LVwG-840038/3/HW/TO/PP

Linz, 14.08.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Dr. Harald Wiesinger über den Antrag der x bestehend aus x, x, und x, x, vertreten durch x, Rechtsanwälte, x, x, vom 11. August 2014 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren des x, x betreffend das Vorhaben "x",

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Dem Antrag wird gemäß §§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutz­gesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, stattgegeben und der Auftraggeberin x, x, die Erteilung des Zuschlags im Vergabe­verfahren "x" bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 11. Oktober 2014, untersagt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Eingabe vom 11. August 2014 hat die x bestehend aus x (im Folgenden: Antrag­stellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die

Zu­schlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 3.000 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Auftrag­geberin ein Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung im Ober­schwellenbereich durchgeführt habe. Gegenstand des Verfahrens seien Planungs­leistungen betreffend die Ausarbeitung eines generellen Projekts für x (= Machbarkeits­studie). Die Bekanntmachung sei im EU-Amtsblatt vom x erfolgt. Die Frist für die Abgabe der Teilnehmeranträge habe am 28.4.2014, 11:00 Uhr geendet. Die Antragstellerin habe fristgerecht einen vollständigen Teilnehmer­antrag abgegeben.

 

Die Ausschreibungsunterlagen der zweiten Verfahrensstufe haben aus folgenden Unterlagen bestanden:

Ausschreibung Stufe 2 – Teil 1: Ausschreibungsgrundlagen

Ausschreibung Stufe 2 – Teil 2: Projekt- und Aufgabenbeschreibung

Ausschreibung Stufe 2 – Teil 3: Leistungsverzeichnis

sowie einem  zugehörigen Lageplan und einem geotechnischen Vorbericht.

 

Es gelte das Bestbieterprinzip. Neben dem Preis (Gewichtung von 70%) werde die Qualität in Form des Ergebnisses eines kommissionellen Hearing durch eine Jury bewertet (Gewichtung 30%).

 

Das gesamte Planungsgebiet sei in 3 Planungsabschnitte (3 Lose) aufgeteilt:

Los 1 – x

Los 2 – x

Los 3 – x

Die Bieter könnten sowohl einzelne Lose, als auch alle Lose anbieten. Die Vergabe sei gemäß Punkt 1.3.10 Teil 1 der Ausschreibung entweder eine Gesamtvergabe auf ein Angebot, das alle 3 Lose angeboten hat, oder als Teilvergabe auf eine Kombination von Angeboten, die für ein oder zwei Lose abgegeben wurden, vorgesehen. Eine Gesamtvergabe erfolge, wenn das Gesamtangebot um mindestens 10% besser sei als die Summe der besten Teilangebote.

 

Am 31.7.2014 sei die Zuschlagsentscheidung zugunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ergangen.

In der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung seien lediglich der Gesamtpreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowie die erreichte Punktezahl der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angegeben. Weitere Informationen im Sinne des § 131 BVergG habe die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung nicht enthalten. Insbesondere habe diese keine Begründung für die Punktevergabe enthalten und zudem sei das Ende der Stillhaltefrist unrichtig angegeben worden. Weiters sei nicht ersichtlich, ob die Zuschlagsentscheidung für ein, mehrere oder für alle Lose gelte.

Noch am Tag der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung (31.7.2014) habe die Antragstellerin die Mangelhaftigkeit der Zuschlagsentscheidung gerügt und um ergänzende Informationen ersucht. Auf dieses Ersuchen habe die Auftraggeberin nicht schriftlich reagiert. In einem Telefonat wurde jedoch bestätigt, dass das Angebot der Antragstellerin an zweiter Stelle gereiht sei.

 

Am 7.8.2014 habe die Antragstellerin die Auftraggeberin um Übermittlung der Niederschrift über die Prüfung ihres eigenen Angebots nach § 128 Abs. 3 BVergG ersucht. Diesem Ersuchen sei die Auftraggeberin nicht gesetzeskonform nach­gekommen. Telefonisch wurde mitgeteilt, dass es den Vergabebericht zum Zeit­punkt des Telefonates nicht gäbe, da sich dieser in Bearbeitung befinde.

 

Nach den Informationen der Antragstellerin entspreche das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht den Bestimmungen der Aus­schreibungs­unterlagen und sei daher auszuscheiden.

 

Gegen die gesondert anfechtbare Entscheidung „Zuschlagsentscheidung“ vom 31.7.2014 richte sich der Antrag auf Nichtigerklärung samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Von der Antragstellerin wurde ihr Interesse am Vertragsabschluss ausführlich geschildert und bekanntgegeben, dass Schäden aufgrund des entgangenen Gewinns, der bisher angelaufenen frustrierten Kosten und des Verlustes eines Referenzprojektes drohen würden.

 

Die Antragstellerin erachtet sich im Recht auf Durchführung eines rechts­konformen Vergabeverfahrens und auf Zuschlagserteilung verletzt.

 

Zu den Rechtswidrigkeitsgründen wurde von der Antragstellerin vorgebracht, dass die Zuschlagserteilung nicht den Form- und Inhaltserfordernissen nach § 131 BVergG entspreche, da die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung unvollständig sei, weil Gründe für die Ablehnung des Angebotes der Antrag­stellerin sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes nicht bekanntgegeben worden wären. Genannt worden seien lediglich der Gesamtpreis sowie die erreichte Punktezahl. Eine verbale Begründung der Bewertungs­kommission für die Punktevergabe fehle. Die bloße Angabe der Gesamt­punkteanzahl reiche nicht aus, um den Erfordernissen einer gesetzeskonformen Zuschlagsentscheidung iSd § 131 Abs. 1 BVergG gerecht zu werden. Da in den Ausschreibungsunterlagen an keiner Stelle festgelegt worden wäre, dass nur die bloße Mitteilung der Punktebewertung in der Zuschlagsentscheidung erfolge, sei diese daher aus diesem Grund mangelhaft und rechtswidrig.

Einen weiteren Verstoß gegen § 131 BVergG stelle der bekanntgegebene Termin für das Ende der Stillhaltefrist dar, da dieser Termin unrichtig angegeben worden wäre. Angegeben wurde, dass die Stillhaltefrist mit 10.8.2014, 24:00 Uhr ende. Jedoch ist dieser Tag ein Sonntag und dies widerspreche § 56 Abs. 6 BVergG.

Da kein Vergabebericht vorliege (laut telefonsicher Auskunft vom 8.8.2014), sei die Angebotsprüfung bei der Auftraggeberin trotz Mitteilung der Zuschlags­entscheidung noch gar nicht abgeschlossen. Zudem gehe aus der Zuschlags­entscheidung nicht hervor, welche Leistungsteile (Lose) betroffen seien. Es sei nicht klar, ob der Zuschlag hinsichtlich eines, zwei oder aller drei Lose erteilt wurde.

 

Die Antragstellerin hält zudem fest, dass nach der Rechtsprechung des Bundesvergabeamtes Mitglieder einer Bewertungskommission ihre Bewertung plausibel und nachvollziehbar verbal zu begründen haben (vgl. dazu Ent­scheidung des BVA vom 31.05.2011, Zl. N/0029-BVA/12/2011-22). Die Auftrag­geberin habe im Zuge der Bestbieterermittlung die Punktevergabe in keiner Weise begründet. Die vorgenommen Angebotsbewertung sei nicht transparent und daher nicht nachvollziehbar. Die durchgeführte Bewertung entspreche nicht den Vorgaben des Gesetzgebers und der Rechtsprechung.

Der Antragstellerin sei durch den Umstand, dass trotz Aufforderung vom 31.7.2014 und vom 7.8.2014 keine ergänzenden Unterlagen zur Bestbieter­ermittlung (Niederschrift über die Angebotsprüfung, Bewertungsprotokolle, etc.) übermittelt worden wären, die Einbringung des Nachprüfungsantrages wesentlich erschwert worden.

 

Es seien bei der Durchführung des gegenständlichen Vergabeverfahrens bei der Ermittlung des präsumtiven Bestbieters grobe Verfahrensmängel aufgetreten, die eine neuerliche Angebotsbewertung und Zuschlagsentscheidung zwingend nötig machen würden.

 

Nach neuerer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.11.2011, 2007/04/0201) haben Vergabekontrollbehörden bei komplexen Fragen – ent­scheidungsgegenständlich war die Preisangemessenheit – einen Sachver­ständigen mit der Prüfung zu beauftragen. Eine sachverständige Prüfung sei gegenständlich nicht erfolgt und sei somit gegen § 122 BVergG verstoßen worden.

 

Es wurden nur mit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ergänzende Preisver­handlungen nach Öffnen der Preisangebote geführt. Abgesehen davon, dass reine Preisverhandlungen unzulässig seien, sei in den Ausschreibungsunterlagen der zweiten Verfahrensstufe nicht festgelegt, dass nur mit dem vorläufigen Bestbieter weitere Verhandlungen geführt werden. Mangels entsprechender Festlegung in den Ausschreibungsunterlagen sei dieses Vorgehen unzulässig.

Mit der Antragstellerin sei – trotz Durchführung eines Verhandlungsverfahrens – keine verpflichtend durchzuführende Verhandlungsrunde gemäß den ein­schlägigen Bestimmungen des BVergG durchgeführt worden. Am 14.7.2014 habe lediglich ein „Aufklärungsgespräch“ stattgefunden. Jedoch war zu diesem Zeit­punkt die Angebotsprüfung des Erstangebotes noch nicht abgeschlossen.

 

Die Antragstellerin weist darauf hin, dass nach § 129 Abs. 1 Z 3 BVergG  Angebote auszuscheiden sind, die eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufweisen.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe einen Angebotspreis mit einer erheblichen Preisdifferenz zum Angebot der Antragstellerin angeboten. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass dieser Angebotspreis nicht kostendeckend sei und es sich daher um ein unterpreisiges Angebot handle. Aus Sicht der Antragstellerin sei der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbar. Bei einem derart niedrigen Angebotspreis sei davon auszugehen, dass in diesem Preis nicht alle direkt zuordenbaren Personal-, Regie- und sonstige Kosten enthalten seien und dass die Aufwands- und Verbrauchsansätze nicht nachvollziehbar seien.

Denkbar wäre, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin jedoch nicht das gesamte Leistungsspektrum angeboten hat.

Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre daher nach § 129
Abs. 1 Z 3 BVergG aufgrund eines nicht plausibel zusammengesetzten Angebots­preises auszuscheiden.

 

Zudem verfüge die präsumtive Zuschlagsempfängerin nach den Informationen der Antragstellerin nicht über die entsprechende Befugnis eines Ingenieur­konsulenten für Geologie, Ingenieurgeologie oder gleichwertig. Anhand der vorliegenden Angaben habe die präsumtive Zuschlagsempfängerin auch keinen entsprechenden Subunternehmer, der die fehlende Befugnis substituieren könnte, namhaft gemacht. Die Antragstellerin bringt zudem im Hinblick auf die technische Leistungsfähigkeit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vor, dass sie aufgrund ihrer Marktkenntnis davon ausgehe, dass der Projektleiter der präsumtiven Zuschlagsempfängerin kein Auswahlreferenzprojekt nach Punkt 11 der Bewerbungsunterlagen der ersten Stufe im Donaubereich vorweisen könne.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antrag­stellerin zunächst auf die Ausführungen im Hauptantrag. Hinsichtlich der Interessens­abwägung wurde ausgeführt, dass durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung keinerlei öffentliche Interessen oder Interessen der Auftraggeberin wesentlich beeinträchtigt oder gar verletzt werden würden.

Nach ständiger Rechtsprechung der Vergabekontrollbehörden sowie der Höchst­gerichte habe ein Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes auf die Möglichkeit der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens und daraus folgenden möglichen zeitlichen Verzögerungen Bedacht zu nehmen. Einer einstweiligen Verfügung würde kein besonderes Interesse der Auftraggeberin oder der Öffentlichkeit entgegenstehen.

 

Demgegenüber würde das Interesse der Antragstellerin stehen, wonach bei Aufrechterhaltung der Zuschlagserteilung sie in ihrem Recht auf Beteiligung an einem rechtskonformen Vergabeverfahren verletzt werde. Auch drohe Schaden durch den entgangenen Gewinn und des Verlustes eines Referenzprojektes.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat das x, x als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Von diesem wurde zum Antrag auf Erlassung der einst­weiligen Verfügung keine Stellungnahme abgegeben.

 

3.  Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch das Land. Das gegenständliche Nachprüfungs­verfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs. 1 leg.cit.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z 16 lit. a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 leg.cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art. 2 Abs. 4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art. 2 Abs. 5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechts­schutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftrags­vergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Ver­waltungs­verfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Landesver­waltungsgericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berück­sichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Ver­gabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsver­fahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren angefallen.

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen  durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Wiesinger