in dieser Entscheidung des VwGH wurde festgehalten, dass der Versuch eine große Menge Suchtmittel in das Bundesgebiet einzuführen, das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Volksgesundheit gravierend verletzt.

Aufgrund der Verurteilung geht die Behörde davon aus, dass das Suchtmitteldelikt auf­grund der Verurteilung durch das Landesgericht Wels jedenfalls verwirklicht wurde.

Demnach hat der Antragsteller Suchtmittel nicht nur überlassen, sondern dieses Delikt auch gewerbsmäßig ausgeübt (§27 Abs3 SMG). Da bei Suchtmitteldelikten ein strenger Maßstab anzulegen ist, geht die Behörde davon aus, dass in diesem Fall zumindest für den Zeitraum der Tilgungsfrist eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt. Die Tilgungsfrist beginnt mit dem Ende der Freiheitsstrafe, 12.06.2012, zu lau­fen (§2 Abs1 TilgungsG) und endet nach 5 Jahren (§3 Abs1 Z2 leg.cit), demnach am 12.06 2017. Sämtliche anderen Kriterien wären durch den Antragsteller erfüllt, können aber den Versagungsgrund nicht aufwägen. Insbesondere ist durch die Nichterteilung des Aufenthaltstitels das Recht auf Familienleben nach Art.8 MRK nicht verletzt. Art.8 MRK zielt darauf ab, dass ein tatsächliches Familienleben vorliegen muss, dass heißt dass die faktischen Umstände betrachtet werden müssen. Alleine die Verehelichung stellt zwar de iure eine Verbindung her, aber nicht faktisch. Beide Ehepartner wohnten bisher in ihren Heimatstaaten und sahen sich ausschließlich im Rahmen von Urlaubsaufenthalten ("Touristenvisen"). Daher kann von keinem faktischen Familienleben ausgegangen werden und Art.8 MRK kommt nicht zur Anwendung.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf vom
18. März 2014:

 

Begründet wird die gegenständliche Beschwerde ua. wie folgt:

Durch den bekämpften Bescheid der belangten Behörde erachtet sich der Beschwerdeführer in dem gesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, dass entgegen der Bestimmung des § 47 Abs.2 NAG eine Aufenthaltstitel „ Familienangehöriger " nicht erteilt wird.

 

Der Beschwerdeführer erhebt daher durch seine ausgewiesenen Vertreter gemäß Artikel 131 Abs. 1 Ziff.l B-VG in Verbindung mit §§ 7 ff. VwGVG

 

BESCHWERDE

 

an das Landesverwaltungsgericht Salzburg und stellt folgende

 

ANTRÄGE:

 

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg möge

 

- gemäß § 28 Abs.2 und Abs.3 1 .Satz VwGVG den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben; oder

- gemäß § 28 Abs.2 und Abs.3 I.Satz VwGVG den angefochtenen Bescheid gegebenenfalls nach berichtigender Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes abändern und dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs.2 NAG erteilen;

und

- gemäß § 24 Abs.l VwGVG eine mündlichen Verhandlung durchführen.

 

C. Beschwerdegründe:

Als Beschwerdegründe werden geltend gemacht:

- inhaltliche    Rechtswidrigkeit;    Rechtswidrigkeit    infolge    von    Verletzung    von Verfahrensvorschriften wegen wesentlicher Ermittlungsmängel;

- Rechtswidrigkeit infolge von Verletzungen von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

 


D. Ausführung der Beschwerdegründe:

Die gestellten Anträge werden im Einzelnen wie folgt begründet:

1. Die Beschwerde ist jedenfalls zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und der bekämpfte Bescheid in diesem Instanzenzug anzufechten ist.

2. Die belangte Behörde begründet ihren Bescheid insbesondere damit, dass aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers gemäß § 27 Abs.3 SMG bei Suchtmitteldelikten ein strenger Maßstab anzulegen sei und daher zumindest für den Zeitraum der Tilgungsfrist eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliege.

 

(...)

 

Zum Vorliegen eines Familienlebens nach Art.8 EMRK:

1) Der Beschwerdeführer ist seit 03.08.2012 mit der österreichischen Staatsangehörigen X, geb. am X, verheiratet. Der Begriff „ Familienleben umfasst jegliche Arten einer Liebensbeziehung und macht Art.8 EMRK keinen Unterschied zwischen einer ehelichen und nichtehelichen Familie. Dies jedoch unter Berücksichtigung der Dauer der Beziehung und der Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (vgl. EGMR Marckx EGMR 23.04.1997). Im gegenständlichen Fall ist es so, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers, X, ihren Ehegatten laufend finanziell unterstützt. Der Begriff „ Familienleben " wird von der Rechtssprechung grundsätzlich weit verstanden und erfasst jedenfalls die Beziehung zwischen Ehepartnern untereinander. Daraus folgt insbesondere, dass auch bereits nichteheliche Liebesbeziehungen unter dem Begriff des Familienlebens im Sinne des Art.8 EMRK zu subsumieren sind.

Auf Seite 4 des bekämpften Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass vorliegend von keinem faktischen Familienleben ausgegangen werden könne und Art.8 MRK nicht zur Anwendung komme. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass beide Ehepartner bisher in ihren Heimatstaaten wohnen, sich ausschließlich im Rahmen von Urlaubsaufenthalten („ Touristenvisen ") sehe würden. Wie bereits ausgeführt, ist diese behördliche Annahme jedenfalls unrichtig, da es für ein Familienleben nach Art.8 EMRK nicht darauf ankommt, wie oft sich Ehepartner sehen, sondern ob ein solches tatsächlich

gegeben ist. Aufgrund der unterschiedlichen Nationalitäten des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin ist es diesen nur möglich, sich mit zeitlichen Unterbrechungen zu sehen. Dies steht jedoch einem Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht entgegen. Dass die belangte Behörde bereits unrichtigerweise das Vorliegen eines Familienlebens verneinte und sohin unrichtigerweise schloss, dass Art.8 EMRK nicht zur Anwendung gelange, belastet den Bescheid jedenfalls mit Rechtswidrigkeit, zumal ein Familienleben tatsächlich gegeben ist.

 

Interessenabwägung:

2) Auf Seite 3 f. des bekämpften Bescheides lässt sich eine nach § 11 Abs.2 vorzunehmende Interessensabwägung nicht erkennen. Der Beschwerdeführer begehrt die Erteilung eines Aufenthaltstitels „ Familienangehöriger " nach § 47 Abs.2 NAG, wofür unter anderem die Erfüllung der Voraussetzungen des ersten Teiles des NAG erforderlich ist. Gemäß der dort enthaltenen Bestimmung des § 11 Abs.2 Ziff.l NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn sein Aufenthalt nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Das bezieht sich auf § 11 Abs. 4 Ziff.l NAG, wonach der Aufenthalt eines Fremden unter anderem dann dem öffentlichen Interesse widerstreitet, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Bei der Prüfung, ob die Annahme einer solchen Gefährdung gerechtfertigt ist, muss nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden. Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten eine Gefährdungsprognose zu treffen. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. VwGH 27.09.2010, ZI. 2009/22/044). Sofern die belangte Behörde auf Seite 3 des bekämpften Bescheides die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.11.2004, ZI. 2002/18/0036 zitiert und vermeint, dass diese Entscheidung fallkonkret angewendet werden könne, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in der Entscheidung vom 30.11.2004 von einem deutschen Strafgericht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer X wurde jedoch zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten (!) verurteilt und liegt damit deutlich unter der Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Die belangte Behörde hätte zu berücksichtigen, dass die verhängte Freiheitsstrafe bei einem auszuschöpfenden Strafrahmen bis zu drei Jahren jedenfalls nicht als schwer anzusehen ist. In diesem Zusammenhang ist weiters darauf einzugehen, dass die belangte Behörde auf Seite 4 des bekämpften Bescheides ausführt, dass bei Suchtmitteldelikten ein strenger Maßstab anzusetzen sei und zumindest für den Zeitraum der Tilgungsfrist eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt. In zahlreichen höchstgerichtlichen Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass für die Beurteilung der Gefährdung eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Alleine der Umstand, dass die Tilgungsfrist noch nicht abgelaufen ist, stellt keine hinreichende Begründung zur Beurteilung einer aktuellen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (vgl. VwGH 14.04.2011, ZI. 2008/21/0257; VwGH 31.05.2011, ZI. 2008/22/0831; VwGH 27.05.2010, ZI. 2007/21/0297, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen erkannt, dass nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen ist. Die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung ist insofern unzureichend, als sich fallbezogen allein aus dem gewerbsmäßigen Überlassen von Suchtmitteln noch nicht ableiten lässt, ob für den Zeitraum der Tilgungsfrist eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt. In die von der Behörde vorzunehmende Gefährdungsprognose wäre - unter dem Gesichtspunkt der Aktualität der Gefährdung, insbesondere auch der Umstand mit einzubeziehen gewesen, dass der Tatzeitpunkt im September 2010 sohin bereits vier Jahre zurückliegt. In diesem Zusammenhang wäre weiters zu berücksichtigen gewesen, dass sich der Beschwerdeführer seither stets wohlverhalten und sich nichts zu Schulden kommen hat lassen. Zudem wurde die Erklärung von X, dem Bruder des Beschwerdeführers, wonach dessen Aussage vom 15.10.201.0 vor dem Landeskriminalamt Linz, mit welcher er seinen Bruder, X, massiv belastete, nicht berücksichtigt. Angesichts der oben wiedergegebenen Rechtslage hätte sich die belangte Behörde fallbezogen bei der Prognose, ob der Beschwerdeführer (hinkünftig) eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle, nicht bloß mit der Wiedergabe der Strafkarte begnügen dürfen, sondern sich mit den näheren Umständen der Tatbegehung auseinandersetzen und entsprechende Feststellungen, die eine Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers im erforderlichen Ausmaß ermöglicht hätten zu treffen gehabt.

 

Entsprechend den vorstehenden Ausführungen wird der Beschwerdeführer noch ein psychologisches Gutachten vorlegen, aus dem klar hervorgeht, dass seinerseits von einem zukünftigen Wohlverhalten auszugehen ist und eine allfällige kriminelle Energie seinerseits nicht vorhanden ist. Zudem wird auch ein Leumundszeugnis vorgelegt werden, aus dem hervorgeht, dass sich der Beschwerdeführer in der Vergangenheit im Kosovo stets wohlverhalten hat und sich strafrechtlich nichts zu Schulden kommen hat lassen.

 

Bei richtiger Feststellung des Sachverhaltes hätte die belangte Behörde daher zu der Erkenntnis gelangen müssen, dass eine aktuelle Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit seitens des Beschwerdeführers nicht vorliegt und dies entsprechend zu werten gehabt. Dieser Umstand belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat unbescholten ist, wurde von der Behörde in keiner Weise gewürdigt.

Zudem wurde bei der rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde - wie bereits ausgeführt - unrichtigerweise festgestellt, dass kein Familienleben im Sinne des Art.8 EMRK vorliegt und dementsprechend nicht gemäß § 11 NAG korrekt gewürdigt wurde.

 

Die von der belangten Behörde unzureichend vorgenommene Interessenabwägung ist nicht im Sinne des § 11 NAG und ebenso wenig im Sinne der EMRK und daher rechtswidrig und der Bescheid infolge dessen mit Rechtswidrigkeit belastet.

 

Beweis: PV

X

X

Erklärung

 

 

Der Beschwerdeführer stellt daher durch seine ausgewiesene Rechtsvertreter nachstehende

 

 

BESCHWERDEANTRÄGE:

 

 

Es wolle der angefochtene Bescheid infolge Rechtswidrigkeit gemäß § 28 Abs.2 und Abs.3 I.Satz VwGVG aufgehoben werden,

 

oder

gemäß § 28 Abs.2 und Abs.3 l.Satz VwGVG der angefochtene Bescheid gegebenenfalls nach berichtigender Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes abgeändert werden und dem Beschwerdeführer, X, eine Niederlassungsbewilligung nach § 47 Abs.2 NAG erteilt werden

 

 

und

gemäß § 24 Abs.l VwGVG eine mündlichen Verhandlung durchgeführt werden, und die vorangeführten Zeugen zu laden.

 

 

3. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit E-Mail vom 9. April 2014 vom Magistrat der Landeshauptstadt Linz vorgelegten Verwaltungsakt.

 

Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von dem unter den Punkten I.1 und
I. 2 dieses Beschlusses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:



 

II.

 

Der für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt.

 

 

III.

 

1. Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

2. Gemäß § 47 Abs 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes NAG ist 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014, ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder 67 FPG besteht;

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

 

Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.   die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.   das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.   die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.   der Grad der Integration;

5.   die Bindungen zum Heimatsstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.   die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.   Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremden- und Einwanderungswesens;

8.   die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.   die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden in den Behörden zurechenbaren Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß Abs. 4 leg cit. widerspricht der Aufenthalt eines Fremden den öffentlichen Interessen, (Abs. 2 Z. 1), wenn

1.   sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.   (...)

 

3. Am 16. November 2012 hatte der Bf einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gestellt. Von der belangten Behörde wird dem Bf zugestanden, dass er grundsätzlich die Voraussetzungen hiefür erfülle, der Erteilung jedoch im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm. Abs. 4 Z. 1 NAG eine strafgerichtliche Verurteilung wegen eines Suchtgiftdeliktes, aufgrund dessen er zu einer 4-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, entgegenstehe. Wie in der Beschwerde nicht zu unrecht gerügt wird, ging die belangte Behörde dabei aber unzureichend auf die spezifischen Komponenten im Sinne einer einzelfallbezogenen Prognose ein.

 

In der Annahme, dass aktuell aufgrund der räumlichen Trennung des Bf von seiner Gattin kein faktisches Familienleben stattfinde, verzichtete die belangte Behörde auf eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK. Das Vorliegen eines faktischen Familienlebens ist zwar eine nicht unwesentliche Komponente; allerdings enthebt es die Behörde nicht eine Abwägung im Sinne des § 11 Abs. 3 durchzuführen. Aufgrund dieses Rechtsirrtums blieb auch die diesbezügliche Sachverhaltsermittlung und Darstellung unberücksichtigt. 

 

Es wären also sowohl eine Gefährdungsprognose, als auch insbesondere eine Interessensabwägung hinsichtlich des Privat- und Familienlebens nach den Kriterien des § 11 Abs. 3 Z. 1 bis 9 NAG samt der dafür erforderlichen Sachverhaltserhebungen vorzunehmen gewesen. 

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hatte daher der Beschwerde stattzugeben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und verweist die Sache daher gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an den Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz zur Ermittlung des Sachverhalts und Erlassung eines neuen Bescheids zurück. Die Behörde wird hierbei eine eingehende Prüfung des Privat- und Familienlebens des Bf sowie eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen haben.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Bernhard Pree