LVwG-600304/9/Py/BD/CG
Linz, 25.07.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn x, vertreten durch Mag. x, Rechtsabteilung des x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 31. März 2014, GZ: VerkR96-2332-2012, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung (StVO), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2014
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die zu Spruchpunkt a) verhängte Geldstrafe auf 200 Euro (EFS 60 Stunden) und die zu Spruchpunkt b) verhängte Geldstrafe auf 150 Euro (EFS 50 Stunden) herabgesetzt wird. Im Übrigen wird der Beschwerde keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren. Der Kostenbeitrag für das Verfahren vor der belangten Behörde wird gemäß § 38 VwGVG iVm § 64 Abs. 2 VStG auf 35 Euro, das sind 10% der nunmehr verhängten Geldstrafen, herabgesetzt.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 31. März 2014, VerkR96-2332-2012, wurden über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit.a iVm § 99 Abs. 2 lit.a und § 4 Abs. 5 iVm § 99 Abs. 3 lit.b StVO Geldstrafen von 250 Euro (EFS 72 Stunden) zu Spruchpunkt a) von 200 Euro (ESF 60 Stunden) zu Spruchpunkt b) verhängt.
Im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses wird dem Bf zur Last gelegt, er habe am 4.11.2012 um 14:10 Uhr in der Gemeinde Hofkirchen im Mühlkreis auf der L 584 Falkensteinstraße, Fahrtrichtung Hofkirchen im Mühlkreis, bei Strkm 17500 als Lenker des LKWs mit dem behördlichen Kennzeichen x mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe a) sein Fahrzeug nicht sofort angehalten und b) nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt.
In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass unter Zugrundelegung der schlüssigen Angaben des Meldungslegers, der Aussagen des einvernommenen Zeugen und des eingeholten technischen Sachverständigengutachtens der Beschuldigte die Streifung am „Mopedauto“ bei entsprechender Aufmerksamkeit optisch über den rechten Außenspiegel als auch als Streifgeräusch hätte wahrnehmen müssen.
Zur Strafbemessung wird angeführt, dass nach den Umständen der Tat eine fahrlässige Handlungsweise zu unterstellen ist, somit das Verschulden nicht als geringfügig bezeichnet werden kann, strafmildernde – oder erschwerende Gründe waren nicht zu werten und wurden die angegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Bf berücksichtigt.
2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Beschwerde vom 23. April 2014. Darin wird zusammengefasst vorgebracht, dass bei einem Überholvorgang die Aufmerksamkeit nach vorne gerichtet ist und nur bei Beginn des Überholvorganges auf den geeigneten Seitenabstand. Zudem wird während des Überholvorganges kurzfristig stark beschleunigt, was eine Erhöhung der Drehzahl und eine außerordentlich starke Geräuschentwicklung zur Folge habe. Im Sinne des Vertrauensgrundsatzes könne überdies davon ausgegangen werden, dass während des vom Bf durchgeführten Überholvorgangs nicht der Überholte selbst einen solchen beginnt und liegen zudem zwei völlig unterschiedlich gebaute Fahrzeuge vor, wodurch auch gänzlich unterschiedliche Wahrnehmbarkeiten gegeben seien.
3. Mit Schreiben vom 25. April 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Dieses ist gemäß § 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen.
4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2014. An dieser nahmen die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teil. In der ömV erstattete der verkehrstechnische Amtssachverständige sein Gutachten das anschließend mit den Verfahrensparteien erörtert wurde.
4.1. Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens geht das Landesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:
Am 4. November 2012 gegen 14:10 Uhr überholte der Bf auf der Falkensteinstraße in der Gemeinde Hofkirchen im Mühlkreis in Fahrtrichtung Hofkirchen im Mühlkreis etwa bei Strkm 17500 ein vierrädriges Leicht-KFZ und eine Kutsche. Im Zuge des Überholmanövers kam es zu einem Zusammenstoß zwischen dem vom Bf gelenkten LKW Opel x mit dem behördlichen Kennzeichen x und dem vierrädrigen Leichtkraftfahrzeug x mit dem polizeilichen Kennzeichen x. Dieser zeichnete sich am Wagen des Bf im Bereich des vorderen rechten Rades bzw. der vorderen rechten Tür durch Streifspuren an der Karosserie ab. Zudem ist bei diesem Kontakt ein kleiner Teil der Seitenleiste des Opels abgebrochen. Das Ausbrechen dieses Teils der Seitenleiste verursacht ein atypisches Knackgeräusch, das aufgrund des unterschiedlichen Frequenzbereiches gut vom Beschleunigungsgeräusch des Klein-LKW unterschieden werden kann. Das Fahrzeug des Bf ist serienmäßig mit einem geteilten rechten Außenspiegel ausgerüstet, wobei der obere Teil für die Fernbetrachtung und der untere Teil für die Nahbetrachtung konzipiert ist. Bei der Anstoßsituation war das Mopedauto für den Bf durch den rechten Außenspiegel, speziell den unteren Teil sowie durch einen Blick über das Seitenfenster erkennbar. Nachdem das Knackgeräusch und der wahrnehmbar geringe Abstand zeitgleich aufgetreten sind, war die Möglichkeit einer Fahrzeugberührung vom Lenkerplatz aus nicht sicher auszuschließen und hätte der Bf bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall wahrnehmen müssen.
4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere den Angaben der Meldungsleger in der Anzeige vom 13. November 2012 sowie dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2014.
5. Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
5.1. Gemäß § 4 Abs. 1 lit.a Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159/1960 idgF haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken sofort anzuhalten.
Gemäß § 4 Abs. 5 1. Satz StVO haben die im Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen.
Gemäß § 99 Abs. 2 lit.a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2.180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen zu bestrafen, der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbei holt oder nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit.b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis 726 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs. 2 lit.a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalls nicht Hilfe leistet.
5.2. Seitens des Bf wurde nicht bestritten, dass er als Lenker des gegenständlichen Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand, sein Fahrzeug nicht sofort angehalten hat und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt hat. Der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist daher als erfüllt zu werten.
6. Der Bf bestreitet jedoch sein Verschulden an den ihm zur Last gelegten Übertretungen mit dem Vorbringen, er habe den Verkehrsunfall nicht wahrnehmen können.
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen konnte der Bf nicht glaubwürdig darlegen, dass er sich entsprechend sorgfältig verhalten hat und ihm am Zustandekommen der Verwaltungsübertretungen kein Verschulden trifft. Wie dem schlüssigen Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen zweifelsfrei entnommen werden kann, war das - durch den Kontakt der beiden Fahrzeuge hervorgerufene – Ausbrechen der Seitenleiste bei gehöriger Aufmerksamkeit für den Bf wahrnehmbar und unterschied sich die Situation somit von einem üblichen Überholmanöver. Ein Blick durch das rechte Seitenfenster und den rechten Außenspiegel hätte ergeben, dass die Möglichkeit einer Fahrzeugberührung aufgrund des geringen Seitenabstandes nicht sicher ausgeschlossen werden kann.
Dem Bf sind die gegenständlichen Übertretungen daher auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen.
7. Gemäß § 19 Abs.1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung der Entscheidung so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.
Von der belangten Behörde wurden – unter Berücksichtigung der Einkommens- und Familienverhältnisse des Bf – Geldstrafen in Höhe von 250 Euro (Spruchpunkt a) bzw. 200 Euro (Spruchpunkt b) verhängt. Strafmildernde bzw. straferschwerende Gründe wurden nicht gewertet. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass dem Bf seine verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zugute kommt. Das Oö. Landesverwaltungsgericht sieht sich daher veranlasst, die von der belangten Behörde verhängten Strafen entsprechend herabzusetzen und erscheinen die über ihn nunmehr verhängten Strafen dem Unrechts- und Schuldgehalt angemessen und gerechtfertigt. Die Anwendung des § 20 VStG scheidet mangels Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe jedoch ebenso wie ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG aus, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht vorliegen. Das tatbildmäßige Verhalten des Bf blieb nicht erheblich hinter dem in den gegenständlichen Strafdrohungen typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurück und kann auch nicht von unbedeutenden Folgen der Tat ausgegangen werden.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
II. Der Kostenausspruch ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr.in Andrea Panny