LVwG-750091/3/SR/KHu
Linz, 19.09.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde von Herrn C. Ö., geb. am x, türk. StA, vertreten durch RA Mag. H. L., xstraße x, L., gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Steyr vom 2. September 2013, GZ Frp/4264, mit dem der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem NAG 2005 mit dem Zweck „Familienangehöriger“ im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich abgewiesen wurde,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Antrag vom 9. Juni 2010 stellte der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) beim Österreichischen Generalkonsulat Istanbul den Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“.
2. Der Antrag wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Steyr vom
24. August 2010 abgewiesen; auch die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 2. Mai 2011 abgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erk vom
18. Oktober 2012, Zl. 2011/22/0205-5 stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben. In Folge gab die Bundesministerin der Berufung statt.
3. Mit Bescheid vom 2. September 2013, GZ Frp/4264, wurde der ggst. Antrag aufgrund der Ermächtigung des Landeshauptmannes von Oberösterreich (LGBl 127/2005) vom Magistrat der Stadt Steyr schließlich erneut abgewiesen. Begründend führte die Behörde u.a. aus:
„Gemäß § 11 Abs. 1 Zi. 2 Niederlassungs- u. Aufenthaltsgesetz 2005 darf einem Fremden keine Niederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR Staates besteht.
[...]
Mit Datum vom 05.03.13 wurde Fr. Ö. H., geb. x, niederschriftlich beim Magistrat der Stadt Steyr einvernommen. Fr. Ö. H. erklärte dabei, dass sie seit 1993 durchgängig in einem Beschäftigungsverhältnis bei verschiedenen Firmen stand, sodaß sie selbsterhaltungsfähig ist. Zum Zeitpunkt der Niederschrift bezog Fr. Ö. H. Notstandshilfe in der Höhe von Euro 26,52 tgl. (795, 60 mtl.). Frau Ö. H. erklärte jedoch so bald wie möglich wieder einer Arbeit nachzugehen. Von ihren Kindern erhält sie wenn notwendig finanzielle Unterstützung. Die anfallenden Mietkosten von Euro 634,-- werden zur Gänze von den Kindern beglichen. Frau Ö. H. ist es möglich ohne finanzielle Zuwendungen ihres Gatten Ö. C. den Lebensunterhalt zu bestreiten und muss die Republik Österreich nicht verlassen, sollte der Ehegatte Ö. C. keinen Aufenthaltstitel erhalten (Niederschrift vom 05.03.13).
Bestärkt wird der Wille zur Selbsterhaltungsfähigkeit durch eine Arbeitsbestätigung durch Frau Ö. H. von der Firma E., xstraße x, vom 29.07.13 (Versicherungsdatenauszug vom 02.09.13).
Herr Ö. C. war von 2001 bis 2008 in Deutschland in Haft. Trotz dieser Abwesenheit außerhalb von Österreich war es der Gattin Frau Ö. H. und den 4 ehelichen Kindern möglich, den Familienzusammenhalt in Österreich zu wahren. Zwischenzeitlich sind alle 4 Kinder selbsterhaltungsfähig und es bestehen weder für Frau Ö. H. noch den 4 Kindern intensive Beziehungen in die Türkei.
Frau Ö. H. ist de facto nicht gezwungen, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen und ihr ist somit damit die Inanspruchnahme des Kernbestands der durch den Unionsbürgerstatus verliehenen Rechte durch den gegenständlichen Bescheid nicht verwehrt.
Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes kommt die Behörde zum Schluss, dass der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck „Familienangehöriger" abgelehnt wird.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“
4. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 17. September 2013 Berufung erhoben. Darin wurde vorgebracht:
„Der Bescheid wird vollinhaltlich angefochten.
Der Magistrat der Stadt Steyr begründet die abweisliche Entscheidung meines Antrages alleine damit, dass es meiner Frau, H. Ö., österreichische Staatsbürgerin, möglich sei, ohne finanzielle Zuwendungen meinerseits den Lebensunterhalt zu bestreiten und müsste die Republik Österreich nicht verlassen, sollte ich keinen Aufenthaltstitel erhalten. Es bestehe ein Wille zur Selbsterhaltungsfähigkeit und sind weder bei meiner Frau noch bei meinen vier Kindern intensive Beziehungen in die Türkei gegeben. Die belangte Behörde folgert schließlich, dass meine Frau aus diesen Gründen de facto nicht gezwungen sei, das Gebiet der europäischen Union zu verlassen.
Die belangte Behörde stellt bei der Beurteilung, ob meine Frau gezwungen wäre im Falle meiner Ausreise ebenfalls die Republik Österreich zu verlassen aber unrichtigerweise alleine auf finanzielle Aspekte ab.
Wie die Behörde richtig feststellt, bezog meine Frau im März 2013 lediglich Notstandshilfe und bedeutet der Umstand, dass meine Frau als Hilfsarbeiterin derzeit bei der Firma E. beschäftigt ist keinesfalls, dass es sich dabei um eine sichere Arbeitsstelle handelt und ihr Lebensunterhalt auf Dauer gesichert ist.
Im Falle meiner Ausreise wäre ich nicht in der Lage, meinen gesetzlich gebotenen Beistands- und Unterhaltspflichten nachzukommen, weder dann, wenn meine Frau eine Beschäftigung hat, noch wenn sie möglicherweise die Arbeit verliert und auf Notstandshilfe angewiesen ist.
Im Übrigen kann man meines Erachtens die Frage, ob meine Frau gezwungen wäre, die Republik Österreich zu verlassen, nicht nur auf ihre finanzielle Situation abstellen.
Wie schon in meiner Stellungnahme vom 21.08.2013 angeführt bin ich mit meiner Frau seit 27 Jahren verheiratet und lebt sie bereits seit 21 Jahren in Österreich. Wie die belangte Behörde richtig feststellt, besteht weder für meine Frau noch für meine Kinder nennenswerte Kontakte in die Türkei.
Um ein intaktes Familienleben aufrecht halten zu können wäre es aber unumgänglich, dass meine Frau, im Falle meiner Ausreise aus Österreich ebenfalls in die Türkei ausreisen muss, welcher Umstand aber, auch wenn der Schutz der Rechte aus dem Unionsbürgerstatus nicht mit dem Recht auf Achtung des Familienlebens Artikel 8 EMRK gleichzusetzen ist, doch eine Verletzung dieses Grundrechtes auf Privat- und Familienleben darstellt.
Im Übrigen stellt es eine Ungleichbehandlung dar, wenn die Behörde behauptet, dass das derzeitige Einkommen meiner Frau ausreicht um selbsterhaltungsfähig zu sein und andererseits bei Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ein gesicherter Lebensunterhalt für Alleinstehende in Höhe von derzeit € 837,63 verlangt wird. Es mag vielleicht richtig sein, dass derzeit meine Kinder für die Miete der Wohnung meiner Frau aufkommen, sie sind aber gesetzlich dazu in keiner Weise verpflichtet ergäbe sich für meine Frau bei Selbsttragung der anfallenden Mietkosten in Höhe von € 634,00 ohne Berücksichtigung der sonstigen Fixkosten ein zur Verfügung stehender Betrag von etwas mehr als € 400,00. Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass der Lebensunterhalt meiner Frau auch im Falle meiner Ausreise in die Türkei gesichert wäre, sodass sie auch aus diesem Grund gezwungen wäre im Falle der Abweisung meines Antrages auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz mit dem Zweck „Familienangehöriger“ Österreich zu verlassen und mir in die Türkei zu folgen.
Bei richtiger Beurteilung des Sachverhaltes hätte die belangte Behörde daher zum Ergebnis gelangen müssen, dass meinem Antrag auf Niederlassungsbewilligung stattzugeben gewesen wäre.“
Der Bf beantragte, der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem NAG stattgegeben wird, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Beweisaufnahme und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.
5. Mit 1. Jänner 2014 trat die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 in Kraft. Berufungen gelten gem § 3 VwGbK-ÜG als rechtzeitig erhobene Beschwerden an das zuständige Verwaltungsgericht. Mit Schreiben vom 22. Jänner 2014, beim Oö. LVwG eingelangt am 27. Jänner 2014, legte das Bundesministerium für Inneres die ggst. Beschwerde samt bezughabenden Verfahrensakt dem
Oö. LVwG vor.
6. Auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gem § 24 Abs 4 VwGVG verzichtet werden, da sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt aus den Feststellungen der belangten Behörde sowie dem Beschwerdevorbringen ergab und eine weitere Klärung der Rechtssache durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten war. Im Übrigen wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung vom Bf auch nicht beantragt.
II. 1. Das Oö. LVwG geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:
Der Bf wurde vom Landgericht Rottweil am 30. April 2002 u.a. wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Gegenüber dem Bf wurde von der Bundesrepublik Deutschland ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen, das derzeit noch aufrecht ist. Er wurde im November 2008 in die Türkei abgeschoben.
Die Gattin des Bf ist österreichische Staatsbürgerin. Auch die vier mittlerweile volljährigen ehelichen Kinder sind österreichische Staatsbürger. Die Gattin des Bf befand sich bislang wiederholt in Arbeitsverhältnissen, die von Zeiten der Arbeitslosigkeit und des Bezugs von Notstandshilfe unterbrochen wurden. Die Ehegattin gab an, dass es ihr möglich sei, ohne finanzielle Zuwendungen des Ehegatten den Lebensunterhalt in Österreich zu bestreiten. Sie müsse die Republik Österreich nicht verlassen, sollte der Ehegatte keinen Aufenthaltstitel in Österreich erhalten.
2. Der festgestellte Sachverhalt ergab sich widerspruchsfrei aus dem Verfahrensakt.
III. Gemäß § 81 Abs 26 NAG 2005 idgF sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahren und Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (§ 73 AVG) nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I 87/2012 (in der Folge: NAG 2005 aF) zu Ende zu führen.
Das 2. Hauptstück des 2. Teils des NAG aF 2005 hat „Familienangehöre und andere Angehörige von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden“ zum Gegenstand, wobei § 47 NAG 2005 aF nähere Regelungen für den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ enthält.
Gem § 47 Abs 1 NAG 2005 aF sind Zusammenführende im Sinne der Abs 2 bis 4 Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.
Gem § 47 Abs 2 NAG 2005 aF ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
Die Begriffsbestimmung für Familienangehörige lautet gem § 2 Abs 1 Z 9 NAG 2005 aF: „wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels“.
Gem § 11 Abs 1 NAG 2005 aF dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder 67 FPG besteht;
2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs 1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs 6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
Ein Aufenthaltstitel kann gem § 11 Abs 3 NAG 2005 aF trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl Nr 210/1958, geboten ist.
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die Beschwerde erwogen:
1. Gegenüber dem Bf wurde von der Bundesrepublik Deutschland ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen, das noch aufrecht ist. Damit liegt das Erteilungshindernis des § 11 Abs 1 Z 2 NAG 2005 aF vor (vgl etwa VwGH 19.02.2014, Zl. 2013/22/0187). Dies stellt einen zwingenden Versagungsgrund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels dar, sodass für eine Vorgehensweise nach § 11 Abs 3 NAG 2005 aF in Richtung einer Prüfung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK kein Raum bleibt (vgl. VwGH 28.03.2012, Zl. 2010/22/0027).
2. a. Im Sinne des Urteils des EuGH in der Rechtssache „D.“ darf ein Aufenthaltstitel jedoch dann nicht verweigert werden, wenn dies dazu führen würde, dass der die Unionsbürgerschaft besitzende Angehörige sich de facto gezwungen sähe, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, womit ihm die Inanspruchnahme des Kernbestands der durch den Unionsbürgerstatus verliehenen Rechte verwehrt wäre (vgl etwa auch VwGH 24.04.2012, Zl. 2009/22/0299 mwN).
Nach dem genannten Urteil des EuGH rechtfertigt die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitgliedstaates aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Union wünschenswert erscheinen könnte, dass sich Familienangehörige, die nicht die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates besitzen, mit ihm zusammen im Gebiet der Union aufhalten können, für sich genommen nicht die Annahme, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde (so EuGH vom 15.11.2011, C-256/11, Rz 68). Auch nach der Rsp des VwGH kann allein aus der Verweigerung eines Aufenthaltstitels für den Beschwerdeführer nicht abgeleitet werden, dass die österreichische Ehefrau gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich begründet noch keine Ausnahmesituation im Sinn der Ausführungen des EuGH (vgl VwGH 19.02.2014, Zl. 2013/22/0049).
b. Zu prüfen ist damit, ob die Ehegattin des Bf de facto gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, wenn dem Bf kein Aufenthaltstitel erteilt wird.
c. Der Bf behauptet einerseits, dass seine Ehegattin ohne ihn nicht in der Lage wäre, ein finanzielles Auslangen zu finden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Gattin des Bf seit Beginn ihres Aufenthaltes in Österreich – auch in Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe – augenscheinlich immer in der Lage war, ihren Unterhalt zu bestreiten. Auch die Ausführung des Bf, dass die Kinder „in keiner Weise verpflichtet“ seien, die Mutter finanziell zu unterstützen (bspw. durch Zahlung der Miete), ist in dieser Pauschalität nicht zutreffend, ergibt sich doch aus § 143 ABGB die Unterhaltsverpflichtung der Kinder gegenüber den Eltern, wenn diese nicht imstande sind, sich selbst zu erhalten.
Zum Thema der finanziellen Absicherung der Ehegattin des Bf ist generell darauf hinzuweisen, dass diese zwar in der Tat immer wieder abwechselnde Phasen der Berufstätigkeit und des Bezugs öffentlicher Leistungen durchlaufen hat, dass aber nicht ersichtlich ist, inwieweit damit ein de facto-Zwang zum Verlassen des Landes einhergehen sollte. Einerseits hat die Gattin des Bf vier Kinder, die ihr Unterhaltsmittel zukommen lassen (bzw. dies u.U. müssen), andererseits ist sie selbst österreichische Staatsbürgerin und Arbeitnehmerin und hat damit Zugang zu sämtlichen öffentlichen Leistungen wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder sozialer Mindestsicherung. Auch ist der Bf rechtlich nicht daran gehindert, seine Gattin finanziell zu unterstützen, selbst wenn er sich nicht in Österreich aufhalten sollte. Wieso eine Österreicherin im Falle von Arbeitslosigkeit oder eines geringen Erwerbseinkommens de facto gezwungen sein sollte, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, erschließt sich nicht und widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung. Dies beweist im konkreten Fall alleine auch die Tatsache, dass es der Gattin des Bf während der Zeit, während der der Bf in Deutschland seine Haftstrafe verbüßte, auch möglich war, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
d. Wenn der Bf andererseits vorbringt, dass es zur Aufrechterhaltung eines intakten Familienlebens „unumgänglich“ sei, dass auch seine Frau in die Türkei ausreisen müsste, ist ihm entgegenzuhalten, dass darin zwar der – berechtigte – Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben zu erblicken ist; dieser rechtfertigt aber für sich genommen nicht die Annahme, dass eine Unionsbürgerin de facto zum Verlassen des Gebiets der Europäischen Union gezwungen wäre (vgl. die oben ausführlich dargestellte Rsp). Dasselbe gilt für die von ihm geltend gemachte „Beistandspflicht“ für ihn als Ehegatten, weil weder Umstände ersichtlich sind noch vorgebracht werden, die dafür sprechen, dass die Ehegattin des Bf kein auf sich allein gestelltes Leben führen könnte und daher de facto gezwungen wäre, ihm zu folgen. Damit gehen auch diese Vorbringen ins Leere.
e. Schließlich wird vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich darauf hingewiesen, dass auch die Gattin des Bf selbst keine Gründe sieht, wieso sie Österreich verlassen müsste, würde der Bf keinen Aufenthaltstitel erlangen.
f. Es liegen somit keine Umstände vor, die darauf schließen lassen, dass sich die Gattin des Bf in einer derartigen Situation befindet, dass sie gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, wenn ihr Ehemann keinen Aufenthaltstitel erhält. Die Verweigerung des Aufenthaltstitels für den Bf erweist sich somit als zulässig.
V. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Christian Stierschneider
Beachte:
Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.
VfGH vom 11. März 2015, Zl.: E 1616/2014-4
Beachte:
Die Revision wurde zurückgewiesen.
VwGH vom 21. Jänner 2016, Zl.: Ra 2015/22/0089-3