LVwG-700048/2/BP/JW
Linz, 10.06.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des x, vertreten durch Rechtsanwalt x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 17. April 2014, GZ: Sich96-54-2014-Lau, wegen einer Übertretung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm. §§ 14a und 77 Abs. 1 Z. 3 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl. I Nr. 5100/2005, wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 34 Stunden herabgesetzt werden.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom
17. April 2014, GZ. Sich96-54-2014-Lau, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß §§ 14a und 77 Abs 1 Z 3 NAG eine Geldstrafe in der Höhe von 100,00 Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden verhängt.
Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:
„Sie Sind seit 20.12.2012 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet und haben aus Gründen, die ausschließlich Ihnen zuzurechnen sind, den Nachweis über die Erfüllung der Integrationsvereinbarung nicht binnen zwei Jahren nach Erteilung des Erstaufenthaltstitels erbracht. Der Nachweis, welcher bis 20.02.2014 zu erbringen gewesen wäre, liegt bis heute nicht vor.“
2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, durch die rechtsfreundliche Vertretung des Bf rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 19. Mai 2014.
Das Straferkenntnis wird sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach angefochten.
Im bekämpften Bescheid heißt es in der Begründung, dass der österreichische Integrationsfond zum Überprüfen des Zeugnisses ersucht worden wäre. Das Wort "Fond" kommt aus dem französischen und bedeutet Grundlage. Es handelt sich beim Fond um eine Flüssigkeit, die beim Braten, Dünsten oder Kochen von Gemüse, Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild oder Obst und anderem entsteht und die als Grundlage von Saucen und Suppen dient. Übliche Fondarten sind Bratenfond, Gemüsefond, Trüffelfond, Champignonfond, Kalbsfond, Wildfond, Geflügelfond etc.
Eine weitere Bedeutung des Wortes Fond ist der hintere Teil des Wageninneren, der die Rücksitze enthält oder Hintergrund oder Untergrund.
Was die Erstbehörde eigentlich meinte ist ein Fonds, nämlich eine für bestimmte Zwecke gebildete Vermögensreserve oder ein Sondervermögen einer Gesellschaft für Kapitalvermögen.
Daraus ist zu ersehen, dass selbst eine österreichische Behörde nicht im Stande ist, Fremdwörter richtig zu schreiben und zu gebrauchen, aber nicht-österreichische Menschen wegen des unrichtigen Gebrauchs der Rechtsschreibung Strafen auferlegt.
Tatsächlich ist jedoch für den Beschwerdeführer dieser Fehler nicht erkennbar, zumal in der albanischen Sprache tatsächlich der "Fonds" als "fond" geschrieben wird. Verwiesen sei auf das Wörterbuch Albanisch- Deutsch von Buchholz, Fiedler und Uhlisch 10. Auflage 1999, Langenscheidt.
Wie sich aus dem vorgelegten Diplom vom 8.4.2014 ergibt, hat der Beschwerdeführer die A2 Grundstufe Deutsch 2 nicht bestanden, weil er zwar in der mündlichen Prüfung fast die maximale Punkteanzahl erreichte, bei der schriftlichen Prüfung allerdings nur 12 von maximal 70 Punkten erreichte. Insbesondere beim Schreiben und beim Leseverstehen lag er weit unter dem Minimum. Beim Hörverstehen überschritt er das Minimum. Das heißt, dass auf die Rechtsschreibkenntnis relativ viel Wert gelegt wird. Ebenso auf das Leseverständnis.
Die Kompetenzstufe A2 der Referenzniveaus des Europarates wird dahingehend beschrieben, dass der Bewerber Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen kann, die mit Bereichen von ganz unmittelbarer Bedeutung zusammenhängen (zum Beispiel Informationen zur Personen und zur Familie, Einkaufen, Arbeit, nähere Umgebung. Er kann sich in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht. Er kann mit einfachen Mitteln die eigene Herkunft und Ausbildung, die direkte Umgebung und Dinge im Zusammenhang mit unmittelbaren Bedürfnissen beschreiben.
In dieser Beschreibung der Kompetenzstufe A2 geht es weder um das Leseverstehen noch um das Schreiben.
Der Sinn der Bestimmung, das Modul 1 zu erfüllen, besteht darin, dass sich der Fremde mit seiner Umgebung verständigen kann und Missverständnisse vermieden werde. Der Beschuldigte hat durch diese Prüfung bewiesen, dass er fast alle Punkte der mündlichen Prüfung bestanden hat, lediglich beim Schreiben Probleme hat. Insoweit hat er der Zielsetzung des Gesetzgebers doch genügt, sodass eine Geldstrafe in Höhe von € 100 als übertrieben erscheint und man mit einer Ermahnung das Auslangen finden müsste.
Es wird daher beantragt, der Beschwerde Folge zu geben und von einer Geldstrafe abzusehen bzw. die Geldstrafe auf € 50 herabzusetzen.
3. Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 legte die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nahm Einsicht in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde.
Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 43 ABs. 3 VwGVG abgesehen werden, da in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde, im angefochtenen Bescheid eine 500,00 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und darüber hinaus auch kein entsprechender Parteienantrag vorliegt.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter dem Punkt I 1. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.
II.
Aufgrund der Aktenlage erübrigt sich eine weiterführende Beweiswürdigung.
III.
1. Gemäß § 14a NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs.1 Z. 1,2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet.
Gemäß § 77 Abs. 1 Z. 3 NAG begeht derjenige, der zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet ist und den Nachweis zwei Jahre nach Erteilung des Aufenthaltstitels nach diesem Bundesgesetz aus Gründen, die ausschließlich ihm zuzurechnen sind, nicht erbringt, es sei denn, ihm wurde eine Verlängerung gemäß § 14a Abs. 2 gewährt, eine Verwaltungsübertretung, und ist mit Geldstrafe von 50,00 Euro bis zu 250,00 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen.
2. Dass der Bf den in § 14a NAG vorgesehenen Nachweis bis 20. Februar 2014 nicht erbracht hatte, ist völlig unbestritten, weshalb der objektive Tatbestand als gegeben zu erachten ist, was im Übrigen auch in der Beschwerde nicht bestritten wird.
3.1. Das NAG sieht keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
Es ist nun zu prüfen, ob sich der Bf entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
3.2. Zum Einen ist zunächst anzuführen, dass der Bf grundsätzlich intendiert hatte, den Nachweis rechtzeitig zu erbringen, indem er am 27. Jänner 2014 zur A2-Prüfung antrat. Dies wäre durchaus dazu geeignet von einem minderen Grad des Verschuldens auszugehen, zumal er zwar zur Prüfung antrat, diese aber nicht positiv absolvierte. Fahrlässig handelte er aber offensichtlich dadurch, dass er keinen Kurs besuchte, obwohl er sich seiner Schwächen im schriftlichen Bereich bewusst war und sein musste. Deshalb wäre es an ihm gelegen, gerade in diesen Bereich mehr Energie zu investieren. Dass er mündlich über hervorragende Sprachkenntnisse verfügt, beweist auch sein 2. Prüfungsergebnis aus dem April 2014. Ob die Konzeption der Prüfungsanforderungen einen zu hohen Stellenwert auf den schriftlichen Teil legt, ist im vorliegenden Fall nicht zu erörtern, da das Gesetz deren Nachweis fordert. Dieser Aspekt ist nicht dazu geeignet das Verschulden des Bf entscheidend zu mindern.
3.3. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Bf auch die subjektive Tatseite erfüllt, wenn ihm auch zuzugestehen ist, dass durch seinen Versuch die Prüfung positiv abzulegen von keinem hohen Grad an Verschulden auszugehen sein wird.
4.1. Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auch auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen ebenso zu berücksichtigen.
4.2. Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde von keinen straferschwerenden bzw. mildernden Gründen aus. Dabei übersieht sie aber, dass der Bf sich durchaus einsichtig gezeigt hatte, indem er im April 2014 erneut zur A2-Prüfung angetreten war. Auch der Grad des Verschuldens wurde von der belangten Behörde offenbar höher angesetzt als vom LVwG.
Dies führt aber dazu, dass mit der gesetzlichen Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden kann, weshalb in diesem Punkt der Beschwerde stattzugeben war.
Eine Anwendung des § 45 Abs.1 Z. 4 VStG und sohin ein Absehen von der Strafe kommt hingegen nicht in Betracht, zumal weder die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, noch die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat, noch das Verschulden als gering zu werten sind. Zur Anwendung des § 45 Abs. 1 Z. 4 bedürfte es aber eines kumulativen Vorliegens dieser Tatbestandselemente.
5. Es war somit der Beschwerde hinsichtlich der Strafhöhe stattzugeben, diese herabzusetzen und spruchgemäß zu entscheiden.
6.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.
6.2. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.
Gemäß § 64 Abs. 2 VStG iVm. § 52 ABs. 2 VwGVG war der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde nicht herabzusetzen, zumal hier ein Mindestbetrag von 10,00 Euro vorgesehen ist.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree