LVwG-750138/7/ER
Linz, 30.07.2014
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über den Devolutionsantrag (nunmehr Säumnisbeschwerde) des X alias X, geb. X alias X, StA von Israel alias Libanon, vertreten durch X, vom 11. Juni 2013 wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck bei der Entscheidung über eine Vorstellung,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG iVm § 8 VwGVG wird der Säumnisbeschwerde stattgegeben.
II. Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG iVm § 113 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl I Nr 38/2011, wird die Beschwerde gegen den Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 9. August 2011, Sich40-1315-2011, als unbegründet abgewiesen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Mandatsbescheid vom 24. Juni 2011, Sich40-1315-2011, wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck
1. Kosten der Vollziehung der Schubhaft für 35 Tage (von 26. Mai 2011 bis 29. Juni 2011) à 30,56 Euro, gesamt 1.069,60 Euro
2. Kosten für den Ankauf eines Flugtickets von Wien nach Madrid von 421 Euro
3. Dolmetschkosten anlässlich der Verhängung der Schubhaft von 29,40 Euro
4. Dolmetschkosten anlässlich einer psychiatrischen Behandlung vom 9. Juni 2011 von 22 Euro, sowie
5. Kosten für eine ärztliche Untersuchung vom 4. Juni 2011 von 102,10 Euro,
somit Gesamtkosten von 1.644,10 Euro zu ersetzen.
Gegen diesen Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 6. Juli 2011 durch seinen Rechtsvertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Vorstellung.
Mit wörtlich dem Mandatsbescheid vom 24. Juni 2011 gleichlautendem Mandatsbescheid vom 9. August 2011 wurde der Beschwerdeführer erneut verpflichtet, der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck Kosten der Vollziehung der Schubhaft, Kosten für den Ankauf eines Flugtickets, Dolmetschkosten sowie Kosten für eine ärztliche Untersuchung in Gesamthöhe von 1.644,10 Euro zu ersetzen.
Gegen diesen Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer erneut mit Schreiben vom 12. August 2011 durch seinen Rechtsvertreter das Rechtsmittel der Vorstellung mit folgender Begründung:
„Die gegenständliche Vorstellung richtet sich gegen die unter Punkt 1. des Mandatsbescheides angeführte Vorschreibung von Schubhaftvollzugskosten, weiters gegen die Vorschreibung der unter den Punkten 3. bis 5. angeführten Kosten (Dolmetschkosten anlässlich der Schubhaftverhängung, anlässlich einer psychiatrischen Behandlung und Untersuchungskosten).
Begründung
Die belangte Behörde stützt sich in der Begründung des bekämpften Bescheides auf die Bestimmungen der §§ 57 und 76 bis 78 AVG iVm § 113 Abs 1 und Abs 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) sowie auf die Verordnung des BM für Inneres zur Durchführung des FPG.
§ 113 Abs 1 FPG hält grundsätzlich fest, dass die Kosten der Vollziehung der Schubhaft vom betroffenen Fremden zu ersetzen sind. Darauf stützt sich die bescheiderlassende Behörde. Dabei übersieht sie allerdings, dass der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zufolge (vgl zu den weiteren Ausführungen jüngst VwGH 24.11.2009, 2008/21/0599) für die Vorschreibung von Schubhaftvollzugskosten das Vorliegen weiterer Voraussetzungen notwendig ist.
§ 79 Abs 4 FPG sieht vor, dass der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Inneres eine Hausordnung für die Durchführung der Schubhaft in den Hafträumen der Fremdenpolizeibehörden zu erlassen hat, worin Rechte und Pflichten der Häftlinge zu regeln sind. Diese Bestimmung stellt somit nunmehr die Rechtsgrundlage und Verordnungsermächtigung für die Erlassung der „Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Anhaltung von Menschen durch die Sicherheitsbehörden und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Anhalteordnung - AnhO)" dar (BGBl II 1999/128 idF BGBl II 2005/439), welche zunächst auf die entsprechende Verordnungsermächtigung des Fremdengesetzes 1997 gestützt war (siehe dazu Andre/Vogl, Kommentar zur Anhalteordnung, Anm 1 vor § 1).
§ 1 Abs 1 AnhO definiert den Anwendungsbereich dieser Verordnung und hält fest: ‚Diese Verordnung findet auf Menschen Anwendung, die angehalten werden, nachdem sie von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen worden sind oder im Haftraum einer Sicherheitsbehörde eine mit Bescheid angeordnete Haft angetreten haben (Häftlinge).‘
Personen, über die gem § 76 FPG die Schubhaft verhängt wird, sind Menschen, die im Haftraum einer Sicherheitsbehörde eine mit Bescheid angeordnete Haft angetreten haben, daher Häftlinge iSd § 1 Abs 1 AnhO und unterliegen als solche daher dem Anwendungsbereich der AnhO. Im konkreten Fall war daher auch der VW zum Zeitpunkt seiner Anhaltung in Schubhaft Häftling iSd § 1 Abs 1 AnhO.
Daher ist auch in gegenständlicher Angelegenheit die Bestimmung des § 16 AnhO zu beachten, die in Abs 1 vorsieht, dass jeder arbeitsfähige Häftling mit seiner Zustimmung zu Arbeiten im Behördenbereich herangezogen werden kann. § 16 Abs 2 AnhO legt dabei fest, dass die Arbeitsverrichtung ‚auf eigene Gefahr und, abgesehen von einer Zusatzverpflegung und vom Entfall der Vollzugskosten (§ 54d Abs 1 VStG), unentgeltlich‘ erfolgt. Die Häftlinge sind dieser Bestimmung zufolge hierüber vor Abgabe ihrer Zustimmung zu belehren.
Der Verweis in der genannten Bestimmung auf § 54d Abs 1 VStG muss richtig § 54d Abs 2 VStG lauten (siehe auch Andre/Vogl, AnhO, § 16, Anm 4), zumal nur Abs 2 der genannten Bestimmung den in § 16 Abs 2 AnhO zum Verweis gehörigen Umstand des Entfalls der Vollzugskosten betrifft. § 54d Abs 2 VStG hält zunächst im ersten Satz die grundsätzliche Verpflichtung des Häftlings zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Vollzuges fest. Im zweiten Satz leg cit wird festgelegt, wann diese grundsätzliche Verpflichtung entfällt. Die Bestimmung besagt wörtlich: ‚Eine solche Verpflichtung entfällt für jeden Tag, an dem der Häftling im Interesse einer Gebietskörperschaft nützliche Arbeit leistet, oder soweit ihn daran, dass er keine solche Arbeit leistet, weder ein vorsätzliches noch ein grob fahrlässiges Verschulden trifft.‘
Von Seiten der Bescheid erlassenden Behörde wurden aber keine Feststellungen dazu getroffen, warum der VW an den in Schubhaft verbrachten Tagen keine solche Arbeit geleistet hat bzw ob dem VW eine solche Arbeitsleistung im PAZ der BPD Wels überhaupt ermöglicht worden wäre. Zu einer solchen Arbeitsleistung wäre der VW jedenfalls bereit gewesen, sodass ihn an der Unterlassung der Arbeitsleistung kein Verschulden trifft.
Aus oben zitierten Rechtsvorschriften ergibt sich daher, dass gem § 16 AnhO iVm § 54d Abs 2 VStG die grundsätzliche Kostenersatzpflicht des VW entfällt, da ihn kein Verschulden daran trifft, während seiner Anhaltung keine nützliche Arbeit geleistet zu haben, zumal ihm eine solche Arbeitsleistung gar nicht ermöglicht worden ist.
Hinsichtlich der Kosten für die im Zusammenhang mit der Untersuchung am 04.06.2011 und der psychiatrischen Behandlung des VW am 09.06.2011 angefallenen Dolmetschkosten finden sich im angefochtenen Bescheid keinerlei Ausführungen zu deren Notwendigkeit und dem Grund der Veranlassung dieser Schritte.
Angesichts oben stehender Ausführungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, weshalb der VW beantragt, die Behörde möge binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung gemäß § 57 Abs 3 AVG ein Ermittlungsverfahren einleiten.“
Mit E-Mail vom 18. August 2011 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck das Polizeianhaltezentrum Wels um Auskunft, ob der Beschwerdeführer im Zeitraum der verhängten Schubhaft im Sinne der Anhalteordnung eine Arbeitswilligkeit bzw Arbeitsbereitschaft zeigte oder deklarierte.
Mit E-Mail vom selben Tag informierte das Polizeianhaltezentrum Wels die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck darüber, dass nicht angegeben werden könne, ob der Beschwerdeführer arbeitswillig gewesen sei, da diesbezügliche Aufzeichnungen nicht geführt würden.
Am 26. August 2011 wurde der Beschwerdeführer zur Vorstellung gegen den gegenständlichen Kostenbescheid ergänzend befragt. Dabei wurde ihm vorgehalten, dass er im Rahmen der Schubhaft darüber belehrt worden sei, dass er im Falle der Arbeitswilligkeit diese im Polizeianhaltezentrum zu bekunden habe, dies habe er nicht getan. Auf die Frage, ob er im Polizeianhaltezentrum arbeitswillig gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht ins Polizeianhaltezentrum gebracht werden wollte und es deswegen auch nicht eingesehen habe, warum er dort auch noch arbeiten solle.
I.2. Mit Schreiben vom 11. Juni 2013 stellte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter einen an die Landespolizeidirektion Oberösterreich gerichteten Devolutionsantrag, in dem er begründend ausführte, dass ihm mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 18. August 2011 mitgeteilt worden sei, dass aufgrund seiner Vorstellung vom 12. August 2011 das ordentliche Verfahren eingeleitet worden sei.
Mit E-Mail vom 3. Juli 2013 ersuchte die – zum damaligen Zeitpunkt zuständige – Landespolizeidirektion Oberösterreich die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck um Stellungnahme und Übermittlung des Verwaltungsakts.
Mit E-Mail vom 3. Juli 2013 teilte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck der Landespolizeidirektion Oberösterreich den Verfahrensgang mit und verwies darauf, dass der Beschwerdeführer mit Schubhaftbescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 26. Mai 2011 schriftlich und mittels Dolmetscher darauf hingewiesen worden sei, dass im Fall einer Arbeitswilligkeit eine solche zu bekunden sei. Werde keine Arbeitswilligkeit bekannt gegeben, werde davon ausgegangen, dass keine Arbeitswilligkeit vorliege.
Während der Schubhaft habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, eine psychiatrische Untersuchung zu wünschen, weswegen ein Facharzt und ein Dolmetscher beigezogen worden seien.
Die Verzögerung der Entscheidung sei durch Behördenverschulden eingetreten.
I.3. Mit Schreiben vom 26. Februar 2014 übermittelte die Landespolizeidirektion Oberösterreich dem Oö. Landesverwaltungsgericht den gegenständlichen Devolutionsantrag.
I.4. Mit Schreiben vom 8. Juli 2014 teilte der Beschwerdeführer dem Oö. Landesverwaltungsgericht durch seinen Rechtsvertreter mit, dass er den gegenständlichen Devolutionsantrag weiterhin aufrecht halte. Begründend führte er dazu im Wesentlichen aus, dass sich die angefochtene Vorschreibung der Schubhaftkosten im Lichte der einschlägigen Judikatur als rechtswidrig erweise. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hätte das ordentliche Verfahren einzuleiten gehabt, um eine Klärung der Angelegenheit zu ermöglichen. Dies sei jedoch von Seiten der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck unterblieben, was an der ungerechtfertigten und rechtswidrigen Vorschreibung der Schubhaftkosten nichts zu ändern vermöge.
I.5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt völlig unbestritten geklärt und bloß eine Rechtsfrage zu erörtern war. Darüber hinaus besteht kein darauf gerichteter Parteienantrag.
I.6. Für das Oö. Landesverwaltungsgericht steht folgender entscheidungsrelevanter S a c h v e r h a l t fest:
Über den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 26. Mai 2011, GZ Sich40-1315-2011, die Schubhaft verhängt. Dieser Bescheid enthält folgende Belehrung: „Sofern sie Arbeiten gem. §16 AhO verrichten wollen, haben sie dies der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck oder dem Leiter des Anhaltezentrums bekannt zu geben. Geben sie dazu keine Arbeitswilligkeit an den Leiter des Anhaltezentrums oder an die BH Vöcklabruck bekannt, wird davon ausgegangen, dass keine Arbeitswilligkeit vorliegt.“
Dieser Hinweis wurde dem Beschwerdeführer mittels Dolmetscher in seine Landessprache übersetzt.
Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer bekämpft, der Oö. Verwaltungssenat wies die Berufung gegen diesen Bescheid jedoch mit Erkenntnis vom 6. Juli 2011, VwSen-401116/9/Gf/Mu, ab.
Der Beschwerdeführer bekundete weder gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck noch gegenüber dem Leiter des Anhaltezentrums seine Arbeitswilligkeit.
Der Beschwerdeführer hat während der Schubhaft von 26. Mai 2011 bis 29. Juni 2011 keine Arbeiten verrichtet.
Der Tagessatz betrug im relevanten Zeitraum 30,56 Euro. Es entstanden dadurch Kosten zum Ersatz für die in der Zeit vom 26. Mai 2011 bist 29. Juni 2011 im Ausmaß von 35 Tagen zugebrachte Schubhaft in der Höhe von insgesamt 1.069,60 Euro. Am 4. Juni 2011 wurde der Beschwerdeführer ärztlich untersucht. Die Kosten für diese Untersuchung betrugen 102,10 Euro. Auf Wunsch des Beschwerdeführers wurde am 9. Juni 2011 eine psychiatrische Untersuchung durchgeführt. Für die Einvernahmen anlässlich der Schubhaft sowie für die psychiatrische Behandlung musste ein Dolmetscher herangezogen werden. Die Dolmetschkosten betrugen insgesamt 51,40 Euro.
Am 29. Juni 2011 wurde der Beschwerdeführer nach Spanien abgeschoben. Die Kosten für den Ankauf eines Flugtickets von Wien nach Madrid betrugen einschließlich der Kosten für die Flughafen- und Sicherheitsgebühren 421 Euro.
Die Gesamtkosten betrugen somit 1.644,10 Euro.
Mit E-Mail-Anfrage an das Polizeianhaltezentrum Wels betreffend die Arbeitswilligkeit des Beschwerdeführers während der Schubhaft vom 18. August 2011 leitete die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck das ordentliche Ermittlungsverfahren ein.
Aus Verschulden der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ist Säumnis bei der Entscheidung über die Vorstellung vom 12. August 2011 eingetreten.
II. Der festgestellte entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.
Dass der Beschwerdeführer nicht arbeitswillig war, ergibt sich zweifelsfrei aus der Niederschrift betreffend seine Befragung zur Vorstellung gegen den gegenständlichen Kostenbescheid, in der er unmissverständlich festgehalten hat, während des verfahrensgegenständlichen Schubhaftzeitraums nicht arbeitswillig gewesen zu sein. Aufgrund des Hinweises im Schubhaftbescheid, der dem Beschwerdeführer bei der Ausfolgung des Bescheides unter Beiziehung eines Dolmetschers zur Kenntnis gebracht wurde, wusste der Beschwerdeführer, dass er eine allfällige Arbeitswilligkeit der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck bzw dem Leiter des Anhaltezentrums bekanntzugeben gehabt hätte.
Dass Säumnis aus Verschulden der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eingetreten ist, steht zweifelsfrei aufgrund der diesbezüglichen Äußerung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gegenüber der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 3. Juli 2013 fest.
III.1. Gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG werden mit 1. Jänner 2014 die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, das Bundesvergabeamt und der unabhängige Finanzsenat (im Folgenden: unabhängige Verwaltungsbehörden) aufgelöst; ferner werden die in der Anlage genannten Verwaltungsbehörden (im Folgenden: sonstige unabhängige Verwaltungsbehörden) aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei diesen Behörden anhängigen Verfahren sowie der bei den Aufsichtsbehörden anhängigen Verfahren über Vorstellungen (Art 119a Abs 5) geht auf die Verwaltungsgerichte über; dies gilt auch für die bei sonstigen Behörden anhängigen Verfahren, in denen diese Behörden sachlich in Betracht kommende Oberbehörde oder im Instanzenzug übergeordnete Behörde sind, mit Ausnahme von Organen der Gemeinde.
Der Zuständigkeitsübergang soll sich dabei nicht nur auf Verfahren vor aufzulösenden Behörden beziehen, sondern alle Zuständigkeiten betreffen, die nach dem System der Verwaltungsgerichtsbarkeit von Verwaltungsgerichten wahrgenommen werden sollen (ErläutRV 1618 der Beilagen XXIV. GP, 21).
Im Sinne des Art 151 Abs 51 Z 8 Satz 2 B-VG in Verbindung mit Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG geht die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Säumnis einer Verwaltungsbehörde somit auf die Verwaltungsgerichte über. In diesem Sinne ist der verfahrensgegenständliche Devolutionsantrag als Säumnisbeschwerde gemäß § 8 VwGVG zu behandeln.
Als die Entscheidungspflicht im Wege der Devolution/Säumnisbeschwerde begründende Anbringen kommen Vorstellungen gegen Mandatsbescheide (VwGH 29.2.1984, 84/11/0032; VwGH 11.6.2003, 2003/10/0072) in Betracht, soweit nicht mangels Einleitung eines Ermittlungsverfahrens binnen der in § 57 Abs 3 AVG festgesetzten Frist der bekämpfte Mandatsbescheid ohnehin außer Kraft tritt (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, 2. Ausgabe 2014, § 73 Rz 8).
Wie unter I.6. festgestellt, wurde im gegenständlichen Verfahren das ordentliche Ermittlungsverfahren gemäß § 57 Abs 3 AVG fristgerecht am 18. August 2011 eingeleitet.
Im vorliegenden Fall ist aufgrund des zulässigen Devolutionsantrags wegen der verschuldeten Säumnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hinsichtlich des Vorstellungsverfahrens gegen einen Mandatsbescheid im Sinne des Art 151 Abs 51 Z 8 S 2 in Verbindung mit Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG die Entscheidungspflicht auf das Oö. Landesverwaltungsgericht übergegangen.
Auf Grund des durch den – als Säumnisbeschwerde iSd § 8 VwGVG zu behandelnden – zulässigen Devolutionsantrag bewirkten Zuständigkeitsübergangs wird das Oö. Landesverwaltungsgericht an Stelle der säumigen Behörde tätig. Es entscheidet funktionell in erster Instanz und nicht als Rechtsmittelinstanz (vgl Eder/Martschin/Schmid, Praxiskommentar zum VwGVG, § 28, K 28).
Im vorliegenden Fall hat das Oö. Landesverwaltungsgericht demnach über die Vorstellung vom 12. August 2011 zu entscheiden.
Prozessgegenstand des Vorstellungsverfahrens ist der Mandatsbescheid, der aufgrund der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids nach § 56 AVG bestehenden Sach- und Rechtslage in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen ist (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, 2. Ausgabe 2014, § 57 RZ 48).
Es ist daher das Fremdenpolizeigesetz in der Fassung des Bundesgesetzblatts BGBl I Nr 38/2011 heranzuziehen.
III.2. Gemäß § 113 Abs 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idF BGBl I Nr 38/2011 sind folgende Kosten, die der Behörde oder dem Bund entstehen, von dem Fremden zu ersetzen:
1. Kosten, die bei der Durchsetzung der Rückkehrentscheidung, der Ausweisung, des Aufenthaltsverbotes oder der Zurückschiebung entstehen,
2. Kosten der Vollziehung der Schubhaft,
3. Kosten, die als Aufwendungen für den Einsatz gelinderer Mittel anfallen,
4. Dolmetschkosten.
Gemäß § 19 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz-Durchführungsverordnung – FPG-DV, in der im entscheidungsrelevanten Zeitraum geltenden Fassung BGBl II Nr 204/2011, kommen als Kosten, die der Behörde oder dem Bund bei der Durchsetzung eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung oder Zurückschiebung oder bei der Vollziehung der Schubhaft entstehen (§ 113 Abs 1 FPG), insbesondere in Betracht:
1. Kosten für die Benützung von Verkehrsmittel (zB Bahn-, Bus- oder Flugticket);
2. Kosten für die Begleitung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes;
3. Kosten für medizinische Versorgung während der Schubhaft und
4. Kosten für Sachaufwendungen (zB Verpflegung).
Gemäß § 19 Abs 2 FPG-DV ist als Beitrag zu Kosten des Vollzuges der Schubhaft (§ 113 Abs 1 FPG) für jeden angefangenen Tag jener Betrag zu entrichten, den Verwaltungsverwahrungshäftlinge für den Vollzug von Verwaltungsfreiheitsstrafen zu entrichten haben. Als Beitrag zu den Kosten der Unterkunft in von der Behörde bestimmten Räumen ist für jeden angefangenen Tag jener Betrag zu entrichten, den die Behörde hiefür aufzuwenden hat.
Gemäß § 16 Abs 1 Anhalteordnung, BGBl II Nr 439/2005 kann jeder arbeitsfähige Häftling mit seiner Zustimmung zu Arbeiten im Behördenbereich (Hausarbeit) herangezogen werden. Bei der Zuweisung der Arbeit ist auf die Konstitution, das Alter, die Kenntnisse und Fähigkeiten sowie auf die Dauer der Anhaltung und das Verhalten in der Gemeinschaft angemessen Bedacht zu nehmen. Die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen sind zu beachten.
Gemäß Abs 2 erfolgt die Arbeitsverrichtung auf eigene Gefahr und, abgesehen von einer Zusatzverpflegung und vom Entfall der Vollzugskosten (§ 54d Abs 1 VStG), unentgeltlich. Die Häftlinge sind hierüber vor Abgabe ihrer Zustimmung zu belehren.
Gemäß § 54d Abs 1 VStG hat den Aufwand für den Vollzug von Freiheitsstrafen jene Gebietskörperschaft zu tragen, die Rechtsträger jener Einrichtung ist, in der die Freiheitsstrafen vollzogen werden.
Außer dem Fall des § 53d Abs 2 haben Häftlinge gemäß § 54d Abs 2 VStG für jeden Hafttag einen Beitrag zu den Kosten des Vollzuges in der im § 32 Abs 2 zweiter Fall des Strafvollzugsgesetzes vorgesehenen Höhe zu leisten. Eine solche Verpflichtung entfällt für jeden Tag, an dem der Häftling im Interesse einer Gebietskörperschaft nützliche Arbeit leistet, oder soweit ihn daran, dass er keine solche Arbeit leistet, weder ein vorsätzliches noch ein grob fahrlässiges Verschulden trifft.
IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
IV.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass über den Beschwerdeführer im hier relevanten Zeitraum von 26. Mai 2011 bis 29. Juni 2011 von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck Schubhaft verhängt worden war. Einer Berufung an den ehemaligen Oö. Verwaltungssenat wurde mit Erkenntnis vom 6. Juli 2011, VwSen-401116/9/Gf/Mu, keine Folge gegeben. Es ist demnach von der Rechtmäßigkeit und Tatsächlichkeit der durchgeführten Anhaltung auszugehen. Weiters sind der jeweilige Einsatz eines Dolmetschers und die ärztlichen Untersuchungen unbestritten.
In der Vorstellung vom 12. August 2011 bringt der Beschwerdeführer unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. November 2009, 2008/21/0599, vor, dass in gegenständlicher Angelegenheit die Bestimmungen des § 16 Anhalteordnung zu beachten seien, die in Abs 1 vorsähen, dass jeder arbeitsfähige Häftling mit seiner Zustimmung zu Arbeiten im Behördenbereich herangezugen werden könne. § 16 Abs 2 Anhalteordnung lege dabei fest, dass die Arbeitsverrichtung auf eigene Gefahr und, abgesehen von einer Zusatzverpflegung und vom Entfall der Vollzugskosten (§ 54d Abs 1 [richtig: Abs 2] VStG), unentgeltlich erfolge. Die Häftlinge seien dieser Bestimmung zufolge hierüber vor Abgabe ihrer Zustimmung zu belehren.
Der Beschwerdeführer bringt vor, dass sich aus § 16 Abs 2 Anhalteordnung iVm § 54d Abs 2 VStG ergebe, dass seine Kostenersatzpflicht entfalle, da ihn kein Verschulden daran treffe, während seiner Anhaltung keine nützliche Arbeit geleistet zu haben, zumal ihm eine solche Arbeitsleistung gar nicht ermöglicht worden sei.
Gemäß § 113 FPG iVm § 19 FPG-DV und § 54d Abs 2 VStG ist vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs in diesem Zusammenhang von Relevanz, ob dem Beschwerdeführer an der Nichterbringung einer im Interesse einer Gebietskörperschaft nützlichen Arbeitsleistung ein Verschulden in der Form der groben Fahrlässigkeit bzw des Vorsatzes trifft (siehe statt vieler VwGH vom 17. Oktober 2013, Zl 2012/21/0220).
Da nun der Beschwerdeführer nach Aufklärung darüber, dass er, sofern er Arbeiten gem § 16 Anhalteordnung verrichten wolle, dies der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck oder dem Leiter des Anhaltezentrums bekanntzugeben habe, kann zumindest von grober Fahrlässigkeit hinsichtlich der Verhinderung der Arbeitsmöglichkeit ausgegangen werden. Dass der Beschwerdeführer tatsächlich im entscheidungsrelevanten Zeitraum nicht arbeitswillig war, ergibt sich zweifelsfrei aus seiner Aussage vom 26. August 2011. Das Verhalten des Beschwerdeführers stellt sich im Vergleich zu einem einsichtigen und besonnenen Menschen aus dem Verkehrskreis des Beschwerdeführers (ausgestattet mit dessen Sonderwissen = Belehrung) als erheblich dar.
IV. 2. Gemäß § 113 Abs 1 Z 2 FPG hat der Fremde Kosten der Vollziehung der Schubhaft zu ersetzen. Gemäß § 19 FPG-DV fallen darunter Kosten für die Benützung von Verkehrsmitteln (zB Bahn-, Bus- oder Flugticket), Kosten für die Begleitung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Kosten für medizinische Versorgung während der Schubhaft und Kosten für Sachaufwendungen (zB Verpflegung).
Die von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vorgeschriebenen Kosten der Vollziehung der Schubhaft von 1.069,60 Euro, die – ohnehin unbestritten gebliebenen – Kosten für den Ankauf des Flugtickets von 421 Euro und die Kosten für die ärztliche Untersuchung während der Schubhaft von 102,10 Euro sind somit unter § 113 Abs 1 Z 2 FPG zu subsumieren und daher vom Beschwerdeführer zu ersetzen.
Gemäß § 113 Abs 4 Z 4 FPG hat der Fremde ferner Dolmetschkosten zu ersetzen. Es kann kein Zweifel bestehen, dass nur "notwendige Kosten" zu ersetzen sind. Bei Beurteilung der Frage, welche Maßnahmen zur Durchführung einer Abschiebung erforderlich sind, sodass sich die dabei angefallenen Kosten in diesem Sinn als "notwendig" erweisen, kommt der Behörde aber ein weiter Spielraum zu (vgl VwGH vom 20.11.2008, 2007/21/0488).
Der Beschwerdeführer bringt in seiner Vorstellung vor, dass sich im bekämpften Bescheid keine Ausführungen zur Notwendigkeit der Dolmetschkosten finden würden.
Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl VwGH vom 24.11.2009, 2008/21/0599) zeigt die Beschwerde mit diesem Vorbringen keine Überschreitung des weiten Spielraumes auf, den § 113 Abs 1 FPG der Behörde bei der Beurteilung der Frage der Notwendigkeit einer Kosten verursachenden Handlung einräumt (vgl VwGH vom 20. November 2008, 2007/21/0488). Im Hinblick auf die Beiziehung eines Dolmetschers im Asylverfahren und das Unterbleiben des rechtzeitig erstatteten Vorbringens des Beschwerdeführers betreffend alternative Verständigungsmöglichkeiten, die gegebenenfalls die Beiziehung eines amtlichen Dolmetschers entbehrlich gemacht hätten, ist die Befassung – und damit die Notwendigkeit einer Honorierung – eines Dolmetschers im vorliegenden fremdenpolizeilichen Verfahren nicht zu beanstanden. Für das Erfordernis von Erhebungen hinsichtlich alternativer Verständigungsmöglichkeiten bestanden keine ausreichenden aktenkundigen Anhaltspunkte.
V. Daraus folgt im Ergebnis, dass das Beschwerdevorbringen nicht zum Erfolg führen kann. Es war daher im Ergebnis der mit Vorstellung bekämpfte Mandatsbescheid zu bestätigen.
VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil zur Frage, wie mit einem Devolutionsantrag im Zusammenhang mit dem Übergang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz zu verfahren ist, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehlt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. R e i t t e r