LVwG-300380/14/Bm/SH/BD
Linz, 23.09.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Michaela Bismaier über die Beschwerde des Herrn G. S., vertreten durch Anwälte M., x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 03.06.2014, GZ: Ge96-21-2014, wegen einer Verwaltungs-übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.08.2014
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf
1.500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 69 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Name des im Spruch angeführten Arbeitnehmers „C. R.“ zu lauten hat.
II. Nach § 64 VStG ermäßigt sich der Kostenbeitrag zum Verwaltungsstraf-verfahren vor der belangten Behörde auf 150 Euro. Für das Beschwerde-verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Kostenbeitrag zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu I. und II.:
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom
03.06.2014, GZ: Ge96-21-2014, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) eine Geldstrafe in der Höhe von 2.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 92 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 21 Abs. 1 Arbeits-mittelverordnung iVm § 130 Abs. 1 Ziffer 16 ASchG iVm § 9 Abs. 1 VStG verhängt.
Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bf durch seine anwaltliche Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde eingebracht und darin im Wesent-lichen ausgeführt, das bekämpfte Straferkenntnis leide mehrfach an Rechts-widrigkeit. Die belangte Behörde habe zwei Beweisanträgen, nämlich der zeugen-schaftlichen Einvernahme von C. R. und L. J., weder entsprochen noch darüber entschieden, insbesondere diese auch nicht zurück- oder abgewiesen. Die belangte Behörde lege im bekämpften Bescheid auch mit keinem Wort dar, dass die beantragte Einvernahme der beiden Zeugen kein der Verteidigung dienliches Beweismittel darstelle oder für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes keine Bedeutung zukomme. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, dass beide Zeugen den Unfall unmittelbar miterlebt haben und zugleich auch bestätigen hätten können, dass ein in unmittelbarer Nähe befindlicher, zur Personenbeförderung geeigneter Arbeitskorb zur Verfügung gestanden habe, aber nicht verwendet worden sei. Weiters hätten die beiden Zeugen darlegen bzw. bestätigen können, dass ein umfassendes Maßnahmen- und Kontrollsystem bestehe, das gerade auch Unfälle im Zusammenhang mit Personenbeförderungen mittels Stapler zu verhindern suche, insbesondere dass entsprechende Weisungen und Sicherheitsunterweisungen bestünden und Kontrollen der Einhaltung dieser Weisungen erfolgen würden. Dies begründe eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften, sei doch somit über Anträge des Beschuldigten überhaupt nicht entschieden worden und hätte die belangte Behörde bei Einhaltung, somit der Einvernahme der beantragten Zeugen, zu einem anderen Verfahrensergebnis kommen können. Damit sei der Pflicht zur Entscheidung über Beweisanträge nicht entsprochen worden. Die beantragten Zeugeneinvernahmen würden ausdrücklich aufrecht erhalten werden und im Rahmen dieser Beschwerde nochmals bekräftigt und wiederholt.
Die belangte Behörde führe im bekämpften Straferkenntnis ein Schreiben des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck vom 28.04.2014 an, in welchem zur Stellung-nahme des Beschuldigten vom 07.04.2014 Stellung genommen werde. Dieses Schreiben sei dem Beschuldigten nicht zur Kenntnisnahme übermittelt worden und habe der Beschuldigte von diesem Schreiben erst im Rahmen des bekämpften Straferkenntnisses Kenntnis erlangt. Die belangte Behörde habe dem Beschuldigten durch die Nichtübermittlung die Möglichkeit genommen, zur Stellungnahme des AI Stellung zu nehmen und sei hierdurch das Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Wäre dem Beschuldigten das Schreiben ordnungs-gemäß übermittelt worden, hätte er zu dem erhobenen Vorwurf, dass gegen vom Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb erfolgende Verletzungen von Arbeitnehmer-Innenschutzvorschriften ein Kontrollsystem Platz zu greifen habe, vorbringen können, dass selbst ein solches Kontrollsystem, wie es auch tatsächlich bestehe, nicht jegliches Fehlverhalten von Arbeitnehmern verhindern könne und eine vollständige, lückenlose Überwachung und Kontrolle sämtlicher Tätigkeiten der Arbeitnehmer schlicht unmöglich und widersinnig sei, sondern vielmehr immer ein Restrisiko verbleibe, dass ein von Arbeitnehmern gesetztes Fehlverhalten vom Kontrollsystem nicht erfasst werde. Der Beschuldigte hätte darauf hinweisen können, dass sich gegenständlich gerade ein solches Restrisiko im Rahmen eines bestehenden Maßnahmen- und Kontrollsystems realisiert habe und dass ihm dies nicht zur Last gelegt werden könne. Die belangte Behörde nehme rechtswidrig an, dass der Beschuldigte eine Verwaltungsübertretung des § 21 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung iVm § 130 Abs. 1 Ziffer 16 Arbeitnehmer-Innenschutzgesetz begangen habe.
Festzuhalten sei, dass die belangte Behörde auch im bekämpften Straferkenntnis außer Streit stelle, dass A. M. und C. R. eine für die Personenbeförderung ungeeignete Gitterbox verwendet hätten, obwohl sich zum Unfallzeitpunkt in unmittelbarer Nähe mehrere geprüfte, für die sichere Personenbeförderung mittels Stapler geeignete Arbeitskörbe befunden hätten und auch nach wie vor unverändert befinden würden. Wenn die belangte Behörde dem Beschuldigten vorwerfe, es habe kein Maßnahmen- und Kontrollsystem gegriffen, das diesen Unfall in Folge einer ungesicherten Personenbeförderung mittels Stapler verhindere, so verkenne sie, dass der Beschuldigte bereits alle erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen gegen eine derartige ungeeignete Personenbeförderung mittels Stapler ergriffen habe. Allen Arbeitnehmern sei am 25.09.2012 eine umfangreiche Sicherheitsunterweisung zuteil geworden. Teil dieser Sicherheitsunterweisung sei auch das Thema „Arbeitssicherheit Stapler“ gewesen. Es sei sowohl mündlich explizit die Anweisung erteilt worden, Personen mit dem Stapler ausnahmslos mit dem Arbeitskorb oder mit den von der Firma F. angemieteten Hebebühnen anzuheben, als auch schriftlich, in der ausgehändigten Sicherheitsunterweisung, die besondere Wichtigkeit nochmals wiederholend klargestellt worden. C. R. und A. M. hätten die Kenntnisnahme dieser Weisung sowie den Erhalt der schriftlichen Sicherheitsunterweisung unterschriftlich bestätigt. Hierdurch habe der Beschuldigte die ihn treffenden Verpflichtungen zur Information und Unterweisung iSd §§ 12 und 14 ASchG iVm §§ 4 und 5 Arbeitsmittelverordnung erfüllt, wobei festzustellen sei, dass den Arbeitnehmern mehrere Arbeitskörbe für die Personenbeförderung mittels Stapler im Betrieb zur Verfügung gestanden seien. Darüber hinaus habe es auch die Möglichkeit zur Anmietung von Hebebühnen bei der benachbarten Firma F. gegeben.
Diesbezüglich sei zudem darauf hinzuweisen, dass gemäß § 2 Abs. 2 Arbeits-mittelverordnung eine Information gemäß § 12 ASchG hinsichtlich der mit einer Gefahr für Sicherheit und Gesundheit von ArbeitnehmerInnen verbundene Benutzung eines Arbeitsmittels, worunter auch der Stapler und der Arbeitskorb zu verstehen seien, dann nicht erforderlich sei, wenn die zu informierenden ArbeitnehmerInnen im Rahmen ihrer Ausbildung oder ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit ausreichende Kenntnisse über die Arbeitsweise und Verwendung der Arbeitsmittel erworben hätten. Inhaltlich gleichlautend sehe auch § 5 Abs. 3 Arbeitsmittelverordnung vor, dass eine Unterweisung gemäß § 14 ASchG hinsichtlich der Inbetriebnahme und Verwendung eines Arbeitsmittels sowie Auf- und Abbau eines Arbeitsmittels dann entfallen könne, wenn die zu unter-weisenden ArbeitnehmerInnen im Rahmen ihrer Ausbildung oder bisherigen beruflichen Tätigkeit ausreichende Kenntnisse über die Arbeitsweise und Verwendung der jeweiligen Arbeitsmittel erworben hätten. Die Arbeitnehmer R. und M. würden sowohl über eine Staplerausbildung als auch einen aufrechten Staplerführerschein verfügen. Beide würden somit über Sachverständigenkenntnisse hinsichtlich der Benutzung und der besonderen Gefahren des Arbeitsmittels Stapler verfügen. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, der Beschuldigte hätte für eine regelmäßig wiederholte Schulung im Hinblick auf die Benützung von zugelassenen Arbeitskörben zur Personenbeförderung mittels Stapler sorgen müssen, sei verfehlt. Hinsichtlich des von der belangten Behörde als fehlend angenommenen Kontrollsystems sei darauf zu verweisen, dass dies einerseits unzutreffend sei, da ein solches Kontrollsystem bestehe und anderer-seits der Umfang und die Intensität des Kontrollsystems maßgeblich von der Gefahrenintensität des zu kontrollierenden Umstandes abhängen würde. Wenn ohnehin Arbeitnehmer mit Sachverständigenkenntnissen hinsichtlich der von ihnen zu verrichtenden Tätigkeit betraut seien, so sei die Kontrollpflicht des Arbeitgebers entsprechend geringer als bei Arbeitnehmern ohne Sach-verständigenkenntnisse. Dadurch, dass in der Arbeitsstätte und im Verant-wortungsbereich des Bf alle möglichen und zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung einer gefährdungsgeneigten Verwendung des Arbeitsmittels Stapler im Rahmen der Personenanhebung getroffen worden seien und trotz um-fassend getroffener unfallpräventiver Maßnahmen und laufender Kontrolle eine vorsätzliche Missachtung dieser Sicherheitsvorkehrungen durch die sachver-ständigen Arbeitnehmer R. und M. erfolgt sei, könne dem Bf nicht zum Vorwurf gelangen. Auch ein angemessenes Kontrollsystem, wie es im Betrieb bestehe, könne keine lückenlose Überwachung und Kontrolle bieten und sei auch nicht in der Lage, jegliche von Arbeitnehmern vorsätzlich erfolgende Verletzungen von ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften zu verhindern. Es verbleibe diesbezüglich stets ein Restrisiko, dass ein vom Arbeitnehmer vorsätzlich gesetztes Fehlverhalten vom Kontroll- und Maßnahmensystem nicht erfasst werde. Gegenständlich habe sich ein solches dem Beschuldigten nicht zuzurechnendes Restrisiko verwirklicht. Es mangle daher am Verschulden an der Verwaltungsübertretung hinsichtlich des Beschuldigten.
Selbst wenn man von der Tatbestandmäßigkeit der angenommenen Verwaltungsübertretung ausgehen würde, so habe die belangte Behörde im bekämpften Straferkenntnis zu Unrecht angenommen, dass keine Milderungsgründe vorhanden seien. Tatsächlich seien gleich mehrere Milderungsgründe gegeben. Erstens sei der Bf unbescholten und habe ein tadelloses Vorleben. Zweitens seien seitens des Beschuldigten unmittelbar nach dem Unfall eine zusätzliche Sicherheitsunterweisung für alle Staplerfahrer sowie Nachschulungen zum Thema Unfallverhütung veranlasst worden. Weiters seien disziplinäre Maßnahmen gegen die Arbeitnehmer in der Form gesetzt worden, dass diese beiden am Unfall beteiligten Mitarbeitern seitdem das Staplerfahren im Betrieb untersagt sei. Dies zeige, dass der Beschuldigte den Unfall und die Verletzung der Weisung und der ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften durch die Mitarbeiter nicht einfach zur Kenntnis genommen habe und zur Tagesordnung übergehe, sondern ihm das Wohlergehen der ArbeitnehmerInnen am Herzen liege und noch aktiver präventive Maßnahmen zur Unfallverhütung setze. Dieser Umstand sei mildernd zu berücksichtigen. Drittens sei zu berücksichtigen, dass das Verschulden des Bf nur als äußerst gering zu qualifizieren sei. Maßgeblich für das Zustandekommen des gegenständlichen Arbeitsunfalles und der Nichteinhaltung der ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften sei nicht der Beschuldigte, sondern die beiden, mit Sachverständigenkenntnissen ausgestatteten Arbeitnehmer R. und M., welche trotz in unmittelbarer Nähe befindlicher Arbeitskörbe eine Gitterbox zum Zwecke der Personenbeförderung verwendet hätten und somit vorsätzlich zuwider der den Beschuldigten zurechenbaren Weisung zur ausschließlichen Benutzung der Arbeitskörbe oder der von der Firma F. anzumietenden Hebebühne zur Personenanhebung gehandelt hätten.
Die belangte Behörde habe zu Unrecht die Ermahnung im Sinne des § 45 Abs. 1 VStG verneint. Die Voraussetzungen hierfür seien auf Basis des oben dargelegten Sachverhaltes erfüllt.
Selbst wenn man von der Möglichkeit der Ermahnung absehe, sei die verhängte Strafe von 2.000 Euro bei einem Strafrahmen bis zu 8.324 Euro überhöht und stehe auch unter Berücksichtigung der oben genannten Milderungsgründe nicht im Einklang mit den Strafbemessungskriterien des § 19 VStG. Es würden auch keine spezial- oder generalpräventiven Gründe eine entsprechende Strafhöhe rechtfertigen.
3. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 01.07.2014 die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) vorgelegt.
4. Das LVwG hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs-strafakt und in die vom Bf vorgelegten Unterlagen sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.08.2014, an der der Rechtsvertreter des Bf sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck teilgenommen haben und gehört wurden. Als Zeugen einvernommen wurden der verunfallte Arbeit-nehmer C. R., der Arbeitnehmer A. M. sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck, welcher die Unfallerhebung vorgenommen hat.
4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:
Der Bf ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der x GmbH mit Sitz in x. Der Tätigkeitsbereich der x GmbH umfasst die Produktion von Spritzgussformen und Spritzgussteilen für die Autoindustrie sowie Logistik.
Am 29.10.2013 waren die Arbeitnehmer C. R. und A. M., welche im Unternehmen in der Abteilung Instandhaltung tätig sind, in der Arbeitsstätte der x GmbH, x, mit Reparaturarbeiten an einer Saugleitung an der Hallendecke betraut. Hierzu wurde der Arbeitnehmer C. R. vom Arbeitskollegen A. M. mittels Stapler in einer nicht für die Anhebung von Personen geeigneten Gitterbox hochgehoben, um an die Saugleitung zu gelangen. In der Folge verlor der Arbeitnehmer R. das Gleichgewicht, stürzte samt Gitterbox zu Boden und verletzte sich dabei schwer. In unmittelbarer Nähe zum Unfallort befanden sich zum Tatzeitpunkt gesicherte Arbeitskörbe. Diese wurden jedoch von den Arbeitnehmern nicht verwendet, da diese Arbeitskörbe umseitig geschlossen waren, und damit eine Reparatur an der Saugleitung an der Decke der Halle nicht möglich war. Eine Hebebühne zur Reparatur der defekten Saugleitung war nicht vorhanden und wurde von den Arbeitnehmern auch nicht angefordert.
Die Reparaturarbeiten wurden von den Arbeitnehmern selbständig durchgeführt, eine Rücksprache mit den Vorgesetzten hinsichtlich Durchführung der Reparaturarbeiten und dabei erforderlicher Sicherheitsvorkehrungen ist nicht erfolgt. Reparaturarbeiten wie die gegenständliche an einer schwer zugänglichen Saugleitung sind ca. zwei- bis dreimal im Jahr erforderlich. Bis zum Unfallgeschehen wurde für solche Reparaturarbeiten stets eine Gitterbox anstelle eines Arbeitskorbes verwendet.
Im Unternehmen war bekannt, dass Reparaturarbeiten auch mit Gitterboxen durchgeführt werden.
Beide Arbeitnehmer besitzen den Staplerführerschein.
Im Unternehmen finden ca. zweimal im Jahr Sicherheitsschulungen statt. Bei diesen Sicherheitsschulungen werden den Arbeitnehmern Schulungsunterlagen hinsichtlich durchgeführter Sicherheitsunterweisungen übergeben. Zuletzt erfolgte für die beiden beteiligten Arbeitnehmer eine solche Sicherheitsschulung am 25.9.2012. Die Unterweisungsunterlagen beziehen sich auch auf durchzuführende Sicherheitsmaßnahmen bei Arbeiten mittels Stapler. So wird darauf hingewiesen, dass Personenbeförderung mit dem Stapler nur mit dem Arbeitskorb durchgeführt werden darf.
Die Arbeitnehmer werden bei ihren Tätigkeiten von den jeweiligen Vorgesetzten stichprobenartig auf die Einhaltung von Vorschriften kontrolliert. Eine konkrete Anweisung, die Gitterboxen bei Reparaturarbeiten nicht zu verwenden, haben die Arbeitnehmer nicht erhalten.
4.2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf den Akteninhalt sowie die Aussagen der einvernommenen Zeugen und die vom Bf vorgelegten Unterlagen.
Der Unfallhergang, insbesondere die Anhebung des Arbeitnehmers R. in einer Gitterbox mittels Stapler, wird vom Bf nicht bestritten.
Die Zeugen waren bei ihren Aussagen glaubwürdig und widersprachen sich nicht. Die Aussagen haben hervorgebracht, dass bei Reparaturarbeiten wie der gegenständlichen immer wieder Gitterboxen anstelle von gesicherten Arbeitskörben verwendet wurden und dies im Unternehmen auch bekannt war. Eindeutig fest steht auch, dass es dezidierte mündliche Anweisungen, solche Gitterboxen bei Reparaturarbeiten nicht zu verwenden, nicht gegeben hat. Im Zuge der mündlichen Verhandlung ist auch klar hervorgekommen, dass es zwar eine generelle Unterweisung hinsichtlich der Verwendung des Hubstaplers und der Arbeitskörbe gab, sich die Arbeitnehmer aber nicht an diese generelle Anweisung gehalten haben. Eine konkrete Kontrolle des Arbeitsvorganges vor Ort hat es nicht gegeben.
5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
5.1. Gemäß § 21 Abs. 1 Arbeitsmittelverordnung – AM-VO dürfen für das Heben von ArbeitnehmerInnen nur dafür geeignete Arbeitsmittel benutzt werden. Dazu gehören insbesondere Hubarbeitsbühnen, Mastkletterbühnen, Fassaden-befahrgeräte, Hängebühnen, Hebeeinrichtungen von Bühnen und vergleichbare Arbeitsmittel. Auf Arbeitsmitteln, die zum Heben von Lasten bestimmt sind, dürfen ArbeitnehmerInnen nur befördert werden, wenn sie über gesicherte Ein-richtungen zur Personenbeförderung verfügen, insbesondere Arbeitskörbe.
Gemäß § 130 Abs. 1 Ziffer 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz begeht eine Ver-waltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 Euro bis 8.324 Euro, im Wieder-holungsfall mit Geldstrafe von 333 Euro bis 16.659 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verord-nungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.
5.2. Aufgrund des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes ist der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung einwandfrei erfüllt. Bei der Beförderung des Arbeitnehmers R. mittels Stapler wurde keine Schutzeinrichtung wie ein Arbeitskorb verwendet. Es wurde in unzulässiger Weise eine Gitterbox anstelle einer gesicherten Einrichtung zur Beförderung des Arbeitnehmers R. verwendet.
Der Bf hat als handelsrechtlicher Geschäftsführer die Übertretung sohin ver-waltungsstrafrechtlich zu verantworten.
5.3. Vom Bf wird die Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht auch nicht bestritten, er hat allerdings eingewendet, dass ihn daran kein Verschulden treffe, da ein ausreichendes Kontrollsystem vorgelegen sei; dies auch vor dem Hintergrund, dass die beteiligten Arbeitnehmer über eine Staplerfahrerausbildung, sohin über Sachverständigenkenntnisse, verfügen würden und damit an das Kontrollsystem ein nicht so hoher Maßstab anzulegen sei.
Hierzu ist auszuführen, dass die dem Beschuldigten angelastete Tat ein soge-nanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG darstellt, zu dessen Strafbarkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, Fahrlässigkeit genügt. Fahrlässigkeit ist nach der zitierten Gesetzesstelle bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne Weiteres anzunehmen, wenn vom Tatbestand einer Verwaltungs-übertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft machen kann, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungs-vorschrift kein Verschulden trifft.
Nach der Judikatur des VwGH hat der Bf dabei initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachen-vorbringen oder durch Beibringen von Beweismitteln zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaft-machung nicht aus.
Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden.
Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen.
Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeit-nehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Der dem Bf nach § 5 Abs. 1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn treffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Personen Vorsorge getroffen worden ist (VwGH 18.09.1991, 90/19/0177 u.a.).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus.
Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der von Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinn führt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (siehe auch VwGH vom 23.05.2006, 2005/02/0248).
Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass „der Bf nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. Gerade für den Fall, dass die Arbeit-nehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeit-geber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeit-punkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinne der hg. Judikatur vor-handen war“.
Im Sinne dieser Judikatur reicht das Vorbringen des Bf nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Das vom Bf dargelegte Kontrollsystem erschöpft sich darin, ca. zweimal im Jahr Sicherheitsschulungen durchzuführen und dabei den Arbeitnehmern Schulungsunterlagen zu übergeben.
Das Ermittlungsverfahren hat überdies ergeben, dass Kontrollen – wenn überhaupt – nur stichprobenartig durchgeführt werden. Zudem war die Verwendung der Gitterboxen anstelle der Sicherheitskörbe im Unternehmen bekannt und wurden keine gegenteiligen Anweisungen erteilt.
Von einem wirksamen Kontrollsystem kann im Grunde des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht ausgegangen werden.
Es war daher vom Verschulden des Bf auszugehen. Zu einem anderen Ergebnis kann auch der Verweis des Bf auf § 5 Abs. 3 Arbeitsmittelverordnung nicht führen, da sich diese Bestimmung auf den Entfall von Unterweisungen betreffend die Handhabung des jeweiligen Arbeitsmittels an sich bezieht. Das bedeutet aber nicht, dass damit auch die Verpflichtung zur Durchführung von Kontrollen entfällt.
6. Zur Strafhöhe ist auszuführen:
6.1. Gemäß § 19 Abs.1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
6.2. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.
6.3. Von der belangten Behörde wurde im angefochtenen Straferkenntnis eine Geldstrafe in der Höhe von 2.000 Euro bei einem Strafrahmen von 166 Euro bis 8.324 Euro verhängt. Bei der Strafbemessung wurden die von der belangten Behörde geschätzten persönlichen Verhältnisse, monatliches Nettoeinkommen von 4.000 Euro und keine Sorgepflichten, zugrunde gelegt. Dieser Schätzung ist der Bf nicht entgegengetreten. Milderungsgründe oder Erschwerungsgründe wurden nicht angenommen.
Im Hinblick auf den Umstand, dass aus der dem Bf zur Last gelegten Ver-waltungsübertretung eine schwere Verletzung des Arbeitnehmers R. resultierte, erscheint die verhängte Geldstrafe als nicht überhöht. Allerdings wurde vom Bf zu Recht eingewendet, dass auf ihn der Milderungsgrund der Unbescholtenheit zutrifft. Nach dem eingeholten Strafregisterauszug liegen gegen den Bf keine Verwaltungsvorstrafen vor. Zudem ist dem Bf zugute zu halten, dass er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung objektiv nie be-stritten hat. Den Zeugenaussagen folgend ist der Bf seit dem Vorfall auch bemüht, Verbesserungen für die Arbeitnehmer in sicherheitstechnischer Hinsicht vorzunehmen.
In Zusammenschau sämtlicher Strafbemessungskriterien ist nach Ansicht des Oö. Landesverwaltungsgerichtes mit der nunmehr verhängten Strafe eine ausreichende Sanktion gesetzt, um den Bf künftighin zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten und ihm die Notwendigkeit eines ausreichenden Kontrollsystems vor Augen zu halten. Gleichzeitig wird er jedoch darauf hingewiesen, dass bei einer neuerlichen Verfehlung mit einer deutlich höheren Strafe zu rechnen ist.
Von der Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG (Erteilung einer Ermahnung) war Abstand zu nehmen, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Gegenständlich kann schon aufgrund des Unfalles nicht von einer geringen Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes der Tat ausgegangen werden. Auch ist angesichts des Umstandes, dass im Unternehmen bei Reparaturarbeiten die Verwendung von Gitterboxen bekannt war, nicht von einem geringen Verschulden auszugehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
7. Der Ausspruch über die Kosten ist in den angeführten gesetzlichen Be-
stimmungen begründet.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Maga. Michaela Bismaier