LVwG-750150/17/ER/JW

Linz, 12.08.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des x, vertreten durch RA x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 20. Februar 2014, GZ Sich96-391-2013, mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und der Einspruch gegen die Strafverfügung vom 27. Juni 2013, GZ Sich96-391-2013, zurückgewiesen wurde,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Strafverfügung vom 27. Juni 2013, Sich96-391-2013, wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) vorgeworfen, am 4. Mai 2013 um 11:40 Uhr in x, seinen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen x geparkt und hinter der Windschutzscheibe der Fahrerseite eine „Polizeikarte“ eingeklemmt und somit verbotenerweise eine grafische Darstellung der Sicherheitsbehörden oder Polizeikommanden in einer Weise verwendet zu haben, die geeignet sei, eine öffentliche Berechtigung vorzutäuschen.

Der Bf habe dadurch § 83a Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl I Nr 566/1991 idF BGBl I Nr 13/2012 iVm § 2 und Anhang A1 der Polizeizeichenschutzverordnung, BGBl II Nr 94/2013, verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von 300 Euro/Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden verhängt wurde.

 

Im Verwaltungsakt befindet sich ein Rückschein betreffend die Hinterlegung dieser Strafverfügung mit Beginn der Abholfrist am 8. Juli 2013.

 

Am 6. November 2013 mahnte die belangte Behörde die Zahlung der Strafe ein.

 

Mit E-Mail vom 8. November 2013 sendete die belangte Behörde unter Bezugnahme auf ein Telefongespräch dem Bf die Strafverfügung mit dem Ersuchen, den Betrag ehestens einzuzahlen erneut zu.

 

Mit E-Mail vom 11. November 2013 erhob der Bf „wie telefonisch besprochen“ Einspruch gegen die Strafverfügung.

 

Mit E-Mail vom 20. November 2013 übermittelte die belangte Behörde der Polizeiinspektion Mondsee den Einspruch gegen das Straferkenntnis mit dem Ersuchen um Stellungnahme.

 

Mit E-Mail vom 21. November 2013 legte die Polizeiinspektion Mondsee der belangten Behörde die gewünschte Stellungnahme vor.

 

Ebenfalls mit E-Mail vom 21. November 2013 übermittelte die belangte Behörde dem Bf die Stellungnahme der Polizeiinspektion Mondsee und führte dazu aus, dass der Bf offenbar die „Polizeikarte“ eingeschweißt habe und diese durch die Anbringung hinter der Windschutzscheibe in einer Weise verwendet habe, die geeignet sei, eine öffentliche Berechtigung vorzutäuschen, was gemäß § 83a Abs 1 SPG strafbar sei. Weiters wurde der Bf in diesem E-Mail darauf hingewiesen, dass die Strafverfügung am 8. Juli 2013 durch Hinterlegung zugestellt worden und die Einspruchsfrist daher längst abgelaufen sei, weshalb die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen sei.

 

Mit Schreiben vom 28. November 2013 stellte der Bf – mittlerweile rechtsfreundlich vertreten – den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit und beeinspruchte die Strafverfügung. Begründend führte der Bf dazu Folgendes aus:

 

„In der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache erhielt ich glaublich Anfang November 2013, eine Mahnung der BH Vöcklabruck, in der ich aufgefordert wurde, eine offene Strafe in Höhe von € 300,00 zu bezahlen. Eine diesbezügliche Strafverfügung war mir bis zu diesem Tag unbekannt. Ich habe daraufhin umgehend die BH Vöcklabruck kontaktiert und um Aufklärung ersucht. Man teilte mir mit, dass mir offenbar bereits im Juli 2013 eine Strafverfügung durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Eine entsprechende Hinterlegungsanzeige ist mir völlig unbekannt. Ich habe daher gebeten, mir die Strafverfügung nochmals zuzustellen, damit ich diese beeinspruchen kann.

 

Die Strafverfügung wurde mir daraufhin am 08.11.2013 nochmals per Mail übermittelt. Eine etwaige Belehrung, dass bereits Verfristung eingetreten wäre, wurde mir nicht erteilt. Ich habe mich folglich auf die Rechtsmittelbelehrung der übermittelten Strafverfügung verlassen und am 11.11.2013 bei der BH Vöcklabruck meinen Einspruch (fristgerecht) eingebracht.

 

Am 21.11.2013 wurde mir von der BH Vöcklabruck erstmals mitgeteilt, dass mein Einspruch bereits verfristet sei und dieser folglich zurückgewiesen wird.

 

In Anbetracht dieses Sachverhaltes war ich durch ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis daran gehindert, fristgerecht gegen die Strafverfügung der

Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27.06.2013, Zahl Sich96-391-2013 Einspruch zu erheben.

...

Eine der Wiedereinsetzung entgegenstehende auffallende Sorglosigkeit wird vom VwGH angenommen, wenn die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum durch Einholung von Informationen bei der Behörde (VwGH 8. 5. 1998, 97/19/1271) oder bei einem Rechtskundigen (VwGH 24. 2. 1992, 91/10/0291; 2. 7. 1998, 97/06/0056; 24. 2. 2006, 2005/12/0237) hätte vermieden werden können. Wie ich bereits vorgebracht habe, hielt ich nach Übermittlung der Mahnung umgehend mit der Behörde Rücksprache und wurde mir von dieser nicht mitgeteilt, dass bereits Verfristung eingetreten wäre. Die Rechtsbelehrung der Behörde war in diesem Punkt daher fehlerhaft. Auch in der neuerlich übermittelten Strafverfügung, befand sich kein Hinweis darauf, dass die Einspruchsfrist bereits abgelaufen wäre. Der Einspruch gegen die Strafverfügung erfolgte jedenfalls - entsprechende der auf der Verfügung befindlichen Rechtmittelbelehrung - rechtzeitig.

...

Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass nach § 6 Zustellgesetz die neuerliche Zustellung des gleichen Schriftstückes keine Rechtwirkung auslöst. Über diesen Umstand wurde ich von der Behörde jedoch nicht informiert und ist mir als juristischen Laien ein solches Wissen auch nicht zumutbar.

 

Allerdings muss in Hinblick § 6 Zustellgesetz im Rahmen der Wiedereinsetzung speziell die Bestimmung des § 148 Abs 2 ZPO beachtet werden (Stumvoll in Fasching/Konecny² § 6 ZustG Rz 4). Nach § 148 Abs 2 ZPO beginnt die Frist zur Wiedereinsetzung mit dem Tag, an dem das Hindernis, das die Versäumung verursacht hat, weggefallen ist. Wann das hindernde Ereignis weggefallen ist, muss nach den tatsächlichen Verhältnissen beurteilt werden. Das wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Partei unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten unter Bedachtnahme auf die in § 147 Abs 3 ZPO zum Ausdruck kommende Handlungsfrist zugemutet werden kann, die Prozesshandlung nachzuholen. Bei einer durch Irrtum - z.B. durch Fehlen einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung - entstandenen Säumnis beginnt die Frist mit Aufklärung (11.11.1970 EvB1 1971/182). Diese Aufklärung fand nachweislich erstmalig am 21.11.2013 statt. Die rechtlichen Ausführen sind auch in Bezug auf § 71 AVG zu beachten, da Abs 2 dieser Bestimmung mit dem § 148 Abs 3 ZPO gleichlautend ist.

 

Nicht maßgebend ist daher der Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Vornahme der versäumten Prozesshandlung (VwGH 18.5. 1994, 94/03/0096; 26.1. 1998, 96/17/0302). Entscheidend ist allein, zu welchem Zeitpunkt das Ereignis weggefallen ist, welches die Partei daran hinderte, die (versäumte) Verfahrenshandlung fristgerecht auszuführen (VwGH 23. 6. 1994, 94/18/0282; 16.11. 2005, 2004/08/0021; 21. 9. 2007, 2007/05/0208). Als fristenauslösendes Ereignis, mit dem das Hindernis wegfällt, kommt nur der Zeitpunkt in Betracht, in dem die Partei ihren Irrtum erkennt (VwGH 21.8. 2001, 2000/01/0409; Hengstschläger³ Rz 6O8) bzw. bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen müsste (VwGH 2. 5. 1995, 95/02/0018). Wie bereits mehrmals ausgeführt, war es mir erstmals durch das Email der BH Vöcklabruck möglich zu erkennen, dass die Einspruchsfrist bereits abgelaufen war.“

 

Die belangte Behörde wies den Antrag auf Wiedereinsetzung ab, den damit verbundenen Einspruch gegen die Strafverfügung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. Februar 2014, Sich96-391-2013, zurück. Begründend wurde dazu Folgendes ausgeführt:

 

„Mittels Strafverfügung vom 27.06.2013 wurde über Sie wegen einer Übertretung nach § 83a Abs 1 SPG eine Geldstrafe in Höhe von 300,00 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden verhängt. Nachdem Ihnen am 06.11.2013 eine Zahlungserinnerung zugesandt wurde, kontaktierten Sie am 08.11.2013 die Behörde und ersuchten um nochmalige Zusendung der Strafverfügung. Diesem Ersuchen wurde mittel elektronischer Zusendung der Strafverfügung entsprochen, und wurden Sie nochmals ersucht den Betrag ehestens einzuzahlen.

 

Mit Eingabe vom 11.11.2013 erhoben Sie Einspruch gegen die Strafverfügung und legten einen Nachweis bzgl. der Herkunft des Polizeiaufklebers bei. Am 21.11.2013 wurden Sie darauf hingewiesen, dass die Strafverfügung bereits mit 08.07.2013 durch Hinterlegung zugestellt wurde, die 14-tägige Einspruchsfrist verstrichen und die Strafverfügung daher in Rechtskraft erwachsen ist. Sie wurden nochmals ersucht, den Betrag von 300,00 Euro zzgl. 5,00 Euro Mahnspesen binnen 14 Tagen einzuzahlen.

 

Durch Ihren rechtsfreundlichen Vertreter x stellten Sie mit Schreiben vom 28.11.2013 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit der Strafverfügung vom 27.06.2013 verbunden mit dem Einspruch gegen die Strafverfügung. Ihre Anträge begründeten Sie im Wesentlichen damit, dass Sie weder die Strafverfügung noch eine Hinterlegungsanzeige erhalten hätten und erst durch die Einmahnung der Geldstrafe und telefonischer Kontaktaufnahme mit der Behörde davon Kenntnis erlangt hätten. Die Strafverfügung sei Ihnen am 08.11.2013 per Mail nochmals übermittelt, und Ihrerseits am 11.11.2013 ein fristgerechter Einspruch eingebracht worden. Am 21.11.2013 wurde Ihnen erstmals mitgeteilt, dass der Einspruch bereits verfristet sei. Aufgrund dieses Sachverhalts wären Sie durch ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis daran gehindert gewesen, fristgerecht einen Einspruch gegen die Strafverfügung zu erheben. Eine die Wiedereinsetzung entgegenstehende auffallende Sorglosigkeit werde vom VwGH angenommen, wenn Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum durch Einholung von Informationen bei der Behörde hätte vermieden werden können (VwGH 08.05.1998, 97/19/1271). Von der Behörde sei Ihnen nicht mitgeteilt worden, dass bereits Verfristung eingetreten wäre. Die Rechtsbelehrung sei in diesem Punkt fehlerhaft gewesen. Auch in der neuerlich übermittelten Strafverfügung habe sich kein Hinweis befunden, dass die Einspruchsfrist abgelaufen wäre. Der Einspruch sei daher rechtzeitig erfolgt. Sie seien von der Behörde nicht darüber aufgeklärt worden, dass eine neuerliche Zustellung des gleichen Schriftstückes keine Rechtswirkung auslöst und sei Ihnen als juristischen Laien ein solches Wissen nicht zumutbar. Bei einer durch Irrtum entstandenen Säumnis beginne die Frist erst mit Aufklärung, welche nachweislich erstmalig am 21.11.2013 stattfand.

 

In Ihrer Stellungnahme vom 02.01.2014 verwiesen Sie im Wesentlichen auf Ihr bereits im Schriftsatz vom 28.11.2013 erbrachtes Vorbringen.

 

Die Behörde hat dazu erwogen:

 

...

Im Wiedereinsetzungsantrag sind neben den Angaben zur Rechtszeitigkeit die Gründe anzuführen, auf die er sich stützt, und ist ihr Vorliegen glaubhaft zu machen (VwGH 19.06.1990, 90/04/0101).

 

Die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens überschreitet (VwGH 06.05.1997, 97/08/0022).

 

Behauptet ein Wiedereinsetzungswerber, von einem ihn betreffenden Schriftstück oder einer Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt zu haben, hat er detaillierte sachverhaltsbezogene Vorbringen darüber zu machen, was er üblicherweise unternimmt, um dies zu vermeiden (VwGH 21.12.1999, 97/19/0217, 04.02.2000, 97/19/1484, 02.10.2000 98/19/0198). Das alleinige Vorbringen, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, reicht demzufolge nicht aus (vgl. VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011). Es sind vielmehr jene Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Wiedereinsetzungswerbers darzulegen, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, dass dieser von einem in seine Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umständen keine Kenntnis erlangen konnte (VwGH 20.01.1998 97/08/0545). Insbesondere können Angaben darüber, wie viele Personen Zugang zur Hausbrieffachanlage hatten, wer die Entleerung derselben besorgte bzw. wie oft eine solche Entleerung erfolgte, notwendig sein (VwGH 21.12.1999, 97/19/0217, 04.02.2000, 97/19/1484, 02.10.2000 98/19/0198).

 

Grundsätzlich kann zwar kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden angenommen werden, wenn die Partei trotz täglicher sorgfältiger Entleerung des Hausbrieffaches während des gesamten Hinterlegungszeitraums keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden hat (VwGH 6. 5. 1997, 97/08/0022; 21. 12. 1999, 97/19/0217; 4. 2. 2000, 97/19/1484; vgl. Rz 73), von diesem Sachverhalt kann aber im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden, da dies im Verfahren Ihrerseits nicht behauptet wurde. Es wurde keinerlei Vorbringen dahingehend erbracht, was sonst üblicherweise Ihrerseits unternommen wird, um zu vermeiden, dass Sie von einem Schriftstück oder einer Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangen bzw. warum ausgeschlossen werden kann, dass Ihnen die Hinterlegungsanzeige zugegangen ist. Die ordnungsgemäße Zustellung der Strafverfügung ist durch den Rückschein, welcher eine öffentliche Urkunde darstellt, ausreichend dokumentiert. Mögliche Gründe, weshalb Ihre Unkenntnis von der Hinterlegungsanzeige nicht auf einem Verschulden Ihrerseits beruhe, wurden nicht vorgebracht.

 

Zu Ihrem Vorbringen, wonach Ihnen die Strafverfügung am 08.11.2013 nochmals über Mail übermittelt wurde und Sie aber erst am 21.11.2013 darüber aufgeklärt wurden, dass die Frist für die Erhebung des Rechtsmittels bereits abgelaufen war, ist festzustellen, dass die nochmalige Zustellung desselben Bescheides keinerlei Rechtswirkungen auslöst. Des Weiteren enthielt die Strafverfügung eine Rechtsmittelbelehrung, und war aufgrund der Datierung der Strafverfügung ersichtlich, dass die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen war.

 

Es liegt daher kein Hindernis vor, wodurch Sie an der rechtzeitigen Erhebung des Rechtsmittels gehindert waren, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegen der Voraussetzungen abzuweisen war.

 

Da es sich bei der Rechtsmitteifrist um eine verfahrensrechtliche, nicht erstreckbare Frist handelt, und diese, wie bereits ausgeführt, mit 23.07.2013 verstrichen ist, war der gegen die Strafverfügung erhobene Einspruch als verspätet zurückzuweisen.“

 

I.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf – rechtsfreundlich vertreten – mit Schriftsatz vom 7. März 2014 fristgerecht Beschwerde und stellte die Anträge

1.   auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem
Oö. Landesverwaltungsgericht,

2.   auf Aufhebung des bekämpften Bescheids,

3.   dem Antrag auf Wiedereinsetzung sowie auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit der gegenständlichen Strafverfügung stattzugeben,

4.   den gleichzeitig erhobenen Einspruch gegen die Strafverfügung als rechtzeitig zu werten und

5.   dem Einspruch stattzugeben, das ordentliche Verfahren einzuleiten und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend führte der Bf dazu Folgendes aus:

 

Der Bescheid wird seinem gesamten Inhalte nach angefochten. Als Beschwerdegründe werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Sachverhaltsfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung wird unrichtige rechtliche Beurteilung

geltend gemacht und ausgeführt wie folgt:

 

1. Die erkennende Behörde hat im angefochtenen Bescheid meinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung der BH Vöcklabruck vom 27.06.2013 sowie auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit der gegenständlichen Strafverfügung abgewiesen. Begründet wird dies von der Behörde lapidar damit, dass ich nicht ausreichend glaubhaft gemacht hätte, dass ich bezüglich der ersten Zustellung keine Poststück bzw. keine Hinterlegungsanzeige erhalten hätte.

 

2. Entgegen der Ansicht der Behörde habe ich bereits in meinem Antrag auf Wiedereinsetzung vom 28.11.2013 sowie nochmals in meiner Stellungnahme vom 02.01.2014 darauf hingewiesen, dass ich weder ein Straferkenntnis noch eine Hinterlegungsanzeige erhalten habe. Ein ‘detaillierteres’ Sachvorbringen ist mir gegenständlich nicht möglich. Ich leere täglich mein Postfach, öffne jedes Schriftstück unverzüglich und kontrolliere zudem, ob nicht ein Schriftstück zwischen das Werbematerial gerutscht ist. Zumal sich in der Post kein Hinweis auf eine behördliche Zustellung befunden hat, kann ich - entgegen der Rechtsansicht der Erstbehörde -auch keine weiteren Ausführungen dazu machen, ob es mir möglich gewesen wäre, der Versäumung der Frist entgegenzuwirken. Zumal das Schriftstück nicht einmal in meine Gewahrsame gelangt ist kann mir auch keine Sorglosigkeit in Bezug auf den Umgang mit dem Schriftstück vorgeworfen werden. Wie die Erstbehörde richtigerweise ausführt, handelt es sich um einen minderen Grad des Versehens, wenn die Partei trotz täglicher sorgfältiger Entleerung des Hausbriefkastens keine Hinterlegungsanzeige oder ähnliches vorgefunden hat (VwGH 97/08/0022 ua).

 

...

 

3. Tatsächlich ist es so, dass ich davon ausgehe, dass bereits die Zustellung durch den Briefträger nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Seit rund einem Jahr fanden - wohl aufgrund von Personalkürzungen - immer wieder Wechsel in der Person des Briefträgers statt. Es kam daher öfters dazu, dass Briefe nicht beim Empfänger eingelangt sind. Mich persönlich hat dies bislang nicht betroffen, jedoch habe ich entsprechende Hinweise von Nachbarn erhalten.

 

...

 

4. Wie bereits vorgebracht, erhielt ich glaublich Anfang November 2013 eine Mahnung der BH Vöcklabruck. ich habe daraufhin umgehend die BH Vöcklabruck kontaktiert und um Aufklärung ersucht. Man teilte mir mit, dass mir offenbar bereits im Juli 2013 eine Strafverfügung durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Ich habe daher gebeten, mir die Strafverfügung nochmals zuzustellen, damit ich diese beeinspruchen kann. Die Strafverfügung wurde mir daraufhin am 08.11.2013 nochmals per Mail übermittelt. Eine etwaige Belehrung, dass bereits Verfristung eingetreten wäre, wurde mir nicht erteilt. Ich habe mich folglich auf die Rechtsmittelbelehrung der übermittelten Strafverfügung verlassen und am 11.11.2013 bei der BH Vöcklabruck meinen Einspruch (fristgerecht) eingebracht. Am 21.11.2013 wurde mir von der BH Vöcklabruck erstmals mitgeteilt, dass mein Einspruch bereits verfristet sei und dieser folglich zurückgewiesen werde. In Anbetracht dieses Sachverhaltes war ich - entgegen der Ansicht der Behörde - durch ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis daran gehindert, fristgerecht gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 27.06.2013, Zahl Sich96-391-2013 Einspruch zu erheben.

 

...

 

5. Eine der Wiedereinsetzung entgegenstehende auffallende Sorglosigkeit wird vom VwGH angenommen, wenn die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum durch Einholung von Informationen bei der Behörde (VwGH 8. 5. 1998, 97/19/1271) oder bei einem Rechtskundigen (VwGH 24. 2. 1992, 91/10/0291; 1 7. 1998, 97/06/0056; 24, 2. 2006, 2005/12/0237) hätte vermieden werden können. Wie ich bereits vorgebracht habe, hielt ich nach Übermittlung der Mahnung umgehend mit der Behörde Rücksprache und wurde mir von dieser nicht mitgeteilt dass bereits Verfristung eingetreten wäre. Die Rechtsbelehrung der Behörde war in diesem Punkt daher fehlerhaft. Auch in der neuerlich übermittelten Strafverfügung befand sich kein Hinweis darauf, dass die Einspruchsfrist bereits abgelaufen wäre. Der Einspruch gegen die Strafverfügung erfolgte jedenfalls - entsprechende der auf der Verfügung befindlichen Rechtmittelbelehrung - rechtzeitig.

 

Es ist zwar grundsätzlich richtig, dass nach § 6 Zustellgesetz die neuerliche Zustellung des gleichen Schriftstückes keine Rechtwirkung auslöst. Über diesen Umstand wurde ich von der Behörde jedoch nicht informiert und ist mir als juristischen Laien ein solches Wissen auch nicht zumutbar.

 

Allerdings muss in Hinblick § 6 Zustellgesetz im Rahmen der Wiedereinsetzung speziell die Bestimmung des § 148 Abs. 2 ZPO beachtet werden (Stumvoll in Fasching/Konecny² § 6 ZustG Rz 4). Nach § 148 Abs. 2 ZPO beginnt die Frist zur Wiedereinsetzung mit dem Tag, an dem das Hindernis, das die Versäumung verursacht hat, weggefallen ist. Wann das hindernde Ereignis weggefallen ist, muss nach den tatsächlichen Verhältnissen beurteilt werden. Das wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Partei unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten unter Bedachtnahme auf die in § 147 Abs. 3 ZPO zum Ausdruck kommende Handlungsfrist zugemutet werden kann, die Prozesshandlung nachzuholen. Bei einer durch Irrtum - z.B. durch Fehlen einer entsprechenden Rechtsmitteibelehrung - entstandenen Säumnis beginnt die Frist mit Aufklärung (11.11. 1970 EvBl 1971/182). Diese Aufklärung fand nachweislich erstmalig am 21.11.2013 statt. Die rechtlichen Ausführungen sind auch in Bezug auf § 71 AVG zu beachten, da Abs. 2 dieser Bestimmung mit dem § 148 Abs. 3 ZPO gleichlautend ist.

 

Nicht maßgebend ist daher der Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Vornahme der versäumten Prozesshandlung (VwGH 18.5. 1994, 94/03/0096; 26. 1. 1998, 96/17/0302). Entscheidend ist allein, zu welchem Zeitpunkt das Ereignis weggefallen ist, weiches die Partei daran hinderte, die (versäumte) Verfahrenshandlung fristgerecht auszuführen (VwGH 23. 6. 1994, 94/18/0282; 16. 11. 2005, 2004/08/0021; 21. 9. 2007, 2007/05/0208). Als fristenauslösendes Ereignis, mit dem das Hindernis wegfällt, kommt nur der Zeitpunkt in Betracht in dem die Partei ihren Irrtum erkennt (VwGH 21.3. 2001, 2000/01/0409; Hengstschläger³ Rz 608) bzw. bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen müsste (VwGH 2.5. 1995, 95/02/0018). Wie bereits mehrmals ausgeführt, war es mir erstmals durch das Email der BH Vöcklabruck möglich zu erkennen, dass die Einspruchsfrist bereits abgelaufen war.“

 

I.3. Mit Schreiben vom 17. März 2014, eingelangt am 20. März 2014, legte die belangte Behörde die Beschwerde unter Anschluss des verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakts dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

 

I.4. Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am
11. August 2014 steht folgender entscheidungsrelevanter  S a c h v e r h a l t  fest:

 

Der unter I.1. dargestellte Verfahrensablauf wird von keiner der Verfahrensparteien bestritten.

 

Der Bf ist seit 1. Oktober 2001 an der Adresse x in x gemeldet. Von 5. November 1968 bis 1. Oktober 2001 lautete seine Meldeadresse x. Die beiden Häuser befinden sich in unmittelbarer Nähe zueinander.

Der im Verwaltungsakt einliegende Rückschein, wonach die Strafverfügung hinterlegt worden sei, ist an den Bf an der Adresse x, adressiert, jedoch werden aufgrund einer Vereinbarung des Bf mit der Post sämtliche an den Bf adressierte Zustellungen an die Adresse x vorgenommen.

 

Die Postzustellerin wurde im Rahmen ihrer Einschulung angewiesen, die gesamte, an den Bf adressierte Post an seine Privatadresse, x, zuzustellen, was diese auch befolgte.

 

Am Privathaus des Bf ist kein Postkasten, sondern ein, von einer Mauer teilweise verdeckter, jedoch unverschlossener, allgemein zugänglicher Gitterkorb als Postabgabeeinrichtung angebracht. In diesen Korb hat die Zustellerin sämtliche für den Bf bestimmten Postsendungen sowie Hinterlegungsverständigungen eingelegt.

 

Die Postzustellerin war von 10. Mai 2013 bis August 2013 im verfahrensgegenständlichen Rayon für die Postzustellung zuständig. Während dieser Zeit wurde sie anfänglich von der früher für den Rayon zuständigen Zustellerin kontrolliert, sie war aber während des gesamten Zeitraums alleine für den Rayon zuständig, nie krank und nicht auf Urlaub. Weder der Postzustellerin noch der Zustellbasis sind in diesem Zeitraum Beschwerden über mangelhafte Zustellungen zugegangen.

 

Der Bf hatte während des verfahrensgegenständlichen Zeitraums nie Probleme mit der Zustellung von Behördenschriftstücken.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den Aussagen der als Zeugin einvernommenen Postzustellerin und des Bf im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

Die Beschaffenheit der Postabgabeeinrichtung an der Wohnadresse des Bf ergibt sich übereinstimmend aus den Aussagen des Bf und der Zeugin. Auch der Umstand, dass sämtliche an den Bf adressierten Schriftstücke an seine Wohnadresse, x, zugestellt wurden (auch jene, die an x adressiert waren) ergibt sich übereinstimmend aus den Aussagen des Bf und der Zeugin: Diese Art der Zustellung sei nach Aussage des Bf „Hausbrauch“, und die Zeugin hat glaubhaft dargelegt, dass sie aufgrund ihrer Einschulung die an den Bf adressierten Schriftstücke stets in den Postkorb an seiner Wohnadresse eingelegt habe, wenn sie ihn nicht persönlich an der Adresse x angetroffen hat.

 

Der Aussage der Postzustellerin, die gesamte an den Bf adressierte Post sowie Hinterlegungsanzeigen in den am Privathaus des Bf angebrachten, für Postsendungen vorgesehenen Gitterkorb eingelegt zu haben, erschien schlüssig und glaubwürdig, zumal die Zeugin betonte, dass die gesamte Post stets sorgfältig vorsortiert war und sie sich immer an den „Hausbrauch“ gehalten habe, wonach die gesamte an den Bf adressierte Post – auch jene, die an
x adressiert war – in den Gitterkorb einzulegen sei. Ferner betonte die Zeugin, beim Einlegen der Post in den dafür vorgesehenen Korb immer besonders aufmerksam gewesen zu sein, um zu verhindern, dass Poststücke durch die Gitterstäbe aus dem Korb herausrutschen. Dass der Korb so beschaffen ist, dass Briefe durch die Gitterstäbe rutschen können, wurde vom Bf in seiner Aussage bestätigt.

 

Der Bf legte in der öffentlichen mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme einer Nachbarin vor, die ihre Erfahrungen mit der Postzustellung wiedergibt. An der Glaubwürdigkeit der Zeugin vermag die Stellungnahme der Nachbarin des Bf nichts zu ändern, da diese naturgemäß ausschließlich Wahrnehmungen betreffend ihre eigenen Postzustellungen, nicht aber betreffend die Postzustellungen an den Bf darlegen konnte. Darüber hinaus begründen sowohl die Nachbarin als auch der Bf selbst ihre Wahrnehmungen mit „mehrmaligen Wechseln“ in der Person des Postzustellers, wobei sich die Nachbarin erinnern könne, dass einmal eine weibliche Zustellerin zugeteilt gewesen sei, dann wieder ein Mann.

Dem steht die glaubwürdige Aussage der unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugin gegenüber, wonach sie von Mai 2013 bis August 2013 alleine für den Rayon zuständig, nie krank oder auf Urlaub gewesen sei. Dass die von der Nachbarin und vom Bf wahrgenommenen Personalwechsel im verfahrensgegenständlichen Zeitraum stattgefunden haben, ist demnach nicht schlüssig nachvollziehbar. Ferner gab die Zeugin an, selbst nie Beschwerden hinsichtlich fehlerhafter Postzustellungen und auch von der Zustellbasis nie Hinweise über Beschwerden erhalten zu haben.

In seinem schriftlichen Vorbringen brachte der Bf generell vor, selbst im verfahrensgegenständlichen Zeitraum keine Wahrnehmungen zu mangelhaften Zustellungen gemacht zu haben. Erst im Rahmen der Verhandlung schränkte er diese Aussage auf Behördenschriftstücke ein.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich sohin schlüssig aus dem Verwaltungsakt und den glaubwürdigen Aussagen der Zeugin und des Bf im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

 

III. Gemäß § 71 Abs 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

 

Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß Abs 2 binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

 

Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei gemäß Abs 3 die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

 

Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde gemäß Abs 4 berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1.1. Voraussetzung für die Wiederaufnahme gemäß § 71 AVG ist eine mängelfreie Zustellung, da für den Fall einer mangelhaften Zustellung diese unwirksam wäre und somit die gemäß § 71 Abs 1 AVG erforderliche Fristversäumung nicht eintreten könnte. Im Fall einer mangelhaften Zustellung wäre einem Wiedereinsetzungsantrag nicht Folge zu geben (vgl VwGH 21.7.2011, 2007/18/0827 mHa VwGH 3.4.2001, 95/08/0224 und VwGH 16.12.2009, 2009/12/0031).

 

Der Bf bringt in seiner Beschwerde vor, davon auszugehen, dass bereits die Zustellung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei, da es aufgrund von Personalkürzungen bei der Post immer wieder zu Wechseln in der Person des Briefträgers gekommen sei. Es sei – bei Nachbarn – öfters vorgekommen, dass Briefe nicht beim Empfänger eingelangt seien. Der Bf sei jedoch – zumindest im Hinblick auf Behördenschriftstücke, wie er erst in der öffentlichen mündlichen Verhandlung einschränkte – davon nicht betroffen gewesen.

 

Auf dem Rückschein der verfahrensgegenständlichen Strafverfügung ist vermerkt, dass am 5. Juli 2013 ein Zustellversuch unternommen und eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei und dass die Abholfrist mit 8. Juli 2013 beginne. Dieses vollständig ausgefüllte Formular 3/2 zu § 22 Zustellgesetz ist eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (vgl anstatt vieler: VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011).

 

Der Bf stellt das Vorliegen einer rechtswirksamen Zustellung in seiner Beschwerde mit der Begründung in Abrede, dass er keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden habe. Immer wieder hätten Wechsel in der Person des Briefträgers stattgefunden, und dadurch sei es bei Nachbarn bereits zu fehlerhaften Zustellungen gekommen. Er selbst sei davon allerdings hinsichtlich der Zustellung von Behördenschriftstücken nicht betroffen gewesen.

 

Eine Nachbarin des Bf äußerte sich im Rahmen einer Stellungnahme zu den Zustellproblemen wie folgt:

Es ist richtig, dass es in unserem Postzustellerbereich seit geraumer Zeit zu Problemen mit den Postzustellungen gekommen ist. Meiner Erinnerung nach begannen diese Problem im Mai 2013 und dauerten über mehrere Monate an. Es kam in diesem Zeitraum mehrfach zu Fehlzustellungen bzw. sind einzelne Briefe gar nicht zugestellt worden. Ich war von dieser Problematik selbst zweimal betroffen. Dass dieses Problem nicht nur mich betroffen hat, erfuhr ich von mehreren Nachbarn, bei denen ebenfalls Postsendungen nicht angekommen sind.

Nachdem mir Herr x bei einem Treffen von seinem Verfahren erzählt hat, schilderte ich ihm die obigen Probleme. Er bat mich daher, als Zeugin im Verfahren auszusagen.

Meines Erachtens sind die damaligen Probleme auf mehrmalige Wechsel in der Person des Postzustellers zurückzuführen. Namentlich kann ich mich natürlich nicht mehr an die einzelnen Zusteller erinnern, es war jedenfalls einmal eine weibliche Zustellerin in unserer Gegend zugeteilt, dann wieder eine männliche Person.“

 

Mit diesen Vorbringen vermag der Bf die Beurkundung über die erfolgte Hinterlegung eines Schriftstücks nicht zu widerlegen. Darin werden ausschließlich Wahrnehmungen einer anderen Person wiedergegeben, die zudem – wie unter II ausführlich dargelegt – aufgrund der glaubwürdigen Aussage der unter Wahrheitspflicht einvernommenen Zeugin nicht schlüssig erscheinen, zumal im in der Stellungnahme beschriebenen Zeitraum ausschließlich die Zeugin und keine andere Person für die Postzustellung zuständig war.

 

Wenn der Bf das Vorliegen einer rechtswirksamen Zustellung deswegen in Abrede stellt, weil es aufgrund von angeblichen Personalwechseln häufig zu Zustellproblemen gekommen sei, wobei ihm selbst hinsichtlich der Zustellung von Behördenschriftstücken keine Probleme bekannt seien, gelingt es ihm damit nicht, die Vermutung der Richtigkeit der öffentlichen Urkunde (Rückschein) zu widerlegen.

 

Vielmehr war – neben der Vermutung der Richtigkeit der öffentlichen Urkunde – den schlüssigen Zeugenaussagen der Postzustellerin Glauben zu schenken, die die Postabgabestelle exakt beschreiben konnte und glaubhaft versichern konnte, insbesondere aufgrund der Beschaffenheit des Postkorbs, stets mit besonderer Sorgfalt die gesamte Post des Bf – und somit auch die verfahrensgegenständliche Hinterlegungsverständigung – in den Postkorb des Bf eingelegt zu haben.

 

Es ist somit – aufgrund der vom Bf nur mit untauglichen Argumenten in Zweifel gezogenen Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde – von der rechtmäßigen Zustellung der verfahrensgegenständlichen Strafverfügung durch Hinterlegung auszugehen.

 

IV.1.2. Die verfahrensgegenständliche Strafverfügung wurde an den Bf,
x, adressiert. Wie unter I.4. festgestellt, ist der Bf an der benachbarten Adresse x, gemeldet. Aufgrund der glaubwürdigen Aussage der als Zeugin einvernommenen Postzustellerin und der Aussagen des Bf über den „Hausbrauch“ ergibt sich, dass die Postzustellerin sämtliche an den Bf adressierten Postsendungen an seine Privatadresse,
x zugestellt hat.

 

Eine Fehlbezeichnung der Abgabestelle, die infolge einer Verwechslungsmöglichkeit die Zustellung unwirksam machen würde, liegt so lange nicht vor, als sowohl der Zustellversuch an der richtigen Abgabestelle als auch die Hinterlegung bei zuständigen Postamt sichergestellt ist (vlg Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, S 1845). In seiner Entscheidung vom 22. Mai 1996, 92/14/0095, hat der Verwaltungsgerichtshof dazu Folgendes ausgeführt: „Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Zustellversuche (...) an der Adresse x erfolgten, und sich an dieser Adresse die Wohnung des Empfängers befindet. Die Zustellversuche erfolgten somit an einer nach dem Zustellgesetz zulässigen Abgabestelle. Dem Umstand, daß die Abgabenbehörde auf den Sendungen und den Rückscheinen die x angeführt hat, kommt im Hinblick darauf, daß dem Zusteller die richtige Anschrift des Empfängers bekannt war, und die Zustellversuche daher an dieser (richtigen) Adresse erfolgten, keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu.“

 

Im vorliegenden Fall wurden der Zustellversuch und die Abgabe der Hinterlegungsverständigung von der Postzustellerin an der tatsächlichen Wohnadresse des Bf vorgenommen, obwohl auf dem Rückschein des verfahrensgegenständlichen Schreibens die Adresse x, angeführt ist. Im Sinne der oben zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs kommt diesem Umstand keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu.

 

Die Voraussetzung der Fristversäumnis gemäß § 71 Abs 1 AVG liegt somit aufgrund der rechtmäßigen Zustellung der verfahrensgegenständlichen Strafverfügung vor.

 

IV.2. Im Folgenden ist zu prüfen, ob ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis die Einhaltung der Einspruchsfrist gegen die durch Hinterlegung am
8. Juli 2013 zugestellte Strafverfügung verhindert hat und den Bf daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

Die bloße Unkenntnis von der Zustellung der Strafverfügung kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, das den minderen Grad eines Versehens übersteigt. Es obliegt dem Bf, jene Umstände aus seinem persönlichen Lebensbereich darzulegen, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, dass er von einem in seine Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umstände keine Kenntnis erlangen konnte (vgl VwGH 21.7.2011, 2007/18/0827).

 

Der Bf bringt vor, er leere täglich seinen Postkorb, öffne jede Sendung unverzüglich und kontrolliere, ob nicht ein Schriftstück zwischen das Werbematerial gerutscht sei und verweist dabei auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach es sich um einen minderen Grad des Versehens handle, wenn die Partei trotz täglicher sorgfältiger Entleerung des Hausbriefkastens keine Hinterlegungsanzeige oder ähnliches vorgefunden hat.

 

Gemäß § 34 Abs 1 Postmarktgesetz, BGBl I Nr 123/2009, hat die Zustellung von Briefsendungen durch Einwurf in eine dafür vorgesehene Einrichtung oder durch persönliche Übergabe an die Empfängerin oder den Empfänger oder die Ersatzempfängerin oder den Ersatzempfänger zu erfolgen. Die Empfängerin oder der Empfänger hat sicherzustellen, dass eine geeignete und zugängliche Vorrichtung zur Zustellung von Briefsendungen (Hausbriefkasten) vorhanden ist.

Gemäß Abs 2 muss der Hausbriefkasten muss so beschaffen sein, dass

1. jedenfalls die Abgabe von Postsendungen (§ 3 Z 10), ausgenommen Paketsendungen, durch Zustellerinnen oder Zusteller von Postdiensten ohne Schwierigkeiten möglich ist

2. und die Postsendungen durch einen geeigneten Eingriffsschutz vor dem Zugriff Dritter geschützt sind.

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 11. August 2014 ist hervorgekommen, dass der Bf an seiner Wohnadresse im verfahrensgegenständlichen Zeitraum über keinen Hausbriefkasten verfügt hat. Vielmehr ist für die Postabgabe ein offener Gitterkorb an einer durch eine Mauer verdeckten Stelle des Wohnhauses angebracht gewesen, der nicht verschließbar war. Den übereinstimmenden Aussagen des Bf und der Postzustellerin zufolge war dieser Korb zwar – weil von einer Mauer verdeckt – nicht vollständig der Witterung ausgesetzt, jedoch konnte die Post von jedermann frei entnommen werden, da der Korb nicht verschließbar und auch das Grundstück des Bf nicht durch ein verschließbares Gartentor abgeschlossen war.

 

Durch diese Ausgestaltung der Abgabeeinrichtung hat der Bf in Kauf genommen, dass die dort – entsprechend dem „Hausbrauch“ – eingelegte Post anderen Personen frei zugänglich war. Es ist daher – insbesondere in Hinblick auf die Verpflichtungen des Bf nach § 34 Abs 1 und 2 Postmarktgesetz – nicht von einem bloß minderen Grad des Versehens auszugehen, dass der Bf von der in seine Gewahrsame gelangten Hinterlegungsverständigung keine Kenntnis erlangt hat, zumal seine Postabgabeeinrichtung nicht den Anforderungen eines Hausbriefkastens entsprach und er dies aufgrund von § 34 Abs 1 und 2 Postmarktgesetz zu verantworten hat.

 

IV.3. Darüber hinaus sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 2009, 20009/12/0031, Folgendes aus (Hervorhebungen nicht im Original): „Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Antrag Angaben über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass überdies anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechendes Vorbringen voraussetzt (vgl. auch hiezu das eben zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1999). In Anbetracht der in § 71 Abs. 2 AVG normierten Befristung des Wiedereinsetzungsantrages ist es jedenfalls unzulässig, diesbezügliche Angaben erst nach Ablauf dieser Frist nachzutragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2009, Zl. 2008/05/0208).

 

Diesem Konkretisierungsgebot entsprach das innerhalb der Frist für die Antragstellung auf Wiedereinsetzung allein erstattete Vorbringen in der Eingabe des Beschwerdeführers vom 20. Mai 2008 keinesfalls, beschränkte sich dieses doch - soweit überhaupt relevant - auf die bloße Tatsachenbehauptung, er habe keine Kenntnis von einer Hinterlegungsanzeige genommen, welche er mit der bloßen Rechtsbehauptung verband, ihn treffe kein oder allenfalls nur ein minderer Grad des Versehens.

 

Der Beschwerdeführer hat daher innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist kein substanziiertes Vorbringen dahingehend erstattet, welche Vorkehrungen er überhaupt getroffen hat, um Kenntnis von Hinterlegungsanzeigen betreffend behördlicher Schriftstücke überhaupt zu erlangen. Insbesondere fehlen im ursprünglichen Antrag jegliche Angaben darüber, durch wen und in welcher Frequenz im für die Zustellung maßgeblichen Zeitraum der Briefkasten überhaupt entleert wurde.

 

Wie bereits im bekämpften Bescheid festgestellt wurde, findet sich im rechtzeitigen Antrag des Bf auf Wiedereinsetzung vom 28. November 2013 lediglich die Behauptung, von der verfahrensgegenständlichen Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt zu haben.

 

Ferner führte der Bf an, nach der Übermittlung der verfahrensgegenständlichen Strafverfügung durch die belangte Behörde per E-Mail am 8. November 2013 rechtzeitig am 11. November 2013 Einspruch erhoben zu haben. Dies vermag aber keinen Wiedereinsetzungsabtrag zu begründen, zumal Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung die tatsächliche, unverschuldete Versäumung einer Frist ist.

 

Ansonsten enthielt der Antrag Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags, die damit begründet wurde, dass dem Bf aufgrund unvollständiger Angaben der belangten Behörde tatsächlich erst am
21. November 2013 bekannt geworden sei, dass sein Einspruch vom
11. November 2013 gegen die durch Hinterlegung am 8. Juli 2013 zugestellte Strafverfügung verfristet sei. Der Bf ging damit – zu Recht – davon aus, dass sein am 28. November 2013 gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung fristgerecht eingebracht wurde, zumal der Bf bis zum 21. November 2013 dem Irrtum unterlegen sei, sein Einspruch sei fristgerecht erstattet worden.

 

Es wurden im Antrag auf Wiedereinsetzung allerdings keine Vorbringen dahingehend erbracht, was der Bf üblicherweise unternimmt, um zu vermeiden, dass er von einem Schriftstück oder einer Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt. Gründe, warum die Unkenntnis von der Hinterlegungsanzeige nicht auf einem Verschulden des Bf beruhe, wurden nicht vorgebracht.

Erst in der Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid führte der Bf erstmalig aus, sein Postfach täglich zu leeren und jedes Schriftstück unverzüglich zu öffnen und zu kontrollieren, weshalb ihm lediglich ein minderer Grad des Versehens vorzuwerfen sei.

 

Im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist ein derartiges Vorbringen, das nicht bereits fristgerecht im Rahmen des Antrags auf Wiedereinsetzung erstattet wurde, unzulässig. Im Sinne der zitierten Judikatur wäre somit die Beschwerde des Bf selbst dann abzuweisen, wenn ihm tatsächlich bloß ein minderer Grad des Versehens vorzuwerfen wäre.

 

 

V. Da den Bf kein bloß minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruchs gegen die verfahrensgegenständliche Strafverfügung trifft und er darüber hinaus das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes im Verständnis des § 71 Abs 1 AVG nicht fristgerecht dargetan hat, war die Beschwerde abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. R e i t t e r