LVwG-300195/2/MK
Linz, 08.09.2014
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde x gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 07.06.2013, GZ. BZ-Pol-77013-2013, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG),
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom, 07.06.2013, BZ-Pol-77013-2013, wurde gegen x (in der Folge: Bf), wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) eine Geldstrafe in der Höhe von 2.180 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 146 Stunden, verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 218 Euro vorgeschrieben.
Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:
Aufgrund der Aktenlage und des angeführten Sachverhalts sei die objektive Tatseite als erwiesen anzusehen. Die Ausführungen des Bf wären als Schutzbehauptung zu qualifizieren.
In Ermangelung einer eigenen Regelung hinsichtlich des Verschuldens sei § 5 Abs.1 VStG anwendbar. Eine Glaubhaftmachung im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen sei nicht gelungen, weshalb auch die subjektive Tatseite als gegeben zu betrachten sei. Vor dem Hintergrund der Strafbemessung Grundsätze des § 19 VStG sei die verhängte Strafe (Mindeststrafe) tat- und schuldangemessen.
I.2. Am 26.06.2013 brachte der Bf persönlich das Rechtsmittel der Berufung bei der belangten Behörde ein, in der darüber aufgenommenen Niederschrift wurde neben der Beantragung einer mündlichen Verhandlung im Wesentlichen ausgeführt, dass Herr x am Kontrolltag beim Bf lediglich zu Besuch gewesen sei.
Zum Zeitpunkt des Beginns der Kontrolle (die Organe der Finanzpolizei hätten sich dabei nicht ausgewiesen) habe der Bf Salat geschnitten. Im betreffenden Bereich des Lokals seien nur ein Messer und ein Schneidbrett vorhanden gewesen. Die einschreitenden Beamten hätten den Bf aufgefordert, mit dem Schneiden aufzuhören und ihm das Messer abgenommen. In der Folge sei der Bf zur Arbeitsleistung aufgefordert worden.
Das Lokal verfüge über einen rückwärtigen Ausgang, der in einen Innenhof führe, in welchem sich die Mülltonnen befänden.
Der Bf habe die Kontrolle nicht behindert, insbesondere habe es keine Warnung des Bf an Herrn x gegeben.
II. Der Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt. Auf dessen Grundlage konnten weitere Ermittlungsschritte – insbesondere die Durchführung einer mündlichen Verhandlung – unterbleiben, da keine weitere Klärung des Sachverhaltes zu erwarten war. Es waren ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen.
Der zu beurteilende Sachverhalt steht – was seine entscheidungswesentlichen Kriterien anbelangt – fest.
III. Für die Beurteilung der hier relevanten Rechtsfragen sind insbesondere nachstehende Bestimmungen zu berücksichtigen:
III.1. In der Sache:
Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Gemäß § 5 Abs.2 leg.cit. gilt ein Beschäftigungsverhältnis als geringfügig, wenn es
1. für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart ist und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens 29,70 €, insgesamt jedoch von höchstens 386,80 € gebührt oder
2. für mindestens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart ist und im Kalendermonat kein höheres Entgelt als 386,80 € gebührt.
Geringfügig Beschäftigte sind von der Vollversicherung ausgenommen.
Gemäß § 111 Abs.1 handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes
1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.
Nach Abs.2 ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar
· mit Geldstrafe von 730 € bis zu 2 180 €, im Wiederholungsfall von 2 180 € bis zu 5 000 €,
· bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,
sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.
Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 € herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.
III.2. Verwaltungsstrafrecht:
Gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG (als Nachfolgebestimmung des § 21 leg.cit.) hat die Behörde von der … Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn … 1. Die dem Beschuldigte zur Last gelegte Tat … keine Verwaltungsübertretung darstellt. […]
III.3. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:
Gemäß § 24 Abs.2 Z1 kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn … bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben … ist.
IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der im Strafantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels formulierte und dem angefochtenen Straferkenntnis zugrundeliegende Tatvorwurf basiert – wie dies in der Begründung auch zentral zum Ausdruck kommt – auf den pauschal als schlüssig und nachvollziehbar qualifizierten Angaben der Finanzpolizei.
Zentraler Punkt dieser Feststellungen ist, dass der betretene Cousin des Bf, Herr x, beim Waschen und Schneiden von Salat in einem für betriebsfremde Personen nicht zugänglichen Bereich angetroffen wurde.
Bereits im Strafantrag vom 13.02.2013 wird eine von dieser angezeigten Wahrnehmung abweichende Aussage des Bf wiedergegeben, wonach der Bf selbst den Salat geschnitten und auch das Waschen des Salates nicht eindeutig bestätigt bzw. ausdrücklich in Abrede gestellt hat. Diese Diskrepanzen bleiben unkommentiert.
Der Eindruck, dass Herr x bei Ausführung betrieblicher Tätigkeiten angetroffen wurde, entstand hauptsächlich aufgrund mehrerer begleitender Umstände.
Die angetroffene Person trug keine Straßenkleidung, hatte ihre persönlichen Habseligkeiten in privaten Räumlichkeiten des Bf oberhalb des Lokals, war zum Zeitpunkt des Betretens mittellos (keine Geldtasche) und es bestand keine aufrechte polizeiliche Meldung. Darüber hinaus wird angegeben, dass ein Versuch zu fliehen unternommen wurde und der Bf sich den einschreitenden Beamten behindernd in den Weg gestellt hat.
Die Darstellung des „Fluchtversuches“ des Cousins in den Innenhof um in die über dem Lokal befindlichen Privaträume des Bf zu gelangen und der Behinderung der Amtshandlung durch den Bf sind in Summe alleine deshalb nicht nachvollziehbar bzw. nicht geeignet, die dem Strafantrag zu Grunde liegende Übertretungsrelevanz des Verhaltens zu begründen, da sich die Beamten zu diesem Zeitpunkt (was sie selbst auch bestätigen) noch nicht ausgewiesen hatten und die Situation, in der sich zwei Männer zielstrebig Zugang zum rückwärtigen Teil des Lokals verschaffen, von den Beteiligten nicht als behördliche Kontrolle erkennbar war. Diese Vorgangsweise ist zumindest ungewöhnlich und die vom Bf ins Treffen geführte Panik nicht zwingend als Schutzbehauptung zu werten.
Zwar ergeben sich aus einem Versuch, sich einer – zwar nicht im Detail durchschauten, tendenziell aber unangenehmen – Situation zu entziehen, Indizien für eine entsprechende Motivation, es sind die möglichen Interpretationsvarianten dieses Handelns aber bei Weitem zu vielfältig, als dass zwingend auf das inkriminierte Verhalten geschlossen werden müsste. Herr x könnte aus allen möglichen Überlegungen im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Österreich bzw. in Wels im Lokal seines Cousins vermieden haben wollen, betreten zu werden (Aufenthaltsstatus, Meldevergehen, etc.).
Die übrigen meinungsbildenden Faktoren sind – was die von der Finanzpolizei getroffenen Schlussfolgerungen betrifft – ebenfalls nicht grundsätzlich von der Hand zu weisen, lassen aber allesamt auf der Grundlage der Ausführungen des Bf und dessen Cousins eine ebenso plausible und im Ergebnis alles andere als unschlüssige Interpretation des Gesehenen im Zusammenhang mit dem Besuch von x bei seinem Cousin und seiner Verlobten über das Wochenende in Wels unter Benützung privater Räumlichkeiten des Bf zu (die Kontrolle fand an einem Freitag kurz nach 18:00 Uhr statt). Dass Herr x in dem von ihm auszufüllenden Personenblatt keine Angaben zu seiner Beschäftigung gemacht hat, ist dann nachvollziehbar, wenn eine solche dem Grunde nach nicht vorliegt.
Selbst unter Berücksichtigung aller materien- und strafgesetzlichen Vermutungen lässt die vorliegende Sachverhaltsdarstellung die Begehung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren notwendigen Sicherheit annehmen. Insbesondere ist mit der Glaubhaftmachung eines entlastenden Umstandes nicht des Beweis zu verstehen, sondern die Darlegung einer plausiblen Möglichkeit, und dies ist dem Bf allemal gelungen. Die im Nachhinein aufgenommenen Lichtbilder beweisen gar nichts außer der (nicht bestrittenen) Tatsache der Anwesenheit der betretenen Personen sowie die Ausstattung und Beschaffenheit des örtlichen Umfeldes. Die Identität der abgebildeten Personen ist nur zu erahnen, ein Messer ist auf keinem der Fotos zu sehen.
Die Hauptursache für die strafrechtliche Unzulänglichkeit der Ermittlungen liegt nach Ansicht des erkennenden Gerichts dabei vorrangig in der vor dem Hintergrund des erwünschten Ergebnisses wenig zielführenden Art und Weise, wie die Kontrolle grundsätzlich angelegt war, und dem darauf basierenden Vorgehen, da bei einem überrumpelnden Einschreiten aufgrund der dadurch provozierten Reaktion des Gegenübers zwangsläufig nur eine kurze Momentaufnahme eines an sich länger andauernden und so gesehen eigentlich leicht festzustellenden Zustandes (Beschäftigung) erreicht werden kann. Da – obwohl im Lokal reger Betrieb herrschte – gar nicht versucht wurde, Zeugen zu sichern, waren weiterführende Ermittlungen schon für die belangte Behörde de facto nicht möglich. Die Deutung (wenn auch amtlich) wahrgenommener Indizien ist und bleibt dann eine Beweisführung auf der Basis von Schlussfolgerungen.
Auf dieser Grundlage trifft es aber keinesfalls zu, dass – wie dies im bekämpften Straferkenntnis lapidar behauptet wird – die objektive Tatseite als erfüllt anzusehen ist. Fest steht letztlich nur, dass Herr x in Privatkleidung im rückwärtigen Teil des Lokals seines Cousins, in dem Salat geschnitten und gewaschen wurde, anwesend war, dessen Privaträumlichkeiten oberhalb des Lokals im Zuge seines Aufenthaltes bei seinem Cousin benützte, in die er sich zu Beginn der Amtshandlung zurückziehen wollte, keine Geldtasche bei sich hatte und keine polizeilichen Meldung vorlag. All das stellt aber keine Übertretung des ASVG dar.
Da der vorgeworfene objektive Tatbestand somit schon dem Grunde nach nicht mit der für die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens notwendigen Sicherheit angenommen werden kann, erübrigen sich weiterführende Ausführungen zu allfälligen Details oder Varianten desselben (z.B. Geringfügigkeit), insbesondere aber zur subjektiven Tatseite.
V. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der dem Bf zur Last gelegte Sachverhalt, soweit er erwiesen ist, keine Verwaltungsübertretung darstellt.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Markus Kitzberger